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HY-RPE Grid Sequencer Testbericht

HY-Plugins bietet etliche MIDI- oder Effekt Plugins als Freeware oder als kommerzielle Versionen an. Der HY-RPE Grid Sequencer ist das neueste MIDI-Plugin in einer Reihe von ganz verschieden gestalteten Sequencern, darunter solche, die direkt Hardware-Vorbildern nachempfunden sind oder einen unabhängigen Ansatz verfolgen. HY-RPE gehört zur letzten Kategorie, hier wird eine neue, eigenständige Idee umgesetzt, die es in Hardware nicht gibt. Ursprünglich war das ein MAX for Live Device, das nun für die Allgemeinheit in das VST-Format überführt wurde, was sehr löblich ist.

Die Oberfläche von HY-RPE kann stufenlos in der Größe angepasst werden und eine Auslagerung der Berechnung der Grafik per Open GL ist möglich. Somit kann man entspannt arbeiten, alles ist gut erkennbar und kein Button zu klein.

Die Einbindung in die DAW und das Routing des Outputs ist je nach verwendetem Host verschieden, aber das normale Verfahren für MIDI-Plugins.

Die kommerzielle Vollversion bietet 8 Grid Sequencer Tracks und 8 Block Chainer Units, die freie nur 3 Tracks und 3 Chainer. Ein Grid Sequencer Track spricht nur eine MIDI-Note an, deshalb hat man es hier vor allem mit einem Percussion-Sequencer zu tun, der die verschiedenen Drum-Spuren eines Percussion-Plugins triggern soll, die jeweils einer Note zugeordnet sind. Mit den acht Tracks der Vollversion lassen sich zwar bis zu acht Noten spielen, aber über die Tracks verteilt und ohne Akkord-Input von aussen, der bei einem Melodie-Step-Sequencer oder Arpeggiator die harmonischen Möglichkeiten fexibel erweitert. Für das Sequenzieren von Melodien hat HY-Plugins HY-MPE im Angebot, der auf einem sehr ähnlichen Grid-Prinzip basiert, aber eben eine Melodie mit etlichen Modifikationen und eine MIDI CC Spur ausgibt. HY-MPE ist somit eher mit anderen Step-Sequencern wie Kirnu Cream, Blue Arp oder Thesys vergleichbar. Aber auch die anderen Sequencer von HY-Plugins sind Melodie-Sequencer mit einem jeweils eigenen Prinzip.

Die angesteuerten Notenhöhen pro Track lassen sich beliebig zuordnen. Was mir auffiel ist, dass die Notenbezeichnungen mit denen in Kontakt übereinstimmen, also eine Oktave zu tief sind. Wobei generell viele Drum Kits ab C1 gemappt sind. In einem Extra-Panel kann man einerseits acht Output Note Sets definieren und mit einem anderen Menüpunkt in die Tracks laden. Hat man es also mit immer wieder unterschiedlichen Noten-Mappings verschiedener Drum Kits oder Percussion-Plugins zu tun, kann man schnell das passende laden.

Das Besondere an HY-RPE ist die Unterteilung der Grid Sequencer Tracks in vier Blöcke. Jeder dieser Blöcke kann wiederum in Steps von 1 bis 8 unterteilt werden – also auch 3, 5 oder 7 Steps, was dann ungerade Noten-Trigger innerhalb des 4/4 Taktrasters ergibt. Drei Steps ergibt eine 1/8 Triole, 6 Steps zwei 1/16 Triolen, aber 5 und 7 etwas ganz anderes, 8 Steps sind dann 8 1/32. Das gilt für eine Laufgeschwindigkeit von 1, dann entspricht ein Grid Block einem Viertel, bei 2 wird es schon doppelt so schnell, bei 1/2 halb so langsam. Das heisst aber auch, dass HY-RPE auf einen klassischen 4/4 Takt festgelegt ist, auf ungerade Metren passt das Raster nicht. Jeder dieser Blöcke kann seine kleine Sequenz auch rückwärts abspielen oder zufällig.

Jeder Track verfügt für jeden Step über drei Parameter, die ganz oben in Multi-Slidern eingestellt werden. Am wichtigsten Velocity, das die Lautstärke jedes Steps bestimmt. Des weiteren gibt es eine Multi-Slider-Lane für Probability, also mit welcher Wahrscheinlichkeit dieser Step getriggert wird, was eine gesteuerte zufällige Variation in die Pattern bringen kann und Time-Shifting, das den Zeitpunkt der Auslösung etwas nach vorne oder hinten verschiebt und so lebendige rhythmische Unregelmäßigkeiten erzeugt. Unabhängig davon gibt es noch einen globalen Swing-Parameter bei den Block Chainern, der pro Track aktiviert oder ausgeschaltet werden kann.

Für jeden Track gibt es 8 Snapshots, in die man jeweils andere Pattern speichern kann, also auf dieser Ebene schon jede Menge Variation.

Die weiter gehende Abwechslung kommt aber über die Block Chainer Units, die Vollversion bietet bis zu acht jeweils vier Blöcke umfassende Einheiten an, also acht Takte. Damit kann man die Grid-Blöcke unabhängig von ihrer Abfolge im Track sequenzieren, die normale Abfolge wäre 1, 2, 3, 4. Aber man kann statt dessen z. B. in Track 1 die Block-Abfolge 1, 4, 3, 3. In Track 2 jedoch 3, 4, 4, 1 usw. für 8 Tracks bunt durcheinander mischen, was im jeweiligen Viertel des Takts so geschieht. Das ganze in bis zu acht Einheiten zu vier Blocks hintereinander, bis sich das dann wiederholt. Schon mit diesen Block Chainern ist mit HY-RPE Abwechslung im Drum Pattern bis zum Abwinken geboten, ohne dass man zwischen den Track-Snapshots umschalten müsste…

Aber man kann natürlich zwischen den Track Snapshots umschalten. Und das nicht nur für die einzelnen Grid Sequencer Tracks, sondern auch global. In den acht globalen Track-Snapshots (irgendwie ist 8 die magische Zahl in HY-RPE) wird der aktuelle Zustand der einzelnen Track Snapshots automatisch gespeichert, wenn man zwischen den globalen Snapshots hin- und her schaltet.

Auch die Block Chainer kennen einen Master Block Chainer pro Track mit jeweils acht (… wäre ich jetzt nie drauf gekommen…) Snapshots. Globale Snapshots für alle Master Block Chainer gibt es jedoch nicht. Für eine Änderung aller Snapshots muss man also in jeden einzelnen Block Chainer und zwischen den Snapshots wechseln, eine Übersicht wie bei den Track Snapshots ist nicht gegeben.



Das VST-Plugin verfügt über ein einfaches Preset-System. Der Wechsel zwischen Presets über die Bank-Automation ist nicht möglich. Aber die Output-Noten, also welche Drum im angesteuerten Kit gespielt wird lässt sich über eine Automation im Host ändern und damit das Klangbild.

 

Vertrackte Sequenzen

In der Praxis steht zunächst einmal die Einrichtung der Grid Tracks für das aktuell angesteuerte Drum Kit an. Zunächst die Noten und damit welche Instrumente des Kits verwendet werden. Dann kommt man oft nicht umhin die durchschnittliche Lautstärke der einzelnen Drums untereinander abzustimmen. Hier hilft ein Extra-Slider, der die Velocity für alle Blöcke eines Tracks gleichzeitig setzt. Arbeitet man mit einem Drum Plugin mit einem eigenen Mixer kann man das auch dort erledigen und alle Velocity-Werte bei 100 lassen.

Dann kann man schon Trigger in die Tracks setzen oder die Zufallsfunktion den ganzen Track auffüllen lassen oder auch nur einen einzelnen Block. Davon bleibt die Aufteilung der einzelnen Blöcke in Steps unberührt, diese muss man immer von Hand vornehmen.

Ein Video zu den wichtigsten Features von HY-RPE

Interessant ist in jedem Fall das Drum Pattern immer wieder gezielt im Verlauf eines Songs zu verändern. Die Vollversion von HY-RPE bietet glücklicherweise fast alle Parameter zur Automation an, darunter auch die acht Track Snapshots und die acht Master Block Chainer. Das heisst mit sechzehn automatisierten Parametern hat man diese Variationsvielfalt voll unter Kontrolle…

Mit Automation lassen sich auch komplexere Pattern erstellen, in dem man zwischen Track Snapshots hin und her springt und sich Pattern von anderen Snapshots „ausleiht“, Output-Notes ändert und damit die Anzahl der Tracks vorübergehend erhöht oder Block Chainer Pattern mit verschiedenen Längen abwechselt.

Dieses Video zeigt, wie man ein etwas komplexeres Hip Hop Drum Pattern durch Automatisierung nachbilden kann, was nur mit einem statischen Preset nicht gehen würde.

Ersetzt man die Automation der Track Snapshots durch die globalen Snapshots ist eine etwas gezieltere und besser vorbereitete Auswahl möglich. In den vielen Fällen wird man aber nicht mal die Snapshots von jedem Track oder Chainer ändern wollen, kleinere Variationen reichen meist aus.

HY-Plugins schrieb auf Nachfrage, dass im nächsten Update auch globale Snapshots für die Block Chainer implementiert werden sollen. Dann könnte man jeweils acht sinnvolle Zustände aller Block Chainer auf ein mal vordefinieren und diese mit nur zwei Automationen miteinander kombinieren, das ergibt in der Praxis vermutlich auch noch genug Variationen. Des weiteren erfuhr ich, dass in der nächsten Version die Globalen Track Snapshots auch über Notenbefehle aus der Pianoroll aktiviert werden können.

Die freie Lite-Version von HY-RPE bietet leider keine MIDI-CC-Automation an.

Den Inhalt von Grid Tracks kann man kopieren, in den nächsten Snapshot einsetzen und dort variieren. Genau so bei Block Chainern. Wenn man einige beeinander hat erreicht man durch einfaches Umschalten zwischen den Snapshots der Tracks und der Chainer schon subtile oder drastische Variationen, je nachdem wie man die Pattern eingerichtet hat. Da sich die zwei jeweils acht Snapshot-Einheiten mit je acht Snapshots 8^16 mal miteinander unterschiedlich kombinieren lassen, sind das dann ungefähr 281 Billionen mögliche Pattern die HY-RPE mit einem voll bestückten Preset theoretisch ausgeben kann. Wir lange könnte dann HY-RPE spielen ohne sich zu wiederholen, wenn die DAW mit einem Skript entsprechend automatisiert wäre? Bei 120 BPM wären das dann rund 17,8 Millionen Jahre…

In dem Video wird exemplarisch der Aufbau von 8 Track- und 8 Block Chainer Automationen gezeigt.

Man kann sich natürlich fragen, wozu man auch nur einen sehr kleinen Teil dieser möglichen Pattern-Variationen überhaupt braucht. Für normale EDM eher nicht, aber für manche Spielarten von IDM, Complextro oder vielleicht auch Hardstyle durchaus.

Andere Sequencer

Wie schlägt sich HY-RPE im Vergleich zu dem Sequencer einer ausgewachsenen Drum-Workstation wie z. B. Geist 2? In Geist 2 werden schon mal doppelt so viele Tracks/Drum Lanes angesteuert und deutlich mehr Parameter pro Step und zusätzlich noch die ausgefeilten Effekt-Ketten dahinter. Aber Geist 2 ist eine komplette Drum Workstation und nicht nur ein MIDI-Sequencer. Das Pattern-Sequencing funktioniert auch für ein ganzes, längeres lineares Pattern, aber nicht für einzelne Viertel, ist aber letztendlich vergleichbar mächtig. Wo HY-RPE die Nase vorn hat ist wie schnell man ein Pattern gezielt mit den Zufallsfunktionen verändern/erzeugen kann. Das Konzept Viertel-Blöcke als selbständige Einheiten zu betrachten, zu unterteilen und zu sequenzieren ist ein grundsätzlich anderes, als die klassischen Sequenzen in Geist 2 und schneller zu modifizieren.

Grundsätzlich noch komplexer und mit ähnlichen Möglichkeiten einzelne Noten schnell zu unterteilen ist Liquid Rhythm, das zudem einen riesigen Pool an vorsortierten Patterns anbietet. Die Möglichkeiten gehen hier aber so weit über die eines einfachen Step-Sequencers hinaus, dass man das kaum mehr miteinander vergleichen kann. Die Einarbeitung in HY-RPE geht sicher schneller.

Fazit

Die Grid Sequencer Tracks von HY-RPE sind mir so noch nicht begegnet, denn ihre Kombination mit den Block Chainern potenziert die Möglichkeiten des relativ einfachen Aufbaus spektakulär. Man muss sich erst daran gewöhnen und die gezielte Verwendung erfordert ein gewisses Maß an Vorausplanung und Abstraktion. Aber dann erschließt sich das Potential dieses Prinzips und man will es nicht mehr missen.
Wenn man sehr flexibel und schnell Drum Pattern erzeugen und Variationen ohne Ende erstellen will ist HY-RPE das richtige Tool zu einem fairen Preis.

HY-RPE verdient den BuenasIdeas Tipp! 

Produktseite von HY-RPE: https://hy-plugins.com/

Wer sich grundsätzlich für Step-Sequencer interessiert, dem seien die anderen Sequencer von HY-Plugins sehr zur Ansicht empfohlen, gerade für Windows ist das eine seltene Spielwiese, für den Mac gibt es ja Numerology, womit im Prinzip alles zum Thema gesagt ist – ein solcher Über-Step-Sequencer fehlt für die Windows-Plattform nach wie vor. Alle Sequencer von HY-Plugins gibt es auch in einem günstigeren Bundle für wahre Fans.

Ein Testbericht von Stefan Federspiel

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