Ein Testbericht von Perry Staltic,
veröffentlicht am 22.09.2022
Es gibt sicherlich einige ikonische Synthesizer, doch außer der Bassmaschine ROLAND TB-303 fällt mir tatsächlich keiner ein, dem gleich ein komplettes Musikgenre zugrunde liegt, die Rede ist von Acid. Der zwirbelnde, blubbernde und zwitschernde Klang und die oftmals hypnotischen Sequenzen erfreuen sich bei vielen nach wie vor ungebrochener Beliebtheit.
Das originale Gerät hat nun schon rund vierzig Jahren auf dem Buckel und ist auf dem Gebrauchtmarkt nur zu lachhaft spekulativen Preisen erhältlich, diverse Nachbildung fallen zwar etwas günstiger, aber zumeist immer noch nicht wirklich billig aus, so dass der preisbewusste und rechnerbewehrte Elektromusikant kurzerhand zu einer virtuellen Bassline in Form eines Plugins greift.
Ich weiß gar nicht, wann genau die D16 GROUP die erste Version ihrer TB-303-Emulation namens PHOSCYON veröffentlicht hatte, aber das dürfte mindestens schon 15 Jahre her sein. Das Plugin hatte im Laufe der Jahre zwar einige kosmetische Änderungen erfahren, der Grundklang war davon jedoch unbeeinflusst geblieben und musste sich daher spätestens der dritten Auflage des direkten Konkurrenten ABL geschlagen geben.
Mit PHOSCYON 2 soll sich dies allerdings nun ändern und das Rennen um die beste virtuelle 303 in die nächste Runde gehen. Hat PHOSCYON 2 das Zeug, zu seinem alten Rivalen aufzuholen oder gar mit Vollgas an ihm vorbeizuziehen?
Klar, es gibt auch noch weitere Mitbewerber in diesem Wettlauf. So schickt ROLAND, der Erfinder des Originals, seine eigene Emulation ins Rennen und XHUN AUDIO hat zu Beginn diesen Jahres mit ZEROBOX ebenfalls den Versuch gewagt, den heiligen Gral neu zu erfinden.
Und BEHRINGER schließlich hat mit der TD-3 noch einen Klon zum Anfassen ins Spiel gebracht, der den Plugins vom Preis her so gefährlich auf den Pelz rückt, dass er auch diejenigen Interessenten anspricht, denen aufgrund ihres begrenzten Budgets der Kauf von Hardware früher gar nicht in den Sinn gekommen wäre.
Auf die Plätze…
PHOSCYON 2 läuft sowohl auf PCs (ab WINDOWS 7) als auch auf Apfelrechnern (OS X 10.13 bis macOS 12, M1-CPUs werden ebenfalls unterstützt). Bei Letzteren gesellt sich zu den Plugin-Formaten VST2, VST3 und AAX auch noch AU dazu.
War es früher normal, so muss man es heutzutage schon als Besonderheit erwähnen, dass WINDOWS-Nutzer hier sogar noch zusätzlich mit 32-Bit-Plugins versorgt werden (mit 64-Bit-Plugins natürlich sowieso). Auch wenn das nur noch für eine gewisse Minderheit interessant sein mag, so für diese doch umso mehr.
In puncto Kopierschutz setzt D16 GROUP neben einer Aktivierung über das Internet erfreulicherweise auch auf eine alternative Offline-Aktivierung mittels einer aus dem Account herunterladbaren Autorisierungsdatei. Letztere ist 72 Stunden lang gültig, falls die Autorisierung damit nicht innerhalb dieser Zeitspanne erfolgt, muss eine neue Datei heruntergeladen werden (dadurch soll unterbunden werden, dass diese Dateien wahllos im Internet herumgereicht werden).
PHOSCYON 2 erkennt übrigens eigenständig, ob der Host-Rechner gerade mit dem Internet verbunden ist oder nicht und bietet dann jeweils auch nur die dazu passende Aktivierungsmöglichkeit an.
Die Bedienoberfläche ist, wie heutzutage üblich, skalierbar. Dies gilt auch für die Qualität der Audioausgabe, die für Echtzeitausgabe und Offline-Rendering getrennt in vier Stufen eingestellt werden kann, wobei laut D16 GROUP eine höhere Qualität zwangsläufig auch mit einer stärkeren CPU-Belastung einhergeht. Dennoch gab es im Test auf meinem Host-Rechner (CPU i7-4790K mit 4 x 4,0 GHz und 16 GB RAM) auch bei höchster Qualitätsstufe keine Probleme. Die Auslastungsanzeige meiner DAW veränderte sich auch nicht signifikant, ebenso wenig vermochte ich wirklich klangliche Unterschiede zu bemerken, aber das kann natürlich auch meinem schon recht alten Paar Ohren geschuldet sein.
Das Design des GUI orientiert sich in weiten Teilen am Vorgänger, so dass deren Besitzern kein Kulturschock bevorsteht. Das Plugin hatte ja schon vor vielen Jahren einige kosmetische Änderungen weg von der einstmals silbernen Bedienoberfläche erfahren, die vermutlich auf den recht restriktiven Umgang der Firma ROLAND gegenüber allzu ähnlichen Konkurrenzprodukten zurückgehen dürften (?).
Praktischerweise lassen sich die virtuellen Regler der einfach und bequem an einen MIDI-Controller anlernen. Die Optionen dazu sind via Rechtsklick auf den entsprechenden Parameter verfügbar. Die Steuerung der Regler mit dem Mausrad ist ebenfalls möglich.
PHOSCYON 2 bietet ein umfangreiches Preset-Management an und stellt dazu an mehreren Stellen Browser für unterschiedliche Typen von abspeicher- und aufrufbaren Voreinstellungen bereit. Das übergeordnete Format stellen hierbei die SCENE PRESETS dar, die sowohl Klang- und Effekteinstellungen als auch die Inhalte von Sequencer bzw. Arpeggiator (jeweils 48 Patterns) in einem einzigen Preset zusammenfassen.
Darüber hinaus gibt es separate Presets für nahezu jede Untersektion, etwa den Synthese-Parametern, den einzelnen Onboard-Effekten oder auch den Noten-Patterns.
Neben diversen Tags und anderen hilfreichen Sortierfunktionen existiert in den Preset-Browsern auch die Option, Favoriten und sogenannte Pinning Presets zusammenzustellen. Diese unterscheiden sich darin, dass Favoriten global und damit projekt- und instanzübergreifend zur Verfügung stehen, während Pinning Presets lediglich in der jeweils geladenen Instanz des aktuellen Projekts bereitgehalten werden.
Das übersichtlich gestaltete und informative Manual zu PHOSCYON 2 steht derzeit nur in englischer Sprache zur Verfügung, es dürfte aber vermutlich nur eine Frage der Zeit sein, bis auch eine Version auf Deutsch erhältlich sein wird.
Startschuss…
Die Synthesizer-Sektion teilt sich in zwei Bereiche auf. Auf der linken Seite finden wir zunächst genau die Parameter, die auch eine originale TB-303 besitzt, also Wellenformauswahl mit Sägezahn oder Rechteck (WAVE), Stimmung (TUNING), Grenzfrequenz des Filters (CUT OFF), Filterresonanz, Intensität der Filterhüllkurve (ENVMOD), Abklingzeit der Filterhüllkurve (DECAY) und Intensität der Filterhüllkurve bei betonten Noten (ACCENT).
Unmittelbar über dem TUNING-Regler gibt es noch einen zusätzlichen Schalter namens EXT.MODE, den man beim Original vergeblich sucht. Wenn man ihn aktiviert, dann erhält man noch genauere Möglichkeiten zur Einstellung der Tonhöhe. Über das zusätzlich eingeblendete Display (TRANS.) kann die Grundnote dann um bis zu zwölf Halbtöne nach oben oder unten transponiert werden und der nun FINE TUNE benannte Drehregler dient der Feineinstellung im Bereich von -100 bis +100 Cents.
Auf der rechten Seite befinden sich sieben weitere Parameter, die man bei einem Vorbild ohne entsprechende Moddings ebenfalls nicht antrifft. SLIDE TIME regelt dabei die (bei der TB-303 normalerweise feste) Dauer des stufenlosen Tonhöhenwechsels bei legato gespielten Noten (auch Portamento oder Glide genannt).
Mit SWEEP AMT. kann man zwischen sanften und spitzen (bei niedrigen Resonanzwerten) Filterhüllkurven für akzentuierte Noten überblenden. Der kleine Schalter in Gestalt einer simulierten LED über dem Regler verkoppelt diesen Parameter mit dem RESONANCE-Regler, so dass die Überblendung dann automatisch je nach Stellung des Letztgenannten erfolgt (der SWEEP AMT.-Regler ist dann inaktiv).
ENV. ATTACK bietet eine einstellbare Einschwingzeit für die Filterhüllkurve, während sich mit ACC. DECAY deren Abklingzeit für akzentuierte Noten regeln lässt, was wiederum auch einen klanglichen Einfluss auf das typische „Bellen“ gewährt.
ACC. VOL. erlaubt eine separate Einstellung der Lautstärkeanhebung für betonte Noten. Dieser Parameter lässt sich an den normalen (Filter-)ACCENT-Regler koppeln und dann gemeinsam mit diesen steuern (der ACC. VOL.-Regler selbst ist dann ohne Funktion).
Die beiden letzten Parameter VIB. SPEED und VIB. DEPTH kontrollieren Geschwindigkeit und Intensität eines Vibrato-Effekts, der bei der TB-303 mangels LFO nur durch zwei in schneller Abfolge abwechselnd gespielte Noten in Verbindung mit Slides simuliert werden konnte.
Wie man schon erahnen kann, ist mit PHOSCYON 2 eine deutlich größere Bandbreite an Klangvariationen möglich als dies eine unmodifizierte TB-303 zu bieten vermag, dies war ja auch schon bei der Vorgängerversion der Fall.
Diese Vielfalt vergrößert sich noch einmal mehr, wenn man via Mausklick die virtuelle Klappe oben rechts öffnet und dadurch Zugriff auf ein darunter verborgenes Panel mit einer Reihe an Kalibrierungsparametern erhält, die nach Art von Trim-Potis gestaltet sind.
Neben diversen Filter- und Hüllkurvenwerten kann man hier unter anderem auch die Pulsweite der Rechteckwelle oder ein VCA-Grundrauschen einstellen sowie das unvermeidliche VCA-Klicken des Originals einschalten. Selbst für diese basalen Kalibierungsparameter stellt PHOSCYON 2 ein eigenes Preset-Management zur Verfügung.
Pole Position…
Kaum ein Acid-Track, in dem die TB-303 lediglich nackt zu hören ist. Wohl so jeder Musikant und Producer hat hier seine eigene Vorliebe bezüglich hinten dran gehängter Effekte und schwört auf den von ihm bevorzugten Verzerrer. Das wissen natürlich auch die Entwickler und haben PHOSCYON 2 folglich eine umfangreiche Auswahl an Onboard-Effekten mit auf dem Weg gegeben, die sich bei Bedarf alle gleichzeitig verwenden lassen.
Wer die einzeln erhältlichen Effekt-Plugins von D16 GROUP kennt, der weiß um ihre hohe Qualität, insbesondere auch im Feld der Distortions. Ich erinnere hier nur an die beiden hervorragend klingenden DEVASTOR 2 und REDOPTOR 2, die ich selbst gerne für zünftiges Acid-Gezerre verwende. Auch im Bereich anderer Effekte hat die D16 GROUP hinlängliche Erfahrung und bereits einige überzeugende Plugins vorzuweisen. Demzufolge kann man davon ausgehen, dass in PHOSCYON 2 gleichermaßen hochwertige Effekt-Algorithmen zum Einsatz kommen (ist auch so…).
Die Effektkette im Plugin bietet eine separate Distortion-Sektion sowie verschiedene ihr nachgeschaltete Insert-Effekte. Jeder einzelne Effekt in der Kette kann dabei unabhängig von den anderen ein- oder ausgeschaltet werden. Zudem lassen sich alle Effekte auch global in den Bypass schicken.
Der DISTORTION-Bereich verfügt über fünf Parameter. Neben dem grundsätzlichen Verzerrer-Typus gibt es mit DYNAMICS einen Kompressor mit nur einem Drehregler. Dieser kann mittels Schalter wahlweise vor oder nach dem Verzerrer geroutet werden. DRIVE steuert die Stärke des Verzerrers, während der bipolare COLOR-Regler ihm eine einfache Klangregelung hinzufügt.
Über ein Pulldown-Menü hat man Zugriff auf 19 verschiedene Distortion-Typen, darunter auch Emulationen des beliebten RAT-Pedals von PRO CO, das von vielen gerne als 303-Verzerrer eingesetzt wird. Mit diesem Besteck lassen sich recht unterschiedlich klingende Verzerrungen erzeugen, von höhenlastigen über mittig-schneidenden bis hin zu bassbetonten Sounds ist hier alles drin.
Es gab mal eine Zeit, in der ich virtuelle Distortion so wenig überzeugend fand, dass ich stattdessen lieber zu einem billigen TUBE ULTRAGAIN MIC100 von BEHRINGER gegriffen habe, weil er in meinen Ohren besser klang, trotz des damit verbundenen zusätzlichen Aufwands und diverser anderer Nachteile. Die Situation hat sich zum Glück inzwischen grundlegend geändert und die Software-Verzerrer sind heutzutage oftmals ebenbürtig.
Der Klang der Distortion-Sektion in PHOSCYON 2 ist tatsächlich so gut, dass hier wohl nur in den seltensten Fällen der Wunsch nach einer externen Lösung wach werden dürfte. Für meinen Geschmack schlägt sie übrigens auch locker die nur mittelmäßige Verzerrereinheit, die BEHRINGER in der TD-3 verbaut hat.
Die fünf Insert-Effekte müssen sich sich sich den Platz auf der Bedienoberfläche teilen und daher erfolgt der Zugriff auf ihre jeweiligen Parameter über Tabs. Die Reihenfolge der einzelnen Effektemodule ist dabei nicht festgelegt, sondern kann mittels Drag & Drop beliebig angepasst werden. Jedes Modul verfügt zudem über seine eigenen Presets.
In der Basisansicht sind bei jedem Effekt nur die wichtigsten Parameter verfügbar, beim DELAY sind dies beispielsweise, FEEDBACK, FILTER, CUTOFF, SPREAD und FX (= Dry/Wet-Mix). Ein Klick auf den bei allen Effekt-Modulen vorhandenen EDIT-Button öffnet jeweils ein Popup mit allen vorhandenen Parametern. Beim DELAY hat man somit dann auch Zugriff auf SYNC, Delayzeit und Filterresonanz.
Das DELAY habe ich ja nun schon erwähnt, folgende weitere Insert-Effekte stehen zur Verfügung: EQ, LIMITER, CHORUS und REVERB.
Der parametrische Equalizer stellt vier Bänder bereit, die zwar unterschiedliche Bezeichnungen (LOW, MID-LOW, MID-HIGH und HIGH) tragen, aber dennoch völlig identisch ausgestattet sind. Jedes Band deckt den Frequenzbereich von 20 Hz bis 16 kHz ab, seine Weite lässt sich in einem Bereich von 0,5 bis 4,0 Oktaven einstellen und die maximale Anhebung bzw. Absenkung beträgt jeweils 24 dB.
Der LIMITER hat die üblichen Parameter ATTACK (0,1 ms bis 100 ms), RELEASE(25 ms bis 500 ms), THRESHOLD (0 dB bis 48 dB), RATIO (1:1 bis 1:40) und GAIN (0 dB bis 24 dB) vorzuweisen, hinzu gesellt sich eine Einstellmöglichkeit für KNEE sowie eine zuschaltbare SOFT CLIP-Funktion. Damit lässt sich eine etwas zu wild geratene Acid-Sequenz bei Bedarf gut in ihrer Dynamik zähmen.
Beim CHORUS lässt sich neben Geschwindigkeit und Intensität unter anderem auch ein OFFSET zwischen und das Mischungsverhältnis von trockenem und bearbeitetem Signal einstellen. Zudem kann eine Phasenverschiebung zwischen den beiden Stereokanälen erzeugt werden.
Das algorithmische REVERB schließlich bietet Einstellmöglichkeiten hinsichtlich Raumgröße, Höhendämpfung und Streuung sowohl für die frühen als auch für die späten Reflexionen. Das Mischungsverhältnis zwischen diesen beiden kann ebenso definiert werden, wie das zwischen trockenem und verhalltem Signal. Darüber hinaus existieren Regler für PREDELAY, FEEDBACK und MODULATION.
Wie weiter oben bereits gemutmaßt, ist die Qualität dieser Onboard-Effekte amtlich und erlaubt es, größtenteils auf zusätzliche FX-Plugins zu verzichten, sofern man nicht gerade über irgendwelche High-End-Kandidaten oder sonstige Spezialeffekte verfügt, die man PHOSCYON 2 gerne angedeihen lassen möchte.
Hürdenlauf…
Auf welchen Befehl hin PHOSCYON 2 Töne ausspuckt, bestimmt der sogenannte PLAY MODE, der drei Schalterstellungen aufweist. EXT. steht dabei für EXTERNAL PLAY MODE. In diesem Modus wird der Sequencer-Bereich in der unteren Hälfte des Plugins ausgeblendet und die Klangerzeugung reagiert ausschließlich auf eingehende Notenbefehle von der DAW bzw. einem daran angeschlossenen MIDI-Controller oder auch einem externen Sequencer.
Accents werden dabei durch die Anschlagsdynamik, Slides durch sich überlappende Noten und Vibratoeffekte durch das Modulationsrad ausgelöst. Die notwendigen Velocity-Werte lassen sich in einem separaten Menü auch selbst definieren.
Wer seine Patterns direkt in PHOSCYON 2 erzeugen und dort in der internen Bank ablegen möchte, der hat die Wahl zwischen zwei weiteren Modi, SEQ und ARP. SEQ spielt die in den integrierten Step-Sequencer von PHOSCYON 2 eingegebenen Notenfolgen parallel zur DAW ab.
Da PHOSCYON 2 nicht nur eines, sondern bis zu 48 Patterns, organisiert in vier Bänken, bereit hält, gibt es natürlich die Möglichkeit, auszuwählen, welches davon aktuell gespielt werden soll. Genauer gesagt gibt es sogar zwei Trigger-Modi, nämlich den LIVE MODE und den HOST NOTE MODE, die beide im PATTERN SELECTOR unten rechts erreichbar sind.
Standardmäßig ist der LIVE MODE aktiv und erlaubt die Auswahl des Patterns über einen virtuellen Nummernblock. Die Patterns sind dabei in den vier Bänken A bis D organisiert. Das Pattern läuft dann nach Betätigung des START/STOP-Buttons bzw. korrespondierend zur Transportkontrolle der DAW in einer Endlosschleife.
Im HOST NOTE MODE hingegen werden die einzelnen Patterns durch eine MIDI-Note, etwa vom Keyboard oder von der Piano-Roll der DAW getriggert und läuft dann exakt so lange, wie diese Note andauert. Unterschiedliche Notennummern triggern dabei auch verschiedene Patterns. Eine Transponierung der Patterns via MIDI ist im Sequencer-Betrieb nicht möglich.
In der unteren Hälfte der Bedienoberfläche finden wir den Sequencer-Bereich, der mit seiner Piano-Roll-Ansicht deutlich übersichtlicher und einladender wirkt, als das krude und wenig bedienfreundliche Pendant im Original, das sich übrigens auch in der TD-3 wiederfindet.
Ja, ich weiß, es gibt nicht wenige TB-303-Jünger, die den originalen Sequencer durchaus schätzen, weil sie der Meinung sind, dass er einen wesentlichen Anteil an den häufig eigenwilligen Acid-Sequenzen hat. Das mag aber sicherlich auch daran liegen, dass sein nicht sonderlich intuitives Bedienkonzept so manchen eigentlich gar nicht intendierten „Happy Accident“ bewirkt haben mag.
Mir persönlich jedenfalls gefällt der in PHOSCYON 2 integrierte Sequencer wesentlich besser als die damalige Schöpfung der ROLAND-Ingenieure. Er ist sofort zu verstehen, schnell zu bedienen und man sieht auf einem Blick, wie die Sequenz aufgebaut ist. Neben dem Bereich zur Eingabe von Noten gibt es es hier auch gesonderte Felder für Slides, Accents und Vibratos, und die Oktaven werden ebenfalls separat definiert. Ein Pattern in PHOSCYON 2 kann bis zu 64 Schritte umfassen, wobei auch ungerade Werte möglich sind.
Wer an dieser Stelle jedoch eine Optik und Bedienung bevorzugt, die jener der Vorgängerversion und damit mehr einer Hardware ähnelt, der kann auch ganz einfach auf die traditionelle Keyboard-Ansicht nebst Lauflicht-Sequencer umschalten. Aber auch in diesem Modus geht die Bedienung immer noch und leichter und flotter von der Hand als mit dem Sequencer in der TB-30 bzw. in der TD-3. Da die Lauflicht-Reihe hier nur sechzehn Schritte umfasst, werden längere Patterns durch die Aneinanderreihung insgesamt vier möglicher Parts erzielt.
Bei der TB-303 ließen sich dem Hörensagen nach zufällige Patterns erzeugen, indem man während des Betriebs kurzzeitig die Batterien entfernte und wieder einsetze und dadurch offenbar den internen Speicher gehörig durcheinanderwürfelte. Bei der TD-3 (die ja gar keinen Batteriebetrieb vorsieht) ermöglicht BEHRINGER dies durch Drücken einer speziellen Tastenkombination.
Die D16 GROUP ist hier noch deutlich weiter gegangen und hat PHOSCYON 2 eine komplette RANDOMIZER-Sektion spendiert, bei der die Intensität des Zufallsgenerators für die vier Parameter Note, Slide, Accent und Vibrato getrennt eingestellt werden kann. Auch die Oktavlage lässt sich per Randomisierer auswürfeln. Zudem lassen sich einzelne Parameter auch ganz von der Zufallsgenerierung ausschließen. PHOSCYON 2 setzt noch einen drauf und bietet sogar eigene Randomizer-Presets nebst dazugehörigem Browser.
Der dritte und letzte Abspielmodus nennt sich ARP und bezeichnet einen Arpeggiator, bei dem die Sequenzen durch eingehende MIDI-Noten in Kombination mit vorgefertigten Mustern erzeugt werden. Der Zufallsgenerator ist in diesem Modus ebenso außer Funktion wie der oben erwähnte HOST NOTE MODE, bei dem mit jeder Notennummer eine andere Sequenz abgerufen werden kann (denn die jeweils gespielten MIDI-Noten, maximal zehn an der Zahl, werden hier ja logischerweise für den Arpeggiator benötigt).
Der große Vorteil des ARP-Modus liegt darin, dass die erzeugten Patterns nicht nur mit einer statischen Notenfolge und mit einer festen Grundnote wiedergegeben werden, sondern via Keyboard in Echtzeit verändert und transponiert werden können. Man kann die Patterns also regelrecht spielen. Lediglich die rhythmische Struktur wird durch das Arpeggiomuster vorgegeben, dieses wiederum kann genauso editiert werden wie die normalen Sequenzen auch (statt definierter Notenwerte werden hier allerdings PITCH INDEXES eingetragen, die den eingehenden MIDI-Noten entsprechen).
Sauerbraten…
All diese schönen Features sind nur von bedingtem Nutzen, wenn der grundsätzliche Klang nichts taugt. Ich hatte an anderer Stelle ja schon mal erwähnt, dass ich persönlich in Sachen TB-303-Emulation bisher immer den direkten Konkurrenten AUDIOREALISM BASSLINE (ABL) vorgezogen habe, da mir PHOSCYON im Klangvergleich stets etwas flacher und plastikhafter erschien. Mit ABL3 wurde der Abstand zwischen den beiden Plugins für mich dann noch größer. Diese Aussage bezieht sich wohlgemerkt auf den ersten PHOSCYON.
Der vorliegende Nachfolger ist allerdings ein ganz anderes Kaliber! Meines Erachtens kann PHOSCYON 2 es problemlos mit seinem Mitbewerber aufnehmen und bewegt sich nun auf Augenhöhe mit ABL3. Der reine Grundsound der beiden Emulationen ist sehr ähnlich. Sie klingen aber nicht identisch, denn kann man nach wie vor leichte Unterschiede hören, in etwa vergleichbar mit zwei Exemplaren der TB-303, die ebenfalls in den seltensten Fällen genau gleich klingen dürften. Daher finde ich auch nicht eines der beiden Plugins besser als das andere, sie gefallen mir einfach beide gut!
Vielleicht geht es dem geneigten Leser in dieser Hinsicht ja anders, darum sei ihm nachfolgend die Möglichkeit zu einem kurzen Direktvergleich zwischen PHOSCYON 2, ABL3 und auch TD-3 geboten.
Als Grundlage diente ein Pattern von der TD-3, mit dem ich via MIDI jeweils auch die zwei Plugins angesteuert und folglich nicht deren interne Sequencer benutzt habe. Die Klangparameter habe ich soweit wie möglich aneinander angeglichen, wobei ich hierbei nach Gehör vorgegangen bin, da gleiche Reglerstellungen bei den drei Basslines nicht zwangsläufig auch identische Klangergebnisse liefern. Bei allen drei Kanditaten blieben die Distortions bzw. weitere Effekte ausgeschaltet, um nur den reinen Grundklang zu präsentieren. PHOSCYON 2 wurde dabei übrigens mit der höchstmöglichen internen Audioqualitätsstufe aufgenommen.
In den etwa 30-sekündigen Klangbeispielen ist das Filter zunächst komplett geschlossen und wird dann im Verlauf von Hand (bei den Plugins via Mausrad…) voll auf- und anschließend wieder zugedreht.
Beginnen wir mit PHOSCYON 2 und der Wellenform Sägezahn:
Dann folgt die ABL3, ebenfalls mit dem Sägezahn:
Den Abschluss macht die TD-3:
Die ABL3 klingt hier einen Ticken dumpfer als PHOSCYON 2, allerdings dürfte es wohl keine allzu große Herausforderung darstellen, den Klang der zwei Emulationen mit Hilfe der bei beiden vorhandenen Kalibrierungsmöglichkeiten noch weiter aneinander anzugleichen.
Das gleiche Spielchen wiederholen wir jetzt auch noch einmal mit der Wellenform Rechteck. PHOSCYON 2 macht wieder den Anfang:
Anschließend ist die ABL3 an der Reihe:
Und zu guter Letzt darf auch die TD-3 noch mal Laut geben:
Bei den beiden Plugins weist auch hier das Filter der ABL3 wieder eine geringfügig geschlossenere Kalibrierung auf, ansonsten ist der Klang frappierend ähnlich.
Und jetzt gibt es PHOSCYON 2 auch noch mal in seiner vollen Pracht zu hören, also mit aktivierten Effekten und Patterns aus dem internen Sequencer. Hier ist eine kleine Auswahl der mitgelieferten Scene Presets mit eindeutigem Schwerpunkt auf Acid:
Da Acid so ganz ohne Drum-Begleitung ja ein wenig wie bestellt und nicht abgeholt wirkt, habe ich das soeben gehörte Klangbeispiel zusätzlich mit einer Kick unterlegt, und schon fühlt es sich nicht mehr so einsam:
Wie man hören kann, vermag PHOSCYON 2 nicht nur zu zwitschern, sondern Dank seiner guten Distortion-Sektion bei Bedarf auch richtig böse zu bellen.
Abschließend auch noch mal eine kurze Anmerkung zur BEHRINGER TD-3: Klar, rein preislich liegt PHOSCYON 2 schon in einer ähnlichen Region wie die TD-3, aber man sollte sich an dieser Stelle auch bewusst machen, dass ein Hardwareinstrument ja nicht nur Vorteile gegenüber einem Plugin bietet, sofern man nicht hauptsächlich live spielend unterwegs ist oder aus Prinzip DAWless arbeitet (und dann vermutlich auch nicht diesen Testbericht lesen wird…).
So kann man etwa im Gegensatz zur TD-3 ohne Aufpreis auch mehrere Instanzen von PHOSCYON 2 nutzen, spart sich Aufwand bei Verkabelung, Effekteinsatz und Audioaufnahme und erhält die Möglichkeit, Filterfahrten und ähnliches reproduzierbar aufzuzeichnen und zu automatisieren. Die Distortion von PHOSCYON 2 klingt zudem auch besser als die der TD-3. Zumindest bei mir hat auch die TD-3 meine TB-303-Emulationen nicht obsolet gemacht.
Übrigens, während Besitzer von TD-3 und ABL3 Patterns zwischen Hard- und Software auszutauschen vermögen, muss man bei PHOSCYON 2 leider auf eine vergleichbare Option verzichten. Vielleicht geht da ja irgendwann auch noch einmal etwas, sollte ja nicht zu schwer sein (kleiner Wink mit dem Zaunpfahl, auch in Richtung BEHRINGER…)?
Fazit:
D16 GROUP ist das Upgrade ihres alten Recken wirklich gelungen. Der Grundklang präsentiert sich sehr viel authentischer als bei der Vorgängerversion und steht nun dem seines ewigen Rivalen ABL3 in nichts mehr nach.
Wenn dann noch die Distortion und die Onboard-Effekte ins Spiel kommen, zündet PHOSCYON 2 den Nachbrenner und gibt erst mal richtig Gas. Hier bekommt man Instant-Acid aus einem Plugin, ohne dass erst eine aufwendige Nachbearbeitung notwendig wird.
Dafür gibt’s von meiner Seite auch einen redlich verdienten BuenasIdeas-Tipp!
D16 GROUP nennt für PHOSCYON 2 einen regulären Verkaufspreis von 119,- Euro, zur Zeit gilt allerdings noch ein Einführungspreis von 89,- Euro. Wer die Vorgängerversion sein Eigen nennt, der erhält das Upgrade zu einem reduzierten Preis von 29,- Euro und wer stattdessen im Besitz anderer D16 GROUP-Produkte ist, der dürfte bereits einen Coupon-Code zugemailt und auch in seinem Account abgelegt bekommen haben, mit dem er das Plugin für 69,- Euro erwerben kann. Diese Sonderangebote sind aber nur noch bis zum 29. September 2022 gültig. Eine Demoversion ist ebenfalls erhältlich und sei hiermit ausdrücklich zum Antesten empfohlen.
Positives:
+ sehr guter, authentischer Grundklang
+ flexible Klanganpassung
+ gute Distortion-Sektion
+ umfangreiche FX-Sektion
+ zugänglicher Sequencer
+ einfache Offline-Aktivierung möglich
+ CPU-freundlich
Negatives:
– nicht pH-neutral 🙂
Produktwebseite: https://d16.pl/phoscyon2