Website-Icon BuenasIdeas

Testbericht: CHERRY AUDIO CA2600 – Patch as patch can!

Testbericht CHERRY AUDIO CA2600

Testbericht CHERRY AUDIO CA2600

Ein Testbericht von Perry Staltic,
veröffentlicht am 18.11.2020

Es sind ja gerade mal ein paar Wochen ins Land gezogen, seit CHERRY AUDIO den DCO-106 veröffentlicht hat und ich einen Testbericht dazu verfasst habe, da steht bereits der nächste Anwärter vor der Tür und bittet um Einlass. CA2600 nennt sich der jüngste Zögling und die Zahl in seinem Namen verrät uns, dass sich CHERRY AUDIO diesmal den ARP 2600 vorgenommen haben. Damit stellt dies nun schon die zweite Synthesizer-Emulation dar, die als eigenständig lauffähiges Plugin und nicht als virtuelles Modul für VOLTAGE MODULAR, dem eigentlichen Kerngeschäft von CHERRY AUDIO, erscheint. Ein neues Standbein in diesem hart umkämpften Markt?

Nachdem schon der DCO-106 nicht nur mich zu überzeugen vermochte, bin ich jetzt natürlich gespannt wie ein Flitzebogen. Andererseits hat CHERRY AUDIO damit die Messlatte selbst schon ziemlich hoch gehängt, schauen wir also mal, ob die ebenso hohen Erwartungen tatsächlich erfüllt werden können, oder ob sich die Kalifornier etwa schon auf ihren Lorbeeren ausruhen…


Ahnenreihe…

Der ARP 2600 zählt zu den ersten kommerziell erhältlichen Synthesizern überhaupt, wurde er doch immerhin bereits im Jahre 1970 der Öffentlichkeit vorgestellt. Seine Produktion erfolgte von 1971 bis 1981, innerhalb dieser Dekade unterlief er auch verschiedenen optischen und technischen Veränderungen. So gab es neben der ersten Version mit dem blauen Frontpanel auch eine recht kleine Auflage mit grauer Front sowie die bekannte spätere Variante mit der schwarz-orangen Farbgebung. Auch unter der Haube fanden im Laufe der Zeit einige Modifikationen statt, etwa an Filter, Oszillatoren und eingebauter Hallspirale. Mit einem Gewicht von rund 30 Kilo (inklusive dem separaten Keyboard…) galt dieser Synthesizer damals noch als relativ leicht und portabel, zumindest wenn man ihn mit den schrankwandgroßen Modulsystemen aus dieser Zeit verglich.

ARP 2600 im Wandel der Zeiten

Von Letzteren unterschied sich der ARP 2600 auch noch in einem weiteren wesentlichen Punkt. Er war nämlich semi-modular konzipiert, was bedeutet, dass intern bereits eine sinnvolle Vorverdrahtung zwischen den einzelnen Sektionen bestand, so dass das Gerät auch ohne die Verwendung von Patchkabeln direkt spielbar war, ähnlich wie auch ein Minimoog und die überwiegende Anzahl der heutigen Synthesizer. Eigentlich brauchte der ARP 2600 nur noch Strom, damit man sofort loslegen konnte, denn selbst ein Pärchen interne Lautsprecher hatte man ihm ab Werk verpasst.

Darüber hinaus bot der ARP 2600 jedoch noch genügend Optionen, um den vom Hersteller vorgegebenen Klangpfad zu verlassen, nämlich in Form von zahlreichen Patchbuchsen, die eine umfassende Neuverkabelung der integrierten Sektionen untereinander zuließ beziehungsweise die Einbindung externer Module möglich machte.

Die Zahl der Musiker und Klangdesigner, die den ARP 2600 im seitdem vergangenen halben Jahrhundert schätzen gelernt hat, ist lang, selbst die umfangreiche Liste auf der englischsprachigen Wikipedia-Seite zu diesem Synthesizer stellt lediglich einen kleinen Ausschnitt dar.

Somit dürfte es auch recht wahrscheinlich sein, dass jeder von uns den klanglichen Output des ARP 2600 schon einmal in irgendeiner Form vernommen hat, spätestens dann, wenn er sich einen Star Wars-Film angeschaut hat. Denn auch die Erzeugung der „Stimme“ von R2-D2 basiert in einem nicht unwesentlichen Maße auf eben diesem Synthesizer.

Auch heutzutage erfreut der ARP 2600 sich immer noch einer so großen Beliebtheit, dass KORG zwischenzeitlich sogar eine hochpreisige limitierte Neuauflage der Hardware im Programm hatte, die fast sofort ausverkauft war, und anscheinend in naher Zukunft eine kleinere Version davon nachreichen wird. Auch BEHRINGER hat schon für das kommende Jahr entsprechende Klone im Rackformat zu einem für diesen Hersteller üblichen Kampfpreis angekündigt.


Formsache…

CHERRY AUDIO bietet seinen virtuellen Nachbau des ARP 2600 wie gewohnt ausschließlich für 64-Bit-Betriebsysteme an. Die Mindestvoraussetzungen stellen dabei WINDOWS 7 beziehungsweise macOS 10.09 dar. Für meinen Test habe ich mich auf die von mir verwendeten Systeme WINDOWS 7 und WINDOWS 10 beschränkt, zudem habe ich nur die angebotenen VST-Plugins (VST2 und VST3) getestet. Neben diesen beiden Formaten stellt CHERRY AUDIO auch noch AAX- und AU-Plugins sowie eine Standalone-Version des CA2600 zur Verfügung.

Der CA2600 lässt sich mit einer einzigen Lizenz auf bis zu vier verschiedenen Rechnern parallel betreiben. Wie bei CHERRY AUDIO üblich, muss nach der Installation auf jedem dieser Rechner separat noch eine einmalige Aktivierung durchgeführt werden. Hierbei wird kurzzeitig eine Internetverbindung auf dem Wirtsrechner benötigt, eine Offline-Aktivierung ist nicht vorgesehen. Man muss darüber hinaus bereits über einen Online-Account bei CHERRY AUDIO verfügen, mit dessen Zugangsdaten man sich dann über die entsprechende Eingabemaske des CA2600 einloggt und einen Lizenz-Abgleich mit dem Server durchführt.

Bei der Installation über die Setup-Datei ist mir übrigens aufgefallen, dass offenbar schon dabei eine Internetverbindung zu CHERRY AUDIO aufgenommen wird und erst danach weitere Daten nachgeladen werden. Eine vollständige Installation des CA2600 auf einem Rechner, der offline ist, scheint somit nicht möglich zu sein. Das war neulich beim DCO-106 definitiv noch nicht der Fall.

CHERRY AUDIO CA2600 – Theme Orange and Black

Auch dem CA2600 hat CHERRY AUDIO wieder eine in weiten Bereichen frei skalierbare Bedienoberfläche verpasst. Standardmäßig wird das GUI-Thema „Orange and Black“ geladen, welches sich optisch an der letzten Version des ARP 2600 orientiert. Wer die Farbgebung älteren Serien der Hardware bevorzugt, der kann alternativ auch eines der beiden anderen Farbschemata namens „Blue Marvin“ und „Gray“ wählen.

CHERRY AUDIO CA2600 – Theme Blue Marvin

Letztendlich ist dies allerdings lediglich eine Frage des ästhetischen Empfindens, denn die Soundengine des CA2600 wird dadurch in keinster Weise beinflusst, der Klang von Oszillatoren und Filter bleibt also in allen Fällen derselbe.

CHERRY AUDIO CA2600 – Theme Gray

Die mehrstufige UNDO/REDO-Funktion, die ich schon beim DCO-106 recht praktisch fand, gibt’s auch beim CA2600. Ebenso lässt sich das Verhalten der Regler und Bedienelemente bei Bedienung mit der Maus beziehungsweise dem Mausrad wieder an die persönlichen Vorlieben anpassen. Da der CA2600 zudem über die Möglichkeit des Patchens mittels virtueller Kabel und Buchsen verfügt, gibt es noch separate Einstellungen für das Erscheinungsbild eben dieser Kabel, beispielsweise bezüglich ihrer Dicke, Animation oder Transparenz.

CHERRY AUDIO CA2600 – diverse Settings

Wem also das hauseigene Software-Modularsystem namens VOLTAGE MODULAR bereits bekannt ist, der dürfte sich auch beim CA2600 schnell zurechtfinden und dort viele bekannte Funktionen wiedererkennen. Dazu gehört etwa auch die Möglichkeit, einzelne Kabel zur besseren Übersicht nach Belieben mit Hilfe einer Farbpalette einzufärben.

CHERRY AUDIO CA2600 – Kabelfarben

Des Weiteren besteht die Option, die Transparenz der Kabel mittels Schieberegler einzustellen oder sie auch per Knopfdruck komplett auszublenden. In letzterem Fall sind dann nur noch die Belegungen der entsprechend eingefärbten Patchbuchsen erkennbar. Erwähnenswert ist auch, dass CA2600 unsinnige Verbindungen, also etwa zwischen zwei Aingängen oder zwei Ausgängen, automatisch verhindert. Man merkt sofort, dass das ganze Patch-System offensichtlich im Sinne eines schnellen Workflow konzipiert wurde.

CHERRY AUDIO CA2600 – belegte Patchbuchsen mit und ohne Kabel

Ebenfalls aus VOLTAGE MODULAR wurden die quasi unendlichen Multiples übernommen, mit denen jede einzelne Patchbuchse ausgestattet ist. Will man nämlich einem Eingang oder einem Ausgang mehrere Kabel zuweisen, so ist dies ohne weiteres möglich, denn ein Klick auf die jeweilige Buchse öffnet ein Sextett mit Multiples. Sollten einem diese sechs Buchsen dann immer noch nicht ausreichen, so stellt auch das kein Problem dar, weil sich bei Bedarf automatisch weitere Buchsen dazugesellen, bis der Arzt kommt. Damit findet sich also beim CA2600 schon einmal eine nicht gleich offensichtliche, aber dafür umso praktischere Erweiterung im Vergleich zum ARP 2600.

CHERRY AUDIO CA2600 – Multiples ohne Ende

Die integrierte MIDI-Learn-Funktion des CA2600 gleicht der des DCO-106 wie ein Zwiliing. Sie lässt sich auf der linken Seite der Bedienoberfläche ausfahren. Alle vorgenommenen Zuweisungen zu MIDI-CCs lassen sich wie gehabt noch nachträglich verändern, ebenso ist es möglich für jede einzelne Zuordnung den Wertebereich einzugrenzen sowie vom Linearen abweichende Kurvenverläufe festzulegen.

CHERRY AUDIO CA2600 – MIDI-Learn-Funktion

Ebenfalls schon von früheren Produkten des Herstellers ist das QWERTY-Keyboard bekannt und findet sich auch im CA2600 wieder. Auch ohne eine an den Rechner angestöpselte Klaviatur lassen sich damit über die normalen Schreibtasten Noten spielen sowie Pitchbender, Modulationsrad oder Sustainpedal ersetzen. Praktisch für unterwegs!

CHERRY AUDIO CA2600 – QWERTY-Keyboard

Der CA26000 bringt über dreihundert Presets aus diversen klanglichen Sparten mit. Um eine schnelle Navigation durch diesen Klangvorrat zu gewährleisten, gibt es einen Preset-Browser, der wiederum wie ein Ebenbild dessen im DCO-106 wirkt. Ein Suchfunktion ist ebenso vorhanden wie die Möglichkeit, das Browser-Fenster via Pin so lange wie benötigt geöffnet zu halten.

CHERRY AUDIO CA2600 – Preset-Browser

Zunächst hatte ich, wie auch neulich bereits beim DCO-106, mir einmal mehr eine Favoriten-Funktion gewünscht, um damit meine bevorzugten Presets zu taggen und an gemeinsamer Stelle in unmittelbarem Zugriff zu haben, das Fehlen einer solchen hatte ich auch schon als Negativ-Punkt notiert. Doch noch während der Testphase hat CHERRY AUDIO genau diese vermisste Funktion per Update nachgereicht (übrigens auch beim DCO-106), vielen Dank dafür!

Ich habe den CA2600 sowohl auf meinem Studiorechner (CPU i7-4790K mit 4 x 4,0 GHz und 16 GB RAM) als auch auf meinem Laptop (CPU i5-4200m mit 2 x 2,50 GHz und 4 GB RAM) getestet und vermochte dabei keine Perfomance-Probleme festzustellen. Alles lief rund, auch bei der Verwendung von 18 parallel laufenden Instanzen für das weiter unten präsentierte Synthwave-Klangbeispiel.


Architektonik…

Soweit ich das anhand von Bildern und Beschreibungen des ARP 2600 kann, ohne jemals eine persönliche Begegnung mit diesem Synthesizer gehabt zu haben, hat sich CHERRY AUDIO beim CA2600 durchaus eng an das Vorbild gehalten, aber dennoch an einigen Stellen signifikante Änderungen vorgenommen.

Die Sektion ganz links oben mit Vorverstärker und Ringmodulator wurde im Prinzip unverändert übernommen. Da sich in der Software aber natürlich keine externen Gerätschaften an die Eingangsbuchse anstöpseln lassen, hat CHERRY AUDIO dies hier als Sidechain-Eingang realisiert. Abhängig von den Möglichkeiten der eingesetzten DAW (beim Plugin) bzw. des Audiointerfaces (bei der Standalone-Version) lassen sich hier sehr wohl externe Audiosignale einspeisen und danach mit dem CA2600 weiterverarbeiten.

Wie die Hardware besitzt auch der CA2600 drei Oszillatoren, doch diese sind nahezu gleichwertig ausgestattet, während beim ARP 2600 lediglich der zweite Oszillator die vier Wellenformen Dreieck, Sägezahn, Sinus und veriabler Puls zu erzeugen vermag (OSC 1 und 3 geben nur Sägezahn und Rechteck bzw. Puls aus). Zudem verfügt OSC 1 beim CA2600 über einen zusätzlichen Sub-Oszillator mit Rechteckwelle, OSC 2 und 3 verfügen hingegen jeweils über einen Eingang für eine Oszillatorsynchronisation, die es beim ARP 2600 gar nicht gab. Jeder Oszillator besitzt zudem noch einen eigenen GLIDE-Regler für Portamento-Effekte.

Ein weiterer wichtiger Unterschied findet sich auch in der Frequenzeinstellung der Oszillatoren. Der ARP 2600 lassen sich diese stufenlos über das gesamte Frequenzspektrum regeln, was je nach Anwendungszweck Fluch oder Segen darstellen kann. Beim CA2600 hat CHERRY AUDIO sich hingegen für die heutzutage gebräuchlicheren Fußlagenschalter entschieden, mit denen die gewünschte Oktave in festen Schritten eingestellt wird. Die LO-Position dieser Schalter versetzt den entsprechenden Oszillator dabei in einen tieffrequenten LFO-Modus. Die zusätzlichen Feinstimmungsregler finden sich sowohl bei der Hard- als auch bei der Software.

CHERRY AUDIO CA2600 – obere Hälfte des Frontpanels

Beim Filter lassen sich ebenfalls einige Erweiterungen zugunsten der Software feststellen. Ins Auge fällt hier sofort, dass der CA2600 hier nicht wie der ARP 2600 lediglich die Charakteristik Tiefpass, sondern darüber hinaus auch Bandpass- und Hochpass-Modi im Angebot hat. Des Weiteren lässt sich bei der Flankensteilheit zwischen 12 und 24 dB pro Oktave wählen.

Die beiden Hüllkurven des CA2600 orientieren sich wiederum weitgehend am Vorbild. Es gibt eine ADSR-Hüllkurve sowie eine rudimentäre AR-Hüllkurve. Letztere war schon so manchem Anwender des ARP 2600 ein Dorn im Auge, weil er sich an dieser Stelle ebenfalls eine vollständige ADSR-Hüllkurve gewünscht hätte. Als Besitzer von Synthesizern wie dem MICROBRUTE, dem MS-101 oder ehemals dem JUNO-106 bin ich da aber durchaus eine noch spartanischere Ausstattung gewohnt. Insofern enthalte ich mich auch der Kritik, dass CHERRY AUDIO es hier mit der Authentizität etwas zu genau genommen haben könnte.

Der VCA des CA2600 präsentiert sich mehr oder weniger gleichartig zu dem des ARP 2600, abgesehen davon, dass die den beiden Hüllkurven zugeordneten Steuereingänge in der Software eine Änderung ihrer Charakteristik zwischen linear und exponentiell ermöglichen. Bei Hardware und Software gleichermaßen gibt es übrigens einen INITIAL GAIN-Regler, der nichts anderes als eine Bias-Funktion darstellt und mit dem man auch ohne Tastenanschlag Dauertöne für Drones und ähnliches erzeugen kann.

Die Ausgangssektion mit dem Mixer wurde beim CA2600 gegenüber dem Vorbild deutlich aufgebohrt. Während beim ARP 2600 an dieser Stelle nur VCF, VCA sowie das Signal der eingebauten Hallspirale zusammenfinden, um dann zum Stereo(!)-Ausgang mit kontrollierbarem Panorama zu gelangen, bietet der CA2600 hier noch zusätzliche Wege für seine Onboard-Effekte DIST(ortion), DELAY und ST(ereo Re)VERB, zu denen ich gleich noch komme.

CHERRY AUDIO CA2600 – untere Hälfte des Frontpanels

Auf der unteren Hälfte der Bedienoberfläche des CA2600 lassen sich die auffälligsten Änderungen im Vergleich zum Frontpanel des ARP 2600. Zunächst einmal hat CHERRY AUDIO auf die links und rechts positionierten Lautsprechergitter verzichtet, was sicherlich wohl jeder, der sich mentaler Gesundheit erfreut und dessen kognitive Prozesse sich innerhalb normaler Parameter bewegen, ohne Rückfragen nachvollziehen kann…

Ganz links findet sich dafür eine Sektion, die wiederum dem ARP 2600 völlig abgeht, nämlich MIDI CONTROL. Hier können die diversen Steuersignale, die ein übliches MIDI-Keyboard so zu senden vermag (Tonhöhe, Notendauer, Anschlagsdynamik, Pitchbender und Modulationsrad), an separaten Buchsen abgegriffen und dann beliebigen Zielen zugeführt werden. Ein sogenannte SECOND VOICE CV ermöglicht bei Bedarf eine duophone, also zweistimmige Spielweise (beim ARP 2600 war diese erst mit einer entsprechenden Keyboard-Version möglich).

Nicht ganz verständlich ist mir, warum CHERRY AUDIO beim CA2600 nicht auch noch einen polyphonen Modus im Angebot hat, wie es auch bei den Konkurrenten des CA2600 von ARTURIA und SONIVOX der Fall ist. Mag ja sein, dass eine solche Polyphonie auch vermehrte Ansprüche an die Rechner-Ressourcen stellt, andererseits ist der CA2600 gar kein ausgesprochener CPU-Killer, und wenn sich mehrere Instanzen davon problemlos parallel verwenden lassen, dann sollte doch auch eine einzelne Instanz eine mehrstimmige Spielweise ermöglichen, ohne dass dadurch der Host-Rechner gleich ins Nirwana geschickt wird. Hier hätte CHERRY AUDIO meiner Meinung nach gerne das Hardware-Vorbild hinter sich lassen dürfen! Schade zwar, aber jetzt auch kein Beinbruch…

Als nächstes folgt ein Rauschgenerator, der verschiedene Rauschfarben (Nein, damit sind jetzt nicht diese bunten Filme gemeint, die man nach der Einnahme von LSD sieht…) erzeugt, als da wären WHITE, PINK und eine mit LOW FREQ bezeichnete Variante.

Die sogenannten VOLTAGE PROCESSORS dürften sowohl beim ARP 2600 als auch beim CA2600 auf den ersten Blick für etwas Verwirrung sorgen, letztendlich handelt es sich dabei aber bloß um diverse Utilities, wie etwa Signalabschwächer, einem Quantisierer und einem Lag Generator zur Erzeugung von Glides (zusätzlich zu denen in der Oszillatorsektion), allesamt bei Bedarf auch invertierbar. Diese Hilfsmittel sind beispielsweise sehr dienlich bei der Erzeugung komplexer Modulationen abseits üblicher Wege.

Direkt nebenan gibt’s eine SAMPLE & HOLD-Quelle für diverse Zufallsgeschichten sowie einen ELECTRONIC SWITCH, also einen Schalter, welcher beim ARP 2600 noch spannungsgesteuert funktioniert und beim CA2600 natürlich digital. Hiermit kann man automatisiert zwischen zwei angeschlossenen Eingangsquellen umschalten.

Beim CA2600 gesellt sich dann noch ein LFO mit sechs Wellenformen hinzu, den man auf dem Frontpanel des ARP 2600 nicht findet. Dieser LFO lässt sich zum Host-Tempo synchronisieren und verfügt zudem über einen Delay.Regler, mit dem man die Modulation mit einer Verzögerung von bis zu drei Sekunden einblenden kann. Beim Original war ein optionaler LFO übrigens erst in dem späteren Keyboard-Modell 3620, das auch die oben erwähnte Duophonie ermöglichte, integriert worden.


Effekthascherei…

Wo einem beim ARP 2600 das rechte Lautsprechergitter entgegenstarrt, hat CHERRY AUDIO beim CA2600 die Onboard-Effekte platziert. Wir finden hier einen Verzerrer, ein Delay und eine Reverb-Einheit. Beim ARP 2600 gab es stattdessen, wie ja schon erwähnt, lediglich eine Federhallspirale, welche seinerzeit bei der orange-schwarzen Modellreihe durch ein kürzeres und damit auch klanglich reduziertes Bauteil ersetzt wurde..

CHERRY AUDIO CA2600 – integrierte Effekte

Im Gegensatz zum DCO-106 und den meisten anderen Synthesizer-Plugins auf Markt, wurden die drei Effekte beim CA2600 nicht einfach an die Klangerzeugung hinten drangehängt, sondern stellen vielmehr ein integraler Bestandteil dieser dar, denn durch die Patchbuchsen lassen sie sich nahezu beliebig in das Klanggeschehen einbauen. Insofern kann diese Effektsektion dann auch nicht in allen Fällen einfach mal eben durch eventuell klanglich überlegene separate Plugins ersetzt werden, denn diese lassen sich ja nun mal nicht mit den virtuellen Patchbuchsen des CA2600 verbinden.

Soundmäßig und von der Parametrisierung her sind Delay und Reverb durchaus mit ihren Pendants aus dem DCO-106 vergleichbar, was inbesondere für das mehr oder weniger identische Delay gilt. Das Delay ist auch hier wieder zum Host-Tempo synchronisierbar. Sollte übrigens jemand das kleine Display des DCO-106 vermissen, in dem bei diesem die Delay-Zeit angezeigt wird, das ist gar kein Problem, denn ein Mausklick auf den entsprechenden Schieberegler zeigt den gewünschten Wert an (siehe nachfolgenden Screenshot).

CHERRY AUDIO CA2600 – Delay

Beim Hall gibt gegenüber dem DCO-106 nur zwei verschiedene Modi, nämlich SPRING und PLATE, die beide auch sehr unterschiedlich klingen. Während der PLATE- Algorithmus schon beim DCO-106 zu finden war und etwas moderner klingt, steht mit SPRING im CA2600 zudem eine Federhall-Simulation zur Verfügung, die durch ihren eigenwilligen Klangcharakter jede Menge Vintage- und Retro-Sci-Fi-Charme versprüht.

Der Klang der Distortion fiel für meinen Geschmack dagegen zunächst etwas ab, erschien mir recht digital und klang für mich eher nach Rasierapparat, zumindest bei extremeren Einstellungen. Dies gilt allerdings in erster Linie dann, wenn man diesen Verzerrer nach Art eines Gitarrenpedals einfach nur hinzuschaltet. In diesem Falle würde ich wohl eher einen guten externen Spezialisten für so etwas bemühen. Deutlich gewinnbringender fallen hingegen die klanglichen Ergebnisse aus, wenn man den Distortion-Effekt stattdessen mitten in den Syntheseprozess einbindet. Dann vermag er, je nach Einstellung, dem Signal dezent mehr Leben einzuhauchen oder es auch großflächig mit dem Sandstrahler anzuschleifen.

Da alle Effekte über entsprechende Steuereingänge sowie über frei belegbare Audio-Eingänge und -Ausgänge verfügen, bietet sich letztgenannte Vorgehensweise sowieso an und stellt bei ausreichender Experimentierfreude einen wahren Quell an interessanten Klängen dar.

Im Vergleich zum DCO-106 dürfte manchem aufmerksamen Anwender auffallen, dass die Effekte im CA2600 allesamt über keinen MIX-Parameter zum Einstellen des Verhältnisses zwischen „trockenem“ und effektiertem Signal verfügen. Eine solche Mischung wird beim CA2600 vielmehr über die Fader für VCF und/oder VCA in der Ausgangssektion realisiert und ermöglicht damit auch einhundertprozentig „feuchte“ Klänge, was an dieser Stelle beim ARP 2600 gar nicht möglich ist.

CHERRY AUDIO CA2600 – selbsterfüllende Prophezeiung in der Rückkopplungsschleife…

Übrigens, wer mal so richtig Bock auf einen zünftigen Tinnitus hat oder das Verhältnis zu seinen Mitbewohnern und Nachbarn mutwillig und nachhaltig beschädigen möchte, der kann ja mal die Ein- und Ausgänge der drei Effektsektionen kreuz und quer miteinander verbinden, am besten mit aktiviertem SPRING-Algorithmus in der Reverb-Sektion, eine sich gehörig aufschaukelnde Feedback-Schleife wird nicht lange auf sich warten lassen!


Tonabnehmer…

Gleich vorneweg: Ich selbst hatte bisher leider niemals das Vergnügen, meine Hand an einen echten ARP 2600 legen zu können, alle meine akustischen Erfahrungen mit diesem Synthie beruhen also lediglich auf mittelbaren Erfahrungen, will sagen, ich habe von dem Gerät bloß bereits nachbearbeitete Klänge in einem musikalischen oder filmischen Kontext gehört. Ich erwähne diesen Umstand deshalb, um direkt klarzustellen, dass ich beim CA2600 im Gegensatz zum DCO-106 mit keiner persönlichen Expertise bezüglich des Vorbilds aufzuwarten vermag.

Dieses erwähnt, vermag ich dem CA2600 unabhängig von irgendwelchen Direktvergleichen oder Authentizitätsverifikationen einen sehr guten Klang zu bescheinigen. Wenn man nicht weiß, dass es sich dabei um ein Plugin mit virtueller Tonerzeugung handelt, dürften nur eingefleischte Analogesoteriker mit metaphysischem Graswuchsgehör überhaupt bemerken, dass hier keine Hardware erklingt, und dies wohl auch nur dann, wenn es sich dabei um isolierte Klänge und nicht um eine fertige Abmischung handelt.

Der CA2600 klingt übrigens nicht etwa wie ein DCO-106, den CHERRY AUDIO einfach in ein anderes Gewand gesteckt hat (bei manchen Mitbewerbern vermag man sich bei deren Produkten eines solchen Eindrucks nicht zu erwehren…), sondern hört sich deutlich anders an, wie auch schon die beiden Hardware-Vorbilder. Wo der DCO-106 eigentlich überwiegend nett und freundlich ertönt, kann der CA2600 durchaus auch mal seine Krallen zeigen.

Für das Klangbeispiel bin ich wieder meiner selbstauferlegten Tradition gefolgt (Ein Synth – ein Musikstück…), dieses Mal allerdings gleich in doppelter Ausführung. Den Anfang macht eine kurze dystopische Klanglandschaft, die ursprünglich das Intro zum zweiten Klangbeispiel werden sollte, am Ende aber gar nicht mehr zu diesem passte, so dass ich sie schließlich einfach als eigenen Minitrack exportiert habe. Die enthaltene Bass-Sequenz löst übrigens bei mir starke Assoziationen an das „Violator“-Album von Depeche Mode aus.

https://www.buenasideas.de/wp-content/uploads/2020/11/Klangbeispiel-CHERRY-AUDIO-CA2600-Soundscape.mp3
Klangbeispiel CHERRY AUDIO CA2600 Soundscape

Beim eigentlichen Stück, das sich stilistisch grob am Genre Synthwave orientiert, kommen 18 Spuren mit jeweils einer Instanz des CA2600 zum Einsatz, inklusive aller Drumsounds.

https://www.buenasideas.de/wp-content/uploads/2020/11/Klangbeispiel-CHERRY-AUDIO-CA2600-Synthwave.mp3
Klangbeispiel CHERRY AUDIO CA2600 Synthwave

Zur oben erwähnten Tradition gehört ebenfalls, dass ich außer den eventuell vorhandenen Onboard-Effekten des jeweiligen Synthesizers keinerlei Effekte bzw. andere Plugins verwende, so auch hier. Ein wenig Lautstärke-Automation ist hingegen schon mit von der Partie.


Wettbewerb…

CHERRY AUDIOs Nachahmung des ARP 2600 ist nicht die erste ihrer Art. Daran haben sich vorher bereits ARTURIA mit dem ARP 2600 V und WAY OUT WARE bzw. SONIVOX mit dem TIMEWARP 2600 versucht, außerdem existiert noch eine auf SynthEdit basierende Freeware namens ARPPE 2600 VA von VOLTKITCHEN.

Der einzige Vorteil der Letzteren besteht meiner Meinung nach darin, dass sie nichts kostet. Klanglich hat sie mit einem ARP 2600 wenig gemein, die Bedienung ist eher fummelig und zudem existiert sie nur als 32-Bit-Version für WINDOWS.

Über den TIMEWARP 2600 vermag ich außer seiner Fähigkeit zur Polyphonie nicht viel zu berichten, da ich persönlich ihn niemals benutzt habe.

Was hingegen den ARP 2600 V angeht, den besitze ich durch die V COLLECTION von ARTURIA ebenfalls, hatte ihn allerdings schon lange nicht mehr auf meinem Studiorechner installiert. Anlässlich dieses Testberichts habe ich das aber nachgeholt, um ihn einmal direkt mit dem CA2600 vergleichen zu können. Dabei ging es mir in erster Linie um die klanglichen Unterschiede, denn ARTURIAs Pendant integriert nämlich zusätzlich auch noch eine Emulation des ARP 1601 Sequencers, welcher beim CA2600 ja nicht vorhanden ist.

Zunächst habe ich bloß den Klang jeweils eines einzelnen Oszillators beider Plugins miteinander verglichen. Lässt man dabei einmal den Unterschied außer Acht, dass der ARP 2600 V bei der Einstellung gleicher Fußlagen eine Oktave tiefer ertönt, klingen beide Plugins doch verblüffend ähnlich, mit nur ganz leichten Differenzen, egal ob bei der Sägezahn- oder der Pulswelle.

Das ändert sich jedoch grundlegend, wenn man bei beiden Kandidaten alle drei Oszillatoren gleichzeitig hochfährt. Dann klingt der CA2600 auf einmal deutlich voller und organischer als der vergleichsweise sterile ARP 2600 V. Noch etwas größer werden die Unterschiede bei Einsatz des Filters und vor allem bei den Modulationen im Audiobereich, auch hier liegt der CA2600 für mein Empfinden vorne und klingt wiederum ein wenig stofflicher als sein Konkurrent. Das reine Handling gefällt mir beim CA2600 auch besser.

ARTURIA versteht es aber zumindest, die gewissen Schwächen im Grundklang des ARP 2600 V in seinen vielen hervorragenden Presets zu kaschieren (die Presets des CA2600 sind jedoch nicht minder gelungen und müssen dabei keine Schwachstellen verbergen!). Außerdem betreffen diese Unterschiede in erster Linie solo abgehörte Extremeinstellungen, bei vielen Klängen dürften sie im Zusammenhang eines kompletten Mixes noch weiter verschwimmen.

Welcher Emulation man hier also den Vorzug gibt, hängt sicherlich auch von den eigenen Vorlieben und Anforderungen ab, denn es gibt ja auch noch andere konzeptuelle Unterschiede, etwa bei den integrierten Effekten. Zudem ermöglicht der CA2600 getreu seinem Vorbild ja leider keine polyphone Spielweise, im Gegensatz zum ARP 2600 V (und zum TIMEWARP 2600).

Preislich dürfte der CA2600 allerdings von seinen kommerziellen Konkurrenten kaum zu schlagen sein, man erhält hier viel quasi-analogen Klang zum absoluten Schnäppchenpreis, während der reguläre Preis des ARP 2600 V mit 149,- heutzutage deutlich überzogen erscheint und auch die 99,- Euro des ebenfalls in die Jahre gekommenen TIMEWARP 2600 da schwerlich mitzuhalten vermögen.


Fazit:

Mit dem CA2600 präsentiert CHERRY AUDIO eine weitere gelungene Emulation eines Synth-Klassikers. Der Grundklang ist toll, die Möglichkeiten zum Basteln sind Dank der Patchbuchsen enorm und der Preis ist heiß.

Die einzig wirkliche Schwäche könnte für manche Interessenten die Tatsache darstellten, dass der CA2600 nur eine mono- oder duophone, aber keine polyphone Spielweise ermöglicht. Nun gut, andererseits kann der originale ARP 2600 damit ebenfalls nicht aufwarten, zudem bleibt einem notfalls immer noch der Umweg über die Aufteilung von Akkordstimmen auf mehrere Einzelspuren – so ähnlich hat ja man auch damals schon mehrstimmige Aufnahmen mit monophonen Synthesizern realisiert…

Aber auch ohne Polyphonie lassen sich mit dem CA2600 eine Vielzahl an interessanten und gut einsetzbaren Klängen in sehr guter Qualität erzeugen, von fetten Bässen über markante Leads und abgedrehte Effekte bis hin zu synthetischen Drum- und Percussion-Sounds ist hier wirklich allerhand möglich. Und wem ein vollständig modulares System á la VOLTAGE MODULAR gegebüber einem festverdrahteten Synthesizer zu unübersichtlich oder zu umständlich erscheint, der hat mit dem CA2600 die Möglichkeit, das Beste beider Welten zu erkunden und dabei die Lernkurve relativ flach zu halten.

Die direkte Konkurrenz mag vielleicht an einigen Stellen (etwa Stichwort Mehrstimmigkeit) ganz leicht die Nase vorn haben, der CA2600 vermag dies jedoch mit seinem recht organischen Klang und vor allem mit seinem unschlagbaren Preis-Leistungs-Verhältnis wettzumachen. Denn der sowohl bei CHERRY AUDIO als auch bei verschiedenen Onlinehändlern angebotete CA2600 kostet derzeit gerade mal 25,- US-Dollar, während der reguläre Verkaufspreis mit 39,- US-Dollar angegeben wird (diese Dollar-Preise entsprechen zurzeit etwa 21,- bzw. 32,- Euro).

Die voll funktionsfähige Demoversion ist 30 Tage lang lauffähig, bei dieser nervt dann bloß ein ab und zu eingeblendetes Rauschen, aber ansonsten kann man damit alles ausgiebig ausprobieren.

Auch beim CA2600 bin ich wieder sehr geneigt, den BuenasIdeas-Tipp zu verleihen, denn trotz des einen oder anderen kleineren Kritikpunktes finde ich das Gesamtpaket dennoch sehr gelungen, insbesondere angesichts des ausgerufenen Preises!

BuenasIdeas-Tipp

Positives:
+ sehr guter, quasi-analoger Grundklang
+ leicht erlernbare Bedienung
+ gut umgesetztes Patchsystem
+ semi-modulare Effekt-Sektion
+ umfangreiche MIDI-Learn-Sektion
+ CPU-freundlich
+ sehr günstiger Verkaufspreis

Negatives:
– keine Offline-Aktivierung bzw. Installation möglich
– kein polyphoner Betriebsmodus (entspricht aber dem Vorbild)


Produktwebseite zum CA2600: https://cherryaudio.com/instruments/ca2600

Die mobile Version verlassen