Testbericht: CHERRY AUDIO P-10 – Zehnerpotenz

Ein Testbericht von Perry Staltic,
veröffentlicht am 15.12.2024

Der letzte Synth aus dem Hause CHERRY AUDIO namens ATOMIKA ist noch nicht ganz trocken hinter den Ohren, da schieben die Kalifornier bereits ihren nächsten Bewerber um die Gunst des Computer-Musikanten nach: P-10, eine Emulation des PROPHET-10 von SEQUENTIAL CIRCUITS aus den frühen 1980ern.


Doppelpack…

Zunächst einmal ist der PROPHET-10 ja nichts anderes als ein doppelter PROPHET-5. Während die erste Version auch noch wie Letzterer aussah und nur über ein Keyboard verfügte, verpasste man Version 2 ein neues, größeres Gehäuse mit einer zweimanualigen Klaviatur und auch ein Sequencer wurde eingebaut.

Doppelt so viele Stimmen, doppelt so viele Klänge gleichzeitig machten den PROPHET-10 schon zu einem begehrenswerten Schlachtschiff, sofern man über das nötige Kleingeld verfügte. Neben diversen bekannten Bands zählte auch der einstige Kultfilm-Regisseur John Carpenter zu den Anwendern, wie man unter anderem auch gut im Soundtrack zu „Halloween III“ (das ist der Teil der Filmreihe, der ganz ohne Michael Myers auskommt) hören kann.

SEQUENTIAL CIRCUITS PROPHET-10
SEQUENTIAL CIRCUITS PROPHET-10

Der heute wieder als SEQUENTIAL (ehemals DSI) firmierende Hersteller (ähnlich wie WALDORF eigentlich zumindest rechtlich eine völlig neue Firma, nachdem die ursprüngliche pleitegegangen war) hat mit seinem aktuellen PROPHET-10 REV4 seit ein paar Jahren eine Neuauflage am Start (und dieser wiederum nur ein einziges Keyboard spendiert), die hier vorliegende Emulation von CHERRY AUDIO bezieht sich aber zumindest optisch und strukturell auf die klassische Version aus dem vergangenen Jahrhundert.

Es war übrigens kein dummer Schachzug von CHERRY AUDIO, sich den PROPHET-10 anstatt seinen kleineren Bruder vorzunehmen, denn es gibt ja bereits genügend gute Emulationen vom PROPHET-5, und so hebt sich der P-10 mit seiner doppelten Klangerzeugung auch besser von seinen Mitbewerbern ab, ohne sich als Nachzügler immer direkt an ihnen messen zu müssen.


Wiedergänger…

Wie immer folgen zunächst einmal die allgemeinen Merkmale des P-10, die sich weitestgehend mit denen der anderen Plugins von CHERRY AUDIO decken, daher fallen meine diesbezüglichen Beschreibungen ebenfalls regelmäßig kongruent aus.

Wie alle seine Geschwister, ist auch P-10 nur als 64-Bit-Plugin verfügbar, und zwar für WINDOWS 7 bis 11 sowie für macOS ab Version 10.13. Auf APPLE’s M-Prozessoren läuft P-10 ebenfalls, und zwar nativ.

Neben einer Standalone-Version werden die Plugin-Formate VST2, VST3, AAX sowie AU angeboten, von denen ich jedoch lediglich die VST-Varianten des P-10 installiert und getestet habe. Meine Testumgebung besteht aus einem stationären Rechner mit i7-4790K-CPU (4 x 4,0 GHz) und 16 GB RAM, das verwendete Betriebssystem ist WINDOWS 10 Pro.

CHERRY AUDIO P-10 - online-basierte Vervollständigung der Installation
CHERRY AUDIO P-10 – online-basierte Vervollständigung der Installation

Mein regelmäßiger Minuspunkt bezüglich der Installations- und Aktivierungs-Prozedur betrifft auch den P-10, denn CHERRY AUDIO besteht dabei auf eine Internetverbindung, dass der Host-Rechner zumindest in dieser Phase unbedingt über eine solche verfügen muss (später jedoch nicht mehr zwingend). Eine alternativ mögliche Offline-Aktivierung ist nicht vorgesehen. Bei CHERRY AUDIO ist der Internetzugang übrigens auch schon für die Vervollständigung der Installation vonnöten, da hierbei noch diverse Daten vom Server nachgeladen werden, etwa Presets.

CHERRY AUDIO P-10 - Aktivierung mittels Account-Daten
CHERRY AUDIO P-10 – Aktivierung mittels Account-Daten

Möchte man den P-10 anschließend freischalten, so sollte man die Zugangsdaten in Form von E-Mail-Adresse und Passwort bereithalten, mit denen man sich auch in seinen Online-Account bei CHERRY AUDIO anzumelden pflegt. Ohne eine derartige Freischaltung verbleibt P-10 in einem dreißig tägigen Demo-Modus, in dem zwar alle Funktionen verfügbar sind, jedoch immer wieder mal ein Rauschen als Störsignal ertönt.

CHERRY AUDIO P-10
CHERRY AUDIO P-10

Die Bedienoberfläche des P-10 kann skaliert werden und ähnelt, was Farbe, Form und Anordnung der Bedienelemente angeht, in weiten Teilen der seines Vorbilds. Einmal mehr konnten die Designer nicht darauf verzichten, eine Pseudo-3D-Optik inklusive leichter perspektivischer Verzerrungen, Lichtreflexionen und Schattenwürfen zu bemühen, ich persönlich könnte das aber sehr wohl, will sagen, ich stehe da nicht so drauf und brauche eigentlich auch keine virtuellen Holzseitenteile (oder sorgen die etwa für einen organischeren Klang des Plugins…?).

CHERRY AUDIO P-10 - ohne Keyboard
CHERRY AUDIO P-10 – ohne Keyboard

Da beim P-10 zwecks Nachahmung der Hardware gleich zwei Klaviaturen integriert wurden, die rund die Hälfte der Bedienoberfläche beanspruchen, dürften sich nicht wenige Anwender darüber freuen, dass man diese mittels Schaltfläche komplett auszublenden vermag, was insbesondere kleinen Laptop-Bildschirmen zugutekommt. Als negativen Nebeneffekt hat man dann allerdings leider auch keinen Zugriff mehr auf die Bedienelemente des integrierten Sequencers. Irgendwas ist halt immer… 😉

CHERRY AUDIO P-10 - Focus
CHERRY AUDIO P-10 – Focus

Auch beim P-10 gibt es eine FOCUS-Funktion, mit der sich einzelne Bereiche der Bedienoberfläche fensterfülllend vergrößern lassen.

Die Möglichkeiten, seinen bevorzugten MIDI-Controller zur bequemeren Steuerung mit dem P-10 zu verbinden, sind ebenfalls wieder vorbildhaft. Man kann sämtliche getätigten Mappings auch im Nachhinein noch anpassen, unter anderem lässt sich für jedes Element getrennt der Regelbereich mit Minimal- und Maximalwerten definieren und sogar invertieren, zudem lässt sich auch seine Regelkurve mit der Maus stufenlos verbiegen, sodass hier neben linearen auch exponentielle und logarithmische Verläufe möglich sind.

CHERRY AUDIO P-10 - MIDI Learn
CHERRY AUDIO P-10 – MIDI Learn

Seit dem MINIVERSE hat CHERRY AUDIO die Controller-Zuweisungsfunktion ihrer Plugins um die Möglichkeit ergänzt, die hier vorgenommenen Einstellungen einzeln oder komplett sowohl global als auch nur für das jeweilige Preset geltend abzuspeichern. Der aktuelle Status lässt sich dabei jederzeit ändern. Dadurch können die Bedienelemente eines MIDI-Controllers, sofern gewünscht, von Preset zu Preset etwas völlig anderes regeln.

Abgesehen davon lässt, lässt sich der P-10 natürlich auch mittels Parameter-Automation steuern, wer mag, der kann ihn via auch das Mausrad editieren, und die UNDO- und REDO-Funktionen sind ebenfalls hilfreich.

CHERRY AUDIO P-10 - Qwerty Keyboard
CHERRY AUDIO P-10 – Qwerty Keyboard

Der P-10 lässt sich auch komplett ohne MIDI-Hardware spielen, nämlich mit dem sogenannten QWERTY KEYBOARD. Dieses wird wahlweise mit der Maus oder der alphanumerischen Rechner-Tastatur bedient und lässt sich in seiner Tonlage anpassen. Neben Noten können damit auch diverse Kontrollwerte wie etwa Anschlagsdynamik, Pitchbend und Modulation erzeugt werden.

CHERRY AUDIO P-10 - Settings
CHERRY AUDIO P-10 – Settings

Das Settings-Menü des P-10 folgt ebenfalls dem CHERRY AUDIO-Standard, verteilt sich auf drei Tabs (GENERAL, INTERFACE und ACCOUNT) und ermöglicht diverse basale Einstellungen, beispielsweise hinsichtlich Darstellung und Bedienung, der Zugangsdaten, dem Umgang mit Updates oder des Speicherorts der Presets.

CHERRY AUDIO P-10 - Preset-Browser
CHERRY AUDIO P-10 – Preset-Browser

Die Verwaltung der Klangkreationen erfolgt über den für CHERRY AUDIO typischen Preset-Browser, der über praktische Optionen wie thematische Kategorien, eine Suchfunktion und eine vom Anwender selbst bestückbare Favoritenliste verfügt. Die Pin-Funktion verhindert bei Aktivierung, dass sich das Browser-Fenster sofort wieder schließt, nachdem man ein Preset ausgewählt hat. Die Presets können innerhalb des Browsers auch mithilfe der Cursortasten ausgewählt werden.

P-10 ist übrigens in der Lage, auch Soundbänke der Hardware-Synthesizer PROPHET-5 und PROPHET-10 zu laden. Die entsprechenden SysEx-Dateien lassen sich einfach via Drag & Drop importieren.

CHERRY AUDIO P-10 - Oversampling Quality
CHERRY AUDIO P-10 – Oversampling Quality

Zu guter Letzt finden wir noch ein kleines Pulldown-Menü, welches sich bei Betätigung der Schaltfläche mit dem Q öffnet. Hierin lässt sich der Oversampling-Faktor anpassen, die Voreinstellung beträgt dabei stets 1x. Höhere Werte verbessern die Klangqualität und beugen Aliasing-Artefakten vor, stellen aber gleichzeitig auch höhere Ansprüche an die CPU, insbesondere beim Faktor 4x.

Bei einer oder nur wenigen Instanzen gleichzeitig merkt man davon zwar nicht allzu viel, aber bei meinem weiter unten präsentierten Klangbeispiel mit fast zwei Dutzend Spuren ging CUBASE 12 auf meinem alten Rechner beim sukzessiven Umschalten aller Instanzen auf 4x immer weiter in die Knie, bis es irgendwann ganz die Mitarbeit versagte.

Auf einem PC mit aktueller Intel- oder AMD-CPU oder einem APPLE M4 dürfte das aber wohl kein Problem darstellen.


Prophetie…

Nicht nur in Bezug auf die Optik, sondern auch auf die Klangarchitektur orientiert sich CHERRY AUDIO beim P-10 eng an dessen Vorbild, jedoch unter Hinzufügung diverser Extras. Der Aufbau ist daher recht logisch, gibt keine Rätsel auf, und einmal mehr gilt, dass wer grundsätzlich mit subtraktiver Klangerzeugung vertraut ist, sich auch hier sofort zurechtfindet.

CHERRY AUDIO P-10 - Keyboard Mode
CHERRY AUDIO P-10 – Keyboard Mode

Kernstück bilden zwei identisch ausgestattete Klangerzeuger, UPPER LAYER und LOWER LAYER genannt, die beide bis zu sechzehnstimmig polyphon sein können sich in fünf Modi miteinander kombinieren lassen: Zu zwei unabhängigen Synthesizern, die sich jeweils auf separaten MIDI-Kanälen ansprechen lassen, sich aber gemeinsame Audioausgänge in der DAW teilen müssen (NORMAL), zu einem einzigen Synthesizer mit bis zu zweiunddreißigfacher Polyphonie (SINGLE), zu einem Synthesizer mit zwei übereinandergeschichteten (DOUBLE), bei jedem Tastenanschlag abwechselnd ertönenden (ALTRNT) oder nebeneinander auf der Klaviatur verteilten (SPLIT) Klängen, Letzteres mit frei wählbarem Split-Punkt.

CHERRY AUDIO P-10 - Voice Assignment Display
CHERRY AUDIO P-10 – Voice Assignment Display

Welche der jeweiligen Stimmen beider Layers aktuell bei gespielten Noten aktiv sind, lässt sich durch die virtuellen LEDs des VOICE ASSIGNMENT exakt ersehen.

CHERRY AUDIO P-10 - Panel View
CHERRY AUDIO P-10 – Panel View

Die Bedienelemente für beide Layers befinden jeweils nur alternativ zueinander im Zugriff, anderenfalls müsste das Bedienpanel ja doppelt so groß sein, lässt sich im Bereich PANEL VIEW auswählen, welcher Layer aktuell editiert werden soll. Zur besseren Unterscheidung leuchten die LEDs in den virtuellen Schaltern beim UPPER LAYER rot und beim LOWER LAYER grün. Außerdem lässt sich der jeweils aktive Layer auch solo abhören, was insbesondere beim Editieren im DOUBLE-Modus praktisch ist.

CHERRY AUDIO P-10 - Oszillatoren
CHERRY AUDIO P-10 – Oszillatoren

Jeder Layer entspricht der Klangerzeugung eines PROPHET-5 und verfügt damit über zwei Oszillatoren, A und B. Beide Oszillatoren bieten die beiden Schwingungsformen (aufsteigender) Sägezahn und Rechteck (mit variabler Pulsweite), Oszillator B darüber hinaus auch noch Dreieck. Alle Schwingungsformen können dabei sowohl einzeln als auch gemeinsam aktiv sein. Oszillator A lässt sich außerdem zu Oszillator B synchronisieren.

Jeder Oszillator kann in Halbtonschritten in einem Bereich von vier Oktaven gestimmt werden. Oszillator B kann gegenüber Oszillator A zusätzlich noch im Bereich eines Halbtons feingestimmt, in einen tieffrequenten LFO-Modus versetzt sowie komplett von der Tonhöhensteuerung durch das Keyboard bzw. eingehende Notenbefehle abgetrennt werden. Separate Fußlagenschalter zum Wechsel der Oktaven sind wie schon beim Vorbild nicht vorhanden.

Die Lautstärkeverhältnisse beider Oszillatoren und des ebenfalls vorhandenen weißen Rauschens lassen sich in der Mixer-Sektion einstellen.

CHERRY AUDIO P-10 - Filter und Hüllkurven
CHERRY AUDIO P-10 – Filter und Hüllkurven

Die Filter-Sektion wurde von CHERRY AUDIO gegenüber der Hardware noch ein wenig aufgebohrt. Wo das Original nur über ein resonanzfähiges 24-dB-Tiefpassfilter mit regelbarer Hüllkurvenintensität verfügte, steht beim virtuellen Pendant auch noch ein Hochpass-Modus bereit, was sich insbesondere angesichts zweier vorhandener Layers als praktisch erweisen kann. Zudem lässt sich das Keyboard-Tracking nicht einfach nur ein- und ausschalten, sondern verfügt über einen zusätzlichen HALF-Modus mit entsprechend reduzierter Filterfrequenz.

Filter- und Verstärker-Hüllkurven sind identisch konzipiert und verfügen jeweils über die vertraute ADSR-Parametrik sowie einen Intensitäts-Regler für den Einfluss der Anschlagsdynamik.

CHERRY AUDIO P-10 - zusätzliche layerspezifische Parameter
CHERRY AUDIO P-10 – zusätzliche layerspezifische Parameter

In der Sektion rechts oben gibt es einen zusätzlichen RELEASE-Schalter, dieser ist für die Nutzung eines Fußschalters am MIDI-Controller gedacht, mit dem sich dann die Release-Phase separat steuern lässt. Der DRONE-Schalter direkt darunter lässt bei Aktivierung das gespielte Note so lange auf dem eingestellten Sustain-Level erklingen, bis der Arzt kommt oder zumindest, bis die maximale Stimmenzahl überschritten wird und die zuerst gespielten Noten dran glauben müssen.

Wo wir gerade bei dieser Sektion sind, neben einer einfachen dreibandigen Klangregelung, finden wir hier auch Einstellmöglichkeiten für das Panorama, die Lautstärke und die Stimmung des jeweiligen Layers.

CHERRY AUDIO P-10 - LFO
CHERRY AUDIO P-10 – LFO

Die beiden Hüllkurven stellen natürlich nicht die einzigen Modulatoren des P-10 dar. Auf der linken Seite finden wir den LFO. Dieser lässt sich in seiner Geschwindigkeit sowohl frei einstellen (von 0,05 Hz bis 31,5 Hz) als auch zum Host-Tempo synchronisieren. An Schwingungsformen werden aufsteigender und abfallender Sägezahn, Dreieck, Rechteck sowie Random (Zufallsmuster) geboten, von denen nur Dreieck und Random bipolar arbeiten. Die Modulationsintensität kann eingestellt werden, zudem lässt sich der Einfluss des Modulationsrads auf die Intensität und ein Key Reset (die LFO-Phase startet mit jeder neuen Note wieder an ihrem Anfang) aktivieren.

CHERRY AUDIO P-10 - Modulations-Zuweisung
CHERRY AUDIO P-10 – Modulations-Zuweisung

Rechts vom LFO befindet sich die Modulationszuweisung, aufgeteilt in drei Sektionen. PRESSURE-MOD kümmert sich um den Einfluss empfangener Aftertouch-Daten auf bis zu sieben Modulationsziele, die Intensität ist bipolar einstellbar (AMOUNT). Diese Funktion hat CHERRY AUDIO nicht vom PROPHET 5/10 übernommen, sondern sich beim späteren PROPHET T8 abgeguckt.

POLY-MOD kümmert sich um polyphone Modulationen, die auf jede einzelne Stimme getrennt einwirken. Quellen können hier die Filterhüllkurve sowie Oszillator B sein, für beide existieren separate Intensitätsregler (SOURCE AMOUNT). Oszillator B kann dabei wahlweise im LO FREQ-Modus als zusätzlicher LFO oder im normalen Audio-Bereich zur Erzeugung von Frequenzmodulation arbeiten. Die vier möglichen Ziele können wieder einzeln oder in beliebiger Kombination ausgewählt werden.

MONO-MOD dient der monophonen Modulation durch den globalen LFO und/oder durch den Rauschgenerator. Das Mischungsverhältnis ist hierbei durch einen bipolaren Regler einstellbar (SOURCE MIX). Bis zu sechs Modulationsziele können ausgewählt werden.

CHERRY AUDIO P-10 - Aux-Mod
CHERRY AUDIO P-10 – Aux-Mod

Obwohl ganz rechts separat von den vorgenannten Sektionen platziert, gehört eigentlich auch die Sektion AUX-MOD in Zusammenhang mit der Modulationszuweisung erwähnt. Mittels dieser können eingehende Befehle beliebiger MIDI-Controller (unter anderem auch, aber nicht nur Pedale) mit einstellbarer Intensität bis zu fünf Zielen zugewiesen werden können, darunter auch MONO-MOD. Mit Letzterem lässt sich dann seinerseits die Modulationsintensität von LFO bzw. Rauschgenerator dynamisch steuern.

CHERRY AUDIO P-10 - GLIDE und Stimmenzuweisung
CHERRY AUDIO P-10 – GLIDE und Stimmenzuweisung

Unterhalb der Oszillatoren befindet sich einerseits eine aktivierbare GLIDE-Funktion mit einstellbarer Geschwindigkeit für Portamento-Effekte, andererseits lässt sich dort die maximale Polyphonie des Layers festlegen (zwei bis sechzehn Stimmen) und die Stimmen zu einem Unisonoklang mit regelbarem Verstimmungsgrad übereinanderschichten. MONO RETRIG gibt es bei der Hardware nicht, hiermit werden die Hüllkurven bei jeder gespielten Note neu gestartet, also auch bei legato gespielten Noten.

CHERRY AUDIO P-10 - Ausgangssektion
CHERRY AUDIO P-10 – Ausgangssektion

Bevor das kombinierte Audiosignal die Stereoausgänge verlässt, kann man in der Ausgangssektion noch das Mischungsverhältnis beider Layers regeln (BALANCE), die Gesamtstimmung verändern (MASTER TUNE), die Abweichung zwischen den einzelnen Stimmen einstellen (DRIFT) und die Gesamtlautstärke (MASTER VOLUME) festlegen. Darüber hinaus lässt sich noch ein einfacher Limiter zuschalten und der Kammerton A mit 440 Hz erzeugen. Letzteres ist bei einem naturgemäß stimmstabilen Plugin eigentlich sinnfrei und dient hier wohl eher der Nostalgie.

Hinter dem UTILITY-Button verbergen sich diverse praktische Funktionen, von denen einige aus naheliegenden Gründen nicht im SINGLE MODE verfügbar sind: Vertauschen von UPPER LAYER und LOWER LAYER, Kopieren der Klangeinstellungen eines Layers auf den jeweils anderen Initialisierung eines Layers, Kopieren der Effekteinstellungen, Import von Layers aus vorhandenen Presets bzw. Export.


Zweites Gesicht…

Über die Schaltfläche EFFECTS/ARPEGGIO ruft man eine alternative Panel-Ansicht auf, die es beim PROPHET-10 natürlich nicht gibt, ebenso wenig wie die dort untergebrachten Extras. Hier verbergen sich nämlich, man mag es sich schon denken, einerseits die integrierten Effekte des P-10, andererseits ein Arpeggiator, beides Merkmale, die bei der Hardware schlichtweg nicht vorhanden, dafür aber in CHERRY AUDIO’s Synthesizern häufig anzutreffen sind.

CHERRY AUDIO P-10 - Effekte und Arpeggiator
CHERRY AUDIO P-10 – Effekte und Arpeggiator

Die Sektion namens FX MODE ist zwar klein und besteht aus nur drei Schaltern, ihr kommt aber eine wichtige Funktion zu. Zum einen kann man hier die komplette Effektsektion mit einem Klick deaktivieren, etwa das mir einigen anderen Plugins, auch bei manchen von CHERRY AUDIO, bisweilen fehlt. Zum anderen lässt sich hier festlegen, ob die Effektsektion global, also für beide Layers gemeinsam, oder aber für UPPER LAYER und LOWER LAYER separat zur Verfügung steht. Letzterer Fall bedeutet, dass der P-10 tatsächlich über zwei eigenständige Effektsektionen verfügt.

CHERRY AUDIO P-10 - FX LFO
CHERRY AUDIO P-10 – FX LFO

Direkt auf der linken Seite finden wir einen LFO. Dabei handelt es sich jedoch keineswegs um den bereits weiter oben beschrieben, sondern und einen davon unabhängigen FX LFO, der ausschließlich zur Modulation von Effekt-Parametern dient. Etwas Vergleichbares hatte CHERRY AUDIO unlängst ja auch schon im ATOMIKA integriert. Der LFO ist genauso aufgebaut, wie der in der Synthesesektion, darum erspare ich mir hier eine erneute Beschreibung der Details.

CHERRY AUDIO P-10 - Effektmodulation
CHERRY AUDIO P-10 – Effektmodulation

Welche Parameter durch diesen LFO moduliert werden können, ist in der Sektion FX MONO-MOD, in welcher auch die Intensität eingestellt wird, ersichtlich und auswählbar. Auch hier kann wieder zusätzlich der Rauschgenerator als weitere Quelle hinzugezogen werden.

Ebenso kann auch der Aftertouch auf diverse Effekt-Parameter einwirken, dies wird in der darüberliegenden Sektion FX PRESSURE-MOD definiert.

CHERRY AUDIO P-10 - Effekte
CHERRY AUDIO P-10 – Effekte

Die eigentliche Effektsektion besteht aus den fünf separaten Effekten DISTORTION, PHASER, CHORUS/FLANGER, DELAY sowie REVERB. Hierbei handelt es sich wieder einmal um Abkömmlinge aus dem bekannten FX-Portfolio von CHERRY AUDIO, die sich auch in vielen anderen Synthesizern dieser Firma wiederfinden. Auf eine detaillierte Aufzählung aller Parameter verzichte ich daher an dieser Stelle.

Auch die Effekt-Qualität dürfte mittlerweile hinlänglich bekannt sein, sie ist sehr brauchbar und erübrigt in vielen Fällen den Einsatz zusätzlicher Plugins, ohne diese jedoch nun gleich völlig überflüssig zu machen.

CHERRY AUDIO P-10 - Arpeggiator
CHERRY AUDIO P-10 – Arpeggiator

Der ebenfalls hier untergebrachte Arpeggiator kennt verschiedene Abspielmuster inklusive Zufallsfolge, die über bis zu vier Oktaven reichen können. Er lässt sich entweder mit frei einstellbarer Geschwindigkeit oder synchron zum Host-Tempo betreiben. Eine HOLD-Funktion schont die Finger, indem das Arpeggio auch nach dem Loslassen der Keyboardtasten weiterspielt.


Folgenreich…

Während der originale PROPHET-10 über einen einfachen polyphonen, aber etwas friemelig zu bedienenden Sequencer nach Art einer Bandmaschine verfügt, hat CHERRY AUDIO sich entschlossen, beim P-10 stattdessen den gleichen Sequencer wie im ELKA-X zu implementieren. Die Funktionen sind prinzipiell identisch zu diesem, lediglich die Anordnung der Bedienelemente wurde hier ein wenig abgeändert. Wie weiter oben bereits erwähnt, hat man nur dann Zugriff auf den Sequencer, wenn man den P-10 mit seiner kompletten Bedienoberfläche betreibt, also mit eingeblendeten virtuellen Keyboards.

CHERRY AUDIO P-10 - Sequencer
CHERRY AUDIO P-10 – Sequencer

CHERRY AUDIO’s Variante ist ein Step-Sequencer, der vier monophone Spuren mit jeweils bis zu 128 Schritten bereitstellt. Sowohl Anzahl der Schritte als auch Grundnote einer Sequenz können frei bestimmt werden, Letzteres funktioniert wahlweise via Menü oder angeschlossenem MIDI-Keyboard. Die vier Sequenzen werden jeweils nacheinander aufgenommen und lassen sich nachträglich editieren sowie auf Wunsch auch über Notenbefehle transponieren.

Das Tempo lässt sich auch hier wieder manuell einstellen oder aber zum Host synchronisieren. Die Abspieldauer der Noten einer Sequenz wird mit NOTE GATE festgelegt.

Mittels ASSIGN weist man den Sequencer entweder dem UPPER LAYER oder dem LOWER LAYER zu, wie schon beim ELKA-X ist es jedoch leider nicht möglich, beiden Layers gleichzeitig Zugriff auf den Sequencer zu gewähren, daher mein erneuter Vorschlag einer zusätzlichen eine Schalterposition „BOTH“. Der jeweilige Layer ohne Sequencer-Anbindung kann allerdings stattdessen Gebrauch vom Arpeggiator machen und so ebenfalls rhythmische Elemente erzeugen.

Die bis zu vier Sequenzen werden zusammen mit dem jeweiligen Preset gespeichert, lassen sich aber mithilfe der Layer-Exportfunktion unter UTILITY auch auf neue Presets übertragen und dann dort verwenden.


Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt…

Da ich keinen PROPHET-10 besitze, auch keinen PROPHET-5, ja sogar noch niemals selbst Hand an einer dieser beiden Instrumente gelegt habe, erspare ich mir und Euch Aussagen bezüglich der klanglichen Authentizität des P-10 an dieser Stelle lieber gleich.

Ungeachtet dessen halte ich den P-10 für einen gut klingenden Software-Synthesizer, der von eher konservativen Brot-und-Butter-Klängen bis hin zu immer noch recht frisch und ungewöhnlich anmutenden Sounds ein breites Spektrum abdeckt, natürlich innerhalb seiner quasi-analogen Grenzen.

Da der P-10 in seinem umfangreichen Preset-Vorrat auch Nachbildungen der damaligen Werksklänge von PROPHET-10 und PROPHET-5 beherbergt habe ich zumindest Letztere einmal mit den jeweiligen Pendants des ARTURIA PROPHET-5 V verglichen, der mir im Gegensatz zu den entsprechenden Emulationen von U-HE und SOFTUBE ebenfalls zur Verfügung steht.

Während einige dieser Factory Presets bei beiden Plugins durchaus sehr ähnlich klingen, gibt es bei vielen auch große Abweichungen, etwa in Bezug auf Filterfrequenz und Hüllkurvenzeiten. Auf weitergehende manuelle Angleichungen habe ich verzichtet.

Ich kann mir diese offensichtlichen Unterschiede (ich meine nicht den Grundklang, sondern die teilweise sehr verschiedenen Parametewerte) dadurch erklären, dass beiden Firmen nun mal einfach unterschiedliche Exemplare der Hardware zur Verfügung standen, anhand derer sie ihre Emulationen und auch die Werksklänge kalibriert haben. Wir sprechen hier immerhin von analogen Synthesizern, die mehr als 40 Jahre auf dem Buckel haben.

Zurück zum Klang des P-10. Ich hatte mal wieder etwas Zeit und Muße für einen kleinen, leicht verdaulichen Demo-Track, bei dem auf allen Spuren ausschließlich der Testkandidat zum Einsatz kam:

Klangbeispiel CHERRY AUDIO P-10

Insgesamt waren 22 Instanzen des P-10 beteiligt, die alles erzeugten, was Ihr hier zu hören bekommt. Darunter befinden sich übrigens auch ein paar Klänge aus dem separat zu erwerbenden EXPONENTS FOR P-10 PRESET PACK, das den P-10 mit einhundert zusätzlichen Presets aus der Feder von James Dyson ausstattet, die (wie von ihm eigentlich nicht anders gewohnt) wieder sehr gelungen sind.

Wie weiter oben ausgeführt, hatte ich dieses Mal arge Probleme, als ich alle beteiligten Plugin-Instanzen mit vierfachem Oversampling betreiben wollte. Da zeigte sich dann doch das fortgeschrittene Alter meines PCs, der der Aufgabe zunehmend nicht mehr gewachsen war. Da ich keine Lust auf das Freezen von Spuren hatte, habe ich das Klangbeispiel kurzerhand nur mit einfachem Oversampling gerendert.

Im „echten Leben“ würde ich allerdings auch nicht allein schon ein halbes Dutzend Instanzen des P-10 laden, nur um damit meine Rhythmus-Spuren zu erstellen… 😉


Fazit:

Ich werde jetzt nicht zum gefühlt tausendsten Male wieder die Frage stellen, ob die Welt denn noch eine weitere Analog-Emulation braucht…

Ja, braucht sie, Punkt, nächste Frage!

Aber mal im Ernst, natürlich sind wir alle schon mehr oder weniger übersättigt mit Software-Synthesizern, die vorgeben, analog (oder sonstwie) zu klingen, daran besteht wohl kein Zweifel. Und dennoch sind viele von uns immer wieder auf neues Klangfutter begierig, nicht selten auch, weil man hieraus musikalische Inspiration zu ziehen vermag. Hmmm, jetzt komme ich mir ja beinahe schon wie ein G.A.S.-Lieferant vor… 😉

Wie auch immer, P-10 bietet grundsolide Kost und kann nicht nur mit einem guten, voluminösen Klang, sondern auch mit diversen praktischen Extras aufwarten, darunter etwa den Import originaler Soundbänke der Synthesizer PROPHET-5 und PROPHET-10.

Die Beurteilung seiner klanglichen Authentizität muss ich hingegen anderen überlassen, ich habe schlichtweg keine seriöse Vergleichsmöglichkeit, sprich das Original, zur Hand.

Der Verkaufspreis des P-10 beträgt 59,- US-Dollar, wer noch ein wenig zaudert, kann sich ja erst einmal in Ruhe die Demo-Version zu Gemüte führen, und zwar ganze 30 Tage lang.


Positives:
+ guter Grundklang
+ einfache Bedienung
+ Step-Sequencer und Arpeggiator
+ brauchbare Effekt-Sektion
+ umfangreiche MIDI-Learn-Sektion
+ Import von originalen PROPHET-5/10-Soundbänken möglich
+ fairer Verkaufspreis

Negatives:
– keine Offline-Aktivierung bzw. -Installation möglich
– Step-Sequencer kann nicht beide Layers gleichzeitig ansteuern


Produktwebseite: https://cherryaudio.com/products/p-10