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Testbericht: UJAM FINISHER NEO – Schnellwaschanlage

Ein Testbericht von Perry Staltic,
veröffentlicht am 12.02.2020

Gegen Ende des vergangenen Jahres bescherte UJAM uns ein kleines Freeware-Plugin namens FINISHER MICRO, das, obwohl es sich dabei um einen komplexen Multi-Effekt handelt, mit nur zwei virtuellen Drehreglern auskommt. Nun legte UJAM kürzlich eine aufgebohrte kommerzielle Version nach, die auf den Namen UJAM FINISHER NEO hört und klanglich ein noch breiteres Spektrum abdecken möchte, ohne dabei Abstriche im Workflow machen zu wollen. Die Anzahl der Bedienelemente ist jetzt auf sage und schreibe drei (!) angewachsen. Lassen sich mit so wenigen Eingriffsmöglichkeiten tatsächlich professionelle Ergebnisse erzielen oder kommt dieses Konzept lediglich blutigen Anfängern zugute, die nicht wirklich wissen, was sie tun?

Mr. Gorgeous…

UJAM als Lieferant von Plugins mag vielleicht nicht jedermann sofort ein Begriff sein, tatsächlich existiert die Firma jedoch bereits seit fast einem Jahrzehnt, und dahinter verbergen sich keineswegs unbekannte Neulinge auf dem Markt. Einer der Mitbegründer ist die Hollywood- Soundtrack-Ikone Hans Zimmer, zu dem muss ich hier ja wohl nichts mehr schreiben.

Aber auch der Co-Founder und Geschäftsführer Peter Gorges stellt zumindest für die älteren Semester unter uns eine feste Größe dar. Vor rund 30 Jahren hatte ich noch das Vergnügen, seine Testberichte in der KEYBOARDS zu lesen und dabei regelmäßig von Lachanfällen ob seines witzigen Schreibstils unterbrochen zu werden.

Später dann bescherte uns seine damalige Firma WIZOO so manches Leckerlie in Pluginform, und in meinem VST-Verzeichnis tummeln sich auch heute nach wie vor so alte Schätzchen wie etwa XPHRASE, HYPERSONIC, DARBUKA oder LATIGO.

Zwischenzeitlich war der gute Herr Gorges auch noch für DIGIDESIGN/AVID tätig und zeichnete dort mit seinem Team unter anderem auch für die mittlerweile unter dem Namen AIR MUSIC TECHNOLOGY vertriebenen Software-Synths verantwortlich (z.B. VACUUM PRO, HYBRID 3, etc.).

Daraus lässt sich wohl ohne großartig zu spekulieren ableiten, dass UJAM mit einer wohl mehr als ausreichenden Expertise bei der Entwicklung von gut klingenden Plugins aufzuwarten vermag.

Einreisebestimmungen…

FINISHER NEO und sein kleiner Bruder FINISHER MICRO stellen die ersten eigenständigen Effekt-Plugins aus dem Hause UJAM da, gleichwohl hat man dort bereits vorher schon Effekt-Algorithmen entwickelt, die dann als integrierte Onboard-Effekte in den früheren Instrumenten-Plugins auftauchten.

FINISHER NEO ist für WINDOWS in den Formaten VST und AAX erhältlich, für MAC OS-X kommt auch noch die AU-Schnittstelle hinzu. Ich habe zum Test die VST-Version unter WINDOWS 7 PRO installiert. Leider bietet das Setup-Programm keine Abwahlmöglichkeit für die AAX-Version, sondern installiert diese ungefragt ins dafür vorgesehene Standardverzeichnis (unterhalb von C:\Programme\Common Files\Avid\), von dort kann man sie aber gegebenenfalls wieder manuell löschen.

Es existieren übrigens ausschließlich 64-Bit-Versionen des Plugins. Zudem ist es nur für den Einsatz in Stereo-Kanälen der DAW gedacht. Wer FINISHER NEO dennoch auf Mono-Kanälen verwenden möchte, der sollte diese zunächst auf einen Stereo-Bus leiten und dort dann das Plugin insertieren.

Nach der Installation befindet sich FINISHER NEO im Demo-Modus, im welchem das Plugin ohne Aktivierung 30 Tage lang ohne Einschränkungen lauffähig ist. Diese Aktivierung erfolgt ganz einfach mit den Zugangsdaten des für den Erwerb notwendigen Accounts bei UJAM und setzt zum Abgleich eine bestehende Internetverbindung voraus.

UJAM beschreibt auf seiner Webseite aber auch eine alternative Möglichkeit, um das Plugin offline zu aktivieren. Hierbei muss dann eine bestimmte Datei als Anhang an UJAM gemailt werden, anschließend erhält man vom Support eine freigeschaltete Version davon zurück, die man dann wieder auf seinen DAW-Rechner kopiert.

Tiefstapler…

Den bisherigen Produkte von UJAM scheint allesamt eines gemein zu sein: Sie wirken eher auf einen schnellen Workflow hin optimiert worden zu sein als auf endlose Editier-Orgien. Auch die neue FINISHER-Reihe macht hiervon keine Ausnahme, im Gegenteil, sie treibt dieses Konzept sogar noch weiter auf die Spitze.

UJAM FINISHER NEO

FINISHER NEO bietet genau drei virtuelle Drehregler zur Effekteinstellung, hinzu kommen lediglich noch je eine Regelmöglichkeit für den Eingangs- und den Ausgangspegel. Bei einem Effekt-Plugin der einfacheren Sorte wäre dies wohl nun auch nicht weiter erstaunlich, bei FINISHER NEO jedoch handelt es sich ja eigentlich um einen Multi-Effekt mit einem recht komplexen Innenleben.

Genauer gesagt tummeln sich unter der aufgeräumten Haube ganze 27 verschiedene Effekt-Algorithmen, die wiederum in 50 Modi auf unterschiedliche Weise miteinander verkettet wurden. Das Ganze findet dabei intern auf drei parallelen Bussen statt, die zusammen in einen Master-Bus laufen, hinzu kommt noch ein weiterer Bus, welcher das unbearbeitete Eingangssignal mit sich führt und für Dry/Wet-Mischungen unabdingbar ist.

Wie schon erwähnt, all diese Effekttypen stehen nicht bloß alternativ, sondern in zahlreichen Verknüpfungen zur Verfügung, vergleichbar mit mehreren vollbestückten Racks im Studio. Da wirkt es nahezu schon vermessen, diesen Wust an Parametern mit nur drei Reglern kontrollieren zu wollen.

Dass dies in der Praxis aber sehr wohl funktioniert, liegt an zwei Dingen: Einerseits arbeiten die drei Bedienelemente als Makro-Regler, sie ändern also nicht nur jeweils einen einzelnen Parameter, sondern vielmehr einen ganzen Haufen davon auf einmal. Andererseits haben die Entwickler bei UJAM bereits viel Zeit und Arbeit darin investiert, die diversen Voreinstellungen unter der Motorhaube auf möglichst optimale Ergebnisse hin zu konfigurieren.

Je nach gewähltem Modus nehmen die drei Bedienelemente unterschiedliche Funktionen wahr. Der große Drehregler in der Mitte, mit der Bezeichnung EFFEKT betitelt, ist hierbei der Hauptdarsteller und dient zur Einstellung der Intensität. Was genau er im aktuell ausgewählten Modus bewirkt, wird jeweils direkt darunter in Klartext eingeblendet.

UJAM FINISHER NEO – mögliche Zustände der Variation-Regler

Dies gilt auch für die links und rechts davon angeordneten kleineren Regler namens VARIATION 1 bzw, VARIATION 2. Je nach Modus können beide ihre Charakteristik ändern. Dabei arbeiten sie mal als stufenlose unipolare oder bipolare (also mit Nullstellung auf 12 Uhr) Drehregler, mal aber auch als drei- oder vierstufige Schalter. Wie der Name schon verrät, dienen diese zwei Regler zur Erzeugung von Variationen bzw, gewissen Feineinstellungen des mit dem EFFEKT-Regler kontrollierten Modus.

Alle Regler des FINISHER NEO besitzen übrigens eine (per rechter Maustaste erreichbare) MIDI-Learn-Funktion zur Verknüpfung mit einem MIDI-Controller seiner Wahl. Darüber hinaus lassen sich alle Bedienelemente auch innerhalb der DAW automatisieren, was UJAM auch ausdrücklich empfiehlt.

UJAM FINISHER NEO – MIDI-Learn

Da FINISHER NEO zumindest in seiner derzeitigen Inkarnation noch über keinerlei LFOs oder ähnliche Parameter-Modulatoren verfügt, muss man dynamische Änderungen bei Bedarf manuell erzeugen. Falls man eine DAW wie MIXCRAFT 9 verwendet, die entsprechende Automatisierungs-Funktionen für alle Plugins zur Genüge mitbringt, hat man alle benötigten Werkzeuge eigentlich sowieso schon längst an Bord.

Klangwirkstoffe…

Unter den insgesamt 27 Algorithmen finden sich alle möglichen Arten von Effekten, neben den typischen Modulationseffekten wie etwa Chorus, Flanger und Phaser sowie Rotary und Tremolo, gibt es verschiedene Kompressoren, Sättigungsstufen, Bitcrusher und Verzerrer, Filter und Equalizer, Delay und Reverb (inklusive Faltungshall), Transientenbearbeitung, aber auch etwas exotischere Vertreter wie beispielsweise ein Bode Frequency Shifter, Beat Cutter oder Granular-Effekte.

Wie schon erwähnt, stehen diese ganzen Algorithmen nicht einzeln zur Auswahl, als Anwender hat man immer nur einen Direktzugriff auf die sogenannten MODES, die komplexe Effektketten darstellen und von denen 50 an der Zahl existieren, aufgeteilt in fünf Kategorien mit jeweils zehn Modi mit lautmalerischen Bezeichnungen.

Um es an dieser Stelle noch ein weiteres Mal zu betonen, die genannten Kategorien beherbergen allesamt keine Einzeleffekte, sondern eben gleich ganze Batterien davon, wobei hier programmintern, also vom Anwender gänzlich unbemerkt, mehr als 60 zu befüllende Slots zur Verfügung bereitstehen.

UJAM FINISHER NEO – Effekt-Modi

Die erste Kategorie nennt sich SPREAD und beherbergt verschiedene Modi, die überwiegend räumliche Effekte und Delays betreffen und die das Audiosignal mit einer gewissen Weite aufwerten sollen.

CRUSH hingegen lädt mit Verzerrungs- sowie LoFi-Effekten zur kreativen Zerstörung des Audiosignals ein.

Die Kategorie SWIRL (die übrigens in Abweichung zum Plugin im mir vorliegenden Manual mal als WHIRL und mal als STIR bezeichnet wird…) beinhaltet diverse Modulationseffekte zum Durchmangeln des Audiomaterials.

SHAPE dient mit Filtern, Equalizern und Convolution-Effekten der spektralen Umgestaltung des Signals.

Die letzte Kategorie namens BOOST schließlich bietet Effektketten, die spezifischen Instrumentengruppen zu mehr Durchsetzungsvermögen im Mix verhelfen sollen.

Übrigens, wenn man den Modus wechselt, dann verbleiben die drei Regler in ihrer jeweiligen Stellung, was sehr praktisch ist, um schnell mal verschiedene Modi zu testen und zu vergleichen.

UJAM FINISHER NEO – Preset-Menü

Darüber hinaus wartet FINISHER NEO aber auch mit über 160 fertigen Presets auf, zudem lassen sich auch eigene Kreationen erstellen und sichern, bei diesen werden dann auch die einzelnen Reglerstellungen mit abgespeichert und ändern sich somit bei einem Presetwechsel.

Ohrenschmalz…

Die von UJAM bereitgestellten Effektketten bewegen sich klanglich allesamt auf einem hohen Niveau, hier merkt man den Entwicklern ihre langjährige Erfahrung also durchaus an. Je nach Modus und den Einstellungen der drei Regler lässt sich das Ausgangssignal subtil aufpolieren oder aber bis zur völligen Unkenntlichkeit durch die Mangel drehen, mit allen zwischen diesen beiden Extremen liegenden Stufen. Nachfolgend habe ich einige Klangbeispiele vorbereitet.

Den Anfang macht ein Sprachsample vom guten Captain Mercer von der Orville, das ich durch sieben verschiedene Modes gejagt habe, wobei ich jeweils mit Hilfe eines MIDI-Controllers in Echtzeit an den drei Reglern herumdrehe:

https://www.buenasideas.de/wp-content/uploads/2020/02/Klangbeispiel-UJAM-FINISHER-NEO-Vox.mp3
Klangbeispiel UJAM FINISHER NEO – Voice

Das gleiche Spiel habe ich anschließend noch mal mit einem Drumloop aus dem ebenfalls von UJAM stammenden Instrument BEATMAKER HUSTLE getrieben, dabei habe ich dann aber jeweils andere Modes verwendet:

https://www.buenasideas.de/wp-content/uploads/2020/02/Klangbeispiel-UJAM-FINISHER-NEO-Drum.mp3
Klangbeispiel UJAM FINISHER NEO – Drumloop

Bei den folgenden drei Klangbeispielen habe ich keine Echtzeiteingriffe an den Reglern vorgenommen, sondern hintereinander allerlei Presets mit jeweils statischen Einstellungen ausprobiert. Das erste Beispiel beinhaltet einen solo ziemlich mau klingenden Piano-Loop aus der Retorte, der durch FINISHER NEO deutlich interessanter klingt.

https://www.buenasideas.de/wp-content/uploads/2020/02/Klangbeispiel-UJAM-FINISHER-NEO-Piano.mp3
Klangbeispiel UJAM FINISHER NEO – Piano

Hier dient ein simpler Synthbass als Ausgangsignal für allerlei Klangverformungen:

https://www.buenasideas.de/wp-content/uploads/2020/02/Klangbeispiel-UJAM-FINISHER-NEO-Bass.mp3
Klangbeispiel UJAM FINISHER NEO – Bass

Und den Abschluss bildet ein Synthesizer-Loop, der pur wie eingeschlafene Füße klingt und nahezu nach einer Kur mit dem FINISHER NEO schreit:

https://www.buenasideas.de/wp-content/uploads/2020/02/Klangbeispiel-UJAM-FINISHER-NEO-Synth.mp3
Klangbeispiel UJAM FINISHER NEO – Synth

Wie eigentlich fast immer, habe ich mit diesen Klangbeispielen die komplette Bandbreite an Möglichkeiten wieder mal lediglich anzukratzen vermocht.

Fazit:

UJAM ist es mit FINISHER NEO tatsächlich gelungen, ein überaus eingängiges Bedienkonzept und einen dadurch stark beschleunigten Workflow mit einer Klangqualität zu paaren, die auch in professionellen Produktionen durchaus eine gute Figur macht.

Die Zielgruppe für FINISHER NEO befindet sich somit an beiden Enden des Anwenderspektrums: Der Anfänger verzettelt sich nicht und kann trotzdem sofort hervorragend klingende Ergebnisse erzielen, ohne eigentlich genau zu wissen, wie diese zustande kommen, während der fortgeschrittene Profi hingegen Zeit spart (was ja nicht ganz unerheblich bei bezahlten Auftragsarbeiten mit einer strikten Deadline ist…) und sich auf die zügige Fertigstellung seiner Produktion konzentrieren kann. Und wer sich irgendwo zwischen diesen beiden Extremen wiederfindet, der kann selbstverständlich einen ebenso großen Nutzen aus FINISHER NEO ziehen.

Natürlich ersetzt FINISHER NEO jetzt nicht alle anderen Effekt-Plugins im virtuellen Studio, und auch nicht jeder Tonschaffende wird dafür seine individuell erstellten und in der Praxis längst bewährten Effektketten, die er mittlerweile bereits in- und auswendig kennt, gleich über Bord werfen wollen. Dennoch kann FINISHER NEO hier zumindest eine gute Ergänzung darstellen, die zudem als Inspirationshilfe etwas frischen Wind in die Bude zu bringen vermag.

Lediglich notorische Frickler und Kontrollfreaks, die partout nicht darauf verzichten wollen, den Zugriff auf jeden einzelnen Parameter aus der Hand zu geben, dürften mit FINISHER NEO vermutlich nicht so wirklich warm werden.

Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Testberichts ist die Frist für den reduzierten Einführungspreis leider gerade abgelaufen. Der nun gültige reguläre Verkaufspreis für FINISHER NEO beträgt 99,- Euro, was ich nicht mehr direkt als No-Brainer bezeichnen würde.

Nicht, dass dieser Preis jetzt völlig überzogen wäre, aber während er für Profis keinen großen Hinderungsgrund darstellen dürfte, könnte er sich für den erwähnten Anfänger durchaus als Hemmnis erweisen. Auf der anderen Seite würden die ganzen unter der Haube verborgenen Effekte als hochwertige Einzel-Plugins sicherlich deutlich mehr kosten, was den Verkaufspreis wiederum doch etwas relativiert.

Fairerweise bietet UJAM aber einen 30tägige Testzeitraum für das Plugin an, um sich von dessen Qualitäten überzeugen zu können. Man muss also nicht die sprichwörtliche Katze im Sack kaufen. Außerdem gibt es für Anwender mit sehr knappen Budget immer noch die (im Vergleich zu FINISHER NEO allerdings deutlich abgespeckte) Freeware-Version namens FINISHER MICRO, die meiner Meinung nach ebenfalls eine Empfehlung wert ist.

Positives:
+ hohe Klangqualität
+ große Bandbreite an Effekten
+ sehr einfache Bedienung
+ Offline-Aktivierung möglich

Negatives:
– nicht ganz günstig

Produktwebseite FINISHER NEO: https://www.ujam.com/product/neo/

Produktwebseite FINISHER MICRO (Freeware): https://www.ujam.com/product/micro/

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