Holz und Blech – Test „Orchestral Brass Compact“ und „Orchestral Winds Compact“ von Chris Hein

Testbericht von Klaus Feurich

Was wäre ein Orchester ohne Holz und Blech. Genau. Unvollständig. Nun gibt es ja Streicher, neudeutsch Strings, als Samplelibraries für Kontakt wahrlich zur Genüge. Bei orchestralen Holz- und Blechbläsern sieht das aber schon ein wenig anders aus.  Abhilfe sollen da die beiden Libraries „Orchestral Brass Compact“ und „Orchestral Winds Compact“ des Producers Chris Hein schaffen. Beide Libraries sind für Kontakt 5 und sind NI lizensiert, so dass beide auch im kostenlosen Kontakt 5 Player laufen.

 

Wobei: ich muss mich hier mal gerade ein wenig definieren. Sind doch die hier gemeinten „Winds“ nur ein Teil der Holzbläser. Nämlich die Flöten und „echten“ Holzbläser, nicht jedoch die Holzbläser, die der englischsprachige Musiker  unter dem Begriff „Horns“ versteht. Oder  genauer ausgedrückt: wir haben es hier bei der „Winds“ Library mit den Instrumenten Flöte, Oboe, Englisch Horn, Klarinette und Fagott zu tun. Das Saxophon dagegen findet man in der „Horns“ Library.

Chris Hein Orchestral Compact Libraries Test

Da beide Libraries abgesehen von den Instrumenten übrigens identisch sind, erlaube ich mir, hier beide innerhalb eines Tests vorzustellen. Bei signifikanten Unterschieden werde ich jeweils dazuschreiben, welche der beiden Libraries betroffen ist.

Was hab ich denn da?

Schauen wir also mal, was wir da genau haben. Und fangen an mit der „Orchestral Brass Compact“ Library.

Chris Hein - Orchestral Brass Compact

Hier finden wir insgesamt 12 Instrumente (nki). Diese Teilen sich auf in French Horns, Posaune und Trompete. Also das typische Sinfonieorchester Blech eben.  Pro Instrument stehen vier nki zur Verfügung. Davon sind drei Soloinstrumente mit deutlich unterschiedlicher Klangfarbe, während das vierte nki jeweils ein mehrstimmiges Ensemble abbildet.

Das ganze setzt sich aus 23.000 Samples zusammen und belegt gut 6,5GB Platz auf der Festplatte.

Chris Hein - Orchestral Winds Compact

Bei den Orchestral Winds haben wir 13 Instrumente (nki) die sich auf 11 echte Instrumente verteilen. Hier finden wir: eine Piccolo Flöte, zwei C-Flöten, eine Alt Flöte, Eb-, Bb- und Bassklarinette, zwei Oboen, ein Englischhorn, ein Barockfagott, ein normales Fagott und ein Bassfagott. Im Gegensatz zur Brass Library gibt es hier keine Ensembles.

Hier haben wir aufgrund der höheren Anzahl echter Instrumente ca. 12.000 Samples, die gut 9 GB auf der Festplatte belegen.

Beiden Libraries ist gemeinsam, dass für jedes Instrument 5 verschiedene Artikulationen zur Verfügung stehen. Dazu kommt True Legato, die Möglichkeit zwischen Legato und Polyphonie umzuschalten, so wie drei verschiedene Notenlängen an originalen Samples zu verwenden. Sämtliche Samples liegen dabei in 8 verschiedenen Velocitystufen vor. Vibrato wird durch einen LFO erzeugt.

Hinzu kommt noch ein guter Faltungshall, der  insgesamt 40 verschiedene Räume oder Platten zur Verfügung stellt, allerdings lediglich in Stärke und PreDelay konfigurierbar ist. Dazu kommt ein zweiter Reverb, der Body genannt wird und wohl am ehesten den Mikrofonabstand zum Instrument darstellen bzw. emulieren soll. Außerdem gibt es noch ein mit „Ensemble“ bezeichneten Chorus und einen Transientdesigner.

Sämtliche Instrumente wurden übrigens mit Neumannmikrofonen in Nahmikrofonierung und komplett trocken aufgenommen. Eingespielt wurden die Instrumente von Musikern des WDR Symphonieorchesters.

Compact versus Complete

Zur Information: Bei den hier getesteten Compact Libraries handelt es sich um die Light Versionen der eigentlichen Libraries. So sind stehen hier pro Instrument eben z.B. nur 5 Artikulationen zur Verfügung, bei den Complete Versionen sind es dagegen 17. Außerdem stehen in der Compact Version wesentlich weniger Funktionen zur Verfügung und das Userinterface ist dementsprechend nicht so umfangreich. Dafür sind die Libraries aber eben auch deutlich günstiger und dürften für die meisten Belange bereits reichen. Die genauen Unterschiede findet ihr auf den jeweiligen Produktseiten des Herstellers oder bei BestService.

Was geht damit so?

Nach dem Hinzufügen der Libraries in Kontakt und dem ersten Aufrufen eines der nki zeigen sich beide Libraires mit einer sehr aufgeräumten und gefälligen Oberfläche, die natürlich bei beiden nahezu identisch ist und nur aus einer Seite besteht. Besonders gelungen finde ich hierbei, dass in der linken oberen Ecke das jeweilige Instrument dargestellt wird. Dabei wird, solange man sich im natürlichen Tonumfang des Instrumentes befindet, die gerade gespielte Note angezeigt. Bewegt man sich außerhalb des normalen Tonumfangs des Instrumentes, was hier tatsächlich möglich ist, wird einem dies durch „extended range“ angezeigt. Nett.

Ansonsten findet sich hier die Belegung der Keyswitches und die Anzeige der gewählten Artikulation und die, auch per Keyswitch umschaltbare Legato oder Polyphonie. Dazu sämtliche verwendbare Effekte. Die, wie auch Note Head, jeweils einzeln zuschaltbar sind.

Chris Hein - Orchestral Brass Compact GUI

Bei den Effekten muss ich jedoch zwei Sachen anmerken:
Zum einen erzeugt der Attack des Transientendesigners für  mich leider keinen hörbaren Unterschied. Und zum anderen darf man sich von der Bezeichnung Ensemble nicht täuschen lassen, auch wenn es im Manual anders steht. Es handelt sich hier nicht um das Hinzufügen zusätzlicher Stimmen (Instanzen), wie man das von anderen Libraries z.B. von Embertone kennt. Vielmehr handelt es sich um einen Chorus Effekt, was m.E. auch deutlich zu hören ist. Da bei der Brass Library noch „echte“ Ensemble nki dabei sind, ist das dort nicht ganz so tragisch. Bei der Winds Library macht sich das aber leider schon negativ bemerkbar.

Ansonsten lässt sich hier noch das als LFO ausgeführte und per Modwheel oder Controller steuerbare und realistisch wirkende Vibrato einstellen.

Ebenso lässt sich hier die Dynamiksteuerung der 6 verschiedenen Dynamiclayer konfigurieren, die auch immer gleichzeitig beim Spielen in Echtzeit angezeigt wird. Dabei lässt sich auswählen, ob die Dynamik per Velocity, Controller (X-Fade genannt) oder einer Mischung aus beidem bestimmt wird. Eine sehr gelungene Lösung. Insbesondre, da man immer sehen kann, in welchem Layer man gerade unterwegs ist.

Chris Hein - Orchestral Winds Compact GUI

Und dann kommt da noch die Besonderheit dieser Chris Hein Libraries. Die sogenannten „Note Heads“. Also die einstellbare Notenlänge. Das ist tatsächlich ein Feature, was mir bisher noch nicht in vielen Libraries begegnet ist. Aber gerade hier bei Blasinstrumenten natürlich sehr sinnig ist.

Um was geht es? Nun, es geht darum, dass ein Instrument, das eine kurze Note spielt, in natura eben einen ganz speziellen Klang hat, der doch anders ist, als wenn man eine lange Note spielt  und dann einfach in der Sustainphase das Sample ausblendet oder abschneidet. Oft wird das über so genannte Releasesamples realisiert. Hier wird dies stattdessen tatsächlich mit Samples verschiedener Notenlänge erreicht. Zur Verfügung stehen dabei angeblich abgesehen vom Originalsample mit langem Sustain drei weitere Notenlängen. Von lang, über normal bis hin zu Staccato.

Aber halt – angeblich? Ja, angeblich. Weil hier schwächelt die Brass Library. Die Samples sind zwar da, aber die GUI zeigt sie nicht korrekt an. Werden bei der Winds Library die im Display ersichtlichen Notenlängen auch korrekt bei Auswahl angezeigt, so funktioniert dies bei der Brass Library nicht korrekt. Man könnte stattdessen sogar den Eindruck bekommen, die Samples wären gar nicht da. Weil der Regler und damit das Display sich erst bei der letzten Notenlänge, dem Staccato, überhaupt bewegt. Das ist ein wenig ärgerlich. Heißt das nämlich, dass der Reglerweg eines Controllers bei beiden Libraries unterschiedlich ist. Und eben auch bei der Brass Library keinen optischen Anhaltspunkt bietet, welche Notenlänge gewählt ist. Da handelt es sich wohl um einen Fehler in der Scriptprogrammierung.

Was mir am Interface auch nicht so richtig gefällt: die Controllerzuweisung wird  hier nicht über die Kontakt eigene Midi Learn Funktion realisiert, sondern, ein wenig gewöhnungsbedürftig, über Dropdowns bei den einstellbaren Reglern.

Wie klingt das so?

Kommen wir zum wichtigsten. Und da können beide Libraries voll punkten. Klingen tun beide Libraries fantastisch. Die verschiedenen Bläser sind in ihren typischen Eigenschaften gut zu differenzieren und bieten deutlich hörbar die Charakteristika ihrer Originale ab. Klingt das Blech wirklich deutlich rotzig und direkt, so sind die Hölzer sehr warm, weich und rund.

Zwar stehen einem „nur“ fünf Artikulationen zur Verfügung, aber diese decken die wichtigsten Artikulationen ab. Angefangen bei normalen Sustained Notes, über die Dynamic Expression, die bläsertypische Swells darstellt, hin zu drei verschiedenen kurzen Artikulationen. Note Headas steht dabei bei den Shorts logischerweise nicht zur Verfügung.

Das Ganze in True Legato oder polyphon. Wobei auch im True Legato polyphones Spielen von Akkorden möglich ist, solange die Noten innerhalb eines kurzen Zeitfensters gleichzeitig gespielt werden.

Gerade durch den Einsatz des doppelten Faltungshalls lässt sich der Grundsound des jeweiligen Instruments noch sehr genau an die eigenen Zwecke anpassen. Dies wird möglich durch die völlig trockene Nahaufnahme der Instrumente. Erst durch den Einsatz des „Body“ genannten Halls, bekommt das Instrument eben „Körper“, der einen großen Anteil am eigentlichen Klang ausmacht. Dem dann durch den zweiten Hall die jeweilige Location hinzugefügt wird. Und da hier alleine 40 verschiedene Raumantworten zur Verfügung stehen, lässt sich damit einiges erreichen.

Und dabei ist das Ganze über Keyswitches und Modwheel auch noch sehr einfach und realistisch spielbar. Bei vergleichbaren Libraries wie z.B. von Cinesamples ist diese Einfachheit des Spielens nicht so gegeben, da dort für jede Artikulation erst wieder ein neues nki geladen werden muss. Etwas, was meiner Arbeitsweise z.B. überhaupt gar nicht entgegenkommt.

Insgesamt gefällt mir das Ganze klanglich wirklich sehr gut. Und lässt sich auch ohne größere Nachbearbeitung gut in orchestrale Produktionen einbinden.

Gibt es auch Klangbeispiele?

Na klar. Wobei die jetzt folgenden Klangbeispiele zwar jeweils von der Complete Version der Library stammen, aber auch den hervorragenden Grundklang der Compact Versionen vermitteln. Das erste Beispiel  bei Brass zeigt den „nackten“ Klang der Brass Library. Also die Brass Library solo. Bei den Winds gibt es leider kein Solobeispiel. Das dort gezeigt Beispiel enthält zusätzlich die Brass und die Solo Violinen Library. Das zweite Beispiel bei beiden zeigt jeweils die Library im Gesamtkontext des gesamten Orchesters.

Orchestral Brass Compact

Orchestral Winds Compact

Fazit

Was will ich groß sagen?! Klingt genauso, wie man sich das von orchestralen Bläsern vorstellt. Die Holzbläser klingen schön warm und nuanciert, das orchestrale Blech von hauchig matt bis rotzig frech. Es sind beide Libraries auf alle Fälle sehr gelungen. Man erkennt die klanglichen Eigenheiten und Timbres der jeweiligen Instrumente deutlich und gut unterscheidbar. Kombiniert mit den angebotenen Artikulationen und dem Vibrato lässt sich damit auf alle Fälle schon ein Großteil an „orchestralen Bedürfnissen“ abdecken. Und das zu durchaus moderaten Preisen!

Wer also nicht wirklich auf ausgefuchsteste Anpassungsmöglichkeiten angewiesen ist und wem die gebotenen fünf Artikulationen reichen, der ist mit der „Light“ Version der Chris Hein Libraries bestens beraten.

Das Einzige, was mir wirklich fehlt: ich hätte mir auch bei den Orchestral Winds die jeweiligen Instrumente als „echtes“ Ensemble gewünscht.

(Was mir noch an Kritik bleibt ist, dass Chris Hein hier im Scripting der GUI einige Sonderwege geht, die sich nicht an die von vielen anderen Libraries bekannten Konventionen hält. So verfügt die GUI nicht über das von Kontakt bekannte „Midi Learn“ von Controllerzuweisungen, sondern bedient sich stattdessen eines Dropdownmenüs zur Auswahl der Controller. Allerdings ist dies weder dokumentiert, noch beschriftet. Ähnliches gilt für den Reverb, bei dem hier für die Zumischung der Begriff „Volume“ verwendet wird, statt des üblichen „Amounts“ oder „Wet“. Das verwirrt so erst einmal und wäre sicher nicht nötig.)

Plus

+ guter, authentischer Klang

+ übersichtliche und informative GUI

+ geringe CPU und RAM Last

Minus

– Attack des Transienteneffekts ohne erkennbare Wirkung

– fehlerhafte Darstellung der Notenlängen bei „Orchestral Brass Compact“

– keine Ensemble bei „Orchestral Winds Compact“

Bezugsquellen

Beide Compact Libraries sind als Download oder Datenträger direkt über Best Service erhältlich.

UVP je 169,- €

Orchestral Brass Compact:
www.bestservice.de/chris_hein_orchestral_brass_compact.html

Orchestral Winds Compact:
www.bestservice.de/chris_hein_winds_compact.html


Ebenfalls erhältlich sind die Complete Versionen der Libraries, die wie im Test erwähnt weitere Artikulationen und Funktionen enthalten.

UVP je 299,- €

Orchestral Brass Complete:
www.bestservice.de/chris_hein_orchestral_brass_complete.html

Orchestral Winds Complete:
www.bestservice.de/chris_hein_winds_complete.html

Außerdem sind weitere Compact Libraries und Einzelinstrument Libraries der Chris Hein Serie erhältlich.


Klaus Feurich
Über Klaus:
Musiker und Techniker: Keyboards, Gitarre, Sounddesign, Ton- und Studiotechnik, Computertechnik
http://lunymarmusic.com

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*