Zugegeben, mittlerweile verfalle ich schon lange nicht mehr in einen Endorphinrausch, wenn ein Plugin-Hersteller wieder einmal eine Analog-Emulation ankündigt, die alles bisher Dagewesene in den Schatten stellen soll. Das haben sich nämlich schon viele auf die Fahnen geschrieben, in der Praxis allerdings haben dann doch nur einige wenige dieses Versprechen zumindest teilweise eingelöst.
Trotzdem klingt ein simples KORG MONOTRON für mich immer noch analoger als jedes Plugin (kein Wunder…). Außerdem quillt mein Plug-in-Ordner schon lange über vor einigermaßen gelungenen Analog-Emulationen verschiedener Hersteller wie AUDIOREALISM, FXPANSION, TAL, WOK, U-HE oder D16 GROUP, um nur einige zu nennen, und noch eine weitere habe ich bisher nicht wirklich vermisst.
Und so bin ich Native Instruments Pressemeldung bezüglich ihres neuen Monosynths für REAKTOR 5 namens MONARK (Ist das nicht auch Name eines schwedischen Zweiradherstellers…?) auch zunächst eher mit Gleichmut begegnet, zumal die dort angepriesene virtuelle Umsetzung eines geheimnisvollen „King of Analog“ anscheinend einen weiteren Minimoog- Klon darstellen sollte.
Für die ganz Unbedarften unter den Lesern: http://de.wikipedia.org/wiki/Moog_Minimoog
Native-Instruments nennt zwar an keiner Stelle Ross und Reiter (vermutlich aus lizenzrechtlichen Gründen), der Verfasser dieser Zeilen allerdings macht an dieser Stelle einfach mal frech von seiner journalistischen Freiheit Gebrauch, denn jedem geneigten Synthesisten dürfte ein kurzer Blick auf die Bedienoberfläche genügen, um festzustellen, dass wir es hier mit dem wohlbekannten Aufbau des Minimoogs zu tun haben: Drei Oszillatoren, von denen der dritte bei Bedarf auch als Modulationsquelle herhalten kann, die typische Mixer-Sektion sowie die beiden ADS-Hüllkurven (Nein, die leiden nicht etwa an einer Aufmerksamkeitsdefizit-Symptomatik, es fehlt lediglich ein Release-Regler…).
Ein Moog ist ein Moog ist ein Moog…(?)
Nun sind virtuelle Minimoog- Kopien ja beileibe nichts Neues, die gibt es wohl schon so lange, wie es Synthesizer- Plugins gibt. Die frühen Exemplare davon wussten klanglich allerdings nicht immer unbedingt zu überzeugen (beispielsweise STEINBERG MODEL E).
Mit den schnelleren Rechnern kamen schließlich auch aufwendigere Emulationen auf den Markt, die auch einen halbwegs authentischen Klang ermöglichten (etwa ARTURIA MINIMOOG V, G-FORCE MINIMONSTRA und natürlich U-HE DIVA), wenngleich eingefleischte Besitzer der Original-Hardware wohl sicherlich nach wie vor der Meinung sein dürften, dass keine der Emulationen ihrem echten Minimoog wirklich das Wasser reichen kann. Auch hier bei BuenasIdeas gab’s ja vor längerer Zeit schon mal einen Vergleichstest zum Thema Minimoog-Plugins: https://www.buenasideas.de/test/minimoog-plugins-im-direkten-vergleich-mit-klangbeispiel/
Aus dieser Perspektive gesehen dürfte NI mit einem neuen Minimoog- Klon vermutlich nicht unbedingt in eine bisher übersehene Marktlücke stoßen. Demnach sollte der MONARK also dringend etwas Besonderes vorweisen können, wenn er denn ein kommerzieller Renner werden will…
Oberflächliches
Wie bereits erwähnt, kommt MONARK nicht als eigenständiges Plugin auf den Markt, sondern als Ensemble für REAKTOR 5. Zwar dürften einige Anwender es vermutlich begrüßen, wenn MONARK auch ohne diese separate Shell lauffähig wäre, in der Praxis habe ich jedoch deswegen keine gravierenden Nachteile dadurch erlebt. Der Aufruf von MONARK in einer DAW dauert halt minimal länger, bzw. erfordert einen kleinen Schritt mehr (REAKTOR in die DAW laden und darin dann MONARK…).
Der Download, die Installation sowie die anschließende Aktivierung verliefen wie von NI gewohnt reibungslos, auch wenn ich aus praktikablen Gründen kein großer Fan dieser Online-Aktivierungen bin. Im geöffneten REAKTOR befand sich der MONARK dann im Browser unter dem „Player“-Tab einträchtig neben dem bei mir dort ebenfalls residierenden SKANNER XT und wartete darauf, dass ich ihn ins noch leere REAKTOR-Hauptfenster hinüberziehe. Diesem Wunsch kam ich auch unverzüglich nach, und wenige Sekunden später öffnete sich die Bedienoberfläche.
Die GUI ist keineswegs eine fotorealistische 1:1-Kopie des originalen Minimoogs, vielmehr eine in meinen Augen sehr gelungene Neu- Intepretation von Native Instruments. Trotz der eher dunklen Farbgebung sind alle Elemente ausreichend kontrastreich, gut ablesbar und vor allem groß genug.
Fast schon war ich in Versuchung, die virtuellen Regler anzufassen und zu bewegen. Okay, ich weiß, das war sehr irrational… 😉 Wäre ich technisch etwas versierter, dann würde ich mir wohl aus ein paar Bauteilen einen dezidierten MIDI-Controller dafür basteln. So aber wird meine Remote SL oder mein BCR2000 dafür herhalten müssen, denn im Gegensatz zu MIDI- Learn und Parameter-Automation erlaubt REAKTOR auch keine Parameter-Änderung via Mausrad, und der MONARK bleibt somit ebenfalls außen vor. ;-(
Besitzer der REAKTOR 5 – Vollversion bzw. von KOMPLETE können wie gewohnt eigene Presets als Snapshot abspeichern, während dies Nutzern der kostenlosen REAKTOR 5-Playerversion versagt bleibt. Nichtsdestotrotz werden natürlich auch bei der Playerversion eigene Parametereinstellungen oder aufgerufene Snapshots zusammen mit dem DAW-Projekt abgespeichert, was wohl auch in den meisten Fällen ausreichend sein sollte.
Im Detail
Auf der linken Seite findet sich die Sektion CONTROL. Hier lassen sich neben der globalen (Ver-)Stimmung auch das Verhalten von LEGATO und GLIDE (= Portamento) sowie die Modulation (als Quelle dienen OSC 3 und/oder gefiltertes Rauschen) einstellen. Beim GLIDE erlaubt MONARK übrigens die Wahl zwischen einem linearen Verhalten à la Minimoog (MM) oder mit einer abfallenden Kurve (SILVER).
Die drei Oszillatoren sind nahezu identisch aufgebaut und verfügen alle über 6 Fußlagen sowie über 6 klassische Wellenformen (diverse Dreiecks- und Sägezahn(misch)wellenformen, außerdem Rechteck mit drei verschiedenen Pulsweiten).
Oszillator 2 und 3 lassen sich gegenüber Oszillator 1 noch verstimmen, zudem erlaubt Oszillator 3, der ja auch als Modulationsquelle dienen kann, noch das Abschalten der Key-Tracking-Funktion, er wird dann nicht mehr von der jeweils angeschlagenen Keyboardtaste in der Tonhöhe beeinflusst.
Die MIXER-Sektion ermöglicht es, die drei Oszillatoren sowie die Rauschquelle getrennt voneinander im Pegel zu regeln oder auch komplett abzuschalten. Wie man es halt vom Minimoog her kennt… Darüber hinaus gibt es aber auch noch zwei weitere Regler, die das Original nicht aufweist: LOAD und FEEDBACK. Während mit LOAD der Pegel angehoben werden kann, mit dem das nachgeschaltete Filter angesteuert wird, um gewünschte Verzerrungen durch Übersteuerung zu erzielen (fettet den Sound ordentlich an!), kann man mit Feedback das Signal hinter Filter und Verstärker abgreifen und erneut dem Filter zuführen, also eine gewollte Rückkopplung erzeugen.
Die Sektion FILTER & AMP schließlich bietet das Filter (ach, tatsächlich…?) mit regelbarer Frequenz, Resonanz sowie positiver und negativer Hüllkurvenintensität. Neben der Nachbildung eines Minimoog-typischen Tiefpassfilters mit 24 dB pro Oktave gibt es zusätzlich auch noch ein Tiefpassfilter mit 6 dB und ein Weiteres mit 12 dB pro Oktave sowie ein Bandpassfilter (ebenfalls mit 12 dB/Oktave). Das ist deutlich mehr, als der Minimoog besaß, wenngleich ein Hochpassfilter an dieser Stelle natürlich auch noch schön gewesen wäre, wenn man hier schon vom Original-Konzept abweicht. Aber was soll’s, eigentlich dürfte beim MONARK ja in erster Linie das MM-Filter interessieren, während die anderen eher eine nette Beigabe darstellen.
Die Modulation des Filters lässt sich hier ebenso einschalten, wie ein Key-Tracking mit festen Werten (1/3 bzw. 2/3).
Bleiben noch die beiden eingangs erwähnten ADS(ohne R)-Hüllkurven übrig, eine für das Filter und eine für den Lautstärkeverlauf. Die Einschränkungen durch den fehlenden Release-Regler (das entspricht ja der Hardware-Vorlage und ist nicht etwa Vergesslichkeit Seitens NI…) wird durch die REL- Schalter für jede Hüllkurve wieder abgeschwächt, denn diese ermöglichen es, bei Bedarf die Ausklingzeit (Release) kleiner oder gleich der Abklingzeit (Decay) einzustellen. Sehr schön auch, dass die Hüllkurven recht knackig reagieren können, wenn dies gewünscht ist.
Ach ja, rechts oben gibt es auch noch einen kleinen horizontalen Regler für die Gesamtlautstärke, den hätte ich fast übersehen.
Integrierte (Weichspüler-)Effekte gibt es beim MONARK übrigens keine, und das ist auch gut so!
Wer A sagt, muss auch B sagen…
Wie es bei REAKTOR-Ensembles üblich ist, weist der MONARK neben der soeben beschriebenen, sogenannten A-Ansicht auch noch eine als bezeichnete B-Ansicht weitere Bedienoberfläche auf.
Diese sieht bei Aufruf zunächst einmal nicht sonderlich überladen aus, will sagen, außer drei virtuellen Schaltern findet man hier nichts, dass einer Erwähnung wert wäre. Über SETTING 1-3 kann man drei alternative Stimmungen für den MONARK abrufen, dies ist gleichzeitig auch der einzige Parameter der B-Ansicht, der sich mit einem Snapshot abspeichern lässt (ein Recall bei einem Snapshot- Wechsel lässt sich aber per Schalter unterbinden), die restlichen Parameter wirken stets global auf das Instrument.
Wenn man EDIT aktiviert, dann wirkt die B-Ansicht auch gleich viel ausgefüllter. In vier optisch gut voneinander abgesetzten Sektionen lassen sich am MONARK noch diverse globale Feineinstellungen, etwa am Verhalten der Oszillatoren, des Filters etc. betreiben. Wer mag, kann sich hier also noch seinen „persönlichen“ Minimoog- Klon zurecht schrauben.
Bratröhre
Ich möchte an dieser Stelle nicht unterschlagen, dass ich leider bisher nie selbst Hand an einen originalen Minimoog legen konnte, lediglich mal für einige Zeit an einen Moog Prodigy, einem nachträglich gepimpten Modell mit zusätzlichem Suboszillator und erweiterten Modulationsmöglichkeiten. Aber mir sind natürlich zahlreiche Tracks vertraut, in denen der Minimoog eine prominente Rolle gespielt hat, beispielsweise in der genialen Sequenz von „Die Roboter“ oder auch im alten Synthpop-Hit „Popcorn“.
Deshalb möge der geneigte Leser mir verzeihen, dass ich hier keinen klanglichen Direktvergleich mit einem Hardware- Minimoog zu präsentieren vermag. Auch habe ich mich bewusst dagegen entschieden, einen Vergleich mit anderen Minimoog- Plugins anzustellen, das dürfte allein schon aufgrund unterschiedlicher Regler-Skalierungen schwerfallen. Zudem gehe ich davon aus, dass jeder Hersteller über sein eigenes Hardware-Gerät (oder gar über mehrere davon) verfügt, nach dem er seine Software modelled, und diese verschiedenen Minimoogs sind, sicherlich auch nicht alle identisch kalibriert.
Also bin ich einfach meinem Gehör und meinem subjektiven Geschmack gefolgt. Flugs mal durch die mitgelieferten Snapshots spaziert und hier und da an den Reglern gedreht. Ich gestehe, meine anfängliche Skepsis ob eines weiteren, eigentlich gar nicht ersehnten Minimoog- Klons wich doch recht schnell einem Staunen, welches schließlich von einem breiten Grinsen abgelöst wurde.
Tatsächlich, was mein Kopfhörer mir hier ins Hirn pumpte, hörte sich für mein Empfinden überaus „analog“ an, wenn dies einmal mehr als klangliche Beschreibung herhalten darf. Eben nach dem typischen Minimoog- Sound. Fett, druckvoll, für ein Software-Instrument sehr roh und bei Bedarf auch ordentlich brutzelnd. Keineswegs statisch oder „plastikmäßig“, wie leider bei vielen VA-Synthies.
Mit geschlossenen Augen hätte ich vermutlich schon arge Probleme, den MONARK von einem „echten“ alten Moog zu unterscheiden, zumindest auf meiner Abhöre… 😉 Okay, die unverbesserlichen Hardware-Fetischisten werden mich jetzt vermutlich tauber Ohren bezichtigen, dennoch bin ich mir recht sicher, dass eventuelle klangliche Unterschiede zum Original in einer typischen Abmischung völlig untergehen dürften.
Auf jeden Fall haben die Programmierer bei NI hier ganze Arbeit geleistet, der MONARK gehört für mich persönlich mit zu den besten Analog-Emulationen, die derzeit erhältlich sind! Ich möchte mich mit derartigen Worten keinesfalls bei NI einschleimen, weder werde ich von denen bezahlt, noch nähmen die mir meine MONARK- Lizenz wieder weg, wenn ich das Teil hier völlig zerrissen hätte… 😉
Nachfolgend noch ein kurzes Sound-Demo, für einen ausgefeilten Track fehlte mir bedauerlicherweise die Zeit. Ihr hört ausschließlich den MONARK, ansonsten habe ich keinerlei andere Plugins verwendet.
Klangbeispiel NI MONARK:
NI liefert den MONARK mit zahlreichen guten Snapshots/ Presets aus, darunter findet man auch viele Sounds, die an Klassiker von Kraftwerk, New Order und andere Synthesisten erinnern.
Übrigens weist das mitgelieferte PDF-Manual darauf hin, dass der MONARK für Abtastraten von 88.2 bzw. 96 KHz entwickelt worden sei und daher auch nur bei diesen Audio-Einstellungen optimale klangliche Ergebnisse bringe. Während noch höhere Abtastraten keine weiteren Vorteile mit sich bringen, räumt NI ein, dass bei einem Betrieb mit 44.1 oder 48 KHz eventuell Artefakte bei Extremeinstellungen auftreten könnten. Während meines Tests habe ich derartige Störungen jedoch nicht wahrnehmen können (mein System läuft auch nur mit 44.1 KHz…).
Bezüglich der CPU-Belastung ist der MONARK verständlicherweise zwar nicht gerade unbescheiden, im Betrieb mit einer Instanz verhielt er sich bei mir jedoch unauffällig. Erst ab der fünften geladenen Instanz begann mein System zu stottern. Das Ganze fand allerdings auch auf meinem ollen Doppelkern- Athlon unter EnergyXT (das nutzt nur einen der Kerne!) statt. Auf einem halbwegs zeitgemäßen Rechner ist da sicherlich weitaus mehr drin!
Fazit:
Da bin ich doch mal wieder eines Besseren belehrt worden. Hatte ich zu Beginn bei der Ankündigung NIs eher gelangweilt reagiert und dem Test des MONARK auch nur ohne große Spannung oder gar Vorfreude entgegengesehen, so änderte sich diese Haltung beim meinem ersten Probehören schlagartig. Das Teil klingt verdammt gut und bringt auch meine CPU dabei nicht gleich zum Schmelzen! Das hätte ich ehrlich gesagt dann doch nicht von NIs neuem Boliden erwartet. Was wird uns die REAKTOR-Plattform wohl noch in den kommenden Jahren erst anbieten können…?
Ich möchte den MONARK an dieser Stelle nicht als unbedingtes „must have“ anpreisen, dazu sind die jeweiligen persönlichen Anforderungen und das Angebot sicherlich zu breit gefächert. Wer jedoch noch auf der Suche nach einem verblüffend analog, speziell nach Moog klingenden Plugin ist, der sollte den MONARK unbedingt in seinen Auswahlkreis mit einbeziehen, es lohnt sich!
Das MONARK ebenso wie auch die anderen letzten Synthesizer von Native Instruments (SKANNER XT, RAZOR, SPARK) nur als REAKTOR-Ensemble und nicht auch als natives Plugin erhältlich ist, mag für manchen Anwender lästig sein, ich persönlich vermute mal, das der Hauptgrund dafür in marketing- strategischen Überlegungen NIs zu suchen ist… 😉
Der MONARK kostet 99,- Euro, was ich recht fair finde. Für den Einen oder Anderen könnte auch der Erwerb von KOMPLETE 9, in dem der MONARK (und auch die REAKTOR-Vollversion!) ja ebenfalls enthalten ist, eine interessante Alternative darstellen.
Angesichts des hervorragenden Klangs für ein Software-Instrument und auch nur kleinerer Makel (keine eigenständiges Plugin und fehlende Mausradbedienung, Letzteres liegt eigentlich am REAKTOR und dürfte vermutlich sowieso immer bloß von mir bemängelt werden…) vergebe ich für den MONARK gerne unseren BuenasIdeas.de-Tipp!
Was mir besonders gut gefiel:
- hervorragender, analogartiger Klang
- gute Minimoog-Adaption
- einfache Bedienung
- gelungene Optik
- vergleichsweise moderate CPU-Belastung
Was mir weniger gut gefiel:
- keine Reglerbedienung via Mausrad möglich (REAKTOR-bedingt)
- kein eigenständiges Plugin
Mein subjektives Testurteil nach Schulnoten: sehr gut (1,2)
Produktseite: www.native-instruments.com/de/products/komplete/synths-samplers/monark/
TESTBERICHT VON PERRY STALTIC