Phase Plant semi-modularer Synthesizer von Kilohearts

Kilohearts ist durch seine Snapin-Effekte bekannt geworden, die in den Snapin-Hosts Snap Heap oder der Multiband-Version Multipass zu modularen Ensembles vernetzt werden können. Dieses Prinzip wird nun weitgehend auf den neuen Synthesizer Phase Plant übertragen, der damit zwar nicht ganz voll modular wird, weil zwischen Generatoren und Effekten keine modulierenden Verbindungen möglich sind, aber bei den Generatoren und Effekten jeweils untereinander.

Die Oberfläche von Phase Plant ist im wesentlichen in drei Bereiche aufgeteilt: links die Generator-Abteilung mit Oszillatoren, rechts die nachgeordnete Effekt-Kette und unten die Modulatoren, die die Insassen der anderen Abteilungen modulieren können.
Ganz oben befinden sich noch Menü und Makro-Regler.

Horror Vacui

Phase Plant startet im Default-Patch völlig leer und soll damit auch dazu animieren selbst die Abteilungen zu füllen und zu erfahren, wie einfach das ist. Bei diesem Synth findet auch alles auf dieser einen Front-Seite statt, was die Übersicht vereinfacht. Wenn man viel hineinpackt und dadurch einzelne Elemente einklappen und minimieren muss geht die Übersicht dann wieder etwas verloren, aber prinzipiell schon mal ein guter Ansatz. Bei den Generatoren ist die Anzahl der Objekte auf 30 begrenzt – was aber wirklich genug sein dürfte.

Dürfen es ein paar Oszillatoren mehr sein?

Bei den Oszillatoren stehen folgende Typen zur Auswahl: Ein analoger Oszillator mit den klassischen Wellenformen. Oszillatoren können gruppiert werden und sich gegenseitig modulieren, damit wird lineare und exponentielle FM Synthese möglich oder Ringmodulation. Davon kann man jeweils beliebig viele laden bis das generelle Limit erreicht ist.

Ein Wavetable-Oszillator, darum kommt scheinbar niemand mehr herum, da die Vorteile dieses Oszillatortyps auf der Hand liegen. Hier ergänzt mit einem wirklich einfach zu bedienenden und dennoch mächtigen Wavetable-Editor, in den man Wellen frei von Hand einzeichnen kann, über das Betonen von harmonischen Partialen erstellen, Samples importieren und zwischen Key-Waves in allen Abständen automatisch morphen kann. Als Sahnehäubchen kann man einzelne Wellen sogar noch nachträglich mit einer Reihe von Modifikatoren bearbeiten, die Phase aufrauhen oder das gesamte Wavetable mit einem Filterverlauf versehen.

Ein Rauschgenerator mit weissem, pink und braunem Rauschen, was keytracked noise ist überlasse ich erst mal der Fantasie des Lesers.

Ein Sample Player, was grundsätzlich löblich ist, damit bekommt man auch jede Sorte anderen Sound mit hinzugemischt. Importieren kann man WAV und FLAC. In dem Fall kein Multisampler auch kein Time-Stretching sondern ein One Shot Sample wird schneller oder langsamer abgespielt, je nach Note. Bei der Einstellung der korrekten Root-Note wird man optisch unterstützt. Man kann Loop-points setzen und einen Sample Start Offset. Das war`s.

Sehr schön gemacht finde ich, dass bei der querformatigen, langen Darstellung der Oszillatoren die jeweils resultierende Wellenform angezeigt wird und man auch auf diesem Weg sehr gut verfolgen kann, wie sich Einstellungen und Modulationen auswirken. Unison existiert auch als zusätzliche Möglichkeit den Sound anzufetten.

Eine Besonderheit ist, dass sich mit einem Filter- und einem Distortion- Effekt zwei Effekte in der Generator-Abteilung befinden. Was aber wirklich Sinn macht, denn so lässt sich der Sound zwischen zwei Modulen filtern oder verzerren und der Output der Effekte auch für Modulationen im Audio-Bereich nutzen.

Was uns zu der zweiten Besonderheit führt, dass alle Generatoren, einschließlich des Sample Players sich gegenseitig mit der Audio Rate modulieren können und zwar fast alle zur Verfügung stehenden Parameter einfach per drag and drop. Damit kann also beispielsweise der Wavetable Oszillator die Phase des analogen Oszillators modulieren oder der Filter-Output die Frequenz des Sample Players usw. hier ist man innerhalb der Generator-Abteilung also zu einem guten Stück bei den Möglichkeiten eines Modularsynthesizers.

Die Möglichkeit Gruppen von Generatoren mit eigenen Output – Mix- und Aux-Modulen zu bilden hilft auf der einen Seite dabei unabhängig Sounds zu Layern, andererseits können auch zwischen Gruppen Modulationsdaten hin und her geschickt werden oder resultierende Klänge auf verschiedene Effekt-Lanes ausgegeben werden. Die Outputmodule beinhalten eine klassische Verstärkerhüllkurve und einen Gain-Regler und die Auswahlmöglichkeiten wohin das Signal geschickt wird.

Rudel eingeschnappter Effekte

Womit wir bei den Effekten wären, die natürlich aus Snapins bestehen. Hier unterscheiden sich verschiedene Ausbaustufen von Phase Plant, denn in dem puren Synth befinden sich nur die sechs freien Snapins. Will man seine erstellten Oszillatorsounds mit mehr Effekten veredeln dann muss man entweder schon von vorneherein ein größeres Bundle nehmen oder später welche dazukaufen – vorzugsweise wenn es bei Kilohearts einen Sale gibt.
Die Effektabteilung ist in drei Lanes aufgeteilt, in die man beliebige Snapin-Effekte einklinken kann. Aus dem Output-Modul der Generatoren kann man jeweils eine Lane auswählen oder sie komplett umgehen und direkt auf den Master schicken z. B. für ungestörte Subbass-Sounds. Es ist aber auch möglich aus dem Generator-Output ein Sidechain-Signal zu schicken, das dann von allen Effekten, die über einen Sidechain-Eingang verfügen genutzt werden kann.

Auch hier gilt das Modular-Prinzip, dass das Ganze mehr darstellt, als die Summe seiner Teile. Die beliebige Kombinationsmöglichkeit der Effekte untereinander macht den Unterschied zu einer herkömmlichen festgelegten Effektabteilung. Die Multibandfähigkeiten von Multipass sind hier jedoch noch nicht integriert, es wird aber von Kilohearts überlegt, wie man das implementieren könnte. So bleibt noch der Workaround an den Anfang jeder Lane einen der einfachen 3-Band EQs zu setzen und entsprechend die Bänder zu filtern.

Module in Bewegung

Die unterste Abteilung an der Basis des GUI beinhaltet die Modulatoren. Hier kann man bis zu 32 Stück davon platzieren darunter Envelopes (DAHDSR), LFOs, bei denen man die Wellenform auch selbst editieren kann, sehr vielseitig also, sogar indirekt als Mikro Step-Sequencer nutzbar, wenn man Stufen einzeichnet. Random-Reneratoren und MIDI-Generatoren, die MIDI-Signale, Notenwerte, Velocity und Pressure (Monophoner Aftertouch) als Modulationssignale weiter geben. MPE -Fähigkeiten sind an dieser Stelle geplant.
Geroutet werden können die Modulatoren auf alles, was nicht bei drei auf den Bäumen ist, Generatorparameter, Effekte und andere Modulatoren, wobei es auch hier zwei Mix-Module gibt, die Signale zusammenfassen und multiplizieren können. Wiederum: auch hier ist in der Praxis der Unterschied zu einem vollen Modularsystem nicht groß, es fehlen eben Routen zwischen Generatoren und Effekten und zurück zu Modulatoren, was einige Modular-typische Feedbackschleifen verhindert. Jedoch was Modulationsmöglichkeiten an sich angeht ist man wirklich satt bedient.

Da viele Parameter aufgrund des modularen Aufbaus von aussen nicht direkt automatisierbar sind gibt es ganz oben eine Reihe von acht Makro-Reglern. Sie sind für das Automationssystem der DAW erreichbar und können wiederum jeden modulierbaren Pareameter in Phase Plant ansteuern. Für das Patch-Design an sich sind Makro-Regler auch sehr wertvoll, da sie die wichtigsten Parameter direkt in den Zugriff bringen oder gewichtete Kombinationen derselben erlauben. Phase Plant kommt mit ca. 300 Patches namhafter Sound Designer.

Die Krone des Effekt-Ökosystems

So bezeichnet Kilohearts ihren neuen Modularsynth und es ist ein folgerichtiger Schritt, nach der Entwicklung eines stetig anwachsenden Ökostystems kleiner modularer Effekte dieses Prinzip auch in einem Synth zu verwirklichen und die Snapins gleich mit einzubauen. Insgesamt macht Phase Plant einen gut und übersichtlich durchgestalteten Eindruck auf mich. Die Anzeigen der Wellenformen in den Oszillatoren, der fortgeschritten komfortable Wavetable-Editor und die Modulationsmöglichkeiten, die semi-modularen Kombinationsmöglichkeiten und die Gestaltungsräume beim Sound Design dadurch sind die Highlights dieses Neuankömmlings.

Modulare Zeitgenossen

Behaupten muss er sich gegen eine Reihe anderer modularer oder semi-modularer Synths, die in letzter Zeit heraus gekommen sind. Modular liegt im Trend, ausgelöst einerseits durch den Hardware-Boom, in dessen Kielwasser auch die lange ins Abseits geratenen Hardware-Modularsysteme wieder ins Blickfeld gerückt sind. Softube Modular war vor drei Jahren auf der Software-Seite eine Art Initialzündung, die VCV-Rack und ganz neu Voltage Modular als voll modulare Software-Synths nach sich gezogen hat. NI Reaktor bildet trotz Reaktor Blocks immer noch ein ganz eigenes etwas umständlicheres Ökosystem – auch wenn die neuesten Entwicklungen auch eine Verkabelung an der Frontseite erlauben.

Direkt vergleichbar ist Phase Plant aber viel eher mit einem anderen umfangreichen semi-modularen Synth, dem MSoundFactory, der auch vor wenigen Wochen erschienen ist. Hier unterscheiden sich die Gestaltung des GUI und die zugrunde liegenden Organisationskonzepte jedoch sehr deutlich. Phase Plant hat eindeutig den Vorteil, dass die Oberfläche von dem auf Einfachheit ausgerichteten Konzept der Snapins profitiert und sehr eingängig wirkt. Das ist ein Synth, der offensichtlich dafür, dass er durch das Patch-Design mit vielen unterschiedlich angeordneten Elementen sehr komplex werden kann dennoch verhältnismäßig übersichtlich bleiben wird. MSoundFactory bietet zwar das übersichtliche modulare Grid mit seinen Verbindungen, die Oszillatoren und sonstigen Elemente haben jedoch teilweise tief verschachtelte Menüs und die Übersicht geht schneller verloren. Dafür sind wiederum z. B. die analogen Oszillatoren viel umfangreicher einstellbar. Auch das Modulationssystem von MSoundFactory ist in einigen Bereichen wohl mächtiger. Was die modularen Aspekte anbelangt verfügt MSoundFactory über mehr Logikbausteine mit denen sich Verschaltungen aufbauen lassen, die deutlich fortgeschrittener sind.

Bei den Effekten gibt es auch große Unterschiede. Bei MSoundFactory verfügt das separate Grid für Effekte über 6 Lanes, die auch quer verbunden werden können. Es sind mehr Effekte verfügbar – und zwar gleich alle – dafür ist die Grundversion teurer, als die von Phase Plant. Allerdings ist das Professional Bundle von Phase Plant nicht so umfangreich und teurer – so wie ich die gesamte Kilohearts Effekt-Riege insgesamt für überteuert halte. Die Effekte selbst sind zum Teil sehr viel komplexer, als die von Kilohearts, und das obwohl es schon vereinfachte Versionen ihrer Effektsuite sind, die man mit MXXX Core auch zu einem modularen Multi-Effekt vernetzen kann. Über einen Filter- und Distortion -Effekt in dem Generator-Grid wie Phase Plant verfügt MSoundFactory allerdings nicht. Das ist schon eine sehr gute Idee. Auch die Implementation des Wavetable-Editors in MSoundFactory kommt an die in Phase Plant nicht heran.

In MSoundFactory kann man mehr im Detail einstellen, die Effekte können mehr, jedoch leidet darunter auch die Bedienbarkeit. Phase Plant scheint deutlich einfacher bedienbar, übersichtlich und verfügt über eine hervorragend gestaltete Oberfläche, die Qualität der Bausteine scheint gut zu sein, auch wenn sie einfacher ausfallen, das Modulationssystem ist bei weitem mächtig genug um damit praktisch alles machen zu können, was einem so einfällt. Letztendlich zählt wie schnell und Zielgerichtet sich Sounds erstellen lassen, die auch auf komplexen Patches aufbauen können, wie sie nur in einer semi-modularen Umgebung möglich sind. Hier dürfte Phase Plant die Nase vorne haben.

Produktseite von Phase Plant:
https://kilohearts.com/products/phase_plant

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