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Riffer von Audiomodern Testbericht

Interessante Melodien fallen guten Tonsetzern einfach ein, sie fallen sozusagen vom Himmel. So weit der Mythos, der auf vereinzelte Komponisten auch tatsächlich zutrifft. Alle anderen, die sich in irgendeiner Weise mit der originären Produktion von Musik befassen trifft das nur mehr oder weniger und jedenfalls nicht ständig zu.

Braucht man also eine Melodie zu seiner Akkordprogression, seinem Drum Track, zu seinem so weit schon ganz guten Hintergrund-Soundteppich gibt es verschiedenste Methoden zu einer zu kommen, wenn sich die göttliche Eingebung gerade nicht sofort einstellen will. Das reicht von rumklimpern auf dem Klavier, dem pfeifen zu seiner Progression zum unter Computermusikern sehr beliebten herumschieben von Notenbalken in der Pianoroll. Auch recht effektiv kann es sein, einen Arpeggiator mit rhythmischen Akkorden zu füttern und das aufgezeichnete Ergebnis nachzueditieren.

Alles das kostet Zeit und führt oft auch nicht zu einem wirklich überzeugenden Ergebnis. Will man nicht zu vorgefertigtem Material aus einem MIDI-Pack greifen, sondern braucht einen eigenständigen Ausgangspunkt kommen Melodiegeneratoren ins Spiel. Einer der neueren dieser Art stellt Riffer dar und kommt mit einer sehr klaren und aufgeräumten Oberfläche daher.

Riffer ist ein VST-Instrumenten-Plugin, bzw. AU auf dem Mac, es gibt auch eine iOS -Variante. Der MIDI-Output wird wie aus einem Arpeggiator auf ein Ziel-Instrument gelenkt.

Ausschnitt

Erzeugt werden Noten immer nur in dem sichtbaren Ausschnitt. Man kann herauszoomen und sieht dann vertikal mehr Noten, der Oktavumfang erhöht sich, wie bei den Oktaveinstellungen eines Arpeggiators. Die waagerechte Länge erhöht man über ein Zahlenfeld auf bis zu 64 Steps. Wie lange diese Schritte sind bestimmt das Quantisierungs-Auswahlmenü links oben. Bei 64 Steps und einer Schrittlänge von 1/16 läuft das Pattern also vier Takte, die Geschwindigkeit ist synchron zum Host-Tempo.
Von dem erzeugten Pattern kann auch nur ein Ausschnitt mit der Loop-Begrenzung abgespielt werden. Mit dem Scrollbalken rechts neben dem Notenfenster wird der Ausschnitt nach oben oder unten verschoben. Die Oktav-Buttons darunter versetzen das Pattern jeweils eine oder zwei Oktaven nach unten oder oben, die Pfeilbuttons daneben jeweils nur um eine Notenhöhe oder Schrittweise nach rechts oder links.

Noteneigenschaften

Noten werden mit drei Eigenschaften generiert: Notenhöhe, Notenlänge innerhalb des Steps, bei einem Step Sequencer wäre das dann Length oder Gate und der Lautstärke der Einzelnoten, die dann als Velocity-Wert ausgegeben wird. Diese drei Eigenschaften sind getrennt voneinander im Hauptscreen editierbar. Bei Länge und Lautstärke wird das Pitch- Notenbild mit den Balken jeweils halbtransparent überlagert und erlaubt eine Zuordnung. Jeder dieser drei Screens für Pitch, Length und Velocity kann gegen die Wirkung des Zufallsgenerators gesperrt werden. Sagen einem die Notenhöhen also zu, die Notenlängen und Lautstärken aber nicht, ändern sich nur diese, bis es dann besser passt. Oder man sperrt nach einer Editierung Notenlänge und Velocity und behält damit diese Grundcharakteristik bei während die Tonhöhen- und zusammengebundene Noten wechseln, was sehr interessante Variationen eines ähnlichen Musters auch von dieser Seite her ergeben kann. Der aktivierte Schalter “Tie Notes” führt dazu, dass zwei oder mehrere aufeinanderfolgende Noten in der gleichen Tonhöhe zusammengebunden werden und einen längeren Ton auslösen. Der Schalter darunter bindet auch ausgegraute, pausierte Noten in die Verlängerung mit ein.

Pausen

Wichtig ist noch das kleine Zahlenfeld mit dem Notensymbol rechts über dem Piano-Roll-Screen, es gibt an, wie viele Noten überhaupt erzeugt werden. Bei 1 bestünde das Pattern aus einer Note, was nicht so spannend ist. Aber bei z. B. 10 von 16 Steps gibt es dazwischen 6 Pausen und es werden nicht durchgehend Noten gespielt. Erzeugt wird dennoch pro Step eine Note, aber ausgegraut und nicht aktiv. An der Stelle einer grauen Note kann manuell per Mausklick eine aktive schwarze setzen oder mit einem erneuten Klick darauf löschen oder auf einer anderen Tonhöhe geklickt verschoben werden. Was generell funktioniert.

Man kann per Mausklick beliebig monophone Noten in dem sichtbaren Ausschnitt setzen und könnte auch ohne Zufallsfunktion Riffer als reinen Noten-Editor verwenden, was aber natürlich nicht mehr Sinn als in der Pianoroll ergäbe. Dennoch kann man damit bei laufendem Transport in der DAW ein bestehendes zufällig generiertes Pattern live korrigieren und anpassen.

An Modifikatoren gibt es eine Shuffle- Funktion, die etwas Groove in das starre Step-Raster bringt und einen Shift-Regler, der die Notenanfänge unregelmäßig etwas aus dem Taktraster schiebt und damit “humanisiert”.

In diesem Video werden einige der Variationsmöglichkeiten mit Shuffle, Pausen, Duration und Volume durchgespielt.

Export

Hat man direkt durch gesteuerten Zufall meist nach mehrmaligem Drücken des Würfelsymbols ein Melodiemuster erzeugt, das einem zusagt oder erst nach einer nachträglichen manuellen Korrektur wird es per Drag & Drop in die Pianorolle als MIDI exportiert. Dort hat man dann alle Freiheiten weiter zu editieren oder zu arrangieren. Dabei wirken sich die Einstellungen bei Shuffle auf die Position der exportierten Noten aus, aber die von Shift nicht. Wenn man die Auswirkungen von Shift in seinem MIDI-Pattern in der DAW haben will, muss man den Output von Riffer aufzeichnen, was in einigen DAWs gar nicht geht.
Ist ein längeres Pattern mit den Loop-Slider oder der Loop-Step-Angabe auf einen Ausschnitt verkürzt wird nur dieser exportiert.

Einstellungen von Riffer lassen sich speichern und wieder laden. Was bei der Arbeit mit Riffer in verschiedenen Projekten in anderem Kontext nützlich ist.

Bis in die Unendlichkeit und noch viel weiter

Über der rechten Buttonleiste neben dem Notenfenster ist ein Unendlichkeitssymbol platziert. Ist dieser Infinity Mode Button aktiviert generiert Riffer automatisch bei jedem erneuten Durchlauf des aktuellen Pattern ein neues und spielt also unendlich weiter ständig eine neue Melodie. Das ist für eine Live-Performance interessant, wenn man das Risiko eingehen will, dass es eine bunte Mischung aus interessanten, schwachen oder zufällig klingenden Riffs ausspuckt. Das kann man auch aufnehmen und auf diese Weise nachträglich die besten Passagen herausschneiden.

Zufall… mehr als Zufall

Welche Noten generiert werden geht auf das Wirken eines Zufalls-Algorithmus zurück, in den laut eigener Aussage Gewichtungen eingearbeitet sind, die dazu führen, dass der Zufall in die Richtung für Menschen sinnvoller Melodien hingebogen wird.

Das ist eine Gratwanderung, denn sind die Regeln, die auf die Zufallszahlen einwirken zu strikt kommt immer etwas ähnliches heraus, sind sie zu schwach nähert sich das zu weit echtem Zufall an und der Nutzen ist gering, denn dann kann man auch willkürlich Tasten auf dem Keyboard anschlagen. Dazu machte ich einen Vergleich des Outputs von Riffer mit reinem, aus Rauschen generierten Zufall.

Da der Vergleich in diesem Fall nur mit einer chromatischen Tonleiter möglich ist, ist das Ergebnis nicht besonders melodiös und wirkt an sich zufälliger, als mit einer eingeschränkten Skala. In der Praxis ist der Unterschied zwischen Zufall und generierten Noten in diesem Fall kaum wahrnehmbar. Meinem Eindruck nach bei Noten in eingeschränkten Skalen aber etwas deutlicher. Wenn man nur oft genug den Würfel-Button drückt, kommt früher oder später etwas Interessantes heraus, bei reinem Zufall würde das wohl etwas länger dauern.

Später, da sich dieser Testbericht wegen ungünstiger Randbedingungen über viele Monate hin zog, kam ich noch auf die Idee einen Test mit RandArp zu machen. Da ist der Zufall eingebaut und man kann mit einem entsprechenden Akkord gefüttert die Skala einschränken. Darüber hinaus ist interessant, dass man auch die Gate-Länge und den Velocity-Range im Gegensatz zu Riffer einschränken kann, was in diesem Bereich zu brauchbareren Resultaten ohne Korrektur führt. (siehe auch unten bei „Mögliche Erweiterungen“). Was den gesteuerten Zufall angeht, der in Riffer wirkt im Gegensatz zu dem puren Zufall in RandArp kann man schon einen Unterschied ausmachen, es hört sich anders an. Dennoch muss man auch bei Riffer unter den generierten Pattern stark selektieren, um ein interessantes Ergebnis zu erhalten. (siehe unten „Arbeitsmethoden“)

Harmonik

Riffer bietet eine Auswahl von 54 verschiedenen Tonleitern, alle Arten von Dur, Moll, Kirchentonarten, Pentatonik und exotischeren Skalen in welche die generierten Noten sozusagen gepresst werden. Der Grundton kann in der waagrechten Buttonleiste über dem Notenfeld festgelegt werden. Nimmt man eine andere Skala springen die verwendeten, möglichen Noten um, ein anderer Grundton verschiebt das Ganze nach oben oder unten. Es gibt keine farbliche Überlagerung, die die Noten der gewählten Skala anzeigen würde, was nützlich wäre.

Nun weisen die meisten Musikstücke eine im Hintergrund präsente Akkordprogression auf. Innerhalb eines Taktes oder auch schneller wechselnd im Takt treffen Melodienoten auf Akkordnoten. Obwohl Akkordnoten und Melodienoten sich in der gleichen Tonart befinden passen sie am besten harmonisch zusammen, wenn die Melodienoten mit den Tönen des Grundakkords übereinstimmen. In der Praxis wird bei einer schnelleren Melodie diese auch andere Töne der Tonleiter enthalten, aber auch hier kommt es darauf an, ob sie sich besser oder schlechter mit denen des aktuellen Akkords vertragen.
Riffer weiss nichts von diesen Akkorden und produziert zufällig Tonhöhen innerhalb der eingestellten Skala. In diesem Video habe ich den Unterschied dargestellt, wenn sich die Töne außerhalb oder innerhalb des aktuellen Akkords befinden.

Wenn Riffer auf einen MIDI-Input lauschen würde, wie ein Arpeggiator und die Noten immer passend auf den gültigen Akkord erzeugen würde, dann wären die Riffs zwar etwas langweiliger, aber harmonischer im Zusammenklang. Dann wieder einige wenige Noten auf andere Plätze in der Skala zu verschieben, um es wieder etwas interessanter zu machen wäre weniger aufwendig, als anders herum, da man so viel mehr Noten korrigieren muss.

Arbeitsmethoden

Ich konnte jetzt zwei leicht unterschiedliche Methoden mit Riffer zu arbeiten ausmachen. Entweder man bleibt bei einem Ausschnitt, der einen Takt umfasst, generiert so lange ein Pattern, bis einem das Ergebnis gefällt, nimmt das direkt oder passt es noch etwas an, wenn eine Stelle noch nicht so gelungen ist. So kann man in relativ kurzer Zeit eine Menge eintaktige ganz passable bis gute kurze Melodien erstellen. In der DAW lasssen sich diese dann aneinander setzen, wenn man längere Melodien braucht.

Öfters passt das aber dann alles nicht so recht zusammen, der größere Melodiebogen fehlt. Manchmal hilft es mit einem zwei Takte langen Ausschnitt zu arbeiten, zu exportieren und das dann aneinander schneiden. Aber auch hier können die Übergänge schwierig sein. Je nach Genre arbeitet man ohnehin nur mit getrennten kurzen Riffs, dann spielt das keine Rolle.

Geht man von 16tel Noten aus und einem vier Takte langen Riff ist oft auf diese Länge nur ein Teil gut und der Rest klingt meist zu zufällig. Da kann man nun auch wieder nur einen ein- oder zwei Takte langen Ausschnitt exportieren, hat aber wieder keine längere im Zusammenhang Sinn ergebende Melodie. Man kann jetzt wieder mehrere Teile in der Pianoroll der DAW zusammenfügen und versuchen von Hand nachzueditieren wo es nicht so recht zusammenpasst.

Mögliche Erweiterungen

Das Problem mit den nicht immer passenden Anschlüssen guter Melodiefragmente nacheinander könnte man schneller in Riffer selbst erledigen. Bisher geht das aber nicht, ausser man korrigiert von Hand. Beim Drücken des Zufallsbuttons wird immer das gesamte Pattern neu erzeugt. Ideal wäre es, wenn es in dieser Situation möglich wäre die Zufallsfunktion nur auf den Loop-Ausschnitt zu beschränken und der Rest des Pattern außerhalb des Loops unverändert bleibt. So könnte man so lange nur im Loop neue Noten erzeugen, bis man zufrieden ist. Wenn man den Loop aber wieder erweitert und alles zusammen abspielt, kann man gleich hören, ob es passt oder ob man andere Noten erzeugen oder die neuen nur noch etwas nachkorrigieren muss. Das würde viel schneller gehen und viele MIDI-Exporte und kürzere Melodiefragmente aneinander schneiden einsparen.

Hilfreich wäre auch eine Beschränkung des Range bei der Notenlänge und dem Volumen, oft sind zu viele Noten zu kurz oder zu leise. Auch eine Quantisierung wäre gut, dass man sagen könnte, ich will ausser ganzen Steplängen nur Halbe und Viertel, aber nichts ungerades dazwischen. Der jeweilige Prozent-Slider ist zwar nützlich um schnell alles auf ein bestimmtes Level zu bekommen, die Dynamik ist dann aber weg.
Wenn man den Schiebebalken von links ziehen und damit auch den Bereich einschränken könnte, in dem neue Gate- oder Velocity-Werte erzeugt werden könnte das viel Nacharbeit sparen. Daneben könnte man noch einen Quantize-Button platzieren, der die Notenlängen auf gerade Längen quantisiert.

Die oben bei Harmonik angeführte Möglichkeit, dass Riffer optional seine Noten nicht nur an die Skala, sondern auch an den aktuellen Akkord anpasst, wie ein Arpegiator wäre ebenfalls eine große Zeitersparnis, um zu tatsächlich brauchbaren und zum Track passenden Melodielinien zu kommen.

Eine farbliche Überlagerung, die die Noten der gewählten Skala anzeigt, würde die manuelle Korrektur erleichtern.

Fazit

Es ist ganz spannend neue Muster zu erzeugen und zu hören, ob da ein brauchbares Riff im Gesamtzusammenhang eines Tracks aus dem Nichts entstand. Auch die Möglichkeit es in Riffer gleich zu korrigieren und anzupassen ist sehr nützlich. Die Note-Tie Funktion fügt Variationen in der Notenlänge hinzu, die über die Steplänge hinaus reichen, das können schon etliche Arpeggiatoren und Step Sequencer nicht. Insgesamt ist Riffer ein Werkzeug, mit dem sich schnell unterschiedliche kleine Melodien erzeugen lassen, die Algorithmen im Hintergrund leisten mehr als reiner Zufall, auch wenn wirklich überzeugende Riffs eher selten sind. Aber man hat ja sehr schnell per Knopfduck eine ganze Reihe von Versuchen generiert und gleicht das damit wieder aus. Zeichnet man den kontinuierlichen Output im Infinity-Mode auf, geht auch nichts verloren und man kann sich in Ruhe die besten Stellen heraussuchen.

Nützlich ist Riffer allemal, vor allem wenn einem gerade nichts einfällt oder man schnell etwas ausprobieren will. Die vorbildlich übersichtlich und klar gestaltete Oberfläche unterstützt die Arbeit mit dem Plugin und trägt zum Spaß, den man damit haben kann, bei.

Produktseite von Riffer bei audiomodern:
https://audiomodern.com/shop/plugins/riffer/

Ein Testbericht von Stefan Federspiel Juni 2019

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