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Kurztest: CHERRY AUDIO PS-3300

Ein (kurzer) Testbericht von Perry Staltic,
veröffentlicht am 10.10.2023

Nur ein kurzer Abstecher in das Reich der Eigenkreationen, und schon wendet sich CHERRY AUDIO wieder seinem Kerngeschäft zu, nämlich den virtuellen Kopien alter Analogsynthesizer. Auf der Suche nach einem Klassiker, der noch nicht bereits ausgiebig von der Konkurrenz abgedeckt wurde, ist man diesmal beim KORG PS-3300 hängengeblieben, einem Boliden aus dem Jahre 1977, der nur in relativ geringer Stückzahl hergestellt wurde.

CHERRY AUDIO scheint in der letztem Zeit ein glückliches Händchen dafür zu haben, neue Produkte immer genau dann zu veröffentlichen, wenn ich gerade mit wichtigen anderen Aufgaben betraut bin und für einen ausführlichen Testbericht schlichtweg keine Zeit zu erübrigen vermag. Aus diesem Grund kann ich auch dieses Mal leider nur mit einem Kurztest des Neuen aufwarten.


Sayonara Jiupita…

Die semimodularen Modelle der KORG PS-Serie aus den späten Siebzigern zählen zu den ersten vollständig polyphonen Synthesizern. Beim PS-3300 kamen tatsächlich jeweils 48 VCOs, VCDs und VCAs zum Einsatz. Im Prinzip beherbergt dieses Instrument die verdreifachte Klangerzeugung seines kleineren Bruders PS-3100.

KORG PS-3300

Der PS-3300 war dementsprechend groß und teuer, daher war er in erster Linie besser betuchten Musikern vorbehalten, darunter auch die üblichen Verdächtigen jener Zeit wie etwa Jean-Michel Jarre, Vangelis, Kraftwerk oder Klaus Schulze. Auch im Synthie-Hit „Magic Fly“ der französischen Gruppe Space (einem meiner Lieblings-Tracks) ist er an prominenter Stelle zu hören. Selbst Bob Moog zeigte sich offenbar von diesem Synthesizer sehr angetan.

KORG PS-3300 in Sayonara Jupiter (1984)

Kleiner Fun Fact am Rande: Der PS-3300 schien nicht nur musikalische Qualitäten aufzuweisen, auch als Filmrequisite musste er schon herhalten, wie die oben abgebildete Szene aus einem alten japanischen Sci-Fi-Film beweist.


Business as usual…

Der PS-3300 ist als 64-Bit-Plugin in den Formaten VST2, VST3, AAX und AU verfügbar. Eine Standalone-Version zum Spielen ohne gesonderten Host wird ebenfalls wieder angeboten. Als Betriebssystem kommt entweder WINDOWS ab Version 7 oder macOS ab Version 10.13 infrage. Die SILICON-Prozessoren von APPLE werden nativ unterstützt.

Für die Freischaltung erfordert das Plugin eine eine aktive Internetverbindung auf dem jeweiligen Host-Rechner, da eine Offline-Aktivierung nicht von CHERRY AUDIO angeboten wird. Eine Internetverbindung wird übrigens auch schon für die vorangehenden Installation benötigt, da das Plugin dabei noch diverse Dateien nachzuladen scheint. Für den reinen Betrieb ist sie dann später nicht mehr notwendig.

CHERRY AUDIO PS-3300 – allgemeine Merkmale

Der PS-3300 weist eine Reihe von allgemeinen Merkmalen auf, die sich bei allen Synthesizer-Plugins von CHERRY AUDIO wiederfinden. Dazu gehören eine skalierbare Bedienoberfläche, in die sich mit Hilfe der Focus-Funktion bei Bedarf auch hineinzoomen lässt, eine komfortable und umfangreich ausgestattete Möglichkeit zum Anbinden von MIDI-Controllern, eine QWERTY Keyboard genannte Bildschirmklaviatur zum Spielen des Synthesizers via Maus und Tastatur, ein vernünftiger Preset-Browser sowie weitere praktische Kleinigkeiten, etwa eine Undo/Redo-Funktion, eine Option zum Einstellen der Oversampling-Qualität sowie detailliertes Settings-Menü. Alles wie gehabt also.


Trilogie…

Die Bedienoberfläche des PS-3300 von CHERRY AUDIO orientiert sich optisch zwar nicht zu einhundert Prozent, aber dennoch sehr stark an seinem gleichnamigen Vorbild von KORG. In mancher Hinsicht geht mir dieser Pseudorealismus jedoch etwas zu weit, etwa wenn das (ansonsten völlig funktionsfreie und nur dekorativen Zwecken dienende) Verbindungskabel zwischen Keyboard und Klangerzeugung mitsamt seiner dicken Stecker störend in das GUI hineinragt und beinahe die sich dahinter befindliche Reglerbeschriftung verdeckt. Was soll denn das…?!

CHERRY AUDIO PS-3300

Wer einen KORG MS-20 oder auch CHERRY AUDIO’s virtuelles Pendant PS-20 als komplex und unübersichtlich empfinden sollte, für den dürfte der PS-3300, gleich ob als Hard- oder als Software, vermutlich ein wahrer Alptraum darstellen. Dabei ist er gar nicht so kompliziert, wie es vielleicht anfangs erscheinen mag.

Die drei Synthesetränge des PS-3300 sind identisch aufgebaut, hat man also einen davon erstmal durchschaut, dann gilt das auch für die beiden restlichen. Schauen wir uns einmal die wichtigsten Parameter an.

CHERRY AUDIO PS-3300 – ein einzelner Synthesetrang

Die als SIGNAL GENERATORS bezeichnete Sektion beherbergt einen Oszillator, der eine von fünf verschiedenen Standard-Wellenformen erzeugen kann, darunter auch eine mittels LFO oder externer Quelle modulierbare Pulswelle. Fußlage und Feinstimmung sind einstellbar.

Das resonanzfähige Tiefpassfilter mit einer Flankensteilheit von 12 dB pro Oktave ist umschaltbar zwischen einer PS- und einer optionalen MS(-20)-Charakteristik, bei Letztere wird das unter der Haube verborgene zusätzliche Hochpassfilter (ohne Einstellmöglichkeiten) deaktiviert.

Eine weitere Klangformung ermöglicht die aus drei Bandpassfiltern (ebenfalls 12 dB pro Oktave) bestehende Resonatorbank, die sich bei Bedarf auch durch den zweiten LFO (MG2) modulieren lässt.

Neben diesem MG2, der lediglich eine Dreieckwelle erzeugen kann, gibt es noch einen mit mehr Schwingungsformen sowie rosa und weißen Rauschen ausgestatteten LFO namens MG1, den man unter anderem auch auf Tonhöhe, Filterfrequenz und Verstärker-Amplitude ansetzen kann. Seine Intensität lässt sich von außen via Patchbuchse beeinflussen, beispielsweise um ein sanftes Einschwingen der Modulation zu erlauben. Beide LFOs lassen sich zudem zum Host-Tempo synchronisieren.

Die Hüllkurve besitzt abweichend vom Vorbild eine klassische ADSR-Parametrik und kann via Anschlagsdynamik beeinflusst werden. Attack- und Release-Zeiten können auch über eigene Steuereingänge geregelt werden. Die Hüllkurve kann auf den und auf das Filter einwirken, Letzteres mit regelbarer Intensität.

Am unteren Rand eines jeden Synthesestrangs befinden sich zwölf Drehregler, die jeweils die zwölf Noten einer Oktave repräsentieren und eine individuelle Stimmung eben dieser ermöglichen. Es existiert sogar ein eigenes Preset-Menü für dieses Micro-Tuning, das unter anderem auch zufällige Stimmungen beinhaltet.

Jeder Synthesestrang kann übrigens monophon oder polyphon mit 24 Stimmen arbeiten.


Master and Servant…

Auf der rechten Seite befindet sich das sogenannte Master Panel. Hier werden die Audiosignale der drei Synthesestränge zusammengemischt, die Lautstärke kann hierbei auch mittels Patchkabel über externe Quellen beeinflusst werden und zwar sowohl für jeden Strang getrennt als auch für alle gemeinsam.

Neben einem synchronisierbaren SAMPLE & HOLD für zufällige Steuersignale gibt es auch noch eine globale monophone Hüllkurve, die lediglich über Attack- und Release-Phasen verfügt, dafür aber über eine einstellbare Verzögerung und drei Ausgänge mit jeweils unterschiedlicher Polarität.

Des Weiteren existieren zwei Steuerspannungsprozessoren, die separat voneinander betrieben, aber auch miteinander verknüpft werden können. Sie liefern entweder statische Steuersignale, deren Wert dann mittels der entsprechenden Regler an den jeweiligen Modulationszielen eingestellt wird, oder können per eigenem Steuereingang variable virtuelle Spannungen verarbeiten und deren Wertebereich mit Hilfe von jeweils zwei Limitern begrenzen.

CHERRY AUDIO PS-3300 – Master Panel

Auch Pitchbender, Modulationsrad und Keyboard können durch ihre eigenen Ausgangsbuchsen via Patchkabel in die Klanggestaltung integriert werden.

Apropos Buchsen, es können nur Ein- und Ausgänge mit Hilfe der virtuellen Patchkabel verbunden werden, wenn man beispielsweise so ein Kabel in einen Eingang stöpselt, werden alle anderen Eingänge automatisch ausgegraut und nur die Ausgänge bleiben verfügbar. Umgekehrt gilt das gleiche.

CHERRY AUDIO hat durch VOLTAGE MODULAR ja bereits hinreichend Erfahrung mit virtuellen Modularsystemen und das durchdachte hauseigene System auch im PS-3300 integriert. Das betrifft unter anderem auch das Einfärben von Kabel und deren einstellbare Transparenz oder die Multiples, die sich hinter jeder einzelnen Buchse verbergen und die sich nach Bedarf automatisch vervielfachen.

Zu guter Letzt hat CHERRY AUDIO auch noch eine kleine Effekt-Sektion im Master Panel untergebracht, bestehend aus Chorus, Echo und Reverb, jeweils mit einer Handvoll an Parametern. Beim Chorus und beim Echo gibt es Steuereingänge für die Geschwindigkeit der virtuellen Verzögerungsschaltkreise, beim Reverb kann darüber das Mischungsverhältnis zwischen trockenem und verhalltem Audiosignal geregelt werden.

Die Algorithmen und ihre Qualität kennt man bereits von anderen Erzeugnissen aus dem Hause CHERRY AUDIO (unter anderem auch das GALACTIC REVERB).


Tonerzeugnisse…

Dass von den wenigen Dutzend Exemplaren, die vom KORG PS-3300 überhaupt gebaut wurden, ausgerechnet ich eines besitze, um es hier mit dem Plugin vergleichen zu können, hattet Ihr jetzt nicht wirklich angenommen, oder? 😉

Den Grundklang des virtuellen PS-3300 empfinde ich als solide, er setzt jetzt allerdings auch keine wirklich neuen Maßstäbe. Man erhält eben die von CHERRY AUDIO gewohnte Analogklangnachahmung mit alle ihren Facetten, seien es Bässe, Leads und Pads oder Streicher, Bläser und Soundeffekte etc. Auffälligerweise sind dieses Mal keinerlei Drum- und Percussionsounds mit dabei.

So manches von dem (aber doch nicht alles), was man unter den zahlreichen durchaus gut gemachten Presets findet, würde man wohl auch mit einer der anderen Emulationen genauso oder zumindest doch sehr ähnlich hinbekommen. Vielleicht sind aber auch die Sound-Designer bloß immer wieder bemüht, ihre persönlichen Favoriten auf jedem neuen Plugin zu rekonstruieren?

CHERRY AUDIO bietet auch noch das Preset-Paket RESONATION FOR PS-3300 zum separaten Kauf an. Dieses stammt vom Sound-Designer James Dyson und, enthält zusätzliche 100 Patches, denen man anmerkt, dass wirklich Mühe in sie gesteckt wurde, und die immer wieder aus dem gewohnten Einerlei herausstechen.

Statt eines vollständigen Tracks gibt es diesmal wieder nur eine kleine Palette von mir angespielter Presets, die ich rein nach Gutdünken ausgewählt habe (etwa die Hälfte davon stammt aus dem oben erwähnten optionalen Preset-Paket) und die auch längst nicht das ganze Spektrum der möglichen Klänge des PS-3300 widerzuspiegeln vermögen:

https://www.buenasideas.de/wp-content/uploads/2023/10/Klangbeispiele-CHERRY-AUDIO-PS-3300.mp3
Klangbeispiele CHERRY AUDIO PS-3300

Alle diese Beispiele wurden übrigens mit der höchstmöglichen Oversampling-Stufe aufgenommen.

Der einzige direkte Konkurrent des PS-3300, der mir bekannt ist, stammt von Björn Arlt alias FULL BUCKET MUSIC, nennt sich FB-3300 und ist als Freeware erhältlich. Dieser klingt ebenfalls nicht übel (aber etwas anders), hinsichtlich der Bedienung zumindest der semimodularen Komponenten ist ihm der PS-3300 jedoch aufgrund seines durchdachten Patchkabelsystems deutlich überlegen (beim FB-3300 gibt es gar keine Kabel, sondern nur einfache Menüs, was die ganze Angelegenheit weniger übersichtlich gestaltet).


Fazit:

Sie haben es wieder getan! Die Entwickler von CHERRY AUDIO haben sich einen alten Analogboliden geschnappt und diesen in Softwareform wiederauferstehen lassen. Das gesamte Portfolio hat inzwischen tatsächlich schon ein wenig was von einem Panini-Sammelalbum („Collect them all!“)… 😉

Was den grundsätzlichen Klang angeht, beim PS-3300 wird das analoge Rad zwar nicht neu erfunden, aber für den einen oder anderen mag auch schon der sich durch die eigenwillige Architektur und die Bedienoberfläche ergebende Zugang zu ganz neuen Ergebnissen beim Klangbasteln führen als mit einem anderen GUI. Und das mit dem virtuellen Patchen kriegt CHERRY AUDIO ja wirklich gut hin!

Für den PS-3300 wird bei CHERRY AUDIO ein Einführungspreis von 49,- US-Dollar fällig, der reguläre Listenpreis wird mit 69,- US-Dollar angegeben. Eine 30 Tage lang lauffähige Demoversion ist ebenfalls verfügbar, diese weist außer periodischen Störsignalen im Audioausgang keinerlei Einschränkungen auf.

Das optional zu erwerbende Preset-Paket RESONATION FOR PS-3300 von James Dyson wird von CHERRY AUDIO für 9,99 USD angeboten und stellt eine gute Ergänzung dar.


Positives:
+ solider Grundklang
+ relativ einfache Bedienung
+ brauchbare Effekt-Sektion
+ umfangreiche MIDI-Learn-Sektion
+ vergleichsweise geringe CPU-Anforderungen
+ fairer Preis

Negatives:
– keine Offline-Aktivierung bzw. -Installation möglich


Produktwebseite PS-3300: https://cherryaudio.com/products/ps-3300

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