Testbericht: CHERRY AUDIO YELLOWJACKET – Wespenkönigin

Ein Testbericht von Perry Staltic,
veröffentlicht am 13.05.2025

Tja, da will ich CHERRY AUDIO nun schon seit einiger Zeit vorschlagen, doch mal eine Emulation des EDP WASP herauszubringen, und noch bevor ich dazu komme, hat die Softwareschmiede aus Kalifornien mit dem YELLOWJACKET genau eine solche am Start. Etwa Gedankenübertragung…?


Echte Wespen…

Der WASP stammt ursprünglich aus England, wo er im Jahre 1979 von einem gewissen Chris Huggett gemeinsam mit Adrian Wagner ersonnen und unter dem Firmennamen ELECTRONIC DREAM PLANT, kurz EDP, veröffentlicht wurde.

Synthesizer-Aficionados wissen natürlich, dass uns eben jener Chris Huggett später noch eine ganze Reihe an coolen Instrumenten bescheren sollte, etwa den OSC OSCAR sowie die NOVATION-Synthesizer BASSSTATION, SUPERNOVA, PEAK und SUMMIT, in denen allen ein wenig der WASP-DNA steckt.

Auch an der Entwicklung des damals sehr verbreiteten Sampler AKAI S1000 und dessen Nachfolger war er beteiligt, und auch an den MIDI-Controllern der REMOTE-Serie von NOVATION hat er mitgearbeitet. Leider ist der gute Mann bereits 2020 verstorben.

EDP WASP
EDP WASP

Zurück zum EDP WASP. Dieser sollte damals als sehr kostengünstiges Instrument auf den Markt gebracht werden, aus diesem Grund musste man bei den verwendeten Komponenten und der technischen Umsetzung auch allerlei Kompromisse eingehen, um den angestrebten Verkaufspreis von 199,- Britischen Pfund erreichen zu können.

So wurden etwa die Oszillatoren mit Hilfe preiswerter Chiptechnik realisiert, der WASP hat somit also tatsächlich digitale Oszillatoren und nicht etwa VCOs. Auch an anderer Stelle hat man ungewöhnliche, aber kostengünstige Schaltungskonzepte und digitale Bausteine eingesetzt. Dies alles zusammen sorgt dann auch für den speziellen Sound des WASP.

Das wenig vertrauenerweckende Gehäuse und die Sensortastatur sind ebenfalls dem Kostenfaktor geschuldet. Der Name WASP („Wespe“) leitet sich von deren charakteristischer Farbgebung ab.

EDP WASP DELUXE
EDP WASP DELUXE

Später erschien dann auch noch eine teurere Variante namens WASP DELUXE, die über ein stabileres Gehäuse, ein richtiges Keyboard und ein paar zusätzliche Regler verfügte. Diese Version ist heutzutage allerdings eine echte Rarität.

EDP GNAT
EDP GNAT

Die Wespe erhielt auch noch eine kleine Schwester namens GNAT („Stechmücke“), die mit noch weniger Parametern und nur nur einem Oszillator auskommen musste, der dafür aber eine zusätzliche Schwingungsform mit integrierter Pulsweitenmodulation bot (ENH).

EDP WASP Werbung
EDP WASP Werbung

Weitere Produkte aus dem Hause ELECTRONIC DREAM PLANT stellten ein SPIDER („Spinne“) getaufter digitaler Sequencer sowie das Masterkeyboard CATERPILLAR („Raupe“) dar, welches zur Steuerung von vier verkoppelten WASP-Synthesizern gedacht war. 1982 musste EDP dann aufgrund finanzieller Schieflage wieder seine Pforten schließen. Der bereits vorher ausgestiegene Chris Huggett gründete ein Jahr später die OXFORD SYNTHESIZER COMPANY (OSC), die den OSCAR entwickelte.

Der WASP ist auf so mancher Musikproduktion jener Zeit zu hören, zu seinen Anwendern zählten unter anderem Click Click, Duran Duran, The Stranglers oder Dave Stewart.

Wer heutzutage den nach wie vor sehr coolen Sound des WASP haben möchte, aber nicht auf ein altes Original zurückgreifen kann oder möchte, dem bieten sich diverse Alternativen in Form von teilweisen oder kompletten Nachbauten, etwa von BEHRINGER, DOEPFER oder dem DIY-Projekt JASPER.

Als Software existierte bisher nur ein wenig überzeugendes Plugin namens daHORNET, darüber hinaus das virtuelle Modul BEEWOLF von NRGZR78 für CHERRY AUDIO’s VOLTAGE MODULAR, das seinerseits eine Emulation des BEHRINGER WASP DELUXE darstellt (die Nachahmung einer Nachahmung…) und ansonsten nichts mit dem neuen YELLOWJACKET zu tun hat, der von CHERRY AUDIO komplett selbst entwickelt wurde.

YELLOWJACKET ist übrigens der im amerikanischen Englisch gebräuchliche Ausdruck für Wespe (und der Antagonist im ersten Antman-Film…).


Encore une fois…

Wer die Plugins von CHERRY AUDIO kennt oder welche davon besitzt, der kann den folgenden Abschnitt mal wieder getrost überspringen, da ihm hier nichts Unbekanntes offenbart wird.

YELLOWJACKET ist eine 64-Bit-Software für WINDOWS 7 bis 11 und macOS ab Version 10.13 aufwärts. APPLE’s M-Prozessoren werden nativ unterstützt (muss man das heutzutage eigentlich immer noch extra erwähnen…?).

Es gibt wieder eine Standalone-Version und darüber hinaus die Plugin-Formate VST2, VST3, AAX sowie AU. Auf meinem Studiorechner (CPU i7-4790K mit 4 x 4,0 GHz, 16 GB RAM) läuft noch WINDOWS 10, daher habe ich auch nur die VST-Varianten installiert und getestet (habe kein PRO TOOLS für das AAX-Format).

CHERRY AUDIO YELLOWJACKET - Installation benötigt Internetzugriff
CHERRY AUDIO YELLOWJACKET – Installation benötigt Internetzugriff

Schon für den Abschluss der Installation wird temporär eine Internetverbindung benötigt, weil bei diesem Vorgang noch Daten nachgeladen werden, beispielsweise zur Aktualisierung der Presets. Auch die anschließende Freischaltung des Plugins funktioniert nicht ohne Internet, da keine Offline-Aktivierung als Alternative angeboten wird. Stattdessen werden die Anmeldedaten, welche man auch für seinen Account bei CHERRY AUDIO nutzt, eingegeben und dann mit dem Server abgeglichen. Sobald dies erfolgreich absolviert wurde, kann der Rechner wieder vom Netz genommen werden, falls er nicht sowieso immer online ist (meiner ist das jedenfalls nicht…).

CHERRY AUDIO YELLOWJACKET
CHERRY AUDIO YELLOWJACKET

Bei der Optik der Bedienoberfläche hat CHERRY AUDIO sich einmal mehr stark vom Original inspirieren lassen, weicht aber in einigen Punkten auch erkennbar davon ab. Und auch beim YELLOWJACKET hat der GUI-Designer wieder mal seinen Hang zum Skeuomorphismus ausleben dürfen, was sich nicht zuletzt in der von mir eigentlich ungeliebten Pseudo-3D-Darstellung inklusive perspektivischer Verzerrung und virtuellen Schattenwürfen widerspiegelt. Zum Glück wirkt sich das in diesem Fall aber nicht wirklich negativ auf die Ergonomie aus.

Ansonsten ist die Bedienoberfläche wie immer skalierbar, entweder frei durch Ziehen mit der Maus oder in festen Stufen mittels Zoom-Menü.

CHERRY AUDIO YELLOWJACKET - ausgeblendetes Keyboard
CHERRY AUDIO YELLOWJACKET – ausgeblendetes Keyboard

Das virtuelle Keyboard im unteren Bereich des YELLOWJACKET soll auf einem geeigneten Touchscreen, wie beispielsweise dem des SURFACE PRO, ein ähnliches Spiel erlauben, wie damals die Sensortastatur des WASP. Wer so etwas nicht braucht, der kann es einfach ausblenden und spart damit ein gutes Stück Platz auf dem Bildschirm.

CHERRY AUDIO YELLOWJACKET - Focus
CHERRY AUDIO YELLOWJACKET – Focus

Mithilfe der FOCUS-Funktion lässt sich ein wählbarer Ausschnitt der Bedienoberfläche in vergrößerter und fensterfüllender Form anzeigen, was insbesondere auf kleineren Bildschirmen oder auch bei sehr hohen Auflösungen hilfreich sein kann. Hier der dazu passende Tastatur-Shortcut: Bei gedrückter STRG-Taste (WINDOWS) bzw. CMD-Taste (macOS) ins GUI klicken, ein zweites Mal lässt einen dann wieder zur normalen Ansicht zurückkehren.

CHERRY AUDIO YELLOWJACKET - MIDI Learn
CHERRY AUDIO YELLOWJACKET – MIDI Learn

Die Optionen zur Steuerung des Plugins mittels eines MIDI-Controllers fallen auch beim YELLOWJACKET ausgesprochen großzügig aus. So lassen sich die Bedienelemente des bevorzugten Controllers wieder sehr flott und komfortabel über die integrierte Lernfunktion mit den gewünschten Parametern des Plugins verknüpfen. Derartige Mappings lassen sich jederzeit anpassen und verändern.

Zum Beispiel können für jeden Parameter eigene minimale und maximale Werte festgelegt werden und die Regelkurven lassen bei Bedarf auch flexible logarithmische oder exponentielle Verläufe zu. Man kann selbst bestimmen, ob die hier vorgenommenen Anpassungen nur für das aktuelle Preset oder global für das gesamte Plugin gelten sollen.

Darüber hinaus lässt sich YELLOWJACKET natürlich auch über die Parameter-Automation der DAW fernsteuern, und eine Bedienung der virtuellen Regler via Mausrad funktioniert ebenfalls.

Erwähnenswert sind noch die UNDO- und REDO-Funktionen, mit denen man irrtümliche Parameteränderungen rückgängig machen oder zwei alternative Einstellungen unkompliziert miteinander vergleichen kann.

CHERRY AUDIO YELLOWJACKET - QWERTY Keyboard
CHERRY AUDIO YELLOWJACKET – QWERTY Keyboard

Zu jedem Instrument von CHERRY AUDIO gehört auch das sogenannte QWERTY KEYBOARD. Dabei handelt es sich um eine virtuelle Klaviatur, die sowohl mit der Maus als auch mit der alphanumerischen Tastatur des Rechners bedient werden kann und die ein Spielen des YELLOWJACKET auch dann erlaubt, wenn man gerade mal kein MIDI-Keyboard zur Hand hat.

CHERRY AUDIO YELLOWJACKET - Settings
CHERRY AUDIO YELLOWJACKET – Settings

Die Grundeinstellungen werden im dreigeteilten Settings-Menü vorgenommen. Dazu zählen unter anderem die Optionen für die Bedienoberfläche, die Account-Daten, der Speicherort für die Presets, aber auch, wie mit eventuell verfügbaren Updates verfahren werden soll.

CHERRY AUDIO YELLOWJACKET - Preset-Browser
CHERRY AUDIO YELLOWJACKET – Preset-Browser

Der Preset-Browser folgt ebenfalls dem Standard von CHERRY AUDIO und verfügt über zahlreiche themenbezogene Kategorien und bietet eine Suchfunktion sowie eine gesonderte Favoritenliste, in der man seine persönlichen Lieblings-Presets beisammen halten kann. Mittels der über das Pinnwandnadelsymbol aktivierbaren Pin-Funktion lässt sich das Fenster zum bequemeren Sound-Browsen (das übrigens sowohl mit der Maus als auch mit den Cursortasten funktioniert) geöffnet halten (ansonsten schließt es sofort wieder nach der Auswahl eines Presets).

CHERRY AUDIO YELLOWJACKET - Oversampling Quality
CHERRY AUDIO YELLOWJACKET – Oversampling Quality

Mit dem kleinen Q-Symbol öffnet man ein Pulldown-Menü zur Einstellung der Oversampling-Qualität. Diese bietet vier Stufen (1x bis 4x), sobald man etwas anderes als 1x (normale Qualität) ausgewählt hat, wird das Q zur Erinnerung gelb hinterlegt. Je höher die Qualitätsstufe, desto höher fällt logischerweise auch die CPU-Belastung aus.


Wespenbau…

Der EDP WASP ist ja hinsichtlich seiner Parameteranzahl eher übersichtlich ausgestattet, und YELLOWJACKET ist dies folglich ebenfalls. CHERRY AUDIO hat es sich aber nicht nehmen lassen, hier und dort wieder einmal sinnvolle Ergänzungen vorzunehmen.

CHERRY AUDIO YELLOWJACKET - Synthese-Parameter
CHERRY AUDIO YELLOWJACKET – Synthese-Parameter

Das fängt schon bei den Oszillatoren an, die gegenüber dem EDP WASP neben den beiden Schwingungsformen Sägezahn und Rechteck (Letztere hier nicht nur mit regelbarer Pulsweite bei OSC 1, sondern zusätzlich einer einstellbaren Pulsbreitenmodulation), auch noch die sogenannte ENH(anced)-Welle des GNAT spendiert bekommen haben. Dabei handelt es sich um eine Rechteckwelle mit unveränderlich eingestellter Pulsbreitenmodulation (beim GNAT damals dazu gedacht, den Klang des nur einzigen Oszillators ein wenig anzudicken).

Zudem können beide Oszillatoren miteinander synchronisiert werden, das gab es beim Original ebenfalls nicht.

CHERRY AUDIO YELLOWJACKET - Oszillatoren
CHERRY AUDIO YELLOWJACKET – Oszillatoren

Übrigens, bei meinem Nachbau von BEHRINGER hatte ich mich immer gewundert, dass dort der Pitch-Regler des zweiten Oszillators nicht etwa in der 12-Uhr-Stellung die gleiche Tonhöhe wie bei OSC 1 ermöglicht (so, wie man es erwarten würde), sondern eher bei einer Stellung zwischen 2 und 3 Uhr.

Ich hatte bisher immer angenommen, dass es sich dabei einfach um eine schlampige Kalibrierung ab Werk handele, bis mir beim YELLOWJACKET auffiel, dass dies dort ebenso der Fall ist (siehe weißer Pfeil im obigen Screenshot). Ich habe daraufhin mal eine Onlinebekanntschaft konsultiert, die einen originalen WASP besitzt, und siehe da, auch dort erhält man eine schwebungsfreie Gleichstimmung beider Oszillatoren erst bei dieser Reglerposition. Man hat somit nach links einen deutlich größeren Regelweg zur Verfügung (10 Halbtöne) als nach rechts (4 Halbtöne).

Vom WASP DELUXE hat CHERRY AUDIO die Mixer-Sektion, die beim normalen Modell nicht existierte, übernommen. Hier lässt sich der Pegel beider Oszillatoren sowie des zusätzlichen Rauschgenerators einstellen.

Der sogenannte Control Oscillator, der nichts anderes als ein LFO darstellt, wurde ebenfalls aufgebohrt. Er bietet wie das Original fünf Schwingungsformen inklusive Noise und Random, kann aber nicht nur die Tonhöhe und die Filterfrequenz modulieren, sondern auch die Lautstärke. Darüber hinaus lässt er sich zum Host-Tempo synchronisieren und man kann einstellen, ob er mit jedem Tastenanschlag erneut starten oder wie beim WASP frei durchlaufen soll. Das Modulationsrad kann bei Bedarf die Modulationsintensität steuern.

Das Filter orientiert sich ausstattungsmäßig an seinem Vorbild und verfügt über die vier Charakteristika Tiefpass, Bandpass, Notch und Hochpass. Die Flankensteilheit beträgt 12 dB pro Oktave. Einstellbar sind Frequenz (Cutoff) und Resonanz (Q), Letztere reicht bis zur Selbstoszillation. Wie beim WASP gibt es kein einstellbares Keyboard-Tracking, dieses ist vielmehr immer aktiv.

Bei den beiden Hüllkurven hat CHERRY AUDIO wiederum diverse Extras eingebaut. Ihre Intensität lässt sich beim YELLOWJACKET via Anschlagsdynamik steuern. Die Lautstärkehüllkurve (VCA ENV.) hat einen zusätzlichen Release-Parameter erhalten.

Außerdem verfügt sie ebenso wie die Filterhüllkurve (CONTROL ENV.) über eine unabhängige und bei Bedarf zum Host-Tempo synchronisierbare Geschwindigkeitsregelung für die (übrigens nicht alltägliche) Repeat-Funktion, mittels derer die Attack- und die Decay-Phasen beider Hüllkurven bei Nullstellung des Sustain-Reglers in einer Dauerschleife wiederholt werden. Beim Original hingegen wird die Geschwindigkeit immer vom LFO bestimmt.

Die Regelkurve der Attack-Phase lässt sich für beide Hüllkurven gemeinsam auch in Richtung exponentiell oder logarithmisch verbiegen (beim WASP ist sie stets linear).

Ausgangsseitig gibt es schließlich noch je einen Regler für Lautstärke, Panorama und Gesamtstimmung sowie einen zuschaltbaren Limiter ohne weitere Regelmöglichkeiten.


Stimmenauszählung…

Einer der grundlegendsten Unterschiede zwischen dem WASP und dem YELLOWJACKET besteht darin, dass der WASP ein monophoner Synthesizer ist, während der YELLOWJACKET auch mehrstimmig spielbar ist.

CHERRY AUDIO YELLOWJACKET - Stimmenzuweisung
CHERRY AUDIO YELLOWJACKET – Stimmenzuweisung

Auf der linken Seite der Bedienoberfläche befinden sich die entsprechenden Einstellmöglichkeiten. Es existieren verschiedene Modi für die Stimmenzuweisung. MONO entspricht dabei dem Verhalten der Hardware, es ist damit lediglich einstimmiges Spielen möglich. Bei allen anderen Modi hat man die Auswahl zwischen simultanen vier, acht, oder gar sechzehn Stimmen. Diese lassen sich für Unisono-Schichttorten (mit einstellbarer Verstimmung) polyphones Spiel oder den sogenannten Cycle-Modus (Round-Robin-Zuweisung) nutzen.

CHERRY AUDIO YELLOWJACKET - Multi-Voice-Modi
CHERRY AUDIO YELLOWJACKET – Multi-Voice-Modi

Von den drei letztgenannten Modi existiert auch jeweils noch eine Multi-Variante. Wenn man eine dieser auswählt, werden im unteren Bereich der Bedienoberfläche drei ansonsten verborgene Panels sichtbar, die einige zusätzliche Stellschrauben bereithalten.

CHERRY AUDIO YELLOWJACKET - Multi Voice Panels
CHERRY AUDIO YELLOWJACKET – Multi Voice Panels

Diese drei Multi Voice Panels sind allesamt identisch ausgestattet und erlauben für die Stimmen zwei bis vier die Definierung negativer und positiver Offsets diverser Parameter in Abhängigkeit von den Einstellungen für die erste Stimme mit den normalen Reglern darüber. Die hierbei verfügbaren Parameter sind Tonhöhe, Panorama, Filterfrequenz, VCA Attack und VCA Release.

Auf diese Weise lassen sich bei jeder neu angespielten Stimme subtile bis deutliche Abweichungen im Klanggeschehen erzielen. Wenn man YELLOWJACKET auf vier Stimmen eingestellt hat, werden diese also jeweils etwas anders klingen. Bei acht oder sechzehn Stimmen folgen diese weiterhin der Viererreihe, soll heißen, dass die Stimmen 5, 9 und 13 die Einstellungen der ersten Stimme übernehmen, die Stimmen 6, 10 und 14 die Offsets der zweiten Stimme usw.

Man kann sich leicht vorstellen, wie lebendig man das Klangbild beim YELLOWJACKET mithilfe dieser Offsets gestalten kann. Beim originalen WASP (wie auch beim Nachbau von BEHRINGER) müsste man dazu erst mal mehrere Geräte besitzen und diese dann mittels Polychain-Funktion verkoppeln.


Tastsinn…

Ein paar Worte noch zum virtuellen Keyboard des YELLOWJACKET. Weiter oben hatte ich ja schon erwähnt, dass dieses allenfalls für Nutzer eines SURFACE PRO oder eines vergleichbaren Geräts von Interesse sein könne, während die meisten anderen Anwender es ausblenden dürften.

CHERRY AUDIO YELLOWJACKET - Keyboard-Skalen
CHERRY AUDIO YELLOWJACKET – Keyboard-Skalen

Nun, einen weiteren Zweck hat dies Keyboard durchaus noch. Wenn man nämlich eine der zahlreichen verfügbaren Skalen auswählt, dann wird diese jeweils auch inklusive der Notenwerte auf dem Keyboard dargestellt (siehe Screenshot oben).

CHERRY AUDIO YELLOWJACKET - Keyboard Pressure
CHERRY AUDIO YELLOWJACKET – Keyboard Pressure

Auch noch nicht erwähnt habe ich die Keyboard Pressure benannte Sektion rechts neben den Multi Voice Panels. Hier hat man die Möglichkeit, die Intensität einzustellen, mit der verschiedene Parameter durch Aftertouch beeinflusst werden können. Sowohl negative als auch positive Werte sind hierbei möglich.

Neben Lautstärke, Tonhöhe (im Bereich bis zu zwei Halbtönen kontinuierlich, darüber hinaus in Halbtonschritten quantisiert), Filterfrequenz und LFO-Intensität gibt es noch einen frei definierbaren Parameter, der aus einem Menü ausgewählt werden kann (29 verschiedene stehen hier bereit, inklusive denen aus der Effektsektion). Darüber hinaus kann auch die Intensität des integrierten Reverb-Effekts mittels Aftertouch gesteuert werden.


Seitenwechsel…

Rechts oben finden wir zwei Buttons, mit denen sich die Ansicht der Bedienoberfläche umschalten lässt. Der mit dem Label ARP.FX bingt einen Arpeggiator und die integrierte Effekt-Sektion zutage, der EDIT genannte wieder zurück zu den Syntheseparametern.

CHERRY AUDIO YELLOWJACKET - ARP und FX
CHERRY AUDIO YELLOWJACKET – ARP und FX

Einen Arpeggiator hat CHERRY AUDIO ja nun schon des Öfteren in seine Instrumente eingebaut, dieses Mal hat man diesen aber noch um eine interessante Möglichkeit erweitert.

CHERRY AUDIO YELLOWJACKET - Arpeggiator
CHERRY AUDIO YELLOWJACKET – Arpeggiator

Die Grundparameter sind dabei gleich geblieben, das heißt, er bietet die Abspielmuster aufwärts, abwärts, alternierend und zufällig (RND) und einen einstellbaren Oktavbereich (ein bis vier Oktaven). Seine Geschwindigkeit kann entweder frei eingestellt oder aber zum Host-Tempo synchronisiert werden. So weit, so gut.

Mit ORDER kommt ein weiteres Muster hinzu, bei dem die Noten in der Reihenfolge abgespielt werden, in der sie gedrückt wurden. Den Gate-Parameter gibt’s auch nicht in allen Varianten der hauseigenen Arpeggiatoren und die Swing-Funktion ist hier ebenfalls neu.

Insbesondere aber die beiden Parameter CHANCE und HUMANIZE stellen eine gravierende und willkommene Weiterentwicklung dar. Mit CHANGE stellt man die Wahrscheinlichkeit ein, mit der eine Note oder aber eine Pause im Arpeggiomuster ertönt. In Maximalstellung wird auf jedem Schritt eine Note abgespielt, in Minimalstellung beträgt die Wahrscheinlichkeit dagegen nur noch 30 Prozent.

HUMANIZE sorgt für zufällige Abweichungen im Zeitraster, positive Reglerwerte bewirken dabei leichte Verzögerungen, negative hingegen ein vorgezogenes Abspielen.

Wenn man diese neuen Möglichkeiten nun noch mit denen der oben beschriebenen Parameter-Offsets kombiniert, erhält man einen sehr abwechslungsreich klingenden 4-Noten-Sequencer.

CHERRY AUDIO YELLOWJACKET - Effektsektion
CHERRY AUDIO YELLOWJACKET – Effektsektion

Kommen wir nun noch zu den integrierten Effekten. Diese besteht aus den sechs Modulen SPKR, OCTAFUZZ, PHASER, FLANGER/CHORUS, ECHO und REVERB, die sich jeweils einzeln hinzuschalten, aber auch global deaktivieren lassen.

SPKR (Speaker) emuliert dabei den eingebauten kleinen Lautsprecher des originalen WASP, der seinerzeit sogar von Musikern wie etwa Dave Stewart (Eurythmics) wegen seines speziellen Klangs mittels Mikrofon abgenommen wurde. Rauschen und Netzbrummen (wahlweise mit 50 Hz oder 60 Hz) lassen sich hier separat einblenden, es handelt sich also um einen typischen LoFi-Effekt.

Die fünf anderen Module bedienen sich einmal mehr aus CHERRY AUDIO’s Fundus an Effektalgorithmen, hier eben nur wieder grafisch an das GUI angepasst. Die Effektqualität entspricht demnach denen früherer Produkte der Kalifornier und kann sich somit durchaus hören lassen, wenngleich sie externen Spezialisten nicht unbedingt das Wasser abgraben.


Wespenstich...

Auch der EDP WASP gehört mal wieder zu den Synthesizern, die ich bisher nie persönlich kennenlernen durfte. Immerhin verfüge ich aber schon seit ein paar Jahren den WASP DELUXE von BEHRINGER (der beim Händler mit dem großen T inzwischen nur noch 134,- Euronen kostet und damit zu einem echten No-Brainer geworden ist…), der mir trotz kleinerer Schwächen sehr gut gefällt, insbesondere vom Klang her.

Daher habe ich den YELLOWJACKET natürlich auch mal mit dem Klon verglichen und versucht zwei Sounds, die ich mit diesem gemacht hatte, auf dem Plugin nachzubauen. Aufgrund unterschiedlicher Skalierungen der Regler bei beiden Synthesizern ist mir dies nur bis zu einem gewissen Grad rein nach Gehör gelungen, die unterschiedlichen LFO-Phasen beider Aufnahmen (der WASP DELUXE hat ja keine Retrigger-Funktion), kommen noch hinzu. Die Effektsektion des YELLOWJACKET wurde hierbei komplett außen vor gelassen.

Beginnen folgt eine kleine Sequenz mit perkussiven Sounds. Um es spannender zu machen, verrate ich an dieser Stelle mal nicht, in welcher Reihenfolge Ihr die beiden Synthesizer zu hören bekommt, ratet doch einfach mal (die Auflösung erfolgt ganz unten):

Klangvergleich CHERRY AUDIO YELLOWJACKET vs BEHRINGER WASP DELUXE – Sequenz

Im zweiten Klangvergleich hört Ihr zwei leicht gegeneinander verstimmte Oszillatoren und einen kontinuierlichen Filtersweep via LFO. Auch hier verrate ich die Abspielreihenfolge der beiden Synthesizer wieder erst am Ende dieses Testberichts:

Klangvergleich CHERRY AUDIO YELLOWJACKET vs BEHRINGER WASP DELUXE – Sweep

Ich persönlich finde, dass eine starke Ähnlichkeit im Klang kaum zu überhören ist, insbesondere was das Filter angeht. Dennoch sind auch gewisse Unterschiede nicht zu leugnen. So kommt es mir im Fall der Sequenz so vor, als sei das Signal der Hardware schon komprimiert bzw. ganz leicht angezerrt (die Aufnahme erfolgte korrekt ausgesteuert und ohne jegliche Effekte!), das Plugin wirkt hier etwas dynamischer. Beim Sweep hingegen erscheint mir die Hardware einen Ticken „samtiger“.

Es ist für mein subjektives Empfinden aber nicht so, dass es hier einen eindeutigen Sieger gibt, die übliche Schwarz-Weiß-Malerei bzw. die Hardware-vs-Software-Debatte bringt einen hier nicht wirklich weiter. Mal würde ich den YELLOWJACKET und mal den WASP DELUXE bevorzugen, es kommt ganz auf den jeweiligen Klang und das Einsatzgebiet an.

In mancher Hinsicht ist der YELLOWJACKET der Hardware sogar überlegen (jetzt mal abgesehen von der Polyphonie), nämlich wenn es um lebendige Klänge mithilfe der Offset-Funktion geht.

Das Editieren mit echten Reglern am Gerät bleibt aber natürlich eine Domäne der Hardware, da stellt auch ein angebundener MIDI-Controller keinen vollwertigen Ersatz dar.

Weiter im Text. Mit einem kompletten, nur mit dem YELLOWJACKET erstellten Track kann ich Euch dieses Mal nicht dienen, stattdessen gibt es eine kleine Auswahl an mitgelieferten Factory Presets:

Klangbeispiel CHERRY AUDIO YELLOWJACKET – Factory Presets

Des Weiteren stand mir auch noch das HIVE MIND Preset Pack von James Dyson zur Verfügung, das separat zum Kauf angeboten wird und weitere 100 Presets bietet. Auch hier eine kleine Auswahl daraus:

Klangbeispiel CHERRY AUDIO YELLOWJACKET – HIVE MIND Preset Pack

Fazit:

YELLOWJACKET stellt eine solide Emulation dar, deren klangliche Verwandtschaft zum Original nicht geleugnet werden kann. Vor allem das Filter, das nicht zuletzt für den besonderen Klang des WASP verantwortlich zeichnet, erscheint mir hier sehr gelungen. Die Hardware bringt im Vergleich zum Plugin hier und da noch ein wenig mehr „Edeldreck“ mit (wie so oft…), aber dafür kann YELLOWJACKET mit mehr Flexibilität punkten, insbesondere durch die Offset-Funktion.

CHERRY AUDIO’s Arpeggiator hat mit seinen neuen Wahrscheinlichkeits- und Zufallsfunktionen ebenfalls ein nettes Upgrade erhalten.

Das einzige mir bekannte andere Plugin, das einen EDP WASP nachahmen möchte, ist daHORNET von NUSOFTING (ehemals DASHSIGNATURE). Ich habe eine alte Freewareversion davon gefunden, diese kurz angetestet und danach sofort wieder deinstalliert. Es handelt sich dabei nämlich um eine reine Strukturkopie, die es meiner Meinung nach klanglich nicht auch nur ansatzweise mit dem YELLOWJACKET aufnehmen kann (mit der Hardware schon gar nicht).

Eine direkte Konkurrenz zu YELLOWJACKET stellt allenfalls der Klon von BEHRINGER dar, der mit seinem niedrigen Preis schon in Plugin-Gefilde vorgestoßen ist. Aber längst nicht jeder möchte mit der Hardware arbeiten, deren Einbindung in eine DAW ja auch mit gewissen Umständen verbunden ist und die dann naturgemäß auch keine parallelen Instanzen bietet.

YELLOWJACKET wird von CHERRY AUDIO zum regulären Preis von 49,- US-Dollar angeboten und das HIVE MIND Preset Pack von James Dyson kann man für 9,99 USD erwerben.

Von meiner Seite gibt’s mal wieder einen BuenasIdeas-Tipp gratis dazu… 😉

BuenasIdeas-Tipp

Positives:
+ sehr guter Grundklang
+ einfache Bedienung
+ Offset-Funktion
+ aufgebohrter Arpeggiator
+ brauchbare Effekt-Sektion
+ umfangreiche MIDI-Learn-Sektion
+ moderate CPU-Anforderungen
+ fairer Preis

Negatives:
– keine Offline-Aktivierung bzw. -Installation möglich


Produktwebseiten:
https://cherryaudio.com/products/yellowjacket-synthesizer
https://store.cherryaudio.com/presets/hive-mind-for-yellowjacket


Auflösung: In beiden Klangvergleichen ist jeweils zuerst die Software (YELLOWJACKET) und danach die Hardware (WASP DELUXE) zu hören.