Ein Testbericht von Perry Staltic,
veröffentlicht am 12.06.2024
Der MINIBRUTE erschien vor rund 12 Jahren zur Überraschung vieler als ARTURIA’s erster Analogsynthesizer auf dem Markt und nun tritt der MINIBRUTE V ebenso überraschend seine virtuelle Nachfolge an. Ob er wohl seinem Vorbild das Wasser reichen kann?
Rohling…
Als ARTURIA im Jahre des Herrn 2012 den MINIBRUTE präsentierte, war dies offensichtlich eine gute Entscheidung, denn dass Analog-Revival war bereits im vollen Gange (und scheint auch immer noch nicht wieder abgeebbt zu sein), für „Synthesizer von gestern“ wurden immer phantastischer erscheinende Gebrauchtmarktpreise ausgerufen, die mittlerweile teilweise eine Marke jenseits von Gut und Böse erreicht haben. Da kam ein neuer Analog-Synthie für rund 500,- Euronen gerade recht, und das noch lange bevor BEHRINGER die Klonkriege eröffnete.
Für den MINIBRUTE hatte ARTURIA sich gleich zwei angesehene Fachleute ins Boot geholt, zum einen den Industriedesigner Axel Hartmann (welchen modernen Synthesizer der vergangenen drei Jahrzehnte hat der eigentlich NICHT gestaltet…?), zum anderen den Synthesizer-Spezialisten Yves Usson, der ARTURIA auch davon überzeugte, das zuerst geplante Kaskadenfilter à la MOOG zugunsten eines Steiner-Parker-Filters fallenzulassen. Monsieur Usson entwarf dann auch besagtes Filter, nicht ohne zuvor dessen ursprünglichen Entwickler Nyle Steiner konsultiert zu haben.
Der MINIBRUT wurde nach anfänglichen Lieferschwierigkeiten trotz Monophonie und fehlender Speichermöglichkeiten ein Erfolg und begründete damit ARTURIA’s BRUTE-Reihe. Neben mehreren Special Editions und einer eingedampften Version namens MICROBRUTE zog er noch den MINIBRUTE 2/2S, den MATRIXBUTE , den POLYBRUT sowie den POLYBRUT 12 nach sich.
Der MINIBRUTE ist kein ausgewiesener Vintage-Imitator, trotz seiner vollanalogen Klangerzeugung ertönt er recht modern und verfügt über eine gewisse Härte, Aggressivität und Durchsetzungsfähigkeit im Klangbild, was ihn in einem Mix gut platzierbar macht und auch als Kompagnon für eher weichgespülte Analogboliden empfiehlt.
Haftungsausschluss…
Es gibt beim MINIBRUTE allerdings ein kleines Problem, das meist erst nach einigen Jahren auftritt und das die Spielfreude etwas zu dämpfen vermag, nämlich die sogenannten „Sticky Knobs“. Betroffen sind davon die mit einer Gummierung überzogenen Potikappen und Schalter, manchmal auch Pitchbend- und Modulationsrad und sogar die Seitenteile. Offenbar durch ein Austreten der verwendeten Weichmacher fühlen sich diese Bedienelemente unangenehm klebrig an, so als fasse man in ein ausgelutschtes Kaugummi. Das ist dann doch etwas zu viel des Guten mit der Griffigkeit…
Nicht nur der MINIBRUTE, sondern auch andere Geräte aus dem selben Hause können diesem Problem zum Opfer fallen, zumindest die älteren. In meinem Fall betrifft dies tatsächlich alle Hardware-Produkte von ARTURIA, die ich besitze (BEATSTEP, BEATSTEP PRO und zweimal MICROBRUTE). Wie es bei den aktuell angebotenen Produkten aussieht, vermag ich nicht zu sagen.
Im Netz finden ich verschiedene Tipps, um diesem Problem zu begegnen, etwa Reiniger auf Orangenölbasis, Backofensprays, Essigessenz, Talkumpuder… Ich persönlich habe gute Erfahrungen mit der Verwendung von Isopropyl-Alkohol alias Isopropanol mit einer Konzentration von 99,9 Prozent gemacht. Den gibt’s in der Apotheke und (meist billiger) im Internet. Damit habe ich kürzlich testweise alle Potikappen von meinem BEATSTEP mit Hilfe von Baumwollwatte aus dem Drogeriemarkt abgeschrubbt, und nun kann man sie wieder anfassen, ohne sich klebrige Finger zu holen. Der Kunststoff wird dadurch nicht angegriffen, sonst wäre das wohl auch keine Empfehlung wert.
Doch nun wieder on-topic…
Wiedererkennungseffekt…
Betrachten wir zunächst wieder einmal die allgemeinen Merkmale, die sich MINIBRUTE V mit seinen virtuellen Geschwistern aus der V COLLECTION X (https://www.buenasideas.de/test/testbericht-arturia-v-collection-x-die-x-akten/) teilt.
Es dürfte niemanden verwundern, dass MINIBRUTE V ausschließlich als 64-Bit-Software verfügbar ist. Mindestvoraussetzung von Seiten des Betriebssystems ist entweder WINDOWS 10 oder aber macOS 10.13 (inklusive Unterstützung von SILICON-Prozessoren). In der Regel konnte man ARTURIA’s Plugins bisher auch noch mit älteren Betriebssystemversionen verwenden, dann musste man allerdings bei Problemen auf einen offiziellen Support verzichten.
Ich habe MINIBRUTE V ausschließlich unter WINDOWS 10 betrieben und getestet, mein guter alter Studiorechner (CPU i7-4790K mit 4 x 4,0 GHz und 16 GB RAM) erfüllt nicht alle Voraussetzungen für einen Betrieb mit WINDOWS 11 und ich werde ihn extra nur dafür auch sicherlich noch nicht austauschen…
An Plugin-Formaten hat ARTURIA VST, VST3, AAX und AU im Angebot, des Weiteren ist eine Standalone-Version erhältlich. Der von NATIVE INSTRUMENTS einst eingeführte Standard NKS wird ebenfalls unterstützt.
Wie immer kann die Installation entweder über eine auf ARTURIA’s Website herunterladbare Setup-Datei oder über das ARTURIA SOFTWARE CENTER (ASC) erfolgen, je nachdem, ob auf dem Host-Rechner eine aktive Internetverbindung bereitsteht. Unabhängig davon ist das ASC auch zwingend zur Aktivierung des Plugins erforderlich und muss daher also in jedem Fall installiert werden.
ARTURIA lässt einem löblicherweise die Wahl, ob besagte Aktivierung online oder offline vonstatten gehen soll, wobei erstere Option natürlich flotter erledigt ist, die zweite dafür auch mit einem vom Netz isolierten Rechner funktioniert. ARTURIA erlaubt die Aktivierung des Plugins auf bis zu fünf verschiedenen Rechnern gleichzeitig.
Solange man das Plugin nicht freischaltet, verbleibt es im Demo-Modus. Vorgenommene Einstellungen lassen sich dann nicht speichern, zudem ist die Laufzeit auf jeweils 20 Minuten pro Session beschränkt, anschließend wird ein Neustart erforderlich, der einem dann weitere 20 Minuten beschert usw.
Am oberen und am unteren Rand der Bedienoberfläche besitzt das Plugin jeweils eine sogenannte Toolbar. Über die obere Toolbar erhält man Zugriff auf die Presets und einige globale Parameter, außerdem kann man hier die Effektsektion und ein zusätzliches, seitlich ausfahrbares Menü mit weiteren Optionen aufrufen. Zu guter Letzt befindet sich hier auch noch ein Regler für die Gesamtlautstärke.
In der unteren Toolbar lässt sich die unter anderem die Polyphonie einstellen, das virtuelle Keyboard ausblenden und auf die vier Macro-Regler zugreifen. Darüber hinaus gibt es hier eine mehrstufige Undo/Redo-Funktion, die über eine eigene Historie verfügt, sowie eine Anzeige der aktuellen CPU-Auslastung
Das rechtsseitige Aufklapp-Menü beherbergt vier Tabs, von denen der erste (SETTINGS) diverse globale und presetbezogene Einstellungen ermöglicht, beispielsweise den MIDI-Kanal, die Stimmenzuordnung und MPE-Parameter.
Im zweiten Tab (MIDI) lassen sich Zuweisungen von MIDI-CCs zu den Parametern des MINIBRUTE V vornehmen und diese bei Bedarf auch hinsichtlich ihrer minimalen und maximalen Werte eingrenzen. Mittels Lernfunktion lässt sich ein MIDI-Controller ganz einfach mit den virtuellen Reglern des Plugins verbinden.
Wie ich an anderer Stelle schon mehrfach angemerkt habe, erlauben die Regler von ARTURIA’s Instrumenten-Plugins merkwürdigerweise keine Steuerung via Mausrad, während dies bei den Effekt-Plugins sehr wohl möglich ist (diese lassen sich dafür aber nicht über MIDI steuern…).
Der Tab MACROS dient der Programmierung der eben schon erwähnten gleichnamigen Regler. Diese lassen sich mit einem oder mehreren Parametern belegen, welche dann gemeinsam gesteuert werden können, eben als Macro. Auch hier ist eine Eingrenzung der werte möglich, ebenso lassen sich diese vier Regler an einen externen Controller anlernen.
Im vierten und letzten Tab (TUTORIALS) finden wir die für ARTURIA typischen In-App-Tutorials. Diese Kurzanleitungen in Schriftform (nur auf Englisch) vereinen eine Einführung in die Funktionen des Plugins sowie praktische Anwendungstipps unter einer Haube. Natürlich ersetzen sie nicht das deutlich umfangreichere PDF-Manual (derzeit ebenfalls nur auf Englisch verfügbar), aber um einen schnellen Überblick über die Möglichkeiten der Klangerzeugung zu gewinnen, taugen sie allemal.
Der Preset-Browser dürfte ebenfalls jedem bekannt vorkommen, der schon das eine oder andere Plugin von ARTURIA besitzt. Zahlreiche Funktionen wie eine Einteilung in verschiedene Kategorien, Filterbegriffe zur Eingrenzung der Suche sowie eine Favoritenliste, die entsprechend markierte persönliche Lieblinge aufnimmt. Jede Menge Presets sind natürlich auch schon wieder an Bord.
Für das Durchforsten der Presets muss man übrigens nicht zwingend den Preset-Browser bemühen. Das Pulldown-Menü bietet eine schnelle Alternative, hier sind die Presets ebenfalls bereits in thematische Kategorien vorsortiert und lassen sich direkt auswählen.
Brutekasten…
Die frei skalierbare Bedienoberfläche des MINIBRUTE V orientiert sich zwar grob am Layout der Hardware, kopiert dieses aber nicht eins zu eins, zumal das Plugin noch einige weitere Parameter mitbringt, die beim Original nicht vorhanden sind. Mir persönlich erscheint die die Gestaltung der Oberfläche beim MINIBRUTE V gegenüber seinem Vorbild sogar noch einen kleinen Ticken übersichtlicher.
Wie schon oben erwähnt, lässt sich die eigentlich wenig nützliche Klaviatur auch aus der Bedienoberfläche ausblenden, so dass das Plugin dann zumindest in seinem Grundzustand weniger Bildschirmplatz einnimmt.
MINIBRUTE V besitzt nur einen einzigen Oszillator, doch ähnlich wie bei den ROLAND-Synthies SH-101 oder JUNO-6/60/106 kann dieser mehrere Schwingungsformen gleichzeitig erzeugen, die sich dann sogar stufenlos miteinander mischen lassen. Zur Verfügung stehen Sägezahn, Rechteck und Dreieck.
Jede dieser Schwingungsformen besitzt darüber hinaus noch jeweils individuelle zusätzliche Optionen. Beim Sägezahn etwa ist das die in Intensität und Geschwindigkeit regelbare sogenannte ULTRASAW, die aus zwei Kopien des Sägezahns besteht, welche mittels eigener LFOs gegeneinander phasenverschoben werden. Das Ergebnis ist ein angedicktes Klangbild, das an die vom ROLAND JP-8000 bekannte „Supersaw“ angelehnt ist.
Beim Rechteck ist die Pulsweite regelbar, und zwar sowohl manuell als auch via Filter-Hüllkurve und/oder LFO, dies jeweils mit einstellbarer Intensität und positiver oder negativer Polarität.
Das Dreieck kann mit einem Wavefolder aufwarten, hier als METALIZER bezeichnet, da er die ursprünglich eher brave Dreieckswelle so zusammenfaltet, das tatsächlich metallisch klingende Obertonspektren entstehen, die bisweilen auch an FM-Synths erinnern. Auch hier ist wieder eine bipolare Steuerung durch Filter-Hüllkurve bzw. LFO möglich.
Des Weiteren ist zur Anreicherung des Bassbereichs ein Suboszillator verfügbar, der wahlweise eine oder zwei Oktaven unterhalb der Tonhöhe des Oszillators erklingen und entweder ein Rechteck oder eine Sinuswelle erzeugen kann.
Zu erwähnen ist auch noch der Rauschgenerator, der weißes Rauschen erzeugt, welches im Mixer stufenlos hinzugemischt werden kann.
Beim Filter handelt es sich um eine Nachahmung des für ARTURIA’s BRUTE-Reihe typischen Steiner-Parker-Filters, das seinerseits wiederum auf einer Modifikation der nach ihren ursprünglichen Entwicklern benannten Sallen-Key-Filterarchitektur beruht.
Das bis zur Selbstoszillation resonanzfähige Filter verfügt über die vier Modi Tiefpass (LP), Bandpass (BP), Hochpass (HP) und Bandsperre (NOTCH). Hochpass und Tiefpass weisen dabei jeweils eine Flankensteilheit von 12dB pro Oktave auf, bei Bandpass und und Bandsperre sind es 6dB.
Ein weiterer Regler ist für den sogenannten BRUTE FACTOR zuständig. Dieser Parameter, dem die gesamte BRUTE-Reihe auch ihren Namen verdankt, ist nichts anderes als eine regelbare Rückkopplungsschleife, bei der das Ausgangssignal zurück in den Filtereingang geleitet wird. Je nach Einstellung brät dies den Klang rustikal bis aggressiv an oder lässt das Audiosignal auch mal unkontrolliert ins Chaos kippen.
Diesen Trick hat man sich offenbar von MINIMOOG-Anwendern abgeschaut, die seinerzeit den Kopfhörerausgang mit dem externen Eingang verkabelt hatten und auf diese Weise ähnliche Effekte erzielten.
Ansonsten sind beim Filter auch noch die Hüllkurvenintensität und das Keyboard-Tracking einstellbar.
Im oben schon kurz erwähnten Mixer lassen sich die Lautstärkeverhältnisse der drei Schwingungsformen sowie von Suboszillator und Rauschgenerator einstellen. Bei Minimalstellung der Regler wird das jeweilige Klangelement komplett ausgeblendet. Den bei der Hardware vorhandenen AUDIO IN-Regler sucht man hier vergeblich, der MINIBRUTE V vermag nämlich keine externen Signale zu verarbeiten.
Der Hüllkurven gibt es zwei, eine für das Filter und eine für den Verstärker, wobei die Erstgenannte auf Wunsch auch die Pulsweite des Rechtecksignals und die Stärke des METALIZER-Parameters mitregelt. Es handelt sich um klassische ADSR-Hüllkurven, mit denen die meisten von uns sicherlich hinreichend vertraut sein dürften.
Außer den Hüllkurven gibt es noch weitere Modulationsmöglichkeiten. Die Anschlagsdynamik kann auf Filterfrequenz und Lautstärke einwirken, via Aftertouch lässt sich neben der Filterfrequenz auch die Intensität des Vibratos steuern. Für Letzteres steht sogar ein eigener LFO mit einstellbarer Geschwindigkeit bereit, der die Schwingungsformen Sinus sowie positiver und negativer Rechteck bietet.
Der Haupt-LFO daneben kann mit Sinus, Dreieck, Sägezahn, Rechteck sowie quantisierten und stufenlosen Zufallswerten aufwarten. Seine Geschwindigkeit lässt sich bei Bedarf auch zum Host-Tempo synchronisieren, dies wahlweise mit zurückgesetzter Phase bei jeder neu gespielten Note. Als Modulationsziele stehen Pulsweite/METALIZER (gemeinsame Regelung), Tonhöhe, Filterfrequenz und Lautstärke zur Verfügung, jeweils mit bipolar arbeitenden Reglern für die Intensität (12-Uhr-Stellung = keine Modulation).
Wer gerade an einem Sound bastelt und keine Hände frei Hat, um dabei gleichzeitig eine Keyboardtaste gedrückt zu halten, der wird den HOLD-Taster begrüßen, der hier die Aufgabe eines Sustain-Pedals übernimmt und lässt angestimmte Noten, Akkorde oder Arpeggios beliebig lange weiterspielen.
Besagte Arpeggios werden, man mag es insgeheim wohl schon immer geahnt haben, mit dem Arpeggiator erzeugt. Sie können aufwärts, abwärts, alternierend oder in zufälliger Notenreihenfolge erklingen und sich dabei über ein bis vier Oktaven erstrecken. Auch hier lässt sich die Geschwindigkeit zum Host-Tempo synchronisieren, dabei sind dann auch punktierte Noten und Triolen auswählbar. Ein regelbarer Swing-Faktor existiert ebenfalls.
Die Arpeggios werden übrigens zusammen mit den Presets gespeichert, in dieser Hinsicht ist der MINIBRUTE V seinem nicht speicherbaren Vorbild voraus.
Extrablatt…
Außer der Speicherbarkeit und der Steuerung aller Parameter von außen hat das Plugin noch einige weitere Vorteile gegenüber seinem Hardware-Pendant. Die wichtigste davon dürfte die Polyphonie sein, denn der MINIBRUTE V ist wahlweise auch vier- oder achtstimmig spielbar.
Diese zusätzlichen Stimmen lassen sich aber auch für den Unisono-Modus verwenden, bei dem sich zwei bis acht Stimmen übereinanderschichten und dann einstimmig spielen lassen. Für einen noch fetteren Klang lassen sich diese Stimmen dann auch noch stufenlos gegeneinander verstimmen.
Auch der VINTAGE-Knob existiert beim Original nicht. Dieser stellt einen Macro-Regler dar, mit dem sich die Intensität der sogenannten Dispersion-Parameter gemeinsam einstellen lässt.
Damit sind die sechs kleinen Stellschrauben gemeint, die sich hinter dem ARTURIA-Label auf der linken oberen Seite verstecken. Sie sollen bei polyphoner Spielweise mehr oder minder starke Abweichungen zwischen den einzelnen Stimmen bewirken und somit für ein lebendigeres Klangbild sorgen.
Folgende Klangkomponenten lassen sich auf diese Weise beeinflussen: Oszillator-Tonhöhe (PITCH), Pulsweite sowie Intensität von ULTRASAW und METALIZER (WAVE), mehrere Verstärkerstufen zwischen Oszillator, Filter und VCA (GAIN), Grenzfrequenz des Filters (CUTOFF), Resonanz und BRUTE FACTOR (FEEDBACK) und die Einstellungen der beiden Hüllkurven (ENV).
Feuchtgebiet…
Viele Plugins von ARTURIA besitzen ein sogenanntes ADVANCED PANEL, auf dem sich weitere Optionen wie zusätzliche Modulatoren, Effekte und mehr offenbaren. Beim MINIBRUTE V hat man sich lediglich auf eine Effektsektion beschränkt (die übrigens identisch zu der des ACID V ist). Diese wird ganz unten eingeblendet, dort wo auch das virtuelle Keyboard seinen Platz findet.
Es stehen vier Slots bereit, die jeder einen von insgesamt siebzehn Effekt-Algorithmen aufnehmen können. Angeboten werden Reverb, drei verschiedene Arten von Delay, Compressor und Multiband-Compressor, Multimode-Filter, parametrischer Equalizer, Distortion, Bitcrusher und diverse Modulationseffekte wie Chorus, Flanger, Phaser usw.
Die Delays und die Modulationseffekte lassen sich bei Bedarf auch synchron zum Host-Tempo betreiben. Das Routing ist unveränderbar seriell, das Audiosignal durchläuft die dabei die vier Slots von links nach rechts. Die Einstellungen eines Slots lassen sich auch auf die jeweils anderen drei übertragen. Jeder Effekt verfügt zudem über seine eigenen Presets.
Qualitativ bewegen sich die Effekte im gleichen Rahmen wie die in den anderen Plugins von ARTURIA, was kein Wunder ist, handelt es sich ja schließlich um dieselben Algorithmen, die auch in der FX COLLECTION zum Einsatz kommen.
Die Presets des MINIBRUTE V machen in der Regel ausgiebigen Gebrauch von den Effekten, manchmal ist es da fast schon zu viel des Guten. Man kann die Effektsektion aber bei Bedarf auch komplett deaktivieren und hört dann nur noch das trockene Signal des Synthesizers. Dies gilt aber nur für das aktuelle Preset, bei einem Wechsel sind die Effekte stets wieder aktiviert, sofern dies vom Sounddesigner so vorgesehen war. Hier würde ich mir bisweilen noch die zusätzliche Möglichkeit einer globalen Deaktivierung wünschen.
Brute-Force-Angriff…
In meinen Testberichten zu Emulationen von Synthesizern und anderer Hardware muss ich ja beinahe regelmäßig darauf hinweisen, dass ich das Original leider niemals persönlich kennengelernt habe. Gelegentliche Ausnahmen kommen aber doch immer wieder mal vor.
Beim MINIBRUTE nun ist es so, dass ich den zwar tatsächlich noch nie unter den Händen hatte, dafür aber sein kleines Geschwisterlein namens MICROBRUTE (https://www.buenasideas.de/test/musikproduktion/hardware/arturia-microbrute-se-testbericht-angriff-der-klonkrieger/) mein Eigen nennen darf. Letzterer wurde zwar an einigen Stellen abgespeckt (er hat beispielsweise keinen Rauschgenerator, kein Notch-Filter und bloß eine Hüllkurve), der eigentliche Grundsound ist aber gleich geblieben, so dass er in dieser Hinsicht durchaus zum Klangvergleich mit dem MINIBRUTE V taugt.
Das Plugin trifft den Charakter der Hardware in meinen Ohren schon ganz gut, dennoch vermag ich auch die einen oder anderen Unterschiede wahrzunehmen. Überraschenderweise fielen nicht immer nur zugunsten des MICROBRUTE aus, auch wenn dieser nicht selten doch noch etwas organischer Klang, etwa bei den METALIZER-Sounds.
Ich habe mal versucht ein paar Sound vom MICROBRUTE am MINIBRUTE V nachzubauen. Dies gestaltete sich fummeliger als zunächst gedacht, denn die Skalierung der Regler beider Synths weicht zum Teil völlig voneinander ab (ob diese Unterschiede auch zwischen echtem MINIBRUTE und MICROBRUTE bestehen, weiß ich nicht). Die Hüllkurven des MINIBRUTE V erschienen mir etwas knackiger und bei seiner Filter-Resonanz entsprach eine 12-Uhr-Stellung eher der 3-Uhr-Stellung beim MICROBRUTE usw.
Nachfolgend vier Beispiele, bei denen beiden Synths jeweils unmittelbar hintereinander erklingen. Ich verrate an dieser Stelle aber mal nicht, welcher der Synths wann zuerst zu hören ist, damit Ihr unvoreingenommen bleibt (die Auflösung erfahrt Ihr ganz unten):
Ich gestehe aber, dass man bei genauem Hinhören auch ein leises Rauschen bei der analogen Aufnahme (via BEHRINGER UMC1820) vernehmen kann, welches das Plugin natürlich nicht aufweist.
Wie ich weiter oben schon angemerkt habe, haben die Designer der mitgelieferten Presets mal wieder großzügig in die Effektkiste gegriffen und so ersäuft mancher Sound auch regelrecht in den Effekten. Oftmals ist es dann eher die Effektsektion, die das Klangbild bestimmt, als der Synthesizer selbst. Hier zur Demonstration das Preset ABYSSAL HORN, einmal im Originalzustand und einmal ohne jegliche Effekte:
Wenn man nun stattdessen die Hardware (oder auch einen ganz anderen Synth) durch die selbe Effektkette geschickt hätte, wäre das Ergebnis wohl sehr ähnlich bis gleich ausgefallen. Dies nicht etwa als Kritik, sondern nur zu Verdeutlichung, wie stark der Einfluss einer Nachbearbeitung für den Gesamtklang ist.
Zu guter Letzt gibt es auch noch einen kompletten Track, bei dem ausschließlich der MINIBRUTE V zu hören ist, mit einer Mixtur aus fertigen Presets und selbst erstellten Klängen:
Insgesamt waren hierbei 14 Instanzen des Plugins beteiligt, laut der Leistungsanzeige von STUDIO ONE wurde mein Rechner dabei so etwa bis zur Hälfte ausgelastet, mal mehr mal weniger.
Fazit:
ARTURIA’s Emulation ihres analogen Erstlings kann sich hören lassen. Der Klang ist in den meisten Fällen gut getroffen, wenngleich das geübte Ohr hier und da durchaus Unterschiede zu erkennen vermag. Spätestens nach einer Bearbeitung durch die Effekte dürften diese sich aber weitgehend nivellieren.
Gegenüber seinem Vorbild kann der MINIBRUTE V vor allem mit Polyphonie und einem Unisono-Modus punkten, hinzu kommt eine recht potente Effektsektion. Und bezüglich des Sticky-Knobs-Problems muss man sich beim Plugin natürlich auch keinen Kopf machen.
Als alter MICROBRUTE-Aficionado würde ich mich übrigens auch noch über einen Modus freuen, bei dem nur dessen Parametersatz verfügbar ist (okay, und natürlich auch die nur dort vorhandene Patchbay!), ab das wird vermutlich Wunschdenken meinerseits bleiben.
ARTURIA ruft für den MINIBRUTE V einen regulären Verkaufspreis von 199,- Euro aus. Das halte ich allerdings für etwas zu hoch angesetzt, denn dafür bekommt man inzwischen auch schon ein gebrauchtes Exemplar der Hardware. Wer das Einführungsangebot zum halben Preis verpasst hat, der mag daher eventuell bis zu einem künftigen Sale oder bis zur nächsten V COLLECTION warten.
Positives:
+ guter, authentischer Grundklang
+ gute Effekte
+ einfache Bedienung
+ praktische In-App-Tutorials
+ Offline-Aktivierung möglich
Negatives:
– regulärer Verkaufspreis zu hoch
Produktwebseite: https://www.arturia.com/products/software-instruments/minibrute-v/overview
Auflösung der Klangvergleiche:
A: 1. MINIBRUTE V, 2. MICROBRUTE
B: 1. MICROBRUTE, 2. MINIBRUTE V
C: 1. MINIBRUTE V, 2. MICROBRUTE
D: 1. MINIBRUTE V, 2. MICROBRUTE