Testbericht: ERICA SYNTHS ACIDBOX II – From Latvija with Love

Der kleine baltische EU-Staat Latvija, bei uns eher als Lettland bekannt, zählt zu den Ländern, die ich bisher noch niemals besucht habe und über das ich kaum etwas weiß, mal abgesehen von seiner geografischen Lage und vom Namen der Hauptstadt, der Riga lautet. Und eben auch in Riga ist ein kleiner Hersteller namens ERICA SYNTHS beheimatet, über dessen Produkte ich in den vergangenen Monaten vereinzelt schon kurz in unseren Audio-News berichtet hatte.

Nachdem ich hier in den vergangenen Monaten ja sozusagen eine kleine Trilogie der virtuellen Monosynths abgehandelt habe (DAGGER, MONIQUE und ABL3), bin ich ganz erfreut darüber, mit einem Stück richtiger Hardware zum Anfassen mal wieder ein wenig Abwechslung in mein Testlabor zu bekommen.

Eigentlich hat ERICA SYNTHS sich ja vorrangig auf Module und Zubehör für das beliebte Eurorack-Format spezialisiert, und wer sich mal im Portfolio des Herstellers umschaut, dem implantieren sich sehr leicht Wunschphantasien in den Kopf bezüglich großer, schrankwandartiger Modulsysteme (oder vielen kleinen…). Doch darüber hinaus hat ERICA SYNTHS noch einige autarke Gerätschaften im Angebot, darunter auch die hier nun zum Test vorliegende ACIDBOX II.

ERICA SYNTHS ACIDBOX II
ERICA SYNTHS ACIDBOX II

Dieser Name könnte nun möglicherweise zu dem Schluß verleiten, dass es sich dabei um einen weiteren Klon der TB-303 handelt, doch dies ist mitnichten der Fall, um dies mal gleich zu Beginn aufzuklären. Die ACIDBOX II stellt zwar tatsächlich die Emulation eines alten analogen Recken dar, oder besser gesagt einer seiner maßgeblichen Klangkomponenten, doch dreht es sich diesmal nicht schon wieder um einen Ami oder einen Japanesen, nein, wir schweifen heute einmal dorthin, wo einst der russische Bär steppte.

Beim Stichwort „klassische Analogsynthesizer“ kommen dem geneigten Elektromusikanten vermutlich ja zunächst einmal die üblichen Verdächtigen in den Sinn, also die bekannten und begehrten Boliden aus Amiland (MOOG, ARP, OBERHEIM und SCI) oder Nippon (ROLAND, KORG, YAMAHA…), danach vielleicht auch noch ein paar Geräte aus europäischer Produktion, wie die von EMS, EDP, OSC oder ELKA.

Der Name POLIVOKS hingegen fällt in diesem Zusammenhang doch eher seltener, was in erster Linie darin begründet sein dürfte, dass dieser von 1982 bis 1990 hergestellte Synthesizer aus der ehemaligen UDSSR stammt und während seiner Produktionsphase nie in den offiziellen Export gelangte, so dass er hier in unseren westlichen Gefilden erst nach dem Fall des eisernen Vorhangs und nach der Einstellung seiner Produktion zumindest auf dem Second-Hand-Markt auftauchte, obgleich auch nur eher selten. Dieser auch gerne als die sowjetische Antwort auf den MINIMOOG beschriebene Analogsynthie sorgte bereits optisch durch seinen Military-Look und durch seine kyrillische Parameterbeschriftung für ein wenig russische Exotik. Aber auch klanglich ist beim POLIVOKS eher ein rauer Taigawind angesagt, als denn ein wohlfeiler Edelklang für zartsinnige Schöngeister. Insbesondere das eigenwillige 2-Pol-Filter mit seinem bisweilen brachialen, aber dennoch musikalischen Verhalten trug maßgeblich zum etwas aggressiven Grundklang bei.

Genau um den Letzteren, besser gesagt um seinen Nachbau, geht es bei der ACIDBOX II, stellt sie doch eine teils mit Originalbauteilen bestückte Emulation des POLIVOKS-Filters dar, ergänzt um einige clevere wie praktische Features, etwa einem LFO, einem Rauschgenerator und noch so manchem mehr.

Exo-Skelett…

Die ACIDBOX II ist in ein stabiles, pultförmiges Metallgehäuse gehüllt, das mit 18,5cm x 14cm x 5,5cm recht handlich ist, ohne dabei zu klein geraten zu sein, die Maße sind also genau richtig. Die kultig aussehenden Drehknöpfe und Schalter, die ein bischen so wirken, als hätten sie sich einst an dem Steuerpult eines russischen U-Boots oder an der Schalttafel des Tschernobyl-Reaktors befunden, sind ebenfalls von angenehmer Größe und weisen ausreichend Abstand voneinander auf, um auch von kräftigeren Pranken mit Wurstfingern bedient werden zu können. Neben dem lustigen ERICA SYNTHS-Logo weist die Oberfläche auch ein dezent-spaciges Wellenmuster auf, augenscheinlich eine Lasergravur. Nett.

ERICA SYNTHS ACIDBOX II - Bedienoberflaeche
ERICA SYNTHS ACIDBOX II – Bedienoberfläche

Die Bedienelemente sind schön griffig und leichtgängig, zudem hat ERICA SYNTHS die Anordnung ausgesprochen ergonomisch gestaltet, so dass man die Bedienung schon nach wenigen Minuten so weit verinnerlicht hat, dass eine Fehlbedienung wohl nur unter dem Einfluss hinschädigender Alkoholpegel auftreten dürfte. Durch ihr symmetrisches. Design ist die ACIDBOX II sowohl für Rechts- als auch für Linkshänder gleichermaßen gut zu bedienen. Zwei der Regler des LFO haben ihre Grundstellung in der 12-Uhr-Position, diese weisen zwar keine Mittenrasterung auf, aber deren Regelweg ist so großzügig gewählt, dass es keinerlei Problem darstellt, oben genannte Grundstellung genau zu treffen.

Die Verarbeitung wirkt hochwertig und grundsolide, es gibt keine scharfen Ecken und Kanten, an denen man sich die Pelle aufschlitzen könnte, die Klinkenbuchsen sind fest am Gehäuse verschraubt, und die Potis wackeln nicht auch nur einen Nanometer auf ihren Achsen herum. Lediglich die Plastiküberkappen über den beiden Kippschaltern wiesen ein minimales Spiel auf (nicht jedoch die eigentlichen Schalter die sich darunter befinden!), im weiteren Testverlauf stellte dies allerdings zu keinem Zeitpunkt ein Problem dar, es sind tatsächlich nur die Schalterabdeckungen. Insgesamt dürfte die ACIDBOX II damit also auch einen rauen Bühnenalltag problemlos wegstecken. An den Kopf möchte ich das Teil mit seinem Gewicht von 700 Gramm jedenfalls niemals geworfen bekommen… 😉

Saft erhält die ACIDBOX II über ein externes Steckernetzteil, das ist zwar nicht jedermanns Sache, bietet aber dafür die Vorteile, dass die Produktionskosten geringer gehalten werden können, dass das Gerät überall auf der Erde betrieben werden kann und vor allem auch, dass es dadurch zu keinen etwaigen Einstreuungen auf das Audiosignal kommen kann, wie etwa bei einem internen Netzteil. Darüber hinaus lässt sich so ein Steckernetzteil bei einem eventuellen Defekt leicht und billig ausstauschen. Bei dem von ERICA SYNTHS mitgeliefertem Exemplar war mir persönlich allerdings die Zuleitung etwas zu kurz, da ich meine Lust hatte, nun extra eine Verlängerungsleitung anszuschließen, habe ich einfach ein gleichwertiges Netzteil aus meinem Fundus zum Test verwendet (12 Volt Gleichspannung, 1,5 A, Hohlstecker 5,5mm/2,1mm), was problemlos funktionierte. Auf der Rückseite der ACIDBOX II befindet sich übrigens ein separater Ein-/Ausschalter, man muss also nicht jedesmal erst den Stecker herein- und herausfriemeln, wie bei so manch anderen Gerätschaften.

ERICA SYNTHS ACIDBOX II - Rueckseite
ERICA SYNTHS ACIDBOX II – Rückseite

Die bereits erwähnten Klinkenbuchsen, vier an der Zahl, sind allesamt im 6,3mmm-Format ausgeführt, auch die Beiden, die für den LFO-SYNC und den Steuerspannungseingang abkommandiert sind. Zum Anschluss von üblichen Eurorack-Komponenten bzw. von Zuspielern wie dem BeatStep PRO oder dem MicroBrute von ARTURIA, die dazu alle mit 3,5mm Klinkenbuchsen bestückt sind, benötigt man also noch entsprechende Adapter (erhält man etwa bei POLLIN für ein paar Cent…), was bei diesen reinen Steuersignalen auch keine klanglichen Nachteile mit sich bringt. Dafür sind diese großen Buchsen auch deutlich stabiler, als so eine Miniklinkenausführung. Ach ja, der Audioausgang ist übrigens symmetrisch ausgeführt, auf eine DI-Box kann somit verzichtet werden, was den Anschluß in einer professionellen Arbeitsumgebung sicherlich deutlich erleichtert.

Radierer und Anspitzer…

Entgegen der bei uns üblichen Sehgewohnheiten, bewegen wir uns heute mal von rechts nach links über die Bedienoberfläche, denn der wichtigste Bestandteil der ACIDBOX II befindet sich eben nun mal auf der rechten Seite, nämlich die Filter-Sektion. Es ist der erwähnte Nachbau eines POLIVOKS-Filters mit 12 dB pro Oktave Flankensteilheit, der per Kippschalter wahlweise als Tiefpass- oder als Bandpassfilfer (LPF/BPF) werken kann, wie beim Original. Original sind ebenfalls die verbauten ICs/Operationsverstärker aus vergangener russischer Produktion (die dürften vermutlich daher irgendwann einmal nicht mehr verfügbar sein…), die schon beim POLIVOKS zum Einsatz kamen.

Das Filter kann, zumindest im Tieffpass-Modus, komplett öffnen und schließen, ein Signal also bei Bedarf vollständig ausradieren. Bei einem voll geöffneten Tieffpassfilter konnte ich subjektiv keinen klanglichen Unterschied zum Bypass-Modus feststellen, in welchen ebenfalls mittels Kippschalter gewechselt werden kann. Es wäre in dieser Hinsicht mal ganz interessant, ob ein Mensch mit einem weitaus jüngeren Paar Ohren als meinen hier die gleiche Wahrnehmung aufweist wie meine alten Lauschlappen… 😉

ERICA SYNTHS ACIDBOX II - Filter
ERICA SYNTHS ACIDBOX II – Filter

Ins Auge des Betrachters sticht natürlich der große Drehknopf oben rechts, der die manuelle Änderung der Filter-Grenzfrequenz, gemeinhin auch als Cutoff bekannt, erlaubt. Dieser ist aufgrund seiner breiten Fingermulden ungemein griffig ist, da er recht leichtgängig und ungerastert agiert, sind gleichermaßen sehr feinfühlige Einstellungen und rasante Sweeps über das gesamte Frequenzspektrum möglich.

Neben dieser manuellen Kontrolle der Filterfrequenz steht auch eine Automatisierung via LFO-Sektion (dazu komme ich noch…) sowie durch eine Steuerspannung (beispielsweise von einem Synthesizer/Modulsystem oder einem Sequencer), die dazu dann am Klinkeeingang mit der Beschriftung CTRL. IN anliegen muss. Im Test mit einem ARTURIA BeatStep PRO funktionierte dies einwandfrei. Da diese CV-Steuerung darüber hinaus dem bekannten 1V/Oktave-Standard folgt, sind bei Selbstresonanz des Filters sogar exakt spielbare Tonfolgen möglich. Der Einfluss der Steuerspannung kann übrigens mittels eines separaten Potis eingestellt werden (EXT CTRL. LEVEL). Vielleicht würde sich manch einer ja auch noch einen CV-In für die Resonanz wünschen, doch schließlich ist die ACIDBOX II kein Modulsystem, und wer sich nach so etwas sehnt, der möge doch einmal ausgiebig auf der Webseite von ERICA SYNTHS im reichhaltigen Angebot stöbern und dabei feuchte Hände bekommen! Wer will, kann sich dort sogar eine komplette POLIVOKS-Emulation und noch so allerlei mehr fürs Eurorack zusammenstellen.

Der etwas kleinere, aber ebenso händelbare Regler links unterhalb des Cutoff-Reglers ist für die Resonanz zuständig, und so viel sei vorweg gesagt, dieser Regler ist bei der ACIDBOX II mindestens ebenso wichtig, denn dieser Parameter ist ein kleines Biest für sich. Er ermöglicht es nämlich, das gefilterte Audiosignal regelrecht anzuspitzen, und dies in einem sehr weiten Regelbereich. Bei geringen bis moderaten Einstellungen, also ungefähr bis zur Reglerposition 3, wird das Audiomaterial nur dezent gewürzt. Wenn man dann allmählich die höheren Gefilde erreicht, so bis kurz vor der Selbstoszillation, die sich erst ab der Reglerstellung 6 manifestiert, dann wird das Filter dem Namen ACIDBOX tatsächlich durchaus gerecht, denn es sägt und säbelt herrlich am Klang herum, echter Edeldreck vom feinsten! Natürlich klingt es jetzt nicht etwa wie eine Kopie der ROLAND TB-303, aber das tut ein KORG MS-20 oder MONOTRON ebenfalls nicht, genauso wenig wie ein GAKKEN SX-150, dennoch lässt sich mit alle den Genannten vorzüglich Acid-Gezwitscher und -Gezirpe erzeugen, wenn man sich einmal vom, zugegebenermaßen stilprägenden, Übermachtsstatus der 303-Klischees zu lösen vermag.

Genauso verhält es sich auch mit der ACIDBOX II, allerdings mit dem gehörigen Unterschied, dass es sich hierbei primär um einen Effekt, denn einem vollständigen Klangerzeuger handelt, so dass es natürlich darauf ankommt, was genau man denn durch das Filter jagt. Nichtsdestotrotz kann die ACIDBOX II auch als eigenständiger, wenn auch nur rudimentärer Klangerzeuger dienen. Dazu trägt unter anderem die im letzten Segment der Reglerstellung einsetzende Selbstozillation bei, durch die das Filter selbst zum Schwingkreis mutiert und die hier höchst analog und non-linear zutage tritt.

Brav klingt diese POLIVOKS-Nachahmung jedenfalls überhaupt nicht, statt samtigen Südstaaten-Whisky mit Soda gibt’s hier ordenlich Russen-Vodka pur in den Hals gekippt, und zwar so lange, bis ein herzhafter Tinnitus eintritt! Nicht umsonst mahnt ERICA SYNTHS im Beipackzettel dazu an, die eigenen Ohren, die Nachbarn und auch die Monitor-Boxen im Bewußtsein zu behalten, denn wer nicht gerade darauf aus ist, sämtliche menschlichen und tierischen Lebewesen mit funktionierender Schallwahrnehmung vom Grundstück fernzuhalten, oder wer der Ehefrau keinen plausiblen Grund für einen dringend erforderlichen Kauf neuer Lautsprecher vorweisen muss, dem sei geraten, die Abhör- und Aufnahmepegel entsprechend niedrig einzustellen, und auch ein nachgeschalteter Limiter kann hier bisweilen von großem Nutzen sein.

Die letzten beiden Drehregler auf der rechten Seite sind schnell erklärt: Während INPUT LEVEL einfach der Justage der Eingangslautstärke dient (Linepegel bis 20V PTP), regelt man mit NOISE LEVEL die Lautstärke des eingebauten Rauschgenerators, zu dem ich gleich noch was schreibe.

Noch etwas zu den beiden Filtertypen Tiefpass und Bandpass. Ersteres liefert einen deutlich lauteren Ausgangspegel als sein Bandpass-Kollege, was verständlich ist, da es den Bassanteil des Signals ja auch bei hohen Grenzfrequenzen durchlässt, während das Bandpassfilter dann tiefe Frequenzanteile auszudünnen vermag. Erfreulich finde ich auch, dass das Tiefpassfilter bei zunehmender Resonanz nicht den Bass kastriert, so wie es bei manchen Filterschaltungen der Fall ist. Bei der ACIDBOX II wird der Bass durch die Resonanz sogar noch angenehm betont, und erst mit der Selbstozillation wird ihm dann schließlich abrupt die Gurgel zugedreht.

Bandpass und Tiefpass ergänzen sich toll, und je nach zugefüttertem Eingangsmaterial und Anwendungsgebiet, klingt mal der eine und mal der andere besser! Der Bandpass ist schön knackig und macht sich sehr gut insbesondere bei Modulation durch den LFO und/oder bei einer Stimmenbearbeitung. Insgesamt beherbergt die ACIDBOX II ein tolles Filter mit ordentlich eigenem Charakter!

Schleudertrauma…

Auf der linken Seite finden wir die Drehregler des LFO (der übrigens nur auf den Cutoff einwirken kann), diesmal in spiegebildlicher Anordnung zu denen des Filters. Auch hier gibt es zuoberst wieder einen extragroßen Drehregler (LFO SPEED), dieser ist für die Einstellung des Grundtempos per Hand zuständig. Die daneben befindliche LED bietet dazu ein optisches Feedback. Der Regler darunter, MULTIPLIER genannt, erlaubt darüber hinaus eine weitere manuelle Beschleunigung oder auch Verlangsamung der LFO-Geschwindigkeit bis auf das Vierfache, bzw. bis auf ein Viertel des Grundtempos.

ERICA SYNTHS ACIDBOX II - LFO
ERICA SYNTHS ACIDBOX II – LFO

Über die Klinkenbuchse mit der Beschriftung LFO SYNC. IN kann man die Geschwindigkeit auch mittels eines anliegenden Clock-Signals steuern, etwa durch einen Sequencer oder durch eine Drum-Machine. Im Test funktionierte dies mit einer vom BeatStep PRO ausgesandten Clock wie geschmiert, wenn ich am Tempo-Regler des BeatStep PRO die Geschwindigkeit veränderte, folgte der LFO der ACIDBOX II jeweils brav mit. Eine zusätzliche Möglichkeit der Tempo-Steuerung schließlich besteht in dem kleinen Taster ganz unten (TAP TEMPO), der ebenfalls über eine eigene LED zur Kontrolle verfügt. Mit ihm lässt sich das LFO-Tempo per Fingerdruck à la Beatcounter nach Gehör synchronisieren.

Der Bereich, in dem der LFO schwingen kann, beträgt 0,1Hz bis 60Hz, reicht also von sehr langsamen Sweeps bis hin zu schnellem Geblubber, zumindest im normalen Modus. Hält man nämlich den gerade erwähnten TAP TEMPO-Taster für einige Sekunden gedrückt, bis die LED zur Bestätigung einmal kurz aufblinkt, dann schaltet der LFO in den Audio-Modus (ähnlich wie beim DOEPFER MS-404), seine Schwingungsfrequenz lässt sich dann in einem Bereich von 20Hz bis 620Hz einstellen, womit der LFO dann eigentlich gar keiner mehr ist, denn er schwingt ja nun überwiegend in einem vom menschlichen Ohr wahnehmbaren Spektrum und mutiert somit zu einem normalen Oszillator, der das Filter frequenzmoduliert. Klanglich lässt sich damit eine überaus reiche Ernte einfahren. Das fängt mit leichten bis moderaten Verzerrungen an, die sich je nach Audiomaterial schon ziemlich cool anhören, beispielsweise habe ich damit Sprachsignale wortwörtlich im Handumdrehen in Stimmen verwandelt, die frappierend denen der diverser Droiden und Aliens aus den Klon- und Sternenkriegen ähnelten, insbesondere bei Verwendung des Bandpassfilters. Dreht man das Tempo noch weiter auf, lassen sich an Ringmodulatoren oder Kurzwellenradios erinnerende Effekte erzeugen, und bei Rechtsanschlag des Geschwindigkeitsreglers kann man das Signal bei Bedarf auch bis zur Unkenntlichkeit verwüsten. Jede auch nur noch so geringste Bewegung der Regler erzeugt eine neue Klangvariation, eben typisch analog!

Die ACIDBOX II bietet eine großzügige Auswahl an modulierenden Wellenformen (LFO SHAPE), neben Sinus/Dreieck, Sägezahn und Rechteck finden sich hier auch eine feste ADSR-Hüllkurve sowie eine Zufallswellenform, die Letztere mutiert im Audio-Modus zu einem Rauschen. Da die Modulationstiefe des LFO über einen eigenen Regler (LFO LEVEL) sowohl positive als auch negative Werte annehmen kann, stehen die genannten Wellenformen somit auch in ihrer invertierten Version zur Verfügung, was jeweils klanglich hörbare Unterschiede hervorbringt. Im Audio-Modus vermag man sogar die verschiedenen Wellenformen des LFO als eigenen Ton wahrzunehmen, logisch, so ist das eben bei einem schnell schwingenden Oszillator.

Zusammengefasst lässt der LFO der ACIDBOX II kaum Wünsche offen, er stellt sogar so manchen schlappen Vertreter in ausgewachsenen Synthesizern in den Schatten! ERICA SYNTHS bietet gegen einen Aufpreis von 20,- Euro übrigens auch eine Version der ACIDBOX II an, bei welcher der LFO über eine zusätzliche Ausgangsbuchse zur Modulation externen Equipments herangezogen werden kann. Das mir zur Verfügung gestellte Testgerät besaß diese Option bedauerlicherweise nicht, denn nur zu gerne hätte ich mit dem LFO der ACIDBOX II einmal dem ARTURIA MicroBrute zünftig auf die Sprünge geholfen, der ja ebenfalls nicht gerade über den vielseitigsten Niederfrequenzoszillator verfügt.

An dieser Stelle kann ich daher jedem Kaufinteressenten der ACIDBOX II, der noch über weitere analoge Gerätschaften mit Steuerspannungseingängen verfügt (oder sich solche künftig einmal anzuschaffen gedenkt), nur dringend dazu raten, den popeligen Zwannie für diesen LFO-Ausgang gleich mit rüberwachsen zu lassen und hier nicht etwa am falschen Ende zu sparen, um sich dann später darüber zu ärgern!

Rauschangriff…

Weiter oben hatte ich bereits den eingebauten Rauschgenerator erwähnt, neben der Filter-Selbstoszillation und dem LFO im Audio-Modus eine dritte mögliche Quelle, um der ACIDBOX II eigene Klänge ohne ein anliegendes externes Signal zu entlocken. Das stufenlos beimischbare weiße Rauschen kann zusammen mit dem Filter und dem LFO sowohl für typische Space-, UFO und Raumschiff-Effekte herhalten, die dann herrlich nach klassichen Sci-Fi-Filmen klingen, als auch für überaus abstrakte Athmosphären.

Aber auch „analoges Wetter“ inklusive Wind, Regen, Sturm und Wellen gelingt damit hervorragend, bei mir wurden hier sofort nostalgische Erinnerungen an alte Hörspielkassetten aus vergangenen Kindheitstagen wach! Doch auch jenseits solcher Vintage-Assoziationen kann ich mir sehr gut vorstellen, dass man damit, als Sample festgehalten und mit den heutigen Möglichkeiten entsprechend weiterverarbeitet, tolle Soundscapes mit einem gewissen Hyperrealismus für Film- und Videospielproduktionen kreieren kann!

Ein weiteres Anwendungsfeld für den Rauschgenerator ist das Aufpeppen langweiliger Drumioops, hier genügen im Zusammenspiel mit dem (synchronisierten…) LFO häufig schon kleinste Beimengungen, um mehr Leben in die Bude zu bringen.

Und nicht zuletzt ist auch der Rauschgenerator wieder eine willkommene Erweiterung für Synthesizer, denen zwar ein solcher abgeht, die aber zumindest mit einem Eingang für externe Klangquellen ausgerüstet sind, als Beispiel sei hier einmal mehr der vorhin schon genannte MicroBrute erwähnt.

Eine wirklich gute Sache also, dieser kleine Rauschemann!

Held der Arbeit…

Wer hören will, muss fühlen! Gemäß diesem alten Musikantensprichwort bin ich auch an die ACIDBOX II herangegangen und habe mal munter ein paar Klangbeispiele für Euch zusammengeschraubt, die Euch die speziellen klanglichen Eigenschaften der kleinen Säureschachtel hoffentlich näher zu bringen vermögen.

In Beispiel 1 daddelt ein monotoner Bass aus einem VST-Plugin (dessen eigenes Filter voll geöffnet ist…) stur auf einer Note vor sich hin, denn er soll Euch ja nicht vom Klang der ACIDBOX II ablenken, sondern nur als zu formender Tonklumpen herhalten. Zunächst hört Ihr ein paar Takte mit dem Filter im Bypass-Modus, dann schalte ich das Tiefpassfilter ein (Cutoff auf Maximum, Resonanz auf Minimum) und drehe die Filterfrequenz allmählich herunter bis auf Minimum, anschließend fahre ich sie wieder hoch bis zur Mittelstellung und lasse langsam die Resonanz dazukommen, bis kurz vor die Selbstozillation. Nun spiele ich noch ein wenig mit dem Cuttoff herum, schalte dann in den Bandpassmodus (Resonanz wieder auf Null…) und wiederhole mehr oder weniger das Spielchen von gerade (Filtersweep, Resonanz hochdrehen und Fummeln am Cutoff…). Besonders mit dem Bandpassfilter bei hohen Resonanzeinstellungen kann die Box für meinen Geschmack tatsächlich schon ziemlich acid-mäßig klingen!

Beispiel 2 besteht aus einem einfachen, statischen Bassloop, der diesmal dem digitalen Synth des NOVATION CIRCUIT entspringt. Erst wieder pur, dann mit der ACIDBOX II bearbeitet. Das Knistern, dass gegen Ende mal auftauscht, ist übrigens der Rauschgenerator und nicht etwa ein defektes Kabel… 😉

Auch der nächste Synthloop stammt ebenfalls vom CIRCUIT. Hierbei kommt insbesondere auch der LFO im Audio-Modus, der das ursprünglich reichlich sterile Digitalgebimmel mal gehörig mit der Flex bearbeitet und anschließend ausgiebig in Salzsäure badet…

Und noch einmal hört Ihr den CIRCUIT als Klangquelle, diesmal mit einem Drumloop, der in seiner unbearbeiteten Form kaum langweiliger sein könnte. Darum jagen wir ihn jetzt erst einmal durch die ACIDBOX II, spielen am Filter und am LFO herum und fügen schließlich auch noch eine ordentliche Portion weißes Rauschen hinzu.

Wie ich weiter oben schon niederschrieb, kann man mit der ACIDBOX II auch sehr schöne Stimmverfemdungen erzeugen, wenn man den Audio-Modus zusammen mit dem Bandpassfilter einsetzt. Beim nächsten Klangbeispiel habe ich ein synthetisches Sprachsignal verwendet, bei dem ich die LFO-Geschwindigkeit immer weiter anhebe, bis sich die Stimme anhört, als hätte sie mit verstrahlter Batteriesäure gegurgelt. Wer genau hinhört, als Modulationswelle habe ich einen invertierten Sägezahn genommen, wer genau hinhört, kann ihn bei den höheren Frequenzen sogar identifizieren.

Für das sechste Beispiel habe ich die ACIDBOX II mit keinerlei externen Signalen gefüttert, sondern allein ihre internen Klangerzeugungsquellen, also Rauschen, Selbstoszillation des Filters sowie den teils im Audio-Bereich schwingenden LFO. Auch das oben angesprochene „Analog-Wetter“ ist mit von der Partie, bis das Ganze zunehmend in die Richtung Reaktor-Störfall und Gehirnwaschmaschine abdriftet. Passt also bitte auf Eure Boxen, Ohren und Brillengläser auf!

Beim siebten und letzten Klangbeispiel habe ich länger überlegt, ob ich es Euch überhaupt zumuten soll. Es war eines meiner ersten spontanen Klangexperimente während des Tests, das ich mitgeschnitten hatte. Es ist dabei völlig konzeptlos und noch weniger von irgendeinem musikalischen Wert, sonderm in Prinzip so etwas wie ältere Maxi-Version des vorangegangenen Beispiels. Mit gut 6 Minuten werden darüber hinaus des Zuhörers Geduld und Nervenkostüm nicht unbeträchtlich auf die Probe gestellt. Aus dokumentarischen Gründen habe ich mich aber dann doch noch dazu entschlossen, dieses Klangbeispiel ebenfalls hochzuladen, denn abseits irgendwelcher ästhetischer und künstlerischer Belange präsentiert es doch recht gut den typischen Eigenklang der ACIDBOX II sowie deren Variationsspektrum. Auch hier gilt wieder mehr denn je: Dreht die Lautstärke bloß nicht zu weit auf!

Fazit:

„Latvija: Douze points d’Allemagne – Twelve points from Germany!“ Volltreffer, ERICA SYNTHS, das hab Ihr gut gemacht!

Auf den ersten Blick mag die ACIDBOX II vielleicht wie ein One-Trick-Pony wirken, doch dieser vorschnelle Eindruck täuscht gewaltig, denn ihre Anwendungsmöglichkeiten erstrecken sich über ein so weites Feld, dass auch die mögliche Zielgruppe für dieses Gerät ausgesprochen heterogen ausfallen dürfte.

Die eingefleischten Analogfetischisten und Sammler werden die ACIDBOX II sowieso lieben, keine Frage! Kreative DJs, die ihre Sets nicht nur via Beatmatch- und Playlist-Automatik abdudeln (und dann peinlicherweise immer genau bei den Track-Übergängen mit beiden Armen in der Luft herumwedeln…), sollten ebenfalls einmal einen Blick und zwei Ohren auf dieses Teil werden.

Auch Sounddesigner werden ihre Freude an der Blechschachtel haben, sie ist nämlich eine ergiebige Ausgangsbasis für Klangexperimente, sowohl als Effektgerät für externe Signale, als auch im Sinne einer autarken Noisebox ähnlich einem MONOTRON (die ACIDBOX II bewegt sich hier allerdings auf einem weitaus professionelleren Niveau, als die billigen KORG-Brüder, sowohl von der Fertigungsqualität und den Anschlüssen, als auch vom Grundrauschen u.ä. her!).

Denjenigen, die vorwiegend mit digitalem (oder wie ich mit hybridem) Equipment arbeiten, insbesondere den DAW- und Plugin-Jüngern, sei die ACIDBOX II einmal ans Herz und ans Ohr gelegt, denn trotz aller Fortschritte bei den Plugins, die ja tatsächlich immer besser werden, ist der Klang hier, verglichen selbst mit den besseren Vertretern, nochmals höher aufgelöst, edel-dreckiger und einfach analoger (logisch, das…), oder meinetwegen auch „stofflicher“, wie der Reviewer-Kollege eines bekannten Musiker-Magazins das in solchen Fällen gerne auszudrücken pflegt, nicht wahr, Mr. Sparebird…? 😉

Da ich mich etwas schwierig tue, derartige Klangfeinheiten in adäquate Worte zu fassen, möchte ich an dieser Stelle einen (wie immer hinkenden) Vergleich anführen: Wenn es sich hierbei um Fernsehgeräte handeln würde, dann wären herkömmliche Plugins wie eine alte HD-Ready-Möhre mit Leutschtspur, bessere Plugins wären eher wie ein Full-HD-Fernseher, und die aktuellen Top-Plugins stellten in einem solchen Fall dann einen ganz modernen 3D-UHD-TV dar. Die ACIDBOX II hingegen verhielte sich wiederum dazu, wie die reale Szene vor Ort beim Dreh…

Schlappen Samples, Loops oder VA-Synths kann man mit der ACIDBOX II zu ordentlich analogem Speck an den Rippen verhelfen, von ihrer klinischen Sterilität befreien oder auch einmal komplett durch die Mangel drehen. Das POLIVOKS-Filter geht hier recht herzhaft bis frech zur Sache, was es wohltuend von so manchem hier doch eher nüchternen Neo-Analogen abhebt, und der flexible LFO mit seinem Turbo-Schalter punktet ebenfalls durch sehr markante Klangformungsmögichkeiten.

Alles in allem ist mir dieses Gesamtpaket wieder einmal einen verdienten BuenasIdeas-Tip wert, zumal mein einziger Kritikpunkt, nämlich die mir rein persänlich etwas zu kurz geratene Netzteilzuleitung, im Grunde genommen „peanuts“ ist!

Die ACIDBOX II lässt sich direkt bei ERIKA SYNTHS online beziehen, sie kostet in der mir vorliegenden Standardversion, also ohne zusätzlichem LFO-Out, moderate 255,- Euro (ohne MwSt. und zuzüglich Versandkosten), was ich angesichts der mehr als robusten Qualität und der Fertigung in nur kleiner Serie sowie des tollen Sounds als angemessen betrachte, im Vergleich zu anderem hochwertigem (!) Analog-Equipment, das nicht vom Fließband stammt, erscheint die ACIDBOX II mir sogar eigentlich ziemlich günstig.

Wie ich schon weiter oben schrieb, empfehle ich unbedingt die Version der ACIDBOX II mit bereits eingebautem LFO-Ausgang für 275,- Euro (netto) zu ordern, sofern man auch nur über irgendein Stück Equipment verfügt, dass über entsprechende Modulationseingänge verfügt (Stichwort MicroBrute…), der zusätzliche Zwannie ist dann gut angelegt!

Ach ja, wer den Versand aus Lettland scheuen sollte (völlig zu Unrecht übrigens, denn obwohl ERICA SYNTHS für das Testgerät eine voraussichtliche Versanddauer von etwa ein bis zwei Wochen prognostiziert hatte, traf dieses bereits nach gerade mal zwei Tagen bei mir in Deutschland ein, oftmals dauert ein rein innderdeutscher Versand da ja schon länger!), der kann die ACIDBOX II auch beim renommierten Berliner Analog-Feinkosthändler SchneidersLaden erwerben (299,- Euro inkl. MwSt für die Standardversion).

buenasideas-Tipp

Positives:

+ toller, charaktervoller Analogklang mit vielen Nuancen
+ hervorragende und stabile Verarbeitung
+ ergonomisches Design
+ flexibler LFO
+ Audio-Modus ermöglicht Filter-FM
+ eingebauter Rauschgenerator
+ Nutzung als autarke Noisebox möglich
+ CV-Eingang für Filter-Cutoff
+ Sync-Möglichkeiten
+ symmetrischer Audioausgang

Negatives:

Netzteilkabel könnte etwas länger sein (kein wirkliches Problem…)

Produktwebseite: http://www.ericasynths.lv/en/shop/standalone-instruments-1/acidboxii-polivoks-vcf-emulation/

Direkter Link zur ACIDBOX II bei SchneidersLaden: http://www.schneidersladen.de/de/erica-synths-acidbox.html

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