Testbericht: reMIDI 2 – ein MIDI-Sampler

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Ein Testbericht von Stefan Federspiel,
veröffentlicht am 01.04.2021

Was soll nun ein MIDI Sampler sein? Ein Sampler sampelt eigentlich Audio und spielt diese Audio-Samples dann wieder ab. reMIDI (gesprochen wie remedy) nimmt MIDI -Noten auf oder importiert entsprechende Dateien und spielt diese dann in Takte zerschnitten auf einzelne Tasten eines Keyboards verteilt wieder ab. Also auch so etwas wie ein Slicer, der eine Audiodatei in Stücke aufteilt und diese auf der Tastatur spielbar macht nur eben mit MIDI. 

GUI reMIDI 2
GUI reMIDI 2

Ein Stück weit machen etwas ähnliches auch vor allem Pattern-orientierte DAWs wie Ableton Live, Bitwig oder FL Studio im Performance-Modus. Da allerdings letztendlich in einer Mischung aus MIDI-Noten-Pattern und  Audioclips. reMIDI 2 ist jedoch ein Plugin und verfährt im Detail etwas anders mit den MIDI-Dateien. Pattern oder Clips, in den DAWs muss man das einrichten, da teilt sich nichts selbst auf. Bei reMIDI 2 jedoch wird automatisch jede Datei in Stücke aufgeteilt, deren Länge man bestimmen kann. Meist wird das vier Viertel sein, bei Musik in einem 4/4 Takt, man kann aber auch mehr oder weniger lange Slices erzeugen. 

Die erste Version von reMIDI konnte eine einzige MIDI-Datei laden, sei es eine aus dem internen Factory Vorrat oder eine eigenes externe Datei. reMIDI 2 bietet Pads an in die man die Dateien laden kann, 120 Pads, mehr, als es überhaupt Tasten auf einem Keyboard gibt. Die hat man nicht alle in der Übersicht, doch man kann die Reihen weiter schalten. Die Pads sind auf Noten auf dem Keyboard gemappt, dieses Mapping kann man auch ändern, aber so sind sie zunächst alle aufsteigend hintereinander, angefangen bei C-2. Jedes Pad hat einen Edit-Mode, in dem sind wie bei der alten Version alle Teilstücke der MIDI-Datei intern auf die Klaviatur gemappt und man kann sie direkt spielen. 

Jedoch kann man den aktuellen Slice mit dem Häckchen-Symbol im Pad bestätigen, verlässt man den Edit-Mode bleibt dieses Slice als das Teilstück erhalten, dass dieses Pad im allgemeinen Play-Modus abspielt. Im nächsten Pad kann eine ganz andere MIDI-Datei geladen und dort irgendein Slice ausgewählt sein, das dann auf Tastendruck abspielt. 

reMIDI im Edit Mode
reMIDI 2 im Edit Mode

Auf diese Weise wurden viele alte reMIDI Versionen gleichzeitig in dem neuen Nachfolge-Plugin untergebracht und erweitern die Möglichkeiten deutlich. Auch bei einem anderen Feature gab es eine Verbesserung, in der alten Version wurde die Velocity, auch von importierten Noten grundsätzlich auf 127 maximal laut gestellt, alle Lautstärkevariationen so glattgebügelt. Was dieses Werkzeug für mich unbrauchbar machte, so interessant ich die Idee auch fand. Nun wird die Velocity übernommen, wenn man das einstellt und so kann man mit dem Output etwas anfangen. 
Man muss diesen Modus allerdings bei jeder Verwendung des Plugins neu einstellen, er wird weder in Presets gespeichert, noch teilt das Plugin diesen Status der DAW mit und ist dann auch nicht aktiviert, wenn man das Projekt wieder öffnet. Ich teilte das den Entwicklern mit, vielleicht wird das noch geändert, bisher haben sie bei den Bugfixes schnell reagiert. 

Die Oberfläche teilt sich im wesentlichen in drei Bereiche auf, die Pads, darunter der Slice Note Viewer, der die Noten des aktuellen Slice anzeigt und links der interne Datei-Browser für die Factory-Preset-MIDI Dateien. Wie bei der ersten Version bringt reMIDI 2 jede Menge MIDI-Dateien mit, die genau wie aus dem Dateisystem des Computers per Drag&Drop auf die Pads gezogen werden können. Über einen Recording-Modus können auch ganz klassisch Noten aus der DAW aufgenommen, quasi „gesampled“ werden. 

Doch das Programm kann auch seine interne Performance, also des Output der getriggerten Pads in ein neues Pad aufnehmen und damit schon auf die Schnelle Melodien mixen und erneut für die Performance zur Verfügung stellen. Ein bisschen ähnlich, wie die Overdub-Funktion in einem Looper. 

Der Inhalt dieses Pads, kann wie bei allen Pads per Drag & Drop in eine MIDI-Spur der DAW gezogen werden. 

In reMIDI 2 kann nur ein Pad aktiv sein. Also geht es nicht gleichzeitig z. B. eine getrennte, auf verschiedene Pads verteilte  Melodie- und Bass -Linie parallel zu spielen. Was etwas schade ist, denn so braucht man für jede Stimme oder Instrument eine separate Instanz von reMIDI 2. 

Es gibt drei Abspielmodi, Normal, Sustain und Freeze. Normal loopt das Slice so lange die entsprechende zugeordnete Note gehalten wird. Sustain loopt das letzte Slice immer weiter, so lange eine andere Note gehalten wird, so kann man ohne Unterbrechungen zwischen verschiedenen Slices umschalten. Freeze verlängert die ersten fünf Noten eines Slices bis zum Ende und hält so den ersten Akkord. 

Sowohl im Global Mode, als auch im Edit Mode gibt es im untersten Bereich einige zusätzliche Optionen, die z. B. Auswahlmöglichkeiten bieten, wenn eine Datei mehrere Tracks enthält oder man kann die Zuordnung der Noten zu den Pads separat abspeichern. 

Einige der Optionen
Einige der Optionen

Um erst einmal auszuprobieren, ob sich ein Stück eignet um es neu durcheinander zu mischen kann man es in ein Pad laden und anspielen. 

Bei den enthaltenen Jazz-Stücken wird deutlich, dass wechselnde Taktarten oder sonstige rhythmische Verschiebungen, die in solchen Stücken nun mal vorkommen dazu führen, dass die regelmäßige Aufteilung Akkorde, Melodien und Noten unvermittelt abschneidet.
Aber auch bei allen anderen nicht genau auf das Taktraster quantisierten Noten bleiben in der neu aufgenommenen Datei kleine störende Notenreste übrig, die man erst mal wieder beseitigen muss. 

Buntes Allerlei oder Takt-Mischmasch

Die Factory-Tracks von reMIDI 2 bieten sich an dieses Ausgangsmaterial zu neuen Akkorden und Melodien zu mixen. Der einfachste und direkteste Weg ist sich eines der Files auf ein Pad zu ziehen und dieses in den Edit-Mode zu versetzen. Nun sind alle Takte des Stücks auf die Tastatur verteilt und man kann lustig neu kombinieren. Hier bleibt man meist je nach Stück in der gleichen Tonart und mischt die Akkordprogression neu. Was mit dem Aufbau des Stücks, Spannungsbögen usw. geschieht ist eine andere Frage.
Im Edit-Modus starten die Takte von C#-2, im Pad-Modus von C-2, was nur eine Rolle spielt, wenn man die gleichen Takte auf Pads legt, dann muss man die Trigger-Sequenz einen Halbton nach unten ziehen um das gleiche Ergebnis zu erhalten.

Will man Slices aus verschiedenen Tracks untereinander abwechseln muss man verschiedene Tracks aus der Factory-Bibliothek auf Pads ziehen, z. B. nur im gut erreichbaren mittleren Tastaturbereich und nur auf weisse Tasten. Dann sucht man sich pro Datei ein interessantes Teilstück heraus. Dabei kann man auch von den vier Beats unten auf nur zwei gehen und spielt damit immer nur einen halben Takt. So kombiniert man jetzt halbe Takte miteinander, was noch eher zu überraschend neuem Material führen kann. Man kann stattdessen auch nur mit zwei Vierteln langen Noten arbeiten und zwischendurch nur einem Viertel oder wieder einem ganzen Takt. Dann spielt es aber immer nur ab dem Anfang die erste Hälfte eines Takts ab und wieder ab dem Anfang des Folgetakts. 

Alles ist letzten Endes eine Frage des Ausgangsmaterials, Auch durcheinander gemischt hört sich Barock-Musik nach Barock an, Romantik nach Romantik, Folk nach Folk. Man braucht also  Tracks des Genres auf das man abzielt um zu neukombinierten Phrasen zu kommen, mit denen man auch etwas anfängt.

Das ist alles recht unterhaltsam und auf diesem Weg können einzelne neu kombinierte Phrasen entstehen, die es wert sind aus dem aufgezeichneten Wust an Notenmaterial heraus kopiert und anderweitig verwendet zu werden. Jedoch einen sinnvollen neuen Track wird man auf diese Weise kaum erreichen, weil die Tonarten und Tonleiter-Stufen bunt durcheinander gemischt sind, vor allem, wenn man verschiedene Stücke auf den Pads verwendet. 

Phrasen auf Tonleiter-Stufen

Um reMIDI 2 als eine Art Labor für den Neuaufbau eines Stücks zu verwenden braucht es anderes Ausgangsmaterial. Einerseits Phrasen, die eine gewisse Abwechslung bieten, andererseits müssen sie einer Stufe/Grundton in einer Akkord-Progression zugeordnet sein, damit man eine Progression zusammenstellen kann. 

Um dieses Prinzip mit reMIDI auszuprobieren erstellte ich einige (also dann doch viele) Phrasen für eine Melodie- und eine Basslinie auf dem Grundton A der A-Moll harmonisch Tonleiter und machte von jeder sechs Kopien, die um jeweils einen Skalenton nach oben verschoben waren. Dabei müssen die Noten in der Skala bleiben, das erreicht man entweder von Hand oder mit einem Werkzeug wie Phrasebox oder Scaler. Zu dem Verfahren mit NoteMapper mache ich als nächstes ein Tutorial, da steht aber erst noch an die Mappings noch etwas auszubauen. Das gibt dann sieben eintaktige MIDI-Dateien pro Phrase. Eine Verfeinerung wäre in den oberen Stufen mit Umkehrungen der zugrunde liegenden Akkorde zu arbeiten.  Diese Dateien importierte ich dann per Drag&Drop auf die weissen Tasten, jede Phrase belegte dann eine Oktave mit den Stufen i-VII hintereinander da die zugrundeliegende Tonart A-Moll harmonisch war. Da ich mehr als zehn Phrasen hatte legte ich den Rest auf die schwarzen Tasten und ließ dabei die nicht so häufig gebrauchten Stufen 3 und 7 weg. 

Wobei hier in der Praxis schon auffällt, dass reMIDI immer träger beim Import wird, je mehr der kurzen MIDI-Dateien auf den Pads landen. 

Die Phrasen für die Melodie- und Bassstimme befinden sich nun in zwei Instanzen von reMIDI, die zwei verschiedene Ziel-Instrumente steuern. Die Noten, die reMIDI triggern müssen in beiden Instanzen die gleiche Stufe auslösen, sonst passt das nicht zusammen, können aber beliebige Phrasen miteinander kombinieren. Und bei 16 Phrasen gibt es da eine Menge Kombinationsmöglichkeiten, die man einfach per Tastendruck ausprobieren kann.
Das ist wirklich ein Vorteil des Prinzips von reMIDI 2, dass man hier MIDI-Schnipsel über die (virtuelle) Piano-Tastatur spielt und damit eine Durchmischung und Neukombination sehr schnell und flexibel möglich wird. Vor allem in linearen DAWs wie Cubase, Pro Tools oder Studio One erreicht man so etwas nicht so einfach. In Pattern-orientierten DAWs wie Live oder FL Studio kann man sich entsprechende Szenarien mit Clips bzw. Pattern einrichten und über das Keyboard oder einen Clip-Launcher steuern. Aber das geht auch eher nicht ganz so schnell wie in reMIDI. 

Es empfiehlt sich sich schon vorher eine Akkord-Progression zurechtzulegen, was man auch sehr einfach mit den Phrasen auf den verschiedenen Stufen durchprobiert werden kann.
Es sind auch andere Szenarien vorstellbar, z. B. viel mehr Phrasen, die man nach einfach bis komplex, langsam bis schnell anordnet und die es dann nur jeweils auf einer Stufe gibt. Wobei es bei diesem ersten Test schon deutlich wurde, dass eine beständige Abwechslung der Phrasen in beiden Stimmen sehr unruhig und zusammenhanglos wirken kann, da gilt es also das richtige Maß aus (minimaler) Variation und Wiederholung zu finden. 

Fazit

reMIDI 2 erweitert den Werkzeugkasten, was man mit MIDI-Dateien anfangen kann. Es eröffnet sich eine neue Perspektive auf MIDI-Tracks, die man schon hat oder im Internet findet, denn in ihrer Mischung kann etwas Neues entstehen, eine verhältnismäßig einfache und kreative Methode um Phrasen zu erstellen bzw. zu entdecken.  Doch das Material muss ungefähr zu dem passen, was man vor hat, aus Klassik entsteht so kein Electro-Track.  

Phrasenbasiertes Komponieren ist eine Möglichkeit von mehreren, aber wenn einen das interessiert ist reMIDI 2 als Plugin und MIDI-Sampler einzigartig. 


Man kann also sinnvoll ausser damit etwas herum zu spielen zwei Dinge erreichen: neue Phrasen durch Neukombination, sei es mit ganzen, halben oder Viertel-Takten, entweder aus vorhandenen Tracks aus reMIDI selbst, oder Files, die man aus dem Internet hat oder sonstigen Sammlungen. Mit eigenem, vorbereitetem Phrasen-Material geht das noch besser. 

Zweitens kann man das noch weiter treiben und alle Phrasen auf ihre Tonleiter-Stufen transponieren und damit interaktiv innerhalb einer Progression diese Phrasen untereinander austauschen und ausprobieren. Das geht mit nichts sonst so schnell, erfordert aber einiges an Arbeit im Vorfeld.  

Technisch hatte ich mit reMIDI 2 in FL Studio anfangs große Probleme, beständige Abstürze des Audio-Treibers, wenn es gelang etwas aufzunehmen dann teils verschobene, unpräzise oder fehlende Noten. Diese Bugs wurden nach Rückmeldung relativ schnell so weit behoben, dass reMIDI grundsätzlich in dieser DAW läuft. Aber Ungenauigkeiten bei der Aufnahme blieben teilweise. Ich vermute einerseits liegt das an der generell schlechten MIDI-Implementation in FL Studio, weil in anderen DAWs, Reaper oder Waveform hatte ich damit keine Probleme. Andererseits gibt es MIDI-Generatoren, die in FL Studio Fehlerlos arbeiten, prinzipiell ist es also möglich. Jedenfalls musste ich auf Reaper ausweichen um sauber aufzunehmen, was viel Zeit kostete, weil ich das letzte mal vor über 10 Jahren damit arbeitete und alles vergessen hatte, bzw. ist das heute ein weitaus komplexeres Programm. Deshalb liegt die Veröffentlichung dieses Testberichts deutlich nach dem geplanten Termin. 

Website von Songwish, dem Entwickler von reMIDI 2
http://songwish.ca/

Der Verkauf läuft über Plugin Boutique:
https://www.pluginboutique.com/product/3-Studio-Tools/72-Utility/5935-reMIDI

Ergänzung:
Das fand ich aktuell eine interessante Anwendung von reMIDI, gefunden in diesem Video:
https://www.youtube.com/watch?v=5p0u2qVzuos

reMIDI 2 wird in Scaler 2 geroutet und mit Keybinding in jede beliebige Tonart transponiert. Mit einer zweiten Scaler-Instanz kann man dazu passend eine Akkordprogression abspielen und auf ein zweites Instrument routen. Es ist sogar möglich von der zweiten Scaler-Instanz auf einen Arpeggiator zu routen und von da dann erst auf das zweite Instrument.

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