The Orchestra von Sonuscore Testbericht

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Das Konzept dieser Orchesterbibliothek verspricht einen schnellen Weg Ideen zu skizzieren und Orchestrale Klangfarben auszuprobieren. Vorausschickend kann ich schon sagen, dass das hervorragend funktioniert und die Idee hinter The Orchestra in ihrer konsequenten Anwendung neu ist. Dennoch ist dieses Instrument noch ausbaufähig und warum sich das so verhält schauen wir uns im Detail an.

Die Bibliothek belegt auf der Festplatte knapp sieben GB, was für eine Orchesterbibliothek sehr wenig ist. Für jede Sektion liegen auch nur Basis-Artikulationen vor. Bei den Streichern umfasst das Staccato, polyphones Sustain, Marcato, Legato, Tremolo und Pizzicato. Die restlichen Instrumente verfügen über kein Tremolo und Pizzicato, aber auch über keine „Ersatz“-Artikulation, die für diese Instrumente, Bläser und Holzbläser typisch sind. Bei den ganz tiefen Instrumenten Tuba/Bassposaunen und Kontrafagott fehlt auch noch die Legato-Artikulation, was aber meist wohl nicht weiter vermisst werden wird.

Ergänzt wird das durch ein Percussion-Patch dass ungestimmte Trommeln und Crash-Becken umfasst und weitere mit gestimmten Pauken, Röhrenglocken sowie eine einfache Harfe. Ein Glockenspiel fehlt in der Sammlung.

Als Bonus wird noch eine Sammlung von Chor-Patches spendiert, ein Kinderchor mit Sustains, in denen der Vowel fließend wechselt, Frauen und Männer, jeweils mit Staccato und Sustain. Staccato bringt eine Reihe Silben, wie La, Mi usw. Sustain verfügt über Ahh und Ohh. Insgesamt machen sich die Chorstimmen ganz gut im Zusammenhang.

Alle Sektionen liegen auch als einzelne Kontakt-Instrumente vor, als einzelne Artikulationen oder als ein Instrument mit Keyswitches. In dem Video greife ich exemplarisch einige der Einzelinstrumente heraus.

Meinem Eindruck nach ist die Qualität der Instrumente überraschend gut, obwohl sie auf einen kleinen Speicherplatzverbrauch optimiert sind und nur über drei Velocity-Stufen verfügen. Bei den kurzen Artikulationen werden immerhin fünf Round-Robin-Alternativen geboten. Lediglich die Holzbläser fallen etwas ab, mit Ausnahme der Oboen, aber Holzbläser sind traditionell schwer zu sampeln, im orchestralen Kontext fällt das aber kaum auf. Der Grundsound ist tatsächlich nicht geglättet und aufgehübscht und lässt damit Raum für eigene Nachbearbeitung, was aber in den meisten Fällen gar nicht nötig sein wird. Out of the Box klingt dieses Orchester schon prima. Natürlich ist das kein absoluter High-End-Sound, aber da kostet schon eine Stimme so viel wie die gesamte Bibliothek.

Damit lässt sich ein komplettes Orchester ganz klassisch mit Umschalten zwischen den Artikulationen und Volumenautomationskurven für die gehaltenen Artikulationen umsetzen.

Mit The Orchestra wird man diese althergebrachte Methode nur anwenden, wenn innerhalb von Melodielinien ständig eine andere Klangfarbe im selben Instrument gebraucht wird. Für alle einfachen Ostinati – und das ist das meiste, was im Hintergrund in einem Orchesterstück so abläuft, kann man das Herzstück von The Orchestra verwenden: die Ensemble-Engine.

Ensemble

In ein Ensemble-Patch kann man jeweils bis zu fünf Instrumente laden, allerdings nur Einzelartikulationen, keines mit mehreren Artikulationen.

Es gibt zwei Typen, die unterschiedlich behandelt werden, kurze und gehaltene Artikulationen. Kurze umfasst Staccato, Marcato und Pizzicato (nur bei den Streichern), diese Artikulationen kann man jeweils auf einen der drei Arpeggiatoren der Engine routen.

Lange Artikulationen sind nur die Sustains und Tremolo (auch wieder nur bei den Streichern, Tremolo bei den Blechbläsern wäre schön gewesen), denn Legato wird hier nicht angeboten und macht auch bei einem Akkord, der sowohl Arpeggios, als auch lange Noten triggert nicht so viel Sinn. Die Sustains können auf eine von zwei Volumenhüllkurven (Envelopes) geroutet werden, die soweit ich das nachvollziehen kann nicht nur laut und leise machen, sondern die drei Velocity-Layer des Instruments durchfahren, was die Qualität steigert.

Das Mod Wheel erhöht und erniedrigt die gesamte Kurve, die live gespielt werden kann. Wichtig ist in diesem Fall auch, wie lange die Kurve abgespielt wird, hier kann man zwischen ein, 1/2 und vier Takten Länge wählen und bestimmen, ob die Kurve danach immer wieder abgespielt, oder das letzte Level gehalten wird. Genau dieses Feature ist in Zusammenhang mit den drei Arpeggiatoren in derselben Engine schon ein Alleinstellungsmerkmal von The Orchestra.

Denn der Kern von The Orchestra mit der Ensemble-Engine zielt darauf ab dem Produzenten/Komponisten einen großen Teil des mühsamen Einrichtens eines Orchesterstücks abzunehmen und schnelle Änderungen im Rhythmus und den Akkordfolgen, sowie der Instrumentierung zu erlauben.

Für mich war es von vorneherein verblüffend, wie gut das funktioniert und in der Kombination von relativ einfachen Instrumenten und nicht übermäßig komplexen Arpeggiatoren und Hüllkurven mehr entsteht, als die Summe seiner Teile. Diese Ostinati klingen nach einem großen Set-Up und die Multi-Patches erst recht.

Das Video zeigt die wichtigsten Funktionen der Ensemble-Engine.

Einige der möglichen Klangfarben aus dem Ensemblepatch:

Workflow

In der Praxis stellt sich schnell die Frage, wie es weiter geht, wenn man eines der Presets verwenden will oder auf der Basis eines solchen Presets ein mehr oder weniger stark modifiziertes eigenes Patch erstellt hat. Ein Init-Preset gibt es übrigens nicht, man kann nur eines der Factory-Presets als Anfang nehmen. Es gibt verschiedenste Szenarien, als Unterfütterung eines Elektronik-Tracks mag es genügen ein einzelnes Preset zu nehmen, aber bei jeder weiter gehenden Entwicklung eines Film- oder Game-Musikstücks variiert das musikalische Geschehen alle paar Takte, manchmal nur leicht, manchmal deutlich und manchmal drastisch. Das heisst, man braucht eine Variationsreihe von Presets. Das wird meist so aussehen, dass man von der Engine Einstellung Nr. 1, also den drei Arpeggiatoren und zwei Envelopes nicht nur eine Instrumentierung A braucht, sondern auch noch B und C. Von Engine Nr. 2 dann vielleicht C und D usw.

The Orchestra bietet für das Speichern eigener Presets nur die eingebaute Snapshot-Funktion von Kontakt selbst an, es gibt kein extra programmiertes Preset-System mit Browser. (Anmerkung Andreas: Dies wurde mit dem Update auf 1.1 behoben) Mehrere Variationen eines Presets zu erstellen wird deshalb etwas mühsam, denn man hat die Wahl, entweder die Instrumentierung beizubehalten und immer nur die Steps und Einstellungen in den Arpeggiatoren und Hüllkurven zu ändern, was noch schnell geht und dann die Variationen als Snapshot abzuspeichern. Oder, weil das allein meist nicht ausreichen wird auch noch die Instrumentierung zu ändern. Dann muss man aber entweder die Engine -Einstellungen alle auf eine neue Instrumentierung übertragen, was viel zu aufwendig ist oder, was man eher tun wird, zuerst die Engine-Variationen erstellen und dann die Instrumentierung und Mixereinstellung von einem Snapshot auf den anderen von Hand übertragen. Man ahnt schon: das dauert zu lange.

In dem Video wird der gesamte Prozeß exemplarisch dargestellt und auf eine Lösungsmöglichkeit des Problems verwiesen: Ein eigenes Preset-System für The Orchestra, bei dem man die Möglichkeit hat von anderen Presets nur die Engine-Einstellungen zu laden und die Instrumentierung beizubehalten. Oder auch anders herum, man lädt zu den bestehenden Engine-Einstellungen eine andere Instrumentierung. Damit wäre die Spontaneität und das schnelle ausprobieren von Ideen nicht nur auf die Arpeggiator-Funktion beschränkt, sondern würde auch mit Klangfarben und Variationsreihen funktionieren. Zu dem Punkt bekam ich die Auskunft, dass ein Preset-System angegangen wird, aber einen hohen Programmieraufwand erfordert. Nun – das lässt hoffen, dass das aus meiner Sicht größte noch bestehende Workflow-Hindernis aus dem Weg geräumt wird.

In dem Video wird auch die Möglichkeit angesprochen ein Arpeggiator-Pattern per drag&drop in die Pianorolle zu übertragen. Das wäre dann nützlich, wenn man eine Idee, die man in The Orchestra entwickelt hat auf noch mal andere Artikulationen und die Instrumente einer anderen Orchesterbibliothek übertragen will. Von Sonuscore habe ich zu diesem Punkt nun erfahren, dass an dieser Funktionalität gearbeitet wird, in einem Update ist damit also zu rechnen.

Arpeggiatoren in der DAW

So beeindruckend die Ergebnisse mit dem Orchstra-Ensemble Instrument auch sind kam ich doch etwas ins Grübeln. Die Ensemble-Engine mit den Arpeggiatoren und Volumenkurven hätte man auch gerne mit anderen Instrumenten. Die Idee ist hervorragend und sie ist bis auf das noch zu einfache Preset-System sehr Benutzerfreundlich umgesetzt, doch Arpeggiatoren gibt es auch für die DAW und diese können auch teilweise mehr (teilweise aber auch weniger, wie sich zeigte). So machte ich mich daran zu überprüfen, ob man die Funktionalität der Engine von The Orchestra auch in einer DAW abbilden kann.

So einfach ist das also nicht. Die wichtigen Funktionen der Engine Volumenkurven für die Sustains live abzuspielen und wahlweise nur die untersten, mittleren oder obersten Noten eines Akkords zu spielen kann man zumindest in der Kombination FL Studio mit Kirnu Cream nicht nachbauen. Live ist hier The Orchestra klar im Vorteil. Anders sieht es mit bereits eingespielten oder in der Pianorolle gesetzten Noten aus, mit etwas Nachbearbeitung gehen weitaus komplexere Arpeggiator-Pattern als in der Ensemble-Engine. Nur ist es sehr abhängig von der konkreten Situation ob sich der Aufwand lohnt, denn meist wird es bei anspruchsvolleren Passagen eher passender sein auf die klassische Methode direkt mit Noten in der Pianorolle zu gehen, zumal man dann bei den Einzelinstrumenten Keyswitches einsetzen und die Artikulation on the fly wechseln kann.

Dieser Versuch zeigt also, dass die Ensemble-Engine von The Orchestra mit Arpeggiatoren in der DAW nicht sinnvoll ersetzt werden kann, weil in den allermeisten Fällen der Aufwand zu hoch ist und man mit der Ensemble-Engine viel schneller am Ziel ist.

Fazit

Trotz einiger noch fehlender Teile ist The Orchestra ein großartiger erster Wurf, der noch einiges an Entwicklungsmöglichkeiten bietet und schon jetzt das Leben von Musikproduzenten einfacher machen kann. An der Funktion Arpeggiatorpattern in die DAW zu übertragen wird schon gearbeitet. So gut die Qualität der enthaltenen Instrumente auch ist, wird man je nach Projekt doch ab und zu auf speziellere Artikulationen zurückgreifen wollen und das ist dann sehr nützlich. Eine eigene Preset-Verwaltung ist in Planung, womit dann der Workflow noch mal deutlich schneller wird.

Wie mir von Sonuscore versichert wurde sieht man The Orchestra als ein längerfristiges Projekt an, das noch Verbesserungen und Erweiterungen erfahren wird. Darunter auch noch einige zusätzliche Artikulationen, wenn es die steigende durchschnittliche Performance der Computerhardware zulässt. So viel auch mit den enthaltenen einfachen Artikulationen schon möglich ist, würden einige mehr The Orchestra vollends zu einem Allround-Werkzeug für die Produktion von Orchestermusik machen.

Nicht jeder ist ein routinierter Film-Musik Produzent, der im Schlaf mit seinen Templates für jeden Zweck und Partituren im großen Stil umgeht. Doch ich bin überzeugt, dass auch er oder sie von den innovativen Funktionen von The Orchestra profitieren wird. Für alle anderen in den Niederungen der Musikproduktion aller Art, die für einen Video-Trailer, ein Independent-Game oder ein Werbe-Jingle komponieren (müssen) oder tatsächlich auch mal ein hybrides Ambient- oder Elektrostück schaffen wollen ist dieses Instrument eine große Erleichterung. Schneller bekommt man eine Orchesterpassage nicht gebacken, wenn es wirklich eine flexible, eigene Komposition sein soll und nicht vorgefertigtes Dosenfutter.

Anmerkung Andreas

Ich kenne einige Orchester Librarys, seien es die von Project Sam, die Native Instrument Action und Session Strings, Chris Heins Brass und Woodwind und noch viele mehr, das sind alles ganz hervorragende Werkzeuge. The Orchestra macht aber einen ganz großen Unterschied, es ist unwahrscheinlich einfach, schnell eine authentisch klingende Instrumentierung zusammenzustellen und diese dann auch auch „on the fly“ mit Einsatz des Modulations-Controllers dynamisch zu spielen.

Ganz besonders gut haben mir die „Multis“ gefallen, bei diesen kann auch wieder unter Einsatz des Modulations-Controllers zwischen gehaltenen Noten und rhythmischer Spielweise übergeblendet werden.

Ich stimme Stefan vollkommen in dem Punkt zu, dass in einigen Bereichen noch etwas Verbesserungsbedarf besteht, allerdings sollten wir Eines beachten, noch niemals gab es soviel professionellen Orchester Klang für so wenig Geld.

Gerade der nicht bis auf letzte glatt gebügelte etwas rohe aber sehr authentische Sound von The Orchestra gefällt mir besonders gut. Von mir gibt es daher einen unbedingten „buenasideas Tipp“!

The Orchestra ist ein Produkt von Best Service.

Info-Seite von The Orchestra bei Best Service

Ein Testbericht von Stefan Federspiel mit Kommentar von Andreas Eberhardt

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