Testbericht: CHERRY AUDIO SINES – Kurvendiskussion

Ein Testbericht von Perry Staltic,
veröffentlicht am 06.10.2022

Wenngleich sich CHERRY AUDIO neben ihrem Kerngeschäft VOLTAGE MODULAR in den vergangenen Jahren vornehmlich um die Entwicklung von Emulationen beliebter klassischer Synthesizer gekümmert hat, weicht die in Kalifornien ansässige Firma doch von Zeit zu Zeit von ebendiesem Pfade ab und überrascht uns dann mit Schöpfungen, die ausschließlich auf dem eigenen Mist gewachsen sind.

Der vor einigen Monaten erschienene DREAMSYNTH DS-1 ist ein solcher virtueller Synthesizer ohne real existierendes Vorbild, und auch der heute frisch veröffentlichte CHERRY AUDIO SINES fällt in diese Kategorie. Sein Name lässt schon erahnen, womit er seine Klänge erzeugt, nämlich mit an sich obertonfreien Sinuswellen. Das erscheint dem einen oder anderen vielleicht erst einmal etwas langweilig, aber dass man damit am Ende weitaus spannendere Ergebnisse erzeugen kann, als man zunächst vermuten mag, wollen wir mit diesem Testbericht näher beleuchten.


Gedächtnispalast…

Ich beginne wie immer mit einer Beschreibung der basalen Merkmale des Plugins, die losgelöst von seiner eigentlichen Klangerzeugung bestehen. Da diese bei allen Software-Synthesizern, die CHERRY AUDIO im Portfolio führt, mehrheitlich identisch sind, habe ich mir aus Gründen der Zeitersparnis und der Faulheit schon seit einigen Testberichten angewöhnt, diese nicht jedes Mal erneut zu paraphrasieren, sondern einfach Teile eines meiner früher verfassten Texte zu recyclen. Wohlan, schreiten wir zur Tat…

Wie schon seine Geschwister, ist auch SINES nur als 64-Bit-Plugin verfügbar, das dürfte heutzutage aber wohl kaum jemand mehr enttäuschen. Ab WINDOWS 7 beziehungsweise ab macOS 10.9 ist man dabei, auch die neuesten Versionen dieser beiden Betriebssysteme werden unterstützt. Auf M1-Prozessoren läuft SINES ebenfalls, und zwar nativ.

Es existiert wieder eine Standalone-Version, darüber hinaus werden die Plugin-Formate VST2, VST3, AAX sowie AU angeboten, ich habe jedoch lediglich die VST-Plugins des SINES installiert und getestet. Meine Testumgebung besteht aus einem stationären Rechner mit i7-4790K-CPU (4 x 4,0 GHz) und 16 GB RAM, der wahlweise mit WINDOWS 7 oder WINDOWS 10 läuft. Der SINES lief darauf auch mit mehreren parallelen Instanzen ohne zu murren.

Einmal mehr muss ich einen kleinen Minuspunkt bezüglich der Installations- und Aktivierungs-Prozedur vergeben, denn CHERRY AUDIO besteht dabei auch beim SINES auf eine Internetverbindung, und die ist nun mal nicht unbedingt in jedem Studio vorhanden, auch wenn das in unseren Zeiten für den einen oder anderen überraschend erscheinen mag. Ich selbst erlaube meinem Studiorechner jeweils nur temporär den Zugang zum Netz, eben für solche Aktivierungsgeschichten, und begrüße es immer, wenn ein Hersteller auch zumindest alternativ eine Offline-Aktivierung anbietet.

CHERRY AUDIO SINES - Installation benötigt Internetverbindung
CHERRY AUDIO SINES – Installation benötigt Internetverbindung

Bei CHERRY AUDIO ist der Internetzugang allerdings auch bereits für die reine Installation vonnöten, da hierbei noch diverse Daten nachgeladen werden. Möchte man den SINES anschließend freischalten, so sollte man die Zugangsdaten in Form von Email-Adresse und Passwort bereithalten, mit denen man sich auch in seinen Online-Account bei CHERRY AUDIO anzumelden pflegt. Ohne eine derartige Freischaltung verbleibt SINES in einem dreißigtägigen Demo-Modus, in dem zwar alle Funktionen verfügbar sind, jedoch immer wieder mal ein Rauschen als Störsignal ertönt.

CHERRY AUDIO SINES
CHERRY AUDIO SINES

Als ich die (skalierbare) Bedienoberfläche des Plugins zum ersten Male erblickte, war mein erster Gedanke: „Ach, du Sch…! Ich glaub, ich werde seekrank!“ Wir werden zwar später noch sehen, dass das Ganze in Wirklichkeit nur halb so schlimm ist, aber beim Erstkontakt wirkt das mit zahlreichen Reglern überfrachtete und gleichförmige GUI wenig übersichtlich und einladend, sondern geradezu erschlagend.

Ohne dem Fazit vorgreifen zu wollen, kann ich an dieser Stelle schon sagen, dass dies meine größte Kritik an SINES ist. Denn mit einer besseren Farbgestaltung, die für die verschiedenen Sektionen auch unterschiedliche Farben und gegebenenfalls auch unterschiedliche Helligkeitsstufen für die jeweils vier LFOs, Oszillatorenstränge, Hüllkurven usw. verwendet, hätte man die Bedienoberfläche meiner Meinung nach deutlich übersichtlicher gestalten und damit den Workflow verbessern können. Vielleicht liefert CHERRY AUDIO ja noch eine alternative Skin nach?!

CHERRY AUDIO SINES - Focus
CHERRY AUDIO SINES – Focus

Auch beim SINES gibt es eine FOCUS-Funktion, mit der sich einzelne Bereiche der Bedienoberfläche fensterfülllend vergrößern lassen, im Gegensatz zu so manch anderem CHERRY AUDIO-Plugin ist diese bei SINES auch sehr naheliegend, da hier doch schon viele Bedienelemente auf den Anwender warten.

Die Möglichkeiten, seinen bevorzugten MIDI-Controller zur bequemeren Steuerung mit dem SINES zu verbinden, sind ebenfalls wieder vorbildhaft. Man kann sämtliche getätigten Mappings auch im Nachhinein noch anpassen, unter anderem lässt sich für jedes Element getrennt der Regelbereich mit Minimal- und Maximalwerten definieren und sogar invertieren, zudem lässt sich auch seine Regelkurve mit der Maus stufenlos verbiegen, so dass hier neben linearen auch exponentielle und logarithmische Verläufe möglich sind.

CHERRY AUDIO SINES - MIDI Learn
CHERRY AUDIO SINES – MIDI Learn

Bereits mit dem MINIVERSE hat CHERRY AUDIO die MIDI-LEARN-Funktion um die Möglichkeit erweitert, einzelne oder gleich alle vorgenommenen Einstellungen sowohl global als auch nur für das jeweilige Preset geltend abzuspeichern. Der aktuelle Status lässt sich dabei jederzeit ändern. Auf diese Weise können die Bedienelemente eines MIDI-Controllers bei dem einen Preset etwas völlig anderes regeln als bei dem anderen.

Selbstredend lässt sich der SINES auch mittels Parameter-Automation steuern, wer mag, der kann dazu auch das Mausrad verwenden, und die praktischen UNDO- und REDO-Funktionen fehlen ebenfalls nicht. Besitzer eines MPE-fähigen Controllers können diesen zusammen mit SINES verwenden.

CHERRY AUDIO SINES - QWERTY Keyboard
CHERRY AUDIO SINES – QWERTY Keyboard

Aber auch ganz ohne MIDI-Eingabegerät lässt sich der SINES spielen, dem sogenannten QWERTY KEYBOARD sei Dank. Dieses wird wahlweise mit der Maus oder der alphanumerischen Tastatur bedient, neben Noten können damit auch diverse Kontrollwerte wie etwa Anschlagsdynamik, Pitch Bender oder Modulationsrad erzeugt werden.

CHERRY AUDIO SINES - Settings
CHERRY AUDIO SINES – Settings

Das Settings-Menü des SINES folgt ebenfalls dem CHERRY AUDIO-Standard, verteilt sich auf drei Tabs (GENERAL, INTERFACE und ACCOUNT) und ermöglicht diverse Grundeinstellungen, beispielsweise in Bezug auf Darstellung und Bedienung, Zugangsdaten und Updates oder des Verzeichnisses für die Presets. Auch der MPE-Modus kann hier aktivert werden, sofern man über entsprechende Hardware verfügt.

CHERRY AUDIO SINES - Preset-Browser
CHERRY AUDIO SINES – Preset-Browser

Die Verwaltung der Klangkreationen erfolgt wie gewohnt über den Preset-Browser, der dazu über Optionen wie thematische Kategorien, eine Suchfunktion sowie eine vom Anwender bestückbare Favoritenliste verfügt. Die altbekannte Pin-Funktion verhindert bei Aktivierung, dass sich das Browser-Fenster sofort wieder schließt, nachdem man ein Preset ausgewählt hat. Die Presets können innerhalb des Browsers auch mit Hilfe der Cursortasten ausgewählt werden.

CHERRY AUDIO SINES - Oversampling Quality
CHERRY AUDIO SINES – Oversampling Quality

Zu guter Letzt finden wir noch ein kleines Pulldown-Menü, das sich bei Betätigung der Schaltfläche mit dem Q öffnet. Hierin lässt sich der Oversampling-Faktor anpassen, die Voreinstellung beträgt dabei stets 1x. Höhere Werte verbessern die Klangqualität und beugen Aliasing-Artefakten vor, stellen aber gleichzeitig auch etwas höhere Ansprüche an die CPU.


Sinusknoten…

Wie schon oben angemerkt, wirkt SINES auf den ersten Blick komplizierter als er es tatsächlich ist (CHERRY AUDIO räumt dies im Manual auch ein…). Ich beginne wie üblich mit dem klanglichen Ausgangsmaterial. Für dieses zeichnen vier identisch aufgebaute Oszillatoren verantwortlich, die sich erstmal nur auf die Erzeugung von einfachen Sinuswellen beschränken (doch keine Sorge, dabei wird es nicht bleiben!). Einen Wellenformwahlschalter sucht man hier also vergeblich, dafür gibt es aber einige andere Schmankerl, die normalerweise nicht zur Standardausrüstung herkömmlicher subtraktiver Synthesizer gehören. Doch der Reihe nach…

Auf der linken Seite jedes Oszillatorstranges finden wir verschiedene Optionen zur Beeinflussung der Tonhöhe. Die Fußlagen reichen 32′ bis 4′, neben einem modulierbaren FREQ(uency)-Regler, der eine Feinstimmung im Bereich von +/- einer Oktave erlaubt, gibt es noch einen zusätzlichen RATIO-Regler, dieser ermöglicht eine Stimmung mittels fester Teiler und Vielfache (0.25 bis 32) und ist vorrangig für die Verwendung eines Oszillators als Modulationsquelle für Phasen- oder Frequenzmodulation gedacht.

Für jeden Oszillator getrennt lässt sich eine GLIDE-Funktion (= Portamento) aktivieren, ebenso ist es möglich, einen Oszillator von der Steuerung durch die MIDI-Notennummern bzw. durch das Keyboard auszuschließen, etwa für die vorgenannten Modulationszwecke oder zur Erzeugung von Drones mit einer fixen Tonhöhe.

CHERRY AUDIO SINES - Oszillatorstrang
CHERRY AUDIO SINES – Oszillatorstrang

Die nachfolgenden sechs Waveshaping-Regler, die sich ebenfalls allesamt durch diverse Modulationsquellen beeinflussen lassen, dienen dazu, die simple Sinuswelle gehörig zu verbiegen, um dadurch eine obertonreiche Wellenform zu gewinnen. Alle diese Veränderungen der ursprünglichen Sinuswelle werden übrigens sehr anschaulich mittels des kleinen Oszilloskops visualisiert, mit dem jeder Oszillatorstrang ausgestattet ist.

FEEDBACK führt das Signal in einer Schleife wieder zurück in den Oszillatorpfad und vermag den Sinus bei höheren Reglerwerten zunehmend zu einer Sägezahnwelle umzuformen.

PHASE verschiebt die Phasenlage der Wellenform, was bei einem einzelnen Oszillator zunächst einmal keine klanglichen Auswirkungen hat, jedoch im Zusammenspiel mehrerer OSCs teils drastische Klangänderungen zur Folge hat.

WIDTH verändert die Weite der Wellenform, ähnelt somit einer herkömmlichen Pulsweitenregelung, ohne aber dabei nur auf Pulswellen beschränkt zu sein.

SHAPE gibt der Kurvenform je nach Drehrichtung entweder einen logarithmischen oder einen exponentiellen Verlauf.

WAVEFOLD faltet die Wellenform an einem bestimmbaren Einsatzpunkt in sich zusammen und generiert somit komplexe Obertöne.

DRIVE übersteuert die Wellenform und ist unter anderem in der Lage, aus der Sinuswelle durch Clipping einen Rechteck zu erzeugen.

Jeder OSC verfügt zusätzlich noch über einen SUPER OSC und einen SUB OSC, die jeweils eine Oktave über bzw. unter der Grundnote mitschwingen. Sie werden durch die gerade beschriebenen Waveshaping-Parameter nicht beeinflusst und geben daher stets reine Sinuswellen aus.

Abschließend besitzt jeder Oszillator die Möglichkeit, vom nachgeschalteten Filter unbehelligt zu bleiben, solo abgehört und in Lautstärke und Panorama beeinflusst zu werden. Zudem lassen sich via UTILITY-Menü die Einstellungen von einem OSC auf einen anderen übertragen.

CHERRY AUDIO nennt drei verschiedene Syntheseformen, zu denen die vier Oszillatorstränge herangezogen werden können. Zunächst einmal ist damit eine einfache Form der additiven Synthese möglich, nämlich indem man die Sinuswellen aller vier Oszillatoren plus ihrer jeweiligen SUPER und SUB OSCs schichtet.

Die mit Hilfe der Waveshaper erzeugten mehr oder minder komplexen Wellenformen der einzelnen Oszillatoren lassen sich auch parallel durch das Filter nachbearbeiten, was der klassischen subtraktiven Synthese entspricht, mit der die meisten Synthesizer arbeiten.

Die dritte Möglichkeit besteht darin, die vier Oszillatoren über die Modulationsmatrix miteinander interagieren zu lassen. Dann wird aus dem SINES ein waschechter FM-Synthesizer mit vier Operatoren. SINES beherrscht dabei sowohl die echte Frequenzmodulation als auch die bei den bekannten FM-Synthesizern von YAMAHA eigentlich zum Einsatz kommende Phasenmodulation. CHERRY AUDIO stellt dazu extra passende, als Ausgangspunkt dienende Presets bereit, mit denen sämtliche acht Algorithmen der damaligen 4-Operatoren-FM-Synths auf einfache Weise nachgestellt werden können. Diese Arbeit muss man sich also nicht selbst in der Modulationsmatrix machen.


Kosinus…

SINES besitzt nicht nur vier Oszillatoren, sondern auch ebenso viele LFOs und Hüllkurven. Die LFOs lassen sich bei Bedarf zum Host-Tempo synchronisieren, ihre Geschwindigkeit reicht von 0,01 Hz bis 30 Hz bzw. von 8 Taktschlägen bis hin zu einer 64tel Triole.

CHERRY AUDIO SINES - LFO
CHERRY AUDIO SINES – LFO

Die LFOs können nicht nur zyklisch, sondern mittels ONE SHOT-Funktion auch nach Art einer Hüllkurve lediglich ein einziges Mal abgefeuert werden. Der BIAS-Parameter legt fest, ob die LFO-Welle bipolar (negative UND positive Wertebereiche) oder nur unipolar (negative ODER positive Wertebereiche) durchlaufen soll.

CHERRY AUDIO SINES - LFO-Wellenformen
CHERRY AUDIO SINES – LFO-Wellenformen

Jeder LFO kann auf einen Vorrat von vierzehn Wellenformen zurückgreifen, darunter finden sich neben verschiedenen Variationen von auf- und absteigenden Sägezähnen auch Sinus, Dreieck, Rechteck und zufällige Modulation (RANDOM).

CHERRY AUDIO SINES - Hüllkurven
CHERRY AUDIO SINES – Hüllkurven

Von den vier Hüllkurven ist je eine fest dem Filter und dem Verstärker zugeordnet, über die Modulationsmatrix lassen sich diese beiden aber ebenso wie die Hüllkurven 3 und 4 auch anderen Zielen zuweisen.

Alle Hüllkurven außer der für den Verstärker verfügen neben einer klassischen ADSR-Parametrisierung auch noch über einen zusätzlichen DELAY-Regler, mit dem sich der Einsatz der jeweiligen Hüllkurve verzögern lässt (beim Verstärker macht die keinen Sinn, da man sonst nach einem Tastenanschlag ja erst mal gar nichts hören würde…). Jede Hüllkurve lässt sich zudem via Anschlagsdynamik in ihrer Intensität steuern.


Filterkartusche…

Wenngleich die Oszillatoren ob ihrer Struktur und ihren Möglichkeiten des Zusammenspiels (Stichwort FM-Synthese) nicht unbedingt eines Filters bedürfen, hat CHERRY AUDIO auf ein solches nicht verzichtet. Zum einen wird damit auch eine subtraktive Synthese ermöglicht, zum anderen können auch FM-Sound durchaus von einem nachgeschalteten Filter profitieren.

CHERRY AUDIO SINES - Filter
CHERRY AUDIO SINES – Filter

Das Filter in SINES wurde als resonanzfähiges Multimode-Filter implementiert. Die Grenzfrequenz ist nicht nur manuell regelbar, sondern lässt sich auch durch eine Modulationsquelle beeinflussen. Da hierzu auch einer der vier Oszillatoren infrage kommen kann, steht Filter-FM ebenfalls auf der Speisekarte des SINES. Zudem lässt sich der Einfluss der Hüllkurve (ENV AMT) auf die Grenzfrequenz einstellen, ebenso wie der der gespielten Keyboardtaste bzw. Notennummer (TRACKING).

CHERRY AUDIO SINES - Filtertypen
CHERRY AUDIO SINES – Filtertypen

An Filtertypen bietet SINES vier verschiedene Tiefpässe mit Flankensteilheiten von 6 dB pro Oktave bis hin zu 24 dB pro Oktave, Hochpass und Bandpass mit jeweils 12 dB pro Oktave sowie eine Bandsperre (NOTCH).


Matrix Reloaded…

Das Modulationssystem ist bei SINES zweigeteilt. Einerseits verfügen viele der Klangparameter bereits über eigene Menüs zur Auswahl einer Modulationsquelle (SRC) nebst einem bipolaren Intensitätsregler, andererseits lassen sich Modulationszuweisungen in der separaten MOD MATRIX vornehmen.

CHERRY AUDIO SINES - Modulations-Matrix
CHERRY AUDIO SINES – Modulations-Matrix

In dieser stehen vier Slots zur Verfügung, in denen die gewünschte Modulationsquelle, eine sogenannte VIA MOD SOURCE und das Modulationsziel (DEST) festgelegt werden. VIA beeinflusst hierbei nicht das eigentliche Modulationsziel, sondern vielmehr dynamisch die Intensität der Modulationsquelle. Beispielsweise kann damit die Intensität eines LFOs über das Modulationsrad gesteuert oder eine Hüllkurve zur Steuerung der Phasenmodulation eingesetzt werden usw.

CHERRY AUDIO SINES - Modulationsquellen
CHERRY AUDIO SINES – Modulationsquellen

Die Auswahl ist bei den Modulationsquellen und den besagten Via Mod Sources identisch, neben den jeweils vier LFOs, Hüllkurven und Oszillatoren stehen unter KEYBOARD auch zahlreiche MIDI-Parameter (z.B. Anschlagsdynamik, Aftertouch, Notennummer, Pitch- und Modulationsrad sowie Arpeggiator) parat, zudem gibt es mit weißem und rosa Rauschen und diversen virtuellen Spannungen (DC) noch weitere Signalquellen.

CHERRY AUDIO SINES - Modulationsziele
CHERRY AUDIO SINES – Modulationsziele

Die Liste der zur Verfügung stehenden Modulationsziele ist sogar noch länger und umfasst neben den meisten Syntheseparametern auch alle Parameter der nachfolgend beschriebenen Effekt-Sektion, die damit dynamisch in die Klanggestaltung einbezogen werden können.


Feuchthaltemittel…

Die Effekt-Sektion bietet die fünf Module DIST, MOD FX, DELAY, REVERB und EQ, die alle separat voneinander aktiviert und deaktiviert werden können.

DIST(ortion) kann mit vier Algorithmen für Verzerrungszwecke aufwarten, als da wären TUBE, GRUNGE, FUZZ und SAMPLE CRUSH. Sie unterscheiden sich klanglich durch den Grad ihrer Aggressivität. Die Regelmöglichkeiten umfassen DRIVE, TONE und LEVEL.

MOD FX stellt die Modulationseffekte CHORUS, FLANGER, PHASER und ROTARY SPEAKER (landläufig auch als „Leslie“ bekannt) bereit. Bei allen vieren kann die Geschwindigkeit und die Intensität eingestellt werden, beim FLANGER und beim PHASER darüber hinaus auch noch die Rückkopplungsstärke (FEEDBACK).

CHERRY AUDIO SINES - Effekte
CHERRY AUDIO SINES – Effekte

Das DELAY kennt die drei Arten STEREO, PING PONG und TAPE, erlaubt Verzögerungszeiten von 1 bis 2000 Millisekunden, kann zum Host-Tempo synchronisiert werden und bietet neben einer Höhendämpfung (DAMP) auch einen SPREAD-Regler, mit dem ein Versatz zwischen den beiden Stereo-Kanälen erzeugt wird.

Das REVERB besitzt die vier Algorithmen SPRING, ROOM, PLATE, HALL und GALACTIC. Den Letztgenannten hat CHERRY AUDIO ja auch schon als separates Plugin veröffentlicht. Die einstellbaren Parameter sind Abklingzeit (DECAY), Höhendämpfung (DAMP) und MIX.

Der EQ ist ein Graphic-Equalizer mit acht Bändern (100 Hz, 200 Hz, 400 Hz, 800Hz, 1600 Hz, 3200 Hz, 6400 Hz und 12800 Hz), die jeweils um bis zu 12 dB angehoben oder abgesenkt werden können.

Von ihrer Klangqualität her entsprechen diese Effekte dem üblichen CHERRY AUDIO-Standard, bewegen sich also zwischen „durchaus brauchbar“ und „sehr gut“. Gegenüber externen Effekt-Plugins bieten sie den großen Vorteil, dass sie auch in die Modulationsmatrix des SINES miteinbezogen werden können.

Bruchrechnung…

SINES hat auch einen einfachen Arpeggiator an Bord. Dieser kann entweder in einem manuell einstellbaren Geschwindigkeitsbereich von 0,25 Hz bis 30 Hz oder aber synchron zum Host-Tempo (64tel Triole bis 8 Taktschläge) laufen. Der Oktavbereich ist ebenfalls einstellbar.

CHERRY AUDIO SINES - Arpeggiator
CHERRY AUDIO SINES – Arpeggiator

Es gibt fünf Abspielmodi: aufwärts, abwärts, alterierend auf- und abwärts, in der Reihenfolge der angeschlagenen Keyboardtasten und nach einem zufälligen Muster. Dank des HOLD-Schalters kann das Arpeggio auch nach dem Loslassen der Tasten weiterspielen.


Stimmenfang…

Wie die meisten Synthesizer von CHERRY AUDIO, zumindest die polyphonen, bietet auch SINES verschiedene Optionen bezüglich des Umgangs mit den zur Verfügung stehenden Stimmen. Die Polyphonie kann bei SINES in einem Bereich von zwei bis sechzehn Stimmen eingestellt werden. Mehr Stimmen gleichzeitig bedingen aber natürlich auch eine höhere Auslastung des Rechners.

CHERRY AUDIO SINES -Stimmenzuweisung
CHERRY AUDIO SINES -Stimmenzuweisung

Neben zwei polyphonen Modi (von denen einer für das Spielen mit aktivierter GLIDE-Funktion prädestiniert ist), existieren auch zwei monophone Betriebsarten mit einstellbarer Notenpriorität. S(i)NGL(e) lässt dabei tatsächlich nur eine einzelne Stimme ertönen, während UNI(sono) die maximal zur Verfügung stehenden Stimmen schichtet, mit der Möglichkeit, sie gegeneinander zu verstimmen. Mit MULTI TRIGGER lässt sich ein- oder ausschalten, ob die Hüllkurven in den monophonen Modi auch beim Legato-Spiel bei jedem Tastenanschlag erneut getriggert werden.

Auch eine CHORD MEMORY-Funktion ist wieder mit an Bord. Hiermit lassen sich über das angeschlossene Keyboard beliebige Intervalle und Akkorde definieren, die dann mit nur einer einzige Taste abgespielt werden können.


Restwert…

In der MASTER-Sektion schließlich kann man nicht nur die Gesamtlautstärke regeln und anhand einer virtuellen LED-Kette ablesen, sondern bei Bedarf auch noch mit einem zuschaltbaren LIMITER begrenzen, um Übersteuerungen am Ausgang zu verhindern.

CHERRY AUDIO SINES - Master-Sektion
CHERRY AUDIO SINES – Master-Sektion

Darüber hinaus lässt sich die globale Stimmung (PITCH) des Patches einstellen, ebenso ist eine DRIFT-Funktion vorhanden, die bei dezentem Einsatz für etwas mehr analogen Charakter sorgt, indem die Frequenzen von Oszillatoren und Filter mit zufälligen Abweichungen versehen werden.


Sinustachykardie…

SINES klingt definitiv anders als die übrigen Synthesizer-Plugins, die CHERRY AUDIO so zu bieten hat. Er verfügt über deutlich mehr Härte und Ecken im Sound, und bei Bedarf weist er Dank seiner FM-Fähigkeiten auch ein gehöriges Maß an Aggressivität auf. EBM-Jünger dürften hier also ohne Frage auf ihre Kosten kommen. Manches geht auch ein wenig in Richtung der alten PD-Boliden von CASIO und bisweilen erinnert der Klang an einschlägige Wavetable-Synths. SINES ist aber längst nicht nur auf aggressives Klanggut beschränkt, er hat durchaus auch eher sphärische Töne und sogar diverse Brot-und-Butter-Klänge drauf, doch ist bei diesen weitestgehend ihre digitale Natur erkennbar. Und das ist keineswegs als Nachteil zu werten, da SINES somit zu einem guten Kontrastmittel im Zusammenspiel mit analogen oder analogartigen Klangerzeugern wird.

Beim nun folgenden Klangbeispiel in Form eines kleinen Tracks waren 19 Instanzen des SINES beteiligt und haben dabei neben allem anderen auch für die Drumsounds gesorgt:

Klangbeispiel: CHERRY AUDIO SINES

Zusätzliche Plugins oder die Equalizer des DAW-Mixers u.ä. fanden keine Verwendung, dafür jedoch hier und da Lautstärke- und Panorama-Automation. Angesichts dessen ist es doch erstaunlich, wie viel Druck SINES auch ohne den Einsatz nachgeschalteter Compressor-Plugins zu entwickeln zu vermag.


Fazit CHERRY AUDIO SINES:

Mit SINES hat CHERRY AUDIO endlich wieder mal ein Synthesizer-Plugin im Angebot, das keinen Vintage-Synthesizer nachbildet, sondern auf eigenen Beinen steht. Das Konzept, zur Erzeugung der Klängen ausschließlich auf Sinuswellen zu setzen, die dann zu komplexeren Wellengebilden verbogen werden können, ist interessant und nach relativ kurzer Einarbeitungszeit auch ohne abgeschlossenes Physikstudium nachvollziehbar.

Dass SINES ganz nebenbei auch die Klangpalette der alten 4-Operatoren-FM-Synthies problemlos nachzubilden vermag (allerdings deutlich sauberer!), ist ein nettes Zusatzmerkmal, stellt hier aber noch lange nicht das Ende der Fahnenstange dar, da seine Fähigkeiten deutlich darüber hinaus gehen.

Mein hauptsächlicher Kritikpunkt an SINES betrifft die Bedienoberfläche, genauer gesagt deren Farbgestaltung, die mit ihrem eintönigen Blau und dem oberheimschen Nadelstreifen-Look nicht gerade zur Übersichtlichkeit beiträgt. Eine alternative Skin mit farbcodierten Sektionen könnte hier jedoch einfache Abhilfe schaffen.

SINES kommt wieder mit einem (vermutlich permanenten) Einführungspreis, der 39,- US-Dollar (das entspricht momentan etwa 40,- Euro) beträgt, der reguläre Listenpreis wird hingegen mit 59,- US-Dollar (rund 60,- Euro) angegeben. Wie immer ist eine 30 Tage lang lauffähige Demoversion verfügbar und bietet sich vor einem Kauf an.


Positives:

+ guter und druckvoller Grundklang
+ flexible Synthesemöglichkeiten
+ Arpeggiator
+ brauchbare Effekt-Sektion
+ umfangreiche MIDI-Learn-Sektion
+ geringe CPU-Anforderungen
+ günstiger Verkaufspreis

Negatives:

– keine Offline-Aktivierung bzw. -Installation möglich
– aufgrund der Farbgebung etwas unübersichtliche Bedienoberfläche


Produktwebseite:

https://cherryaudio.com/products/sines

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