TubeOhm PHASEWAVE – Phase-Distortion-Synthesizer – Testbericht

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TESTBERICHT von Perry Staltic mit Anmerkungen von Andreas

Andreas: Mein erster polyphoner Synthesizer war ein KORG POLYSIX. Leider habe ich diesen nicht alleine besessen, und daher musste ich mich immer terminlich absprechen mit dem Mitbesitzer, dies ging nicht wirklich lange gut, so dass ich meinen Anteil am POLYSIX dem Miteigentümer verkaufte und all mein Erspartes zusammenkratzte, um einen eigenen polyphonen Synth zu kaufen. Damals gab es allerdings nur die recht teuren Vertreter dieser Gattung, da war der PROPHET, der ROLAND JUNO und eben die KORG-Synthesizer, an einen MOOG war mit meinem Einkommen nicht zu denken.

Doch das Schicksal meinte es gut mit mir und nicht so gut mit meinem Erspartem, CASIO brachte einen Synthesizer heraus, der eine ganz neue Klangerzeugung mitbringen sollte, und das Beste war, dass es bei dem größten Modell auch noch einen integrierten Sequenzer gab, der im Midi-Mono-Mode in der Lage sein sollte, mehrere Sounds gleichzeitig wiederzugeben.

Alleine schon diese Information ließ mich nächtelang nicht schlafen, die Frage war nur, wie bringe ich es meiner Herzallerliebsten bei, dass ich ca. 3000,- Deutschmark (eine Währung aus dem vergangenen Jahrtausend, welche recht stabil und äußerst beliebt war) für einen Synthesizer ausgeben müsse. Nun, in dem Punkt war ich wohl mal wieder äußerst kreativ, und ich habe mir den CZ-5000 ohne Beziehungsstress kaufen können (dürfen 🙂 ).

CASIO-CZ5000
CASIO-CZ5000

Der CZ-5000 war dann auch, zumindest für mich damals, eine Augenweide, viele Schalter, Regler und ein wohl aus der CASIO Taschenrechnerproduktion stammendes graues Display, zudem klang der CZ-5000 auch noch ziemlich geil, nein, an den brachialen Sound des POLYSIX kam der PD (Phase Distortion) Synthesizer nicht ran, aber die Klänge, die ich damit erzeugen konnte, hatten schon etwas, das sich von den bereits etablierten Synthesizern abhob.

Und ein Sound blieb mir bis heute im Kopf, ich habe mich vor Jahren mal an die bekannte Synthesizer-Plugin-Schmiede TubeOhm gewandt und gefragt, ob die nicht mal Lust hätten, einen PD Synthesizer in das VST-Format zu gießen, um wieder an diesen Sound zu kommen, denn meinen CZ-5000 hatte ich, weil ich unbedingt einen Ensoniq ESQ-1 mein Eigen nennen wollte, blöderweise für einen Witzpreis von 300,- Mark wieder verkauft. Wahrscheinlich gab es noch mehr dieser Anfragen, und TubeOhm hat sich ins Zeug gelegt und ein Synth-Plugin entwickelt, das noch dreimal besser klingt und eine Menge mehr an Möglichkeiten bietet wie der CZ-5000. OK, ein Sequenzer nach Art des CZ-5000 ist nicht mit an Bord, aber das braucht heute ja auch niemand mehr, denn das Arbeiten in einer DAW ist doch soviel angenehmer.

Perry Staltic meint: Auch mein erster Hardware-Synthesizer in den 80er Jahren des vergangenen Millenniums (zuvor hatte ich nur mit diversen Software-Synthesizern auf den C64- und AMIGA-Rechnern bei Schulfreunden herumexperimentiert …) stammte von dem bekannten Taschenrechnerfabrikanten CASIO aus Japan. Es handelte sich dabei um den CZ-3000, der bis auf den fehlenden internen Sequencer im Prinzip baugleich zu Andreas CZ-5000 war.

CASIO-CZ3000
CASIO-CZ3000

Damals war es vor allem eine Mischung aus begrenztem Budget, Unwissenheit und Naivität, welche mich zum Kauf bei einem lokalen Händler verleitete. Und so hatte ich zum CZ auch bald ein zwiespältiges Verhältnis entwickelt, insbesondere als ich etwa einen Monat nach dem Erwerb den JUNO-106 kennenlernte, der mir ungleich satter im Klang und auch intuitiver bedienbar erschien (der JUNO war dann schließlich nach dem TX81Z auch mein dritter Synth…) als der CZ-3000 mit seinem winzigen, unbeleuchteten Taschenrechner-Display und seinen Plastikknöpfen, die mich eher an die kleinen, Quadaratischen Abdeckplättchen aus dem LEGO-Sortiment in meiner Kindheit erinnerten. Klanglich bot der CZ mir auch nicht das, was ich mir damals so vorstellte, weder die Aggressivität eines FM-Boliden noch die oberfetten Bässe und die rohen Filtergeschichten eines Analog-Synthies.

Auf der anderen Seite war der CZ aber durchaus zu einer ganzen Reihe an interessanten Klängen fähig, die sich zudem auch gut im Mix durchsetzen konnten. Darüber hinaus eigneten sich die PD-Sounds ebenfalls gut zum Schichten etwa mit analogen Klängen. Und so hatte der CZ vor allem in Form des kleinsten Modells CZ-101 seinen festen Platz im Setup vieler Synthesisten. Nachdem ich meinen CZ-3000 dann wenige Jahre später wieder verkauft hatte, stellte ich im Nachhinein fest, dass er in der Tat einige Klänge bot, die man so mit anderen Synthies nicht hinbekommt.

CASIO-CZ-101
CASIO-CZ-101

Und gegenüber den ersten FM-Synthies war die PD-Synthese auch leichter zugänglich, da die Ingenieure bei CASiO sich soweit wie möglich an das Bedienkonzept der subtraktiven Synthese orientierten, auch wenn unter der Haube in Wirklichkeit etwas völlig anderes stattfand. Lediglich bezüglich der „digitalen Bedienung“ (nur ein Parameter gleichzeitig kann schrittweise werden, eine ziemlich blöde Modeerscheinung aus den 80ern, von der man ja zum Glück wieder weitgehend abgekommen ist…) waren FM- und PD-Synthies gleichermaßen benutzerunfreundlich, da wenig spielerisch.

Ein paar Jahre nach der CZ-Serie brachte CASIO übrigens auch noch die verbesserten VZ-Modelle heraus, die ungleich komplexer ausfielen und auch über einen deutlich “teureren“ Grundklang verfügten. Die Bedienung fiel allerdings trotz des größeren, beleuchteten und grafikfähigen (aber dafür sehr trägen) Displays noch weniger intuitiv aus, die Konkurrenz bot mittlerweile die damals trendigen gesampleten Wellenformen, und so war der VZ-Serie auch nicht der gleiche kommerzielle Erfolg beschieden, den die CZs für sich beanspruchen konnten.

Nun gut, jetzt wirklich hinterher getrauert habe ich meinem CZ-3000 zwar auch nicht, aber im Zeitalter der Software-Plugins habe ich immer wieder mal einen Blick auf diverse einfache PD-Synthesizer geworfen, von denen einige zwar den bisweilen sehr Plastikhaften Klang zu reproduzieren vermögen, ansonsten aber doch eher wenig mit alten CASIOs gemein haben.

Und nun, im Jahre 2013 wirft TubeOhm endlich ein Software-Instrument auf den Markt, das – um es schon einmal vorwegzunehmen – so konzipiert ist und auch so klingt, wie ich es mir damals dringend von meinem CZ-3000 gewünscht hätte: einfache Bedienung und ein kräftiger Klang, der bei Bedarf auch die gewünschte Aggressivität nicht vermissen lässt.

PHASEWAVE, so heißt die endgültige Version, die als Arbeitstitel vorher noch den für TubeOhm typischen Namen PURE PD trug. Wie die bisherigen Plugins von TubeOhm auch, ist auch der PHASEWAVE unter der Entwicklungsumgebung SynthEdit aufgewachsen.

Das bedeutet natürlich auch, dass er mit gewissen Einschränkungen auskommen muss, wie etwa den Verzicht auf native 64bit-Formate, Mac-Kompatibilität oder auch eine Bedienung per Mausrad. Entgegen der leider immer noch sehr weit verbreiteten Meinung bedeutet ein mit SynthEdit (oder auch mit SynthMaker oder REAKTOR) kreierter Synthesizer jedoch weder, dass unter der Haube kein eigener Programm-Code existiert, noch dass damit keine amtlichen Instrumente „gebaut“ werden können, deren Klang sich nicht vor der Konkurrenz verstecken muss! Beides gilt insbesondere für TubeOhm, denn aus dieser kleinen Schmiede am Rande des Ruhrpotts erreichen uns schon seit einigen Jahren recht eigenständige und dabei sehr gut klingende Synthesizer.

TubeOhm-PhaseWave
TubeOhm-PhaseWave

Angesichts dessen sehe ich dann auch mal wieder gnädig über die fehlende Parametersteuerung mit dem Mausrad (= AI-Knob, = Griffin Powermate etc. ) hinweg, denn der Klang des PHASEWAVE entschädigt für alles. Und 64 Bit interessieren mich persönlich vorerst noch nicht sonderlich (dazu verwende ich noch viel zu viele alte Schätzchen), ganz zu Schweigen von einem Mac-Rechner… 😉

Die Testversion erreichte uns als simple DLL, die einfach in den VST-Ordner kopiert werden wollte, so mag ich es am liebsten! Auf nervige Kopierschutzverfahren verzichtet TubeOhm ja sowieso dankenswerterweise, was man dann auch durch ein entsprechend ehrenhaftes Verhalten quittieren sollte, falls man das Teil gerne haben will, nämlich durch den Kauf des PHASEWAVE!

Das GUI ist recht groß geraten (mein 19-Zöller reicht so gerade nicht aus…), dafür aber übersichtlich und sehr schnell durchschaubar. Die Farbe der Bedienoberfläche ist dreifach veränderbar, auf Wunsch lässt sich diese Einstellung auch mit dem jeweiligen Preset abspeichern. Vielleicht ist das für hektische Live-Einsätze nützlich.

Zum Glück verzichtet TubeOhm weiterhin auf eine pseudo-realistische 3D-Optik, welche die Bedienung nicht selten eher erschwert. Sehr gut finde ich übrigens, dass der PHASEWAVE sowohl über klassische ADSR-Hüllkurven als auch über die erweiterten CASIO-like Envelopes verfügt – wahlweise umschaltbar.

Die CPU-Last, die der PHASEWAVE erzeugt, ist in etwa vergleichbar mit der früherer TubeOhm-Synthies (beispielsweise VINTAGE oder T-FM), liegt also im Mittelfeld. Ich möchte jetzt nicht wieder mit meinem lahmen Rechner kokettieren, denn auf aktuellen Systemen dürfte der PHASEWAVE nicht viel Brot fressen. Selbst auf meiner alten Gurke hat’s noch für zwei oder drei parallel laufende Instanzen gereicht (unter EnergyXT, also mit nur einem von zwei nutzbaren CPU-Kernen!), erst dann musste ich die Tracks nach und nach einfrieren. Die meisten aktuelleren Synthie-Plugins verbrauchen da bei mir noch deutlich mehr an Power.

TubeOhm - Phase Wave
TubeOhm – Phase Wave

Ohne an dieser Stelle die PD-Synthese detailliert erklären zu wollen, sei nur angemerkt, dass der PHASEWAVE ähnlich wie die CZ-Synthies, an deren Architektur er angelehnt ist, keine allzu große Umstellung erfordern, wenn man subtraktive Synthesizer zu bedienen weiß. Lediglich der Umstand, dass bei der PD kein Filter existiert, sondern  Klangveränderungen über die DWC-Sektion erfolgen, mag Umsteiger zunächst ein wenig verwirren. Ansonsten gibt es zwei digitale Oszillatoren-Stränge, die jeweils über eigene Hüllkurven in Tonhöhe, Klangfarbe und Lautstärke moduliert werden können. Jeder Oszillator kann dabei bis zu zwei Wellenformen gleichzeitig erzeugen. Zur Simulation resonanzartiger Klänge stehen jeweils drei spezielle Wellenformen zur Verfügung. Außerdem besteht noch die Möglichkeit der Ringmodulation zwischen den beiden Oszillatoren-Strängen.

Für Anwender, die die CZ-Synthesizer bereits kennen, seien hier kurz die für mein Empfinden wesentlichsten Unterschiede aufgezählt:

  • Die Bedienung (und damit auch das Sounddesign) geht beim PHASEWAVE deutlich einfacher daher, denn man hat durch die GUI ungleich mehr Parameter im Überblick. Beispiel sieht man immer die ausgewählten Wellenformen oder die jeweiligen Hüllkurveneinstellungen.
  • Im Gegensatz zur CZ-Serie sind beim PHASEWAVE durch zwei zusätzliche LFO sowie MIDI-Learn und DAW-Automation viel lebendigere Klänge und auch fließende Veränderungen möglich, bei den CZs gab es dazu ja nur die Hüllkurven.
  • Beim PHASEWAVE lassen sich innerhalb der Oszillatoren auch die Resonanz-Wellenformen miteinander kombinieren, bei den CZs ging dies nicht.
  • Der PHASEWAVE ist natürlich voll anschlagsdynamisch, bei den CASIOs war das nur der CZ-1, und soviel ich weiß, bezog sich das bei diesem lediglich auf die Lautstärke.
  • Beim PHASEWAVE hat man die Wahl zwischen herkömmlichen ADSR- oder den CASIO-like mehrstufigen Hüllkurven (hier natürlich grafisch unterstützt).
  • Der PHASEWAVE hat zwei Arpeggiatoren/step-Sequencer sowie Chorus, Delay und Reverb mit an Board, bei meinem CZ-3000 gab es lediglich einen verrauschten und etwas eiernden Chorus-Effekt (den ich meistens deaktiviert ließ).
  • Ansonsten verfügt der PHASEWAVE natürlich auch noch über weitaus mehr Modulationsmöglichkeiten, als es die CZ-Serie jemals bot.

Und am Wichtigsten: Der PHASEWAVE klingt in meinen Ohren eindeutig besser, als es mein CASIO damals tat! Das ist natürlich auch Geschmackssache, aber der PHASEWAVE bringt deutlich mehr Druck und Präsenz mit ins Spiel. Zudem gelingen mit ihm auch viel dynamischere Klänge.

Womit wir auch schon beim Kern angelangt wären, nämlich dem Klang. Ich habe es nun schon mehrfach angemerkt, der Klang des PHASEWAVE gefällt mir außerordentlich gut. Man kann damit sowohl typische 80er-Jahre Plastikpop-Klischees oder geschmeidige New Age-Sounds erzeugen, als auch richtig schön gemein klingende Töne anschlagen. Und wieder einmal haben wir es hier mit einem Digital-Synthesizer-Plugin zu tun, das sich insbesondere in der Kombination mit einem analogen Klangerzeuger (oder einer Emulation dessen) gut gegen diesen durchzusetzen vermag und somit dazu beiträgt, das Klangbild deutlich aufzufrischen.

Man kann mit dem PHASEWAVE schon die alten CZ-Synthies emulieren, wenngleich er eigentlich sehr viel mehr Potential bietet und mitunter auch gewisse klangliche Ähnlichkeiten zur VZ-Serie mitbringt. Selbst Klänge, die eher an die FM-Synthese erinnern, sind möglich. Der PHASEWAVE bleibt dabei jedoch immer eigenständig.
Im folgenden Klangbeispiel habe ich lediglich die rhythmische Unterstützung (Kick, Snare und Hihat) aus anderen Quellen bezogen, ansonsten stammt alles komplett aus dem PHASEWAVE. Es gab nur einen Limiter auf der Summe, und bei einer Spur (ein Drum-ähnlicher Part im Mittelteil) habe ich mit dem DAW-eigenen EQ alles unterhalb von 200 Hz weggeschnitten, weil es sonst Bassgrütze gegeben hätte…

Phasewave-Klangbeispiel:

Schade, dass mein CZ-3000 damals nicht so war wie jetzt der PHASEWAVE! Letzteren als Hardware würde ich mir gerne gefallen lassen… 😉 Der PHASEWAVE wird somit das erste PD-Synth-Plugin sein, dass meinen VST-Ordner nicht wieder verlassen muss, ganz im Gegenteil, er ist hier herzlich willkommen!

Andreas: Ich kann Perry nur beipflichten, der PHASEWAVE kann die Sounds der CZ-Serie von CASIO emulieren, aber das kratzt dann nur an der Oberfläche der Möglichkeiten, die dieses Soundmonster bietet. Bei mir lief der PHASEWAVE, wie von TubeOhm gewohnt, absolut stabil und ohne Mucken, die CPU-Last, wie schon von Perry erwähnt, ist erfreulich gering. Die Klänge sind durchsetzungsfähig und stechen wie damals bei den CASIO CZ-Synthesizern aus den Mainstream-Sounds heraus. Ganz besonders gefallen mir die String-Sounds, weil, Ihr ahnt es sicher schon, dort ein Sound dabei ist, den ich seit ewig langer Zeit gesucht habe.

FAZIT:

Für kleines Geld, bereits registrierte TubeOhm Kunden zahlen 49,- Euro und Neukunden 59,- Euro, bietet der Phase Wave eine Menge Möglichkeiten der Soundgestaltung und zahlreiche brauchbare Presetsounds. Der Arpeggiator sowie der Step-Sequenzer sind nützliche Tools. Im Gegensatz zu den CZ-Synths von CASIO hat der PHASEWAVE auch eine brauchbare Effektsektion mit Delay und Hall eingebaut. Alles in Allem ein tolles Synth-Plugin, das mit der Jbridge auch in 64 Bit Systemen lauffähig ist.

Es ist nur Schade, dass es keine etwas kleinere GUI gibt, aber dies ist sicherlich der Übersichtlichkeit geschuldet, schwierig wird es dann wenn der Phase Wave auf einem 15″ NoteBook zum Einsatz kommt…

Weitere Infos, Videos und Klangbeispiele sowie eine kostenfrei Demo Version findet Ihr bei: www.tubeohm.com/TubeOhm/Phasewave.html

Es bleibt noch zu erwähnen, dass in Kürze eine monofone Version des PHASEWAVE gratis erhältlich ist, aber glaubt mir, so richtig Spaß macht dieser PD-Synthesizer erst in der polyphonen Variante.

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