VITAL Wavetable Synthesizer Pre-Sale

Der Entwickler Matt Tytel bringt mit VITAL einen Wavetable-Synthesizer heraus, der am 24. November veröffentlicht wird. Bekannt wurde Matt Tytel durch seinen sehr beliebten Freeware-Synthesizer HELM.
Das Layout des Synths erscheint genau so klar, übersichtlich und aufgeräumt wie das von HELM. 

Vital Voice Tab
Vital Voice Tab

Nun sind Wavetable Synthesizer nicht mehr die neuesten Geräte unter der Sonne, schon im wahrscheinlich bisher erfolgreichsten virtuellen Synthesizer MASSIVE basierte die Klangerzeugung auf Wavetables. Vorher in Hardware Kisten, angefangen mit dem PPG WAVE und den nachfolgenden Waldorf Synths. Seit dem revolutionären SERUM, der MASSIVE schnell den Rang ablief und mit seinem mächtigen Editor erst die volle Welt der Wavetables im Rechner erschloss, gibt es viele Nachahmer und heute erscheint praktisch kein größerer virtueller Synthesizer mehr ohne Wavetable-Oszillatoren. 

Da muss eine Neuerscheinung, die nicht hybrid ist, sondern ausschließlich Wavetable-Oszillatoren verwendet, schon etwas mehr an Features oder gar Innovationen bieten.
Als allererstes ist VITAL ein Spectral Warping Wavetable Synthesizer, was ungefähr so viel heißt, dass nicht nur Wavetables durchfahren werden, sondern zusätzlich noch die Obertöne dynamisch manipuliert werden und damit das Timbre verändert wird. Da werden die armen Obertöne also gestreckt, verschoben, verschmiert und verbogen, das Spektrum rauf und runter. Im Prinzip werden hier auf Oszillator-Ebene spezielle spektrale Effekte auf die Obertöne angewendet und diese damit leicht bis stark verändert, je nachdem, was es für ein Effekt ist und wie weit man den Regler dreht. Auf mittelkomplexe Wavetables sind die Auswirkungen stärker als auf einer einfachen Saw. Das kann von der Anmutung alles zwischen Vocoding, phaserartigen Effekten, Frequency-Shifting und Distortion sein, klingt aber etwas anders, als das, was man gewohnt ist. 

Shape Warping wirkt auch auf Oszillator-Ebene, umfasst klassische FM, Formant, Bend, Pulse usw. Man kann sogar die Wave-Samples als FM-Modulatoren hernehmen. 

Shape Optionen
FM und Shape Optionen

In VITAL werden die wesentlichen Parameter und Wellenformen in Echtzeit grafisch visualisiert, man sieht beständig, was geschieht.
Modulationen werden einfach per Drag & Drop zugewiesen, wobei die Besonderheit hier ist, dass man eine Vorschau (äh… „Vorhöre“) davon bekommt, wie sich die Modulation auswirkt bevor man sie „fallen lässt“.
Innovativ ist Stereo-Modulation. Man kann einen LFO aufteilen, so dass die zwei Stereokanäle mit einem Zeitversatz moduliert werden. Dann laufen zum Beispiel zwei Playheads über die Wavetables, wenn das auf die Wavetable-Position gelegt wird, und werden separat auf den Stereokanälen ausgegeben. 

Stereo Modulation
Stereo Modulation

Ein Feature, das ich so noch nicht kenne, nennt sich Resynthesize Preset to Wavetable. Das funktioniert zwar nicht ganz so, wie wenn man sich das Preset zum Beispiel mit einer Modulation der WT-Position anhört – aber ansatzweise. Man hat dann ein Wavetable, das ungefähr ähnlich ist. 

Resynthesize Preset to Wavetable
Resynthesize Preset to Wavetable

Das Text to Wavetable Feature erzeugt aus dem Text ein Wavetable, dass sich eher nach einem Speak and Spell device anhört, das man kurzgeschlossen hat. Aber es sind tatsächlich musikalisch nutzbare Sounds. 

Da ich mich mit dem Wavetable-Editor noch nicht beschäftigen konnte und auch nicht mit den Import-Möglichkeiten, kann ich dazu nur sagen, dass er zumindest so aussieht, als könnte man etwas damit anfangen. Es hat ja nun nicht jeder WT-Synth überhaupt einen Editor, siehe PIGMENTS 2. 

Wavetable Editor
Wavetable Editor

Alle Modulationen sind in einer Modulations-Liste sichtbar und können da auch eingestellt werden. 

Modulationen Tab
Modulationen Tab

Die Effekt-Seite sieht auch gut bestückt aus. 

Effekte von Vital
Effekte von Vital

Auf der Advance -Seite können allerlei generelle Einstellungen vorgenommen werden. 

Advanced Tab
Advanced Tab

Ein Handbuch habe ich bisher noch nicht gefunden. Die meisten Features haben sich nach etwas herum Geklicke aber auch so erschlossen. Insgesamt hat VITAL so viele Details unter der Haube, dass man sich doch sicher eine zeitlang damit beschäftigen muss, um alles auszuschöpfen. 

Hier noch ein kurzer Vergleich des gleichen Wavetables mit vielen Obertönen in Vital, Pigments 2 und Falcon. Ohne Filter, direkt auf den Output.
Hier gibt es deutliche Unterschiede, Pigments klingt für mich etwas schöner und Druckvoller. Falcon macht aus dem Wavetable etwas ganz anderes, was mir so in der Vergangenheit noch nicht aufgefallen ist. Bei meinen Tests zu WaveEdit damals hatte ich aber auch noch kein Pigments, da waren die Wavetables in Falcon und WaveEdit sehr ähnlich und Synthmaster One interpretierte sie wie immer total anders und leider auch schlechter.
https://www.buenasideas.de/test/musikproduktion/audiotools/waveedit-wavetable-editor-testbericht/

Die Feature Liste: 

Wavetable Oszillatoren mit Frequenz- und Wave Warping
Effizientes Unison
Zwei Filter, auf die flexibel geroutet werden kann mit diversen analogen und digitalen Modellen, jedes mit kontinuierlichen Überblend-Modi
Modulation mit Audio-Rate, so dass man damit saubere Drum-Transienten hin bekommt und die Filter-Cutoff-Frequenz modulieren kann
In Stereo aufteilbare LFOs mit eigenen und editierbaren Wellenformen
Keytracking der LFO-Settings (was das bedeutet, ist mir nicht so ganz klar, Keytracking kenne ich eigentlich nur von Filtern, im Groben könnte das heißen, dass das Verhalten/die Frequenz des LFOs der gespielten Notenhöhe angepasst wird)  (Kann man z. B.laut Cameron für FM der Filterfrequenz benutzen)
Modulierbare Hüllkurven mit eigenen Kurvenverläufen
Modulations-Remapping, so dass man die Form jeder Modulation anpassen kann
Eigene Sample Quelle (man kann aus eigenen Samples Wellenformen extrahieren, jedoch ist nicht klar wie genau. Frequency-splice sagt mir nichts, ein Import von Wavetables im Serum-Format ist möglich.
Zufalls-Modulationsquellen wie Perlin-Rauschen, Lorenz-Attraktor, S&H und Sinus-Interpolation, alle mit Stereo-Optionen
Acht Effekte, auf die geroutet werden kann, darunter ein Multiband-Kompressor, Multi-Mode-Phaser und ein 16-stimmiger Chorus
MPE Unterstützung (hat das SERUM?)
Unterstützung verschiedener Mikrotonaler Tuning-Formate (sehr schön…)
Oszilloskop und Spektrum-Ansicht
Ein Preset-Browser mit Sortierung, Suche, Tags und Ordnern 

VITAL gibt es in allen VST- und AU Plugin-Formaten für Windows, Mac und Linux 

Alles in Allem eine recht beeindruckende Feature-Liste… Der Hammer ist dabei, dass VITAL in der Basic-Version, in der alle Features enthalten sind, frei ist, außer die erweiterte Version der ziemlich exotischen Text-to-Wave-Funktion. Darüber hinaus gibt es noch kommerzielle Packs, in denen mehr Wavetables und Presets, irgendwelche unbestimmten Zugaben und Support enthalten sind. Die Pro-Version liegt dann bei immerhin 80,- Euro und es gibt eine Subskriptions-Möglichkeit für monatlich 5,- Euro, die dann alles plus weitere Presets und frühem Zugang zu Updates enthält. 

Auf dem bekannten und sehr guten Musikproduktions-Kanal „In The Mix“ gibt es ein Vorab-Einführungsangebot, dass die Plus-Version und sein eigenes Preset-Pack für 20 €, das ist die Hälfte des Gesamtpreises und einen Download vor dem 24. November, dem offiziellen Veröffentlichungstermin enthält. Dieses Angebot ist nur bis zum 20. November gültig!

Lohnt sich das, obwohl die Basisversion frei ist? Ich würde sagen: Unbedingt! Ich habe mir dieses Bundle heute gekauft und schon die 70 Wavetables und 250 Presets von verschiedensten Sound-Designern sind ein großer Mehrwert. Die eigentliche Factory-Bibliothek umfasst ja nur eine ganz kleine Handvoll Presets. Um die Presets herunter zu laden, was das Plugin erst beim ersten Öffnen macht, muss man online sein und sich in seinen Account einloggen. Von dem Plus-Pack kann man auch für die Differenz von 55,- Euro ab dem 24. auf die Pro-Version mit über 400 Presets und 150 Wavetables upgraden, auch das kann sich durchaus lohnen. 


Die Presets von In The Mix sind teilweise ganz gut. Die String-Sektion, die er in dem Video vorführt, ist – soweit ich es bisher durchhören konnte – das am schönsten klingende Preset unter allen. Womit wir bei meinem ersten Eindruck vom Klang von VITAL wären. Der ist durchwachsen, was einerseits daran liegt, dass Wavetables grundsätzlich die Tendenz haben, sehr digital zu klingen, andererseits kann der Entwickler dagegen auch etwas tun und das ist hier noch nicht wirklich geschehen. In PIGMENTS 2 hat ARTURIA analog-virtuelle Filter aus ihren Vintage-Emulationen eingebaut und das macht einen großen Unterschied. Der Sound wird etwas angewärmt und dadurch klingt er organischer. Der analoge Filter in VITAL hat diese Qualität nicht, und damit fehlt das gewisse Etwas und macht die Mehrzahl der Presets eher durchschnittlich. Es gibt jedoch einige sehr ungewöhnliche Exemplare, die zeigen, dass VITAL technisch und von den Features her völlig auf der professionellen Seite ist, man kann damit exotische und raffinierte Sounds basteln. 

Ich hatte heute nur kurz Zeit mir einen Überblick zu verschaffen, aber ich bin sehr beeindruckt. Über alles, was ich an Wavetable-Synths im Freeware-Bereich bisher gesehen habe, geht VITAL weit hinaus und ist eine sehr überraschende und spannende Neuerscheinung. Einige neue, innovative  Features sind hier zu finden, und ich denke, VITAL hat noch eine interessante Entwicklungsgeschichte vor sich. Da die Basis-Version ohne gravierende Einschnitte frei ist, wird sich bestimmt eine Community darum herum bilden und im Laufe der Zeit jede Menge Presets dazu geben. 

Produkwebtseite von VITAL: https://vital.audio

Ein Video mit den fortgeschritteneren Features von Vital von Cameron von Venus Theory. Er hat auch ein eigenes Preset Pack für Vital gemacht, dass nicht teuer ist (5$) und einige sehr interessante Patches enthält. 

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