Flinke Finger – Testbericht „Fingerpick“ von Realitone für Kontakt 5

Ein Testbericht von Klaus Feurich

Und noch ne Gitarrenlibrary für Kontakt. Puh… Muss das sein?! Hat doch NI auch gerade erst wieder eine veröffentlicht. Und jetzt Mike von Realitone auch noch. Na da springt das Testerherz ja wieder mal vor Freude…

Halt! Stopp! Irgendwas ist anders… Ganz entschieden anders!

Die meisten Libraries auf dem Gebiet der akustischen Gitarre, wie auch die „Strummed Guitar“ von NI selber, bieten Saitengeschrubbel an. Oder eben viele einzelne Töne, die man nur mit ein wenig Übung in korrekt klingende Gitarrenspuren verwandeln kann. Aber „Fingerpick“ von Realitone bietet eben, wie der Name schon vermuten lässt, Fingerpicking. Also eine mit den Fingern gezupfte Gitarre. Mit einem eingebautem Gitarristen, äh, Patternplayer. Das verdient einen genaueren Blick auf diese Library.

„Fingerpick“

„Fingerpick“ ist eine lizensierte Kontakt Library. Das heißt, es reicht wieder einmal der Kontakt Player, der natürlich auch wieder direkt mitgeliefert wird. Die Library ist relativ schlank und belegt nur 1,1 GB auf der Studiofestplatte. In der Library gibt es tatsächlich nur ein Instrument. Aber glaubt mir, mehr braucht man hier auch nicht. Dieses einzige Instrument (nki) ist dabei auch sehr schlank und hat nur einen RAM Bedarf von 95 MB. Entsprechend gering ist auch die CPU Last bei Verwendung.

Das Instrument selber ist eine mit Metallsaiten bestückte Westerngitarre. Wobei man mit einem Häkchen aus dem 6-saitigen Standardmodell schnell ein 12-saitiges Exemplar gemacht hat.

Hauptbestandteil ist sicherlich der über Keyswitches steuerbare Patternplayer. Insgesamt 29 verschiedene Pattern stehen zur Verfügung. Jeweils 12 davon können frei auf die Keyswitches verteilt werden. Dazu gibt es noch 5 verschiedene Endpattern.

Abgerundet wird das Ganze noch von einem rudimentären Halleffekt.

Einzustellen gibt es eigentlich nicht viel bei dieser Library. Das Meiste ergibt sich sicher schon aus den beiden Abbildungen.

Die Gitarre – ohne Gitarrist

Natürlich bietet auch Fingerpick einen Single Note Modus. Und auch den auch gar nicht mal schlecht. Gerade durch das Auto Legato werden innerhalb von 2 Halbtönen hammer-ons oder –offs erzeugt, wie das ein Gitarrist im Solospiel auch machen würde. Aber ganz ehrlich, den Single Note Mode betrachte ich tatsächlich fast eher als Zugabe dieser Library, den der eigentliche Haupteinsatz ist das Picking mit dem Patternplayer. Und dazu komme ich jetzt:

Der Gitarrist – der integrierte Patternplayer

29 verschiedene Pattern beherrscht unser Gitarrist. Und er kennt viiiiiiiiiiiiiiiele Akkorde. Nämlich ganz genau 148 Akkorde. Zumindest erkennt das Skript so viele automatisch.

Wie geht das? Nun, das Skript ist in der Lage aus drei oder vier gespielten Tasten einen Akkord zu erkennen und diesen in der korrekten Intonation und vor allem auch auf den korrekten Saiten zu spielen. Dabei wird der erkannte Akkord auch in einem Info Fenster angezeigt.

Es ist also im Gegensatz zu „single note libraries“ nicht notwendig, sich erst damit auseinanderzusetzen, welche saitenkorrekte Note man jetzt spielen muss. Das macht der Patternplayer! Und dadurch klingt das auch sehr authentisch. Einziger Haken: man muss halt im Timing sehr exakt arbeiten, sonst versemmelt man den Akkordwechsel. Zumindest wenn man live spielt. Arbeitet man mit einer DAW ist es aber sogar möglich, den zuletzt gespielten Akkord mitsamt dem verwendeten Pattern per Drag and Drop als Midispur in die DAW zu übertragen.

Abgesehen von den verschiedenen Pattern lässt sich unser virtueller Gitarrist auch noch in Timing, ungleichmäßiger „Zupfstärke“ und Swing beeinflussen.

Auch sehr praktisch: per Capo lässt sich die gesamte Gitarre transponieren. Man kann also in seiner bevorzugten Tonart auf der Keyboardtastatur spielen und die passende Tonart der Gitarre einfach durch transponieren per Capo erreichen.

Einziger Wehmutstropfen: es gibt nur offen klingende Saiten. Ein Abdämpfen der Saiten mit dem Handballen kennt die Library leider nicht. Und zwar weder für den Patternplayer, noch für die Einzeltöne. Das ist ein wenig schade, da doch gerade diese Spielvariante auch sehr oft verwendet wird.

Ein wenig Gezupfe – Soundbeispiele

Fange ich erstmal mit ein wenig Gezupfe ohne den Player an. Ne kurze Pink Floyd Sequenz, so gut ich das am Keyboard eben kann. Zuerst mal mit der 6-saitigen Variante, dann mit der 12-saitigen.

Soundbeispiel 6-saitige Gitarre ohne Patternplayer

Soundbeispiel 12-saitige Gitarre ohne Patternplayer

Klingt in etwas so, wie man das von einer Gitarrenlibrary erwarten würde. Also eigentlich (noch) nichts Besonderes.
Aber jetzt lassen wir mal den Patternplayer in die Saiten greifen. Wobei ich natürlich nur einige der Pattern vorstellen kann.

Soundbeispiel 6-saitige Gitarre MIT Patternplayer

Und da wirds dann richtig gut. Genial, oder?!

Fazit

Na da hat Mike von Realitone aber wieder eine hervorragende Library raus gehauen. Nach meiner anfänglichen Skepsis („noch ne Gitarrenlibrary…“) hat mich dann die Funktion des Patternplayer sofort in ihren Bann gezogen und restlos überzeugt. Klanglich überzeugend, auch wenn sie nur einen einzigen Grundsound bringt, ist gerade die Möglichkeit des authentischen Fingerpickings dieser Library hervorragend. Wer also schon immer eine gezupfte Gitarre für seine Tracks brauchte und nicht auf eigenes Können oder einen Mietgitarristen zurückgreifen kann, der kommt hier auf alle Fälle zu einem sehr guten Ergebnis, ohne sich die Finger zu verknoten oder stundenlang erst einmal über die korrekt Saitenzuordnung der einzelnen Töne nachzudenken.

Plus

+ genialer Patternplayer für authentische Pickingsounds (inkl. Drag’n’Drop für die DAW)
+ 29 verschiedene Pattern
+ geringe Speicher und CPU Last

Minus

– nur offene Saiten (kein Palmdamping o.ä.)
– nur eine Artikulation

Abschließend noch ein Videowalkthrough von Mike von Realitone:

Bezugsquellen

„Fingerpick“ ist als Download über die Webseite von Realitone erhältlich.
UVP des Herstellers für die Vollversion: 119,- $ (ca. 110,- €)

Link zur Herstellerseite:
https://realitone.com/products/fingerpick-2-0


Klaus Feurich
Über Klaus:
Musiker und Techniker: Keyboards, Gitarre, Sounddesign, Ton- und Studiotechnik, Computertechnik
http://lunymarmusic.com