TAL-BassLine-101: Eine gelungene Roland SH-101-Emulation – Testbericht

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TESTBERICHT VON: Perry Staltic

Wenn Patrick Kunz alias TOGU AUDIO LINE aus der Schweiz ein neues Plugin veröffentlicht, dann stellen wir hier bei buenasIdeas.de sofort neugierig die Ohren aufrecht, denn der Mann versorgt uns bereits seit einigen Jahren mit guten bis sehr guten Synthesizern und Effekten.

Der bisherige Höhepunkt in Patricks Portfolio stellte eine JUNO-60-Emulation dar, die im vergangenen Jahr unter dem Namen TAL-U-NO-LX das Licht der Welt erblickte (Test siehe hier: testbericht-tal-u-no-lx), und nicht nur uns sofort zu überzeugen wusste.

Auch dieses Mal stellt TOGU AUDIO LINE wieder die virtuelle Nachbildung eines ROLAND-Klassikers aus den frühen 1980ern vor. Der Name TAL-BassLine-101 deutet dezent an, dass Patrick sich hierfür den SH-101 vorgenommen hat.

Zwar existiert mit dem TAL-BassLine (ohne die angehängte 101!) bereits seit ein paar Jahren eine kostenlose SH-101-Emulation von TAL, diese wies jedoch in erster Linie starke optische Gemeinsamkeiten zum Original auf, während der Klang seinerzeit zwar gut, aber noch nicht wirklich authentisch war.

Das mag sich wohl auch Patrick Kunz gedacht haben, als er sich noch einmal des Themas angenommen hat, und der kommerzielle Nachfolger BassLine-101 präsentiert sich wie erwartet auch als ein Plugin auf der Höhe der Zeit.

Roland-SH-101
Roland-SH-101

Ein paar detailliertere Informationen zum ROLAND SH-101 findet der geneigte Leser übrigens hier: http://en.wikipedia.org/wiki/Roland_SH-101

Allgemeines

Nach der Installation der Demo-Version kann diese noch nachträglich mit einer bei TAL erworbenen Seriennummer zur Vollversion freigeschaltet werden. Die entsprechende Möglichkeit dazu befindet sich im Preset-Menü. Meiner Meinung nach ein Kopierschutz, der wesentlich benutzerfreundlicher ist, als ein Dongle oder diese C/R-Codes.

Nach dem Start präsentiert sich eine übersichtliche und gut ablesbare Bedienoberfläche, weder zu klein, noch zu groß. Wie zu erkennen ist, verzichtet TAL dabei dankenswerterweise auf eine fotorealistische Nachbildung des SH-101, sondern liefert ein kontrastreiches und augenfreundliches GUI. Alle Parameter sind im Direktzugriff erreichbar, man muss sich also nicht durch irgendwelche Tabs hangeln oder nach versteckten Einstellungen suchen. Lediglich der integrierte Step-Sequencer vermag aus Platzgründen nicht alle Werte auf einmal darzustellen.

TAL-BassLine101
TAL-BassLine101

Die Anordnung der Synthese-Regler entspricht dabei exakt dem Bedienpanel des SH-101, sodass man sich auch sofort zurechtfindet. Der verbleibende Platz wird noch für ein paar nette Goodies genutzt, doch dazu später.

Die Regler lassen sich auch mit Mausradbewegungen steuern, außerdem steht noch eine MIDI-Learn-Funktion zur Verfügung.

Ich habe zum Test die VST-Version für Windows x86 verwendet, der TAL-BassLine-101 ist jedoch auch für 64Bit-Systeme erhältlich, und zwar für Windows (VST), wie für Mac (VST und AU).

Bezüglich der Anforderungen an die CPU-Belastung zeigt sich der TAL-BassLine-101 erfreulich bescheiden. Monophone Klänge erzeugten auch auf meinem Steinzeitsystem kaum Auslastung, bei polyphon gespielten Noten stieg sie pro Stimme leicht an. Das Klangbeispiel weiter unten habe ich mit 10 in Echtzeit laufenden Instanzen des TAL-BassLine-101 erstellt. Es war dabei kein Track-Bouncing notwendig, im Gegenteil, ich hatte sogar noch Luft nach oben und hätte auch locker noch einige weitere Instanzen laden können, bis meine alte CPU abgeraucht wäre.

Tonerzeugung

Der Aufbau des TAL-BassLine-101 ist eigentlich recht schnell erklärt, da er bis auf einige Erweiterungen mit dem des SH-101 identisch ist. Auch Junophilen dürfte das irgendwie bekannt vorkommen.

TAL-BassLine101-Einstellungen
TAL-BassLine101-Einstellungen

Es gibt wie beim Vorbild einen Oszillator (VCO genannt. Ob das V hier wohl für VIRTUAL steht? VOLTAGE würde ja bei einem Plugin wenig Sinn machen…), der gleichzeitig eine Sägezahnwelle und eine modulierbare Pulswelle (Rechteck) erzeugen kann. Des Weiteren steht ein Suboszillator mit wählbarer Oktavverschiebung sowie Rauschen zur Verfügung. Alle diese Klangquellen können stufenlos miteinander gemischt werden, bevor es durch ein resonanzfähiges Tiefpassfilter mit 24 dB Flankensteilheit geht. Eine einzige ADSR-Hüllkurve steuert Filter und Lautstärke zusammen, bei Bedarf kann diese für die Lautstärke auch auf GATE (Orgelhüllkurve…) geschaltet werden. Als Modulator für diverse fest verdrahtete Ziele steht noch ein LFO bereit, und das war’s im Prinzip auch schon.

Zusatzstoffe

Unterhalb der Synthese-Regler befindet sich auch noch ein farblich abgesetztes Panel mit 5 Schaltern, die zusätzliche Parameter aktivieren, welche ein SH-101 noch nicht kannte. Das Manual empfiehlt dabei ausdrücklich, diese Schalter deaktiviert zu lassen, sofern man auf eine akkurate Emulation der Hardware-Vorgaben wert legt.

TAL-BassLine101-Einstellungen-2
TAL-BassLine101-Optionale Einstellungen

Beim VCO sorgt der Schalter SNAP TO NOTE dafür, dass die VCO-Modulation nicht stufenlos vonstatten geht, sondern dabei jeweils bei festen Notenwerten einrastet.

Beim NOISE-Regler lässt sich WHITE NOISE aktivieren, was natürlich die Frage nahelegt, welche Art von Rauschen der TAL-BassLine-101 (und auch der SH-101) normalerweise anbietet…

Beim Filter finden sich die Schalter VOLUME COMP sowie FULL RANGE ENVELOPE. Während Ersterer den im originalen Filterdesign bei hohen Resonanzwerten auftretenden Lautstärkeverlust zu kompensieren hilft, ermöglicht der Zweite, dass die Hüllkurve den vollen Cutoff-Wertebereich des Filters zu durchlaufen vermag (was beim SH-101 offenbar nicht der Fall war…).

DE-CLICK ATTACK/RELEASE schließlich verhindert ungewollte (jedoch beim SH-101 bisweilen wohl unvermeidbare) Klickgeräusche bei der Hüllkurve.

Hatte ich schon erwähnt, dass der TAL-BassLine-101 auf Knopfdruck auch 6-stimmig polyfon erklingen kann? Dann geht aber auch die CPU-Last ein klein wenig nach oben.

Arppegiator/Sequencer

Der TAL-BassLine-101 hat auch noch einen Arpeggiator und einen Step-Sequencer mit an Bord, deren Tempo sich auf Wunsch auch extern synchronisieren lässt (zu MIDI-Clock-Signalen, zum Host-Tempo und sogar zu eingehenden Noten, die auf MIDI-Kanal 16 gesendet werden!).

TAL-BassLine101-Sequenzer-Apeggiator
TAL-BassLine101-Sequenzer-Apeggiator

Der Step-Sequencer ermöglicht bis zu 64 Schritte, von denen jeweils 16 gleichzeitig dargestellt werden. Für jeden Schritt lassen sich Tonhöhe, Anschlagstärke und Notenlänge definieren, darüber hinaus gibt es auch jeweils einen Pausen- und einen Slide-Schalter.

Eine HOLD-Funktion sorgt auf Wunsch dafür, dass die Sequenz auch nach Loslassen der Keyboardtasten weiter dudelt, bis der Strom ausfällt.

Ein LOCK-Schalter verhindert, dass die aktuelle Sequenz bei einem Wechsel des Presets mit dessen Einstellungen überschrieben wird. So kann man dieselbe Sequenz bequem mit unterschiedlichen Presets testen. Sequenzen können auch unabhängig von den Presets gespeichert und geladen werden.

Nun ist es nicht unbedingt jedermanns Sache, sich seine Sequenzen wenig intuitiv mit der Maus zusammen zu frickeln. Daher hat der Step-Sequencer des TAL-BassLine-101 auch eine RECORD-Funktion. Ist diese aktiviert, kann man seine Notenfolgen einfach schrittweise per MIDI-Keyboard eingeben. Sehr schön!

Des Weiteren können die Sequenzen sogar via Drag & Drop als MIDI-Dateien exportiert werden. Dazu klickt man mit dem Mauszeiger einfach unten rechts auf das unscheinbare kleine Feld mit der Beschriftung MIDI EXPORT und zieht die Maus dann mit gehaltener Taste etwa auf eine MIDI-Spur in der DAW oder auch in einen Dateiordner. So etwas kenne ich schon vom STYLUS RMX her, und auch beim TAL-BassLine-101 funktionierte dies im Test mit Cubase 5.5 einwandfrei. Anschließend kann man die abgelegten Sequenzen bequem auf der MIDI-Spur nachbearbeiten, variieren und arrangieren. Eine sehr gute Idee!

Während ich die integrierten Step-Sequencer anderer Plugins in der Regel kaum nutze, weil ich lieber in meiner gewohnten DAW-Umgebung bleibe oder aber ein bestimmtes Plugin in Verbindung mit einem BEHRINGER BCR2000 verwende, wird dies bei dem Sequencer des TAL-BassLine-101 aufgrund seines einfachen Zugriffs sicherlich anders werden.

Klangliches

Einen SH-101 habe ich nie besessen, die MC-202, die ich mal mein Eigen nannte, klang jedoch fast identisch, sodass ich mir zumindest mein Gedächtnis einen Vergleich erlaubt. Und auch wenn dieses inzwischen merklich gealtert ist, so attestiert es dem TAL-BassLine-101 doch eine verblüffende Authentizität.

Der Grundklang ist für mein Empfinden typisch „ROLANDesque“, und der TAL-BassLine-101 kann dabei auf Wunsch sowohl weiches und rundes als auch eher rauhes und rotziges Soundmaterial generieren. Satt, analog und durchsetzungsfähig sind ja die typischen Klischees von Testberichtsautoren, aber beim TAL-BassLine-101 kommen sie mir tatsächlich einmal mehr in den Sinn. Das Teil klingt jedenfalls amtlich und kann es auch locker mit deutlich teurer feilgebotenen Konkurrenten aufnehmen!

Wer aber lieber seinen Ohren als meinem Gedächtnis traut, dem empfehle ich den akustischen Direktvergleich, den TOGU AUDIO LINE auf seiner Webseite präsentiert.

Wie weiter oben erwähnt, habe ich auch noch ein kurzes Klangbeispiel erstellt. Zehn Instanzen des der TAL-BassLine-101 spielen hier mit, ansonsten kommen keinerlei weitere Plugins oder Channel-EQs zum Einsatz. Ihr hört somit also nur den rohen Sound des TAL-BassLine-101, ohne irgendwelche Weichspüler oder Kosmetik.

Klangbeispiel TAL-BassLine-101:

Fazit:

Der ROLAND SH-101 als virtuelle Kopie, dieses Ziel hatte sich TOGU AUDIO LINE mit dem TAL-BassLine-101 vorgenommen und meiner Meinung nach auch erreicht, insbesondere was den Klang betrifft, der sehr originalgetreu rüber kommt.

Dass dies nicht auf Kosten einer ausgelutschten CPU geht, ist dabei schon fast ein Wunder (oder eben Programmierleistung…).

Natürlich ist das zugrunde liegende Konzept nicht unbedingt revolutionär, und ähnlich aufgebaute 1-Oszillatoren-Synthies (die aber deshalb noch lange nicht auch so wie ein SH-101 klingen…) gibt’s schon länger, auch als Freeware (sogar von TOGU AUDIO LINE selbst…), doch spielt dies bei einer Emulation, die ihren Fokus vorrangig auf Originaltreue legt, sicherlich nur eine untergeordnete Rolle. Hier ist es nämlich der Klang und eventuell noch das Feeling, das zählt. Beides ist beim TAL-BassLine-101 überzeugend gelungen, Patrick Kunz hat seine Hausaufgaben gemacht!

Während ich noch an diesem Testbericht saß, hat TOGU AUDIO LINE bereits ein Update mit kleineren Verbesserungen veröffentlicht, und auch für die Zukunft sind schon ein paar interessante Neuerungen angekündigt, etwa ein Zufallsgenerator für Presets.

Als direkter, kommerzieller Konkurrent kommt mir zweifellos sofort der LuSH-101 von der d16 Group in den Sinn (Testbericht siehe hier: www.buenasideas.de/test/d16-group-lush-101-the-only-synthesizer-you-need-testbericht/), welcher ebenfalls als SH-101-Nachbildung antritt. Allerdings ist das auch mal wieder der bekannte Vergleich zwischen Äpfeln und Birnen, denn der LuSH-101 schießt mit seinem achtfachen Multimode, den eingebauten Effektsektionen sowie diverser weiterer Syntheseparameter, die eigentlich nichts mehr mit dem ursprünglichen SH-101 zu tun haben, recht weit über das Ziel hinaus. Fairerweise dürfte man daher im Grunde nur ein einzelnes der sogenannten Timbres des LuSH-101 mit dem TAL-BassLine-101 vergleichen.

Während ich jetzt wirklich nicht entscheiden könnte, welcher dieser zwei Synthies denn nun besser klingt, weil sie einfach beide gut klingen, so kann ich jedoch definitiv feststellen, dass der TAL-BassLine-101 bei vergleichbarer Klangqualität weitaus effizienter mit der CPU umgeht, als es der LuSH-101 zu tun pflegt.

Mir persönlich sagt auch das GUI des TAL-BassLine-101 mehr zu, es lässt sich nämlich auch ohne Lupe ablesen und bedienen und man muss auch nicht zwischen diversen Sektionen hin und her schalten. Was den Multimode des LuSH-101 betrifft, der TAL-BassLine-101 besitzt keinen solchen, sein bescheidener CPU-Hunger erlaubt jedoch, dass man bei Bedarf mehr Instanzen davon laden könnte, als ein einzelner LuSH-101 an Timbres besitzt (sogar auf meinem lahmen Rechner…).

Auch der spielerisch bedienbare Step-Sequenzer mit seiner DRAG & Drop-Funktionalität gefällt mir beim TAL-BassLine-101 besser. Der Fairness halber muss man aber ebenfalls erwähnen, dass der LuSH-101 aufgrund seiner erweiterten Synthesemöglichkeiten und Effekte auch allerlei Klänge hinbekommt, die sich mit dem TAL-BassLine-101 so nicht realisieren lassen.

Der TAL-BassLine-101 lässt sich ausschließlich online bei TOGU AUDIO LINE erwerben (siehe unten) und kostet in der zweimonatigen Einführungsphase zunächst 40,- US-Dollar (derzeit etwa 31,- Euro), anschließend wird der reguläre Preis 60,- USD (knapp 47,- Euro) betragen. Der Einführungspreis ist fast schon ein No-Brainer und auch die späteren 60,- USD gehen absolut in Ordnung, auch da liegt die Konkurrenz preislich immer noch deutlich darüber (LuSH-101: 149,- EUR).

Ein sehr guter Synthesizer im Allgemeinen und eine authentische SH-101-Emulation im Speziellen und das zu einem attraktiven Preis. Bitte weiter so, Herr Kunz!

BuenasIdeas-Tipp
BuenasIdeas-Tipp

Von unserer Seite gibt’s daher für den TAL-BassLine-101 auch einen wohlverdienten BuenasIdeas.de-Tipp!

Was mir besonders gut gefiel:

+ satter und authentischer Klang

+ CPU-Belastung erfreulich gering

+ übersichtliches und bedienfreundliches GUI

+ Arpeggiator/Sequencer mit Record und Drag & Drop

+ für Windows und Mac OS verfügbar

+ benutzerfreundlicher Kopierschutz

+ Reglerbedienung via Mausrad möglich

Was mir weniger gut gefiel:

Tja, diesmal hatte ich tatsächlich nix zu meckern… 🙂

Produktseite: https://tal-software.com/products/tal-bassline-101

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