Jurassic Park – Testbericht „Saurus 2“ von Tone2

Testbericht von Klaus Feurich

Tja, das waren noch Zeiten, als die guten alten analogen Saurier die Klanglandschaften der elektronischen Musik bevölkerten. Viele denken auch heute noch immer wieder sehnsuchtsvoll an diese Zeiten zurück, wo Synthesizer durchaus die Größe eines mittleren Einfamilienhauses hatten und genau so viel kosteten. Irgendwann wurden sie dann kleiner aber waren immer noch unerschwinglich für den Durschnittsmusiker. Bis sie dann, wie die Dinosaurier, verschwanden und ersetzt wurden. Das digitale Zeitalter war angebrochen und digitale Workstations traten ihren Siegeszug in die Musik an.


Und heute?! Heute sind analoge Synthesizer wieder begehrt, konnten doch die digitalen Workstations nie den Klang und die Brachialität echter analoger Synthies ersetzen, pardon, emulieren. Größter Nachteil dabei: Die Schätzchen von damals kosten heute (wieder) so viel wie ein Einfamilienhaus. Zugegeben, ich übertreibe gerade ein wenig. Aber billig sind sie definitiv nicht. Und auch heutige analoge Synthesizer kosten immer noch einen Haufen Geld.

Also, was macht man?! Richtig, man nimmt statt eines echten analogen Synthesizers eben einen virtuell analoge (Hardware-)Synthesizer. Kostet aber auch noch einiges an Geld, kann dafür aber auch einiges mehr als ein rein analoger.
Oder, wie hier in diesem Fall, man nimmt ein VSTi, also ein komplett virtuelles (Software-)Instrument, welches einen analogen Synth emuliert. Das ist dann definitiv die günstigste Variante. Nur, lohnt sich das auch bzw. klingt es?

Genau hier finden wir den „Saurus 2“ der deutsch-europäischen Firma Tone2 aus München. (Also eben jene Firma, welche auch den Gladiator entwickelt hat, aber das ist eine andere Geschichte.)

Der „Saurus 2“ ist ein einfacher, optisch sehr ansprechender „analoger“ Softwaresynthesizer, der auf die Puristik eines echten analogen Synthesizers setzt, ohne die Überladenheit eines virtuell-analogen Instruments zu haben und zu bieten. Außerdem hat der „Saurus 2“ nicht den Anspruch eine Emulation oder Replika eines bereits vorhandenen „echten“ Analogsynthies zu sein, sondern stellt tatsächlich eine eigene Kreation dar.

Die Klangerzeugung basiert hierbei auf der Tone2 eigenen „True Analog Modeling Technology ™“. „Saurus 2“ gibt es als VSTi und AU sowie einer Standalone Version in 32-bit und 64-bit für Microsoft Windows und MacOS.

Der „Saurus 2“

Der „Saurus 2“ setzt auf die typischen Elemente eines Synthesizers der subtraktiven Synthese. Er besitzt 2 Oszillatoren mit typisch analogen Wellenformen und jeweils einem eigenen Suboszillator, Noise und Ringmodulation. Dazu kommt eine Filtersektion mit sechs verschiedenen Filtercharakteristika, Drive, Frequenzmodulation und Feedback. Außerdem drei Hüllkurven, wovon je eine dem VCA und eine dem Filter zugeordnet ist, während die dritte über eine Matrix frei zugewiesen werden kann.

Tone2 - Saurus 2 - GUI
Tone2 – Saurus 2 – GUI

Moment, Matrix?! Ja, richtig, Matrix. Der „Saurus 2“ verfügt, abgesehen von zwei Tempo synchronisierbaren LFOs mit vier Wellenformen, über eine sehr umfangreiche Modulationsmatrix mit insgesamt 15 Slots, 64 Sources und 67 Destinationen!
Abgerundet wird das Ganze noch durch einen Arpeggiator, der auch als Trancegate/Stepsequencer arbeiten kann, sowie einer kleinen Effektsektion die immerhin mit Chorus, Hall und Delay aufwartet. Also den Effekten, die man am ehesten bei einem Analogsynthi einsetzt. Dazu kommt gibt es noch die Möglichkeit der Röhrensättigung.

Der „Saurus 2“ ist bis zu 16-fach polyfon, verfügt aber ebenso über die Möglichkeiten monofon oder im Unisono Mode zu arbeiten.

Ok – Was ist neu?

Wer den „Saurus“ noch nicht kennt, kann diesen Abschnitt jetzt gerne überspringen, denn wie man sich bei dem Namen „Saurus 2“ denken kann, handelt es sich um den Nachfolger des „Saurus“ aus gleichem Haus. Diejenigen von Euch, die den „Saurus“ bereits haben, wollen aber sicher wissen, was sich geändert hat bzw. neu ist. Deswegen eine kurze Auflistung der wichtigsten Neuerungen:

  • Komplett überarbeitete Soundengine
  • 260 zusätzliche Soundpatches
  • Alle bisherigen Patches komplett überarbeitet
  • Neuer Patchbrowser
  • Einstellbares „Analogverhalten“
  • Verbesserte Grafik
  • Verbesserte GUI

Dabei ist „Saurus 2“ trotzdem 100% abwärtskompatibel. D.h. eure bisherigen eigenen Soundkreationen funktionieren auch mit „Saurus 2”.

Die detaillierte Liste aller Änderungen findet sich hier: https://tone2.com/html/upgrade2.html

Ein Upgrade auf „Saurus 2“ ist für Besitzer des „Saurus (1)“ preisreduziert erhältlich, genaueres findet ihr weiter unten bei den Bezugsquellen. Und da ich auch den „Saurus“ kenne, darf ich sagen, das Update lohnt sich!

Synthesemöglichkeiten

Beide Oszillatoren verfügen über je 8 Wellenformen, dabei natürlich die typischen Formen aufsteigender Sägezahn und Puls, aber auch Triangel, Sinoid, Comb und Organstack. Bei allen nicht Pulse Waves dient der Pulsewidth Regler zum morphen der eigentlichen Wellenform, so wird z.B. aus Triangel eine 4-fach Saw. Beide Oszillatoren haben einen eigenen Suboszillator mit auch je 8 Wellenformen, der frei hinzugemischt werden kann.

Bei beiden kann über Phase der Startpunkt innerhalb der Wellenform verändert werden, auch kann Osc2 mit Osc1 synchronisiert werden. Zusätzlich kann per Drift das typisch analoge Verhalten alter Synthis emuliert werden, bei denen es durch die Unzulänglichkeiten der analogen Bauteile u.a. zu einem leichten Frequenzdrift der Oszillatoren gegeneinander kommen konnte.

Tone2 - Saurus 2 - OSC Sektion
Tone2 – Saurus 2 – OSC Sektion

Vor der Mischersektion ist noch der Noisegenerator im Signalfluß, der jedoch ganz anders arbeitet, als man es von anderen Synthis kennt. Statt hier einfach nur ein Rauschen in das Signal zuzumischen, wird hier mit einem Rauschen entweder die Frequenz oder die Amplitude des jeweiligen Oszillators moduliert. Damit lässt sich dann zwar ein „Normales“ Rauschen hinzufügen, allerdings auf Kosten eines Oszillators. Andererseits sind hierdurch ganz andere Klänge möglich, als mit einem einfachen Rauschgenerator.

Frisch gefiltert

Im Signalfluß nachgeschaltet, wer hätte es anders erwartet, findet sich der Filter des „Saurus 2“. Wie bei analogen Filtern normal, versucht Tone 2 hier mit dem Filter eben jene Charakteristika „alter“ analoger Filter zu emulieren. Das reicht von „analoger“ Verzerrung, Phasenverschiebungen und Resonanzen bis hin zur Selbstoszillation.

Tone2 - Saurus 2 - Filter
Tone2 – Saurus 2 – Filter

Dazu ist die Flankensteilheit einstellbar und abgesehen vom Lowpass bietet der Filter auch noch andere Filtertypen wie z.B. Bandpass, Notch, Formant oder Highpass.

Außerdem verfügt der Filter über Feedback und Frequenzmodulation und natürlich über eine eigene Hüllkurve, deren Einfluss sowohl positiv als auch negativ regelbar ist.

Modulation – Gefangen in der Matrix

Das Sahnestück des „Saurus 2“: Die Modulationsmatrix. Wie oben bereits erwähnt, stellt der „Saurus 2“ ganze 15 Slots für Modulationen zur Verfügung, über die 64 Quellen mit 67 Zielen verknüpft werden können. Und natürlich können hier auch einzelne Modulatoren von anderen Slots wieder moduliert werden. Außerdem sind bei den Quellen auch getimte Events wählbar, sodass hier auch rhythmisch angepasste Modulationen möglich sind.

Tone2 - Saurus 2 - Matrix
Tone2 – Saurus 2 – Matrix

LFOs stehen hier natürlich auch zur Verfügung, und zwar zwei an der Zahl mit den üblichen Wellenformen Dreieck, Puls, Sägezahn und Zufall. Die LFOs können mit der DAW synchronisiert werden. Außerdem lässt sich auch hier wieder über Phase der Startpunkt innerhalb der gewählten Wellenform einstellen.

Ebenfalls im gleichen Display untergebracht ist der Arpeggiator, der auch als TranceGate oder Gated Sequencer mit bis zu 16 Steps arbeiten kann.

Jede Menge Sound

Zusammen mit dem „Saurus 2“ erhält man bereits 830 sehr gute Werkssounds, mit denen man entweder direkt loslegen kann oder die als Grundlage für eigene Sounds dienen können. Insbesondere werden jedoch durch die Presets überhaupt die Möglichkeiten des „Saurus 2“ demonstriert, die nämlich sehr viel weiter gehen, als sie ein „normaler“ Analogsynth bieten kann.

Um den Überblick bei so vielen Presets nicht zu verlieren, bietet der „Saurus 2“ einen eingebauten Browser, in dem die Sounds nicht nur in Kategorien unterteilt sind, sondern auch noch mit Stichwörtern versehen werden können.

Tone2 - Saurus 2 - Preset Browser
Tone2 – Saurus 2 – Preset Browser

Wem das nicht reicht und wer aber dennoch keine Lust hat, selbst komplett eigene Klänge zu erstellen: Tone 2 biete auf ihrer Webseite noch weitere Soundlibraries mit ebenso erstklassigen Sounds speziell für den „Saurus 2“ an.

Die Kernfrage: Wie klingts? Und wie lässt sich mit arbeiten? Verschafft euch doch mal selbst einen kurzen Eindruck:

(Quelle Tone2)

Meiner Meinung nach hab ich bisher selten so analog kräftig klingende Sounds aus einem virtuellen Instrument gehört. Die haben richtig Druck wie man ihn sonst eigentlich nur von echten Analogen kennt. Und nur von einer Handvoll virtueller Synthies. Egal ob Leads oder Pads, Arps oder Drones. Dieses „Ding“ klingt eigentlich immer.

Die Klangpalette reicht von guten alten „Berlin School“ Sounds über Klänge a la Vangelis oder Jarre über die typischen 80er und 90er Jahre Synthiesounds bis hin zu top modernen Supersaw Leads und knackigen Plucks und Pads aus dem EDM Bereich. Und das aus immerhin nur sechs Wellenformen und ohne irgendwelche exotischen Wavetables.

Und er lässt sich hervorragend schrauben. Dazu trägt sicher die sehr aufgeräumte und logisch strukturierte Oberfläche bei, die hier auch, im Gegensatz zu einigen anderen Konkurrenten, so groß gestaltet ist, das man immer alles erkennen kann und somit auch im Blick hat.

Lediglich in der Matrix geht man schnell mal verloren, da diese sich halt leider über drei Seiten erstreckt. Da übersieht man gerne schon mal den einen oder anderen Modulator.

Und, einziges Manko: in der Standaloneversion reagiert der „Saurus 2“ leider auf jeglichen Input. Egal auf welchem Midikanal. Heißt, man kann nicht mal eben mit mehreren VSTi ein wenig spontan rumklimpern, da der „Saurus 2“ einfach jedes Signal auch beantwortet. Gerade mal den „Saurus 2 „ auf Midikanal 1 und ein anderes VSTi auf Midikanal 2 ist nicht. Es gibt einfach keine Möglichkeit, festzulegen, auf welchem Kanal er reagieren soll. Deswegen tut er es immer im „Omni“-Mode. Das Problem hat man aber nur im Standalone halt. Nicht in der DAW als VSTi.

Somit kann man der Eigenwerbung Tone 2 fast recht geben: der „Saurus 2“ macht einen ganzen Park an analogen Synthies eigentlich überflüssig. Na sagen wir mal, er klingt wirklich sehr überzeugend und mag einem bei einer Menge „analoger“ Sounds wirklich als erstklassiges Analog-Derivat dienen. Meinen Prophet 08 geb ich aber trotzdem nicht weg deswegen 😉

Aber denen, die noch keinen „echten“ Analogen ihr Eigen nennen, oder rein auf der digital virtuellen Softwaresynthesizerebene bleiben wollen, kann man den „Saurus 2“ als virtuellen „Analogen“ einfach nur empfehlen. Und noch dazu kostet er halt weitaus weniger als ein Einfamilienhaus 😉

Fazit

Noch analoger kann digital eigentlich nicht klingen! Der „Saurus 2“ von Tone2 bietet bei einer optisch gelungen und aufgeräumten Oberfläche nahezu authentische Analogklänge allererster Güte, ohne eine Emulation oder Replika „bekannter“ Klassiker darstellen zu wollen.

Ich persönlich kenne kaum einen anderen virtuellen (Software-)Synthesizer, der so analog und druckvoll klingt. Gerade die Reduktion auf das Wesentliche macht es auch noch zu einem leichten, schnell ansprechende Sounds zusammenzustellen, wobei die umfangreiche mitgelieferte Presetlibrary sicherlich ihr Übriges dazu tut. Durch den nicht alltäglichen Arpeggiator und das Trancegate lassen sich jedoch auch Klänge formen, zu denen rein analoge Klangerzeuger bisher nicht in der Lage sind.

Von daher muss ich hier bei einem Preis von 99,- Euro hier ganz klar eine Kaufempfehlung aussprechen.

Die einzige Schwachstelle ist, dass der „Saurus 2“ in der Standaloneversion auf jeglichen Midi-Input anspricht.

Wer es gerne vor dem Kauf erst selber testen möchte: auf der Webseite von Tone 2 besteht die Möglichkeit, eine Demo des „Saurus 2“ runterzuladen.

Plus

+ sehr guter Analogsound
+ umfangreiche Modulationsmatrix
+ intuitive Oberfläche
+ sehr gute Werksounds
+ geringe CPU Last

Minus

– im Standalone keine Zuweisung eines einzelnen Midikanals möglich

Bezugsquellen

„Saurus 2“ von Tone2 ist erhältlich als DVD oder Download erhältlich direkt über die Herstellerseite oder bei Best Service.

UVP 99,- Euro

Das Upgrade von „Saurus“ auf „Saurus 2“ zum UVP von 59,- Euro ist nur über die Herstellerwebseite möglich.

Ebenfalls auf der Tone2 Webseite erhältlich sind diverse Soundlibraries für den „Saurus 2“.

Klaus Feurich Über Klaus:
Musiker und Techniker: Keyboards, Gitarre, Sounddesign, Ton- und Studiotechnik, Computertechnik

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