Testbericht: BLUE CAT AUDIO AXIOM

Ein Testbericht von Stefan Federspiel und Andreas,
veröffentlicht am 01.07.2018

Blue Cat Audios Axiom beherbergt in seinem Kern den bisher alleine erhältlichen Distortion- und Amplifier- Effekt Destructor, angereichert um eine große Anzahl an Effekten, die größtenteils im Bereich Gitarren-Pedaleffekte angesiedelt sind. Aber nicht nur das, die Möglichkeit beliebige VST (oder auf dem Mac AU-) -Effekt-Plugins vor oder nach dem Destructor in die Effektslots einzubinden erweitert das Anwendungsspektrum enorm.

Destructor

Der Destructor ist jedoch der zentrale Teil, deshalb zunächst ein Überblick über diese sehr mächtige Verstärker-Simulation. Danach dann der allgemeine Aufbau von Axiom und das Zusammenwirken des Destructor mit den anderen Effekten.

Generell gibt es zwei Annäherungen an die Simulation von klassischen Gitarren-Amplifiern und die Verzerrungen, die sie produzieren. Die eine ist das Impulse-Response Verfahren, dabei wird mit Messmikrofonen der Output einer Komponente der Amplifier-Kette als Reaktion auf einen genormten Impuls aufgezeichnet. Also z. B. schickt man einen Noise-Burst oder einen ansteigenden Sinus-Sweep durch einen Gitarren-Vorverstärker, den Verstärker oder das Lautsprecher-Cabinet und nimmt das Ergebis auf. Oder das Endergebnis der ganzen Kette.

Diese Impulsanworten als Audiodateien werden in spezielle IR-Prozessoren geladen, im Prinzip dasselbe, wie ein IR-Convolution-Reverb und wenden diese spezielle Reaktion der aufgenommenen Geräte auf eingespeiste Audiosignale an. Nebula ist beispielsweise der führende Effekt mit diesem Verfahren, der nicht nur Verstärker, sondern auch Kompressoren, Equalizer oder Mikrofone und grundsätzlich jedes elektrische Gerät, dass Audiosignale in einer bestimmten Weise verändert nahezu perfekt wiedergibt.

Der Nachteil dieses Verfahrens ist, dass es sehr unflexibel ist und das Gerät mit den Einstellungen bei der Aufnahme wiedergibt und Anpassungen nur in sehr engen Grenzen zulässt. Moderne IR-Prozessoren umgehen das zwar, indem verschiedene Zustände wiederum ineinander übergeblendet werden, das Ganze ist aber sehr rechenaufwändig und anspruchsvoll.

Der andere Weg ist die Komponenten mehr oder weniger genau mit Algorithmen zu simulieren, das erlaubt eine flexiblere Kontrolle und Kombination untereinander. Es gibt auch Effektplugins oder Stand-Alone Gitarren-Amplifier Programme, die beide Verfahren kombinieren. Dabei werden normalerweise die klassischen Bedien-Panels der Hardware-Geräte geboten, man hat aber keinen Zugriff auf die Algorithmen selbst, sondern bekommt dann oft gegen Aufpreis mehr simulierte Verstärker und Cabinets geboten.

Blue Cat Audio hat nun mit Destructor einen Weg gefunden die Prozesse, die bei diesen spezifischen Verzerrungen des Signals ablaufen auf einer abstrakteren und grundsätzlicheren Ebene zugänglich zu machen. Dabei werden die spezifischen Veränderungen des Signals auf drei verblüffend einfache Stationen aufgeteilt: einen Equalizer, einen Waveshaper und abschließend noch ein Equalizer. Das wollte ich erst mal gar nicht glauben, auch wenn es darum herum noch einige Zusatzparameter gibt, wie einen Kompressor, einen Hüllkurvenverfolger und Bit- und Samperate-Reduktion – das eigentliche Voodoo geschieht in diesen drei Effekten…

Nun bin ich mir sehr sicher: gleich welche Equalizer man mit irgend einem Waveshaper kombiniert wird dabei zwar eine gefilterte Verzerrung heraus kommen, aber keine, die auch nur annähernd authentisch nach einem übersteuerten Gitarrenverstärker klingt.

Das heisst Blue Cat Audio macht hier etwas ziemlich raffiniertes, indem sie annehmen, auf einer prinzipellen Ebene ist der Output eines Vorverstärkers oder eines Cabinets ein gefiltertes Signal, Frequenzen werden abgeschwächt oder angehoben oder ganz ausgeblendet. Der entscheidende Schritt ist hier, dass sie es schaffen die Essenz des Verhaltens dieser Geräte in Equalizerkurven zu packen, die man beliebig manipulieren kann. Man arbeitet zwar wie gewohnt mit einem Equalizer, der aber einen Twist hat, bei dem die Kombination aller Effekte hintereinander klingt wie eine Gitarren-Amplifier-Cabinet Combo – und tatsächlich sehr echt wie praktisch jeder mögliche real existierende Verstärker-Typ.

Unglaublich… Der Waveshaper im Zentrum ist natürlich ein ziemlich fortgeschrittenes Teil, aber letztendlich ein Waveshaper, die im allgemeinen für deutlich digital und harsch klingende Verzerrungen stehen. Davor geschaltet wird aber ein Hüllkurvenverfolger, der je nach der Dynamik des Eingangssignals einen unterschiedlichen Grad an Verzerrung triggert, was das Verhalten eines analogen Verstärkers, der auf die Stärke und Frequenz eines sich beständig ändernden Instrumenten-Signals spezifisch reagiert offenbar ganz gut wiedergibt.

Ein Waveshaper an sich wendet auf eine herein kommende Audiowelle, im einfachsten Fall eine Sinuswelle, eine Transformationskurve an. Diese Kurve verbiegt die Originalwelle um so extremer, je weiter ihre Form von der den Ton nicht verändernden geraden Diagonallinie in der Darstellung des Waveshapers abweicht und je weiter der Drive-Regler, der die Stärke der Übersteuerung an einem echten Amplifier wiedergibt aufgedreht ist. Diese Veränderungen der Wellenform erzeugen zusätzliche Obertöne, die je nachdem eher harmonischer oder unharmonischer Natur sein können und als Sättigung oder Verzerrung wahrgenommen werden.

Den Waveshaper umgeben ausser dem Dynamic Shape genannten Hüllkurvenverfolger, der auch invertiert werden kann und dann um so mehr verzerrt, je leiser das Signal wird oder auch durch ein Sidechain-Signal getriggert werden kann noch diverse andere Hilfseffekte und Parameter, ein Oversampling um digitale Artefakte heraus zu bekommen, eine Phasenverschiebung, eine Bit- und eine Sampleratenreduktion und Antialiasing in verschiedenen Stufen, ein Mix- und Gainregler. Insgesamt verschiebt das den Charakter mehr in die digitale oder analoge Richtung. Vor das ganze Gespann ist auf der Input-Seite noch ein Gate und ein Kompressor geschaltet, die von vorne herein das Signal von der Dynamik her an die Reaktion der gesamten Kette anpassen, die mal mehr, mal weniger Variabilität verträgt.

Oben die Ansicht des Destructors in Axiom mit den wichtigsten Reglern

Das bisher beschriebene stellt die Editor-Ansicht dar, in der die tiefer liegenden Einstellungen sichtbar werden und verdeutlichen, wie Destructor prinzipiell aufgebaut ist und was das Besondere daran ist. In der Easy-Ansicht, die zunächst aufgeht bekommt man nämlich nur die üblichen der Hardware nachempfundenen Panels zu sehen, deren Regler nur die wichtigsten Parameter wiedergeben. In der Editor-Ansicht kann man Feineinstellungen machen oder bei Bedarf auch ein Preset von Grund auf neu entwickeln. – Und das ist auch der Unterschied zu herkömmlichen Amp-Simulationen, die nur auf der Panel-Ebene Veränderungen erlauben, aber eine eigene Distortion-Einheit oder Cabinet kann man damit nicht entwickeln. Um möglichst nahe an die Frequenzgänge von Hardware heran zu kommen biteten die Pre-Amp und Post-Filter EQs auch den Import von Referenz-Filterkurven an, die mit dem Blue Cat Audio Programm FreqAnalystMulti von Hardware gewonnen wurden. Impulsantworten sind genauer, aber die Frage ist, unter welchen Umständen es auf diesen letzten Rest Authentizität überhaupt ankommt.