Testbericht: CHERRY AUDIO ATOMIKA – Schneller Brüter

Ein Testbericht von Perry Staltic,
veröffentlicht am 19.10.2024

Auch hinter dem sprichwörtlichen Eisernen Vorhang wurden dereinst Synthesizer hergestellt, und der bekannteste von ihnen dürfte sicherlich der POLIVOKS darstellen, dessen ungehobelter bis aggressiver Analogklang auch in heutigen Zeiten noch viele Fans hat. Grund genug für CHERRY AUDIO, einmal mehr den DSP-Entwickler Mark Barton mit ins Boot zu holen und mit seiner Hilfe den POLIVOKS in virtueller Form als ATOMIKA auferstehen zu lassen.


If the Russians love their synthesizers too…

Der POLIVOKS wurde von 1982 bis 1990 im FORMANTA-Werk in der UDSSR produziert und gilt gemeinhin als die sowjetische Antwort auf den MINIMOOG. Dabei handelt es sich allerdings keineswegs um eine Kopie, sondern um einen völlig eigenständigen Synthesizer. Der Entwickler des POLIVOKS war Vladimir Kuzmin, und seine Ehefrau Olimpiada hat offenbar maßgeblich zum Design beigetragen, dass sich am Aussehen damaligen sowjetischen Militärequipments orientierte. Auch heute ist Vladimir Kuzmin noch aktiv, so hat etwa BEHRINGER vor einiger Zeit bekanntgegeben, zusammen mit ihm an einer modernen Nachbildung des POLIVOKS zu arbeiten.

FORMANTA POLIVOKS
FORMANTA POLIVOKS

Die Klangarchitektur des POLIVOKS ist nicht allzu kompliziert, wenngleich die durchweg kyrillische Beschriftung des Geräts den Einstieg etwas erschwert, sofern man des Russischen nicht mächtig ist. Der logische Aufbau mit klar abgegliederten Sektionen wiederum erleichtert die Orientierung auf der Bedienoberfläche.

Es gibt zwei Oszillatoren mit fünf Fußlagen und ebenso vielen Schwingungsformen. Zudem kann der zweite Oszillator den ersten frequenzmodulieren. Hinzu kommt ein Rauschgenerator. Alle Klangquellen lassen sich zusammen mit einem externen Audiosignal im Mixer mischen, bevor sie das Filter durchlaufen. Dieses basiert aufgrund der damals mangelnden Verfügbarkeit westlicher OTAs auf eigentlich gar nicht dafür gemachten russischen Operationsverstärkern, arbeitet mit 12 dB pro Oktave und verfügt über die beiden Modi Tiefpass und Bandpass. Die Resonanz reicht dabei bis zur Selbstoszillation.

Gerade diese Filterschaltung mit ihrem speziellen rauen Charme ist es, die den POLIVOKS von vielen anderen Analogsynthesizern unterscheidet und ihn auch heutzutage noch attraktiv erscheinen lässt. Nicht umsonst gibt es diverse Nachbauten verschiedener Anbieter, zum Beispiel von ERICA SYNTHS aus Lettland, deren ebenfalls mit diesem Filter ausgestattete ACIDBOX II wir bereits vor über acht Jahren zum Test hier hatten und die mir auch heute noch gute Dienste leistet.

Ansonsten bringt der POLIVOKS noch einen LFO mit vier Schwingungsformen sowie zwei ADSR-Hüllkurven mit. Letztere verfügen als die als Besonderheit über eine Loop-Funktion, mittels der Attack- und Decay-Phasen in einer Dauerschleife laufen können.

Der POLIVOKS lässt sich übrigens nicht nur monophon, sondern auch duophon spielen.

CHERRY AUDIO’s ATOMIKA ist nicht das erste Plugin, das sich am POLIVOKS orientiert. Die mittlerweile uralten SAWYER von IMAGE LINE und POLIVOKS STATION von SYNCERSOFT berufen sich ebenfalls darauf, genauso wie ein REAKTOR-Ensemble namens MONOVOKS, doch handelt es sich dabei eher um ansatzweise Strukturkopien und weniger um tatsächliche Emulationen, die mit einem authentischen Klang punkten können.

Erst kurz vor Redaktionsschluss wurde ich noch auf eine weitere, mir bis dato unbekannte POLIVOKS-Emulation namens IVOKS von RED SOUND ROCKS aufmerksam gemacht, dazu verliere ich weiter unten noch ein paar Worte.


Reaktorhülle

So, wie die die Grundfunktionen bei allen Plugins von CHERRY AUDIO nahezu identisch sind, ähneln sich auch in jedem Testbericht dazu meine diesbezüglichen Ausführungen.

ATOMIKA benötigt eine 64-Bit-Umgebung, entweder WINDOWS 7 bis 11 oder macOS ab Version 10.13. Bei Letzterem werden neben INTEL-CPUs auch APPLE’s SILICON-CPUs nativ unterstützt.

Zur Standalone-Version gesellen sich die Plugin-Formate VST2, VST3, AAX sowie AU. Bei mir wurden wieder einmal nur die VST-Versionen für WINDOWS einem Test unterzogen.

CHERRY AUDIO ATOMIKA - Internetverbindung während der Installation
CHERRY AUDIO ATOMIKA – Internetverbindung während der Installation

Schon für die reine Installation, bei der diverse Daten nachgeladen werden, benötigt man auf dem Host-Rechner eine aktive Internetverbindung, für die anschließende Freischaltung der Lizenz sowieso (danach allerdings nicht mehr). Auf eine optionale Offline-Aktivierung verzichtet CHERRY AUDIO rigoros. Traditionell bewerte ich dies mit einem Minuspunkt.

CHERRY AUDIO ATOMIKA
CHERRY AUDIO ATOMIKA

Die skalierbare Bedienoberfläche lässt keinen Zweifel daran, dass wir es hier mit einer POLIVOKS-Emulation zu tun haben, sie ist aufgrund einiger hinzugekommener Parameter zwar nicht völlig identisch zum Original, aber eben doch sehr nah dran.

Meinetwegen hätte man gerne auf die perspektivische Verzerrung der Bedienelemente verzichten können, immerhin sind diese hier auch so noch einigermaßen gut ablesbar, zumal die exakten numerischen Werte noch zusätzlich in kleinen Popup-Anzeigen sichtbar sind, wen man mit dem Mauszeiger über einem Regler verharrt.

CHERRY AUDIO ATOMIKA - Kyrillisch
CHERRY AUDIO ATOMIKA – Kyrillisch

Die Beschriftung der Parameter ist im Gegensatz zum Original auf Englisch gehalten, was wohl die meisten Anwender außerhalb Russlands begrüßen dürften. Wer es dennoch lieber (n)ostalgisch mag oder masochistisch drauf ist, der kann auch auf eine kyrillische Beschriftung wechseln.

Das an sich unnötige virtuelle Keyboard lässt sich auch ausblenden, was sicher nicht nur mir sehr gelegen kommen dürfte, denn es nimmt fast die Hälfte der Bedienoberfläche ein, ohne dabei einen wirklichen Nutzen aufzuweisen.

CHERRY AUDIO ATOMIKA - Focus
CHERRY AUDIO ATOMIKA – Focus

Eine Eigenheit der Plugins von CHERRY AUDIO ist die FOCUS-Funktion, die einen wählbaren Ausschnitt der Bedienoberfläche auf die volle Fenstergröße maximiert. Dazu verwendet man entweder die entsprechende Schaltfläche in der oberen Toolbar oder klickt bei gleichzeitig gedrückter STRG-Taste (WINDOWS) bzw. CMD-Taste (macOS) auf eine freie Stelle der Bedienoberfläche. Auf dieselbe Weise kehrt man auch wieder zur normalen Ansicht zurück.

CHERRY AUDIO ATOMIKA - MIDI Learn
CHERRY AUDIO ATOMIKA – MIDI Learn

ATOMIKA lässt sich auch mit einem MIDI-Controller steuern. Dazu gibt es eine Lernfunktion zur Zuweisung von Bedienelementen, die auch umfassende Optionen zur nachträglichen Anpassung bietet. So können die Regelwege beidseitig eingeschränkt werden oder invertiert werden, die Regelkurven können auch exponentielle oder logarithmische Verläufe annehmen, zudem kann jede Zuordnung wahlweise global oder nur für das jeweilige Preset geltend abgespeichert werden.

Parameterwerte können nach Doppelklick auf einen Regler auch exakt mit dem Nummernblock eingegeben werden, das Mausrad kann ebenfalls zur Steuerung von Reglern herhalten, und eine Parameter-Automation innerhalb der DAW ist mit ATOMIKA sowieso möglich.

Praktisch sind auch die UNDO- und REDO-Funktionen, mit denen sich zwei verschiedene Parameterwerte unkompliziert miteinander vergleichen oder Fehleinstellungen annullieren lassen.

CHERRY AUDIO ATOMIKA - QWERTY Keyboard
CHERRY AUDIO ATOMIKA – QWERTY Keyboard

ATOMIKA lässt sich notfalls auch ohne MIDI-Keyboard über die alphanumerische Rechnertastatur spielen. Dazu dient das QWERTY KEYBOARD, das neben einer virtuellen Klaviatur auch diverse Spielhilfen bereitstellt.

CHERRY AUDIO ATOMIKA - Settings
CHERRY AUDIO ATOMIKA – Settings

Das Settings-Menü bietet drei Tabs für allerlei Grundeinstellungen. Hier lässt sich die Bedienung anpassen, die Bedienoberfläche auf kyrillisch umschalten, der Speicherort der Presets anpassen, ebenso kann man hier seine für die Aktivierung notwendigen Accountdaten eintragen und festlegen, ob eventuelle Updates automatisch, nur auf Nachfrage oder niemals heruntergeladen und eingespielt werden sollen.

CHERRY AUDIO ATOMIKA - Preset-Browser
CHERRY AUDIO ATOMIKA – Preset-Browser

Für die Verwaltung der Presets steht ein eigener, komfortabel ausgestatteter Browser bereit (übrigens mit einer der besten, die ich bei Plugins kenne). Presets können hier in verschiedene Kategorien eingeteilt und mittels Cursortasten auch ohne Mauseinsatz angewählt werden, eine Such- und eine Favoritenfunktion gibt es ebenfalls, und bei Bedarf lässt sich das Fenster mit dem Pin-Symbol vor einem vorschnellen Schließen bewahren.

CHERRY AUDIO ATOMIKA - Oversampling Quality
CHERRY AUDIO ATOMIKA – Oversampling Quality

In der oberen Toolbar befindet sich noch ein unscheinbares Q-Symbol. Mit diesem öffnet man ein kleines Pulldown-Menü, das vier Qualitätsstufen für das interne Oversampling zur Auswahl bietet. Die Standardeinstellung beim Laden einer Plugin-Instanz beträgt 1x, was normaler Qualität entspricht, die höchstmögliche Option ist 4x und nötigt der CPU auch dementsprechend mehr Ressourcen ab.

Das weiter unten eingefügte, in CUBASE 12 entstandene Klangbeispiel etwa verwendet ganze 23 Instanzen von ATOMIKA, die ich alle mit einer Oversampling-Qualität von 4x betrieben habe. Mein nicht mehr gerade taufrischer Studiorechner (CPU i7-4790K mit 4 x 4,0 GHz, 16 GB RAM, WINDOWS 10) bewältigte das zwar ohne Angstschweiß und ohne Audioaussetzer, wurde dabei aber durchaus gefordert. Bei niedrigeren Oversampling-Faktoren (insbesondere natürlich bei 1x) verhält sich ATOMIKA eher unauffällig.

Das englischsprachige Manual zu ATOMIKA ist online verfügbar, lässt sich aber auch als PDF-Datei herunterladen. Einmal mehr hat der Verfasser Mitchell Sigman die nüchternen Fakten mit einer gehörigen Prise seines ihm eigenen Humors gewürzt, etwa hier:

Number of Voices- Sets the maximum number of notes that can be played polyphonically, from 2-16 voices per layer. These are last-note priority – when the max number of notes is reached, the oldest note will be stolen. With any modern computer, you should be able to leave this at 16, but we’ve provided lower settings to save processor cycles in case you’re still holding on to that Pentium II machine (and hop on them forums to let everyone what jerks those guys at Cherry Audio are for not supporting your 15-year-old box of e-waste).“

An dieser Stelle auch noch ein paar Worte zu CHERRY AUDIO’s Support: Ich hatte während der Arbeit an meinem Klangbeispiel einen Bug entdeckt. Wenn ich ein DAW-Projekt mit einer höheren Oversampling-Qualität als 1x abgespeichert hatte, war nach dem erneuten Laden die Decay-Zeit der Amp-Hüllkurve stets deutlich hörbar verlängert (bei unveränderter Reglerstellung). Dieses unerwünschte Verhalten konnte ich in verschiedenen DAWs reproduzieren.

Ich habe Cherry Audio also eine entsprechende Mail geschrieben, das war an einem Sonntag. Bereits am Montag erhielt ich eine Rückmeldung, in der dieser Bug bestätigt (außer mir hatte den offenbar niemand entdeckt und gemeldet) und ein Update zur Fehlerbehebung bereitgestellt wurde. Das nenne ich mal flott!


Spaltbares Material…

Hinsichtlich der Oszillatoren folgt ATOMIKA exakt seinem Vorbild. Es gibt derer zwei und jeder von ihnen verfügt über einen Oktavschalter, der Fußlagen von 32‘ bis 2‘ bietet. An Schwingungsformen stehen Dreieck, Sägezahn und Rechteck sowie zwei unterschiedlich breite Pulswellen bereit. Letztere dienen als Ersatz für die fehlende Pulsweitenregelung.

Beide Oszillatoren können via LFO mit einstellbarer Intensität in der Tonhöhe moduliert werden. Der zweite Oszillator kann zusätzlich bis zu eine Quinte nach oben oder nach unten feingestimmt werden und für metallische Klangspektren außerdem die Frequenz des ersten Oszillators modulieren, ebenfalls mit einstellbarer Intensität.

Auch der Mixer entspricht dem des POLIVOKS, mit Ausnahme des weggefallenen Reglers für den externen Audioeingang, über den ATOMIKA nicht verfügt.

Der oben erwähnte LFO, hier MODULATOR genannt, befindet sich links oben und wurde von CHERRY AUDIO ein wenig aufgebohrt. Wo das Original nur die vier Schwingungsmuster Dreieck, Rechteck, Rauschen sowie Sample & Hold bietet, kann ATOMIKA zusätzlich mit aufsteigendem und abfallenden Sägezahn aufwarten.

Die Geschwindigkeit kann nicht nur manuell geregelt, sondern auch zum Host-Tempo synchronisiert werden. Zudem lässt sich die LFO-Intensität an das Modulationsrad koppeln (MOD WHEEL) und die Schwingungsphase mit jedem Tastenanschlag zurücksetzen (KEY RESET).

CHERRY AUDIO ATOMIKA - ohne Keyboard
CHERRY AUDIO ATOMIKA – ohne Keyboard

Das Filter ist sicherlich der wichtigste Bestandteil, trägt es doch maßgeblich zum eigenwilligen Klang dieses Synthesizers bei. Entwickler Mark Barton hat die originale, aus zweckentfremdeten Operationsverstärkern bestehende Schaltung offenbar sehr genau analysiert und seine Filteremulation darauf basierend um weitere regelbare Parameter ergänzt.

Beim Vorbild hat man nur die Wahl zwischen Tiefpass und Bandpass, bei ATOMIKA kann das Filter darüber hinaus auch noch in den Modi Hochpass, Notch und Peak arbeiten.

Filterfrequenz (CUTOFF) und Resonanz lasen sich wie gewohnt einstellen. Dreht man die Resonanz voll auf, fängt das Filter bei Cutoff-Werten über 3 zunehmend an zu kreischen. Bei niedrigeren Cutoff-Werten hingegen beginnt es aggressiv zu knurren.

Die zusätzlichen Parameter STARVE und FILTER DRIVE gibt es beim Original nicht. STARVE bedeutet eigentlich hungern oder verhungern, was dieser Parameter technisch genau macht, verschweigt das Manual leider, sondern weist nur darauf hin, dass das Filter je nach Einstellung einen „sprudelnden“ Klang annimmt, was die Sache eigentlich auch ziemlich gut trifft. Am besten funktioniert STARVE zusammen mit hohen Resonanzwerten, es lohnt sich, ein wenig damit zu experimentieren, um zusätzlichen Edeldreck zu erzeugen.

Dasselbe gilt auch für FILTER DRIVE, auch hierbei handelt es sich offenbar nicht um eine herkömmliche Übersteuerung, sondern um eine Eigenheit der POLIVOKS-Schaltung. Laut Manual wirkt auch dieser Parameter am besten bei hohen Resonanzwerten, wobei FILTER DRIVE entweder auf sehr niedrigen oder sehr hohen Werten stehen sollte, gerade in der Minimalstellung kommen dann sehr gemeine Obertöne hinzu.

Ansonsten lässt sich noch das Keyboard-Tracking regeln, ebenso wie die Intensität der Filtermodulation durch LFO, Hüllkurve (hier bipolar) und Anschlagsdynamik.

Die Hüllkurven für Filter und Verstärker sind identisch aufgebaut, weisen eine klassische ADSR-Parametrik, können aber beide zusätzlich noch mittels Schalter in einen Loop-Modus versetzt werden, bei dem die Attack- und die Decay-Phasen permanent wiederholt werden (ein entsprechend niedriger Sustain-Wert ist dabei Voraussetzung). Eine Synchronisation zum Host-Tempo ist hierbei übrigens nicht vorgesehen.

Der Verstärker besitzt einen eigenen DRIVE-Parameter und die Lautstärke kann ebenfalls mittels LFO und Anschlagsdynamik moduliert werden, mit jeweils einstellbarer Intensität. Den beim Original an dieser Stelle noch vorhandenen Gate-Schalter, der auch ohne einen Tastenanschlag die Hüllkurve auslöst, hat man sich beim ATOMIKA gespart.


Kritische Masse…

Der POLIVOKS ist wahlweise monophon oder duophon spielbar, ATOMIKA ist das ebenfalls, darüber hinaus aber auch noch mir vier- acht- oder sechzehnfacher Polyphonie. Bei mehr als einer Stimme können diese bei Bedarf auch unisono wiedergegeben und dazu gegebenenfalls auch gegeneinander verstimmt werden.

Steht der Regler für die Stimmenanzahl auf MONO und man aktiviert UNISON, dann schaltet ATOMIKA automatisch auf DUO um, was auch sinnvoll erscheint. Umgekehrt ist mir aber eine kleine Inkonsistenz aufgefallen: Ist UNISON aktiviert und man dreht den Regler für die Stimmenanzahl manuell auf MONO, dann bleibt UNISON nebst leuchtender LED eingeschaltet, obwohl es gar nicht mehr aktiv ist.

CHERRY AUDIO ATOMIKA - Stimmenzuweisung
CHERRY AUDIO ATOMIKA – Stimmenzuweisung

In dieser Sektion findet man auch einen Regler für die GLIDE-Funktion (Portamento), diese kann wahlweise nur auf den ersten Oszillator oder auf beide zusammen einwirken. Im ersteren Fall, springt dann der zweite Oszillator direkt auf die neue Tonhöhe, während der erste ihm mit der eingestellten Zeit folgt.

Was ich übrigens nicht entdecken konnte, war eine Einstellmöglichkeit für den Pitch-Bender, dieser ist stets auf zwei Halbtöne auf- oder abwärts fixiert.


Kettenreaktion…

ATOMIKA besitzt noch eine zweite Bildschirmseite, die über den roten ARP/FX-Schalter oben rechts aufgerufen wird. Hier finden sich allerlei Erweiterungen, von denen ein originaler POLIVOKS bloß träumen kann.

Linksseitig hat CHERRY AUDIO einen Arpeggiator integriert. Er bietet die Abspielmuster aufwärts (UP), abwärts (DOWN), alternierend (UP/DOWN) und zufällig (RND) und einen einstellbaren Oktavbereich von einer bis vier Oktaven. Seine Geschwindigkeit kann frei eingestellt oder zum Host-Tempo synchronisiert werden

CHERRY AUDIO ATOMIKA - Stimmenzuweisung
CHERRY AUDIO ATOMIKA – Stimmenzuweisung

Auch eine für CHERRY AUDIO typische Effektsektion darf nicht fehlen, hier aber mit einer interessanten Besonderheit, zu der wir gleich noch kommen. Geboten werden die vier unabhängig voneinander aktivierbaren Effekte PHASOR, FLANGE/CHORUS (nur alternativ), ECHO und REVERB. Diese verfügen über die üblichen Parameter und weisen auch dieselbe Klangqualität der Effekte in anderen Synths von CHERRY AUDIO auf, will sagen, sie bilden zwar nicht die Speerspitze in der virtuellen Welt, sind aber dennoch sehr brauchbar und daher willkommen.

Eine Bitte hätte ich hier allerdings noch, und die gilt eigentlich nicht nur für ATOMIKA, sondern für alle Synth-Plugins: ein Schalter zum globaler Deaktivieren der kompletten Effektsektion. Fast alle der mitgelieferten Presets machen in irgendeiner Weise Gebrauch von den internen Effekten, wenn man diese aber nicht möchte, etwa, weil man schon externe Effekte verwendet, muss man sie immer alle erst einzeln deaktivieren. Beim nächsten Preset sind sie dann wieder aktiviert und das Spiel geht von vorne los…

Ich weiß, dass die Sounddesigner ihre Presets oftmals gerne in Effekten baden, weil sie dann solo abgehört meist spektakulärer klingen, doch ATOMIKA braucht sich ob seines auch so schon guten Grundklangs eigentlich gar nicht dahinter zu verstecken.

CHERRY AUDIO ATOMIKA - ARP und FX in Kyrillisch
CHERRY AUDIO ATOMIKA – ARP und FX in Kyrillisch

Nun noch zu der eben erwähnten Besonderheit: Die Effektsektion verfügt über ihren eigenen LFO, der exakt so ausgestattet ist, wie der auf der Hauptseite. Bei jedem Effekt findet sich ein bipolarer Extraregler namens FX MODULATOR, mit dem man die Intensität einstellen kann. Bei PHASOR und FLANGE/CHORUS moduliert er die Effektiefe, beim ECHO die Verzögerungszeit und beim REVERB die Abklingzeit.


Kernschmelze…

Zum Vergleich steht mir weder ein originaler POLIVOKS noch einer seiner modernen Nachbauten zur Verfügung, allerdings habe ich hier, wie oben bereits erwähnt, eine ACIDBOX II von ERICA SYNTHS am Start, deren Filterschaltung der des POLIVOKS entspricht. Diese klingt in meinen Ohren gegen ATOMIKA schon noch einen Ticken organischer, aber das hatte ich eigentlich auch nicht anders erwartet.

Des Weiteren hatte ich vor vielen, vielen Monden mal für ein paar Groschen ein kleines Sample-Pack von HOLLOW SUN für NI KONTAKT erworben, dass einen guten Querschnitt an POLIVOKS-Klängen bietet. Wenn ich ATOMIKA mit diesen vergleiche, dann muss ich sagen, dass Mark Barton hier schon ziemlich gute Arbeit abgeliefert hat. Den typischen Grundsound des POLIVOKS erreicht ATOMIKA jedenfalls. Auch hier war das eine oder andere der Samples vielleicht noch eine Spur authentischer, aber oftmals wirkte ATOMIKA noch lebendiger, weil ein Sample eben nur einen statischen Verlauf bieten kann, was insbesondere bei den Oszillatorphasen auffällt, die bei ATOMIKA frei laufen, während sie beim Samples stets identisch wiedergegeben werden.

ATOMIKA kann Dank seines Filters bei Bedarf sehr rüde klingen, doch er hat durchaus auch sanftere Töne im Programm und beherrscht sowieso allerlei analoge Standards.

Endlich hatte ich auch mal wieder Zeit und Muße für einen kleinen One-Synth-Track, hier mit insgesamt 23 Plugin-Instanzen, alle mit vierfacher Oversampling-Qualität:

Klangbeispiel CHERRY AUDIO ATOMIKA

Hierbei kamen sowohl Werksklänge zum Einsatz als auch Presets aus CHAIN REACTIONS, einem gesondert zu ewerbenden PRESET PACK von James Dyson (der übrigens meines Wissens weder den beutellosen Staubsauger noch die gleichnamige Sphäre erfunden hat…).

Weitere Plugins oder die EQs der DAW wurden für das Klangbeispiel nicht verwendet.

Wie oben schon erwähnt, erfuhr ich erst kurz vor Veröffentlichung dieses Testberichts von einer IVOKS genannten POLIVOKS-Emulation der Firma RED SOUND ROCKS. Aus reiner Neugier habe dieses auch noch mal installiert, ohne Lizenz läuft dieses Plugin jedoch im Demomodus nur immer nur mickrige fünf (!) Minuten am Stück.

Ich habe dann in aller Eile versucht auf IVOKS und ATOMIKA vergleichbare Sounds einzustellen, was jedoch bereits an der unterschiedlichen Skalierung der Regler misslang. Im direkten Vergleich des jeweiligen Grundsounds beider Plugins, erscheint mir ATOMIKA haushoch überlegen.

Wo IVOKS allenfalls in Ansätzen an das sowjetische Vorbild erinnert und vergleichsweise brav daherkommt, wirkt ATOMIKA wie ein radioaktiv verstrahlter Panzer, der IVOKS gnadenlos überrollt. Insbesondere das Filter scheint bei ATOMIKA richtiggehend zu leben, während es bei IVOKS eher flach und statisch wirkt.

Ich habe jetzt nur den Sound der beiden Emulationen miteinander verglichen, aber auch IVOKS’ sonstige Ausstattung fällt gegenüber ATOMIKA etwas magerer aus. Bei all dem ist IVOKS auch noch doppelt so teuer, zumindest, wenn er nicht gerade im Sale ist.


Fazit:

Ich finde ATOMIKA recht gelungen, sowohl was den überzeugenden Grundklang als auch das Gesamtpaket angeht. Die klangliche Annäherung an das Original ist für ein Plugin schon sehr gelungen, und auch wenn es hier und da noch gewisse Unterschiede zur Hardware geben mag, so hat ATOMIKA doch genügend Biss und bildet den charakteristischen knurrigen Filterklang des POLIVOKS recht gut nach.

Also Hut ab, Mister Barton, der BuenasIdeas-Tipp ist hier also redlich verdient!

BuenasIdeas-Tipp

Ich kenne einige Stimmen, die meinen, dass die Analog-Emulationen von CHERRY AUDIO ja sowieso immer gleich klingen würden. Ich habe alle Synths da und kann daher sagen, dass das definitiv nicht der Fall Ist! Richtig ist vielmehr, dass die Sounddesigner häufig sehr ähnliche Presets für die Plugins erstellen, sofern die Klangarchitektur dies hergibt. Das hat aber wohl mehr mit den spezifischen Vorlieben der Designer zu tun, als mit dem jeweiligen Grundklang an sich.

Und man darf natürlich auch nicht vergessen, dass die in den Plugins integrierten Effekte in nicht geringem Maße zum Klangbild beitragen, wenn man also immer nur die Presets vergleicht, die ja regen Gebrauch davon machen, darf man sich nicht wundern, wenn sich Emulationen ganz unterschiedlicher Synthesizier dennoch sehr ähneln. An dieser Stelle sei daher auch noch mal meine Bitte nach einem globalen FX-Schalter wiederholt… 😉

Jeder mag für sich selbst entscheiden, ob er noch weiteren Bedarf an (virtuellen) Analogsound hat, falls ja, dann ist er hier garantiert nicht an der falschen Stelle!

ATOMIKA gibt’s bei CHERRY AUDIO für 49,- US-Dollar, das ist ein fairer Preis für das Gebotene, auch im Vergleich mit so manch anderem Anbieter, der ja auch nur mit Wasser kocht.

Das separat erhältliche CHAIN REACTIONS PRESET PACK mit weiteren 100 Presets von James Dyson kostet 9,99 USD.

Wie immer gibt es auch eine Demoversion des Plugins, diese ist 30 Tage lang voll funktionsfähig und blendet lediglich in sporadischen Abständen ein Störsignal ein.


Positives:
+ sehr guter Grundklang
+ interessante Erweiterung des Filters
+ einfache Bedienung
+ brauchbare Effekt-Sektion inklusive eigenem LFO
+ Arpeggiator
+ umfangreiche MIDI-Learn-Sektion
+ fairer Preis

Negatives:
– keine Offline-Aktivierung bzw. -Installation möglich


Produktwebseite: https://cherryaudio.com/products/atomika