Ein Testbericht von Nika Farra,
veröffentlicht am 26.10.2025
Peter von Dawesome ist bekannt für seine eigenwilligen und innovativen Synthesizer-Plugins. Kontrast, seine jüngste Kreation, ist im Kern ein Wavetable-Synthesizer – doch schon nach den ersten Minuten wird klar: Das ist weit mehr als ein gewöhnlicher Synthesizer. Hinter der mathematisch wirkenden Oberfläche verbirgt sich ein Instrument, das präzise Klanggestaltung, experimentelles Spiel und visuelle Exploration nahtlos miteinander verbindet.

Dawesome bietet Kontrast als uneingeschränkt nutzbare 90-Tage-Testversion an – eine großzügige Frist, die deutlich länger ist als bei den meisten Konkurrenzprodukten. Drei Monate sind genug Zeit, um das Plugin wirklich zu verstehen, die Bedienung zu erlernen und die Fülle an Möglichkeiten zu erkunden. Klassische Bezeichnungen für Oszillatoren sucht man hier vergeblich. Wer sich einarbeiten will, greift zum sehr umfassenden Handbuch, das die Funktionsweise Schritt für Schritt erklärt. Vor allem am Anfang rate ich doch sehr dazu mal einen Blick hineinzuwerfen.
Beim Öffnen beeindruckt sofort eine untypische Optik. Kann man damit wirklich Musik machen? Im oberen Drittel dominiert eine grafische Darstellung des Klangs, darunter liegen die Parameter für die Bearbeitung. Das Konzept: Wavetables sichtbar machen und direkt grafisch manipulieren. Zwar gibt es ähnliche Visualisierungen schon bei anderen Synthesizern, etwa Serum, doch Kontrast verfolgt einen eigenständigen Ansatz, der den Nutzer aktiv zum Experimentieren einlädt.
Wavetables wie Landkarten
In herkömmlichen Wavetable-Synthesizern bewegt sich die Abspielmarke meist linear vor- und zurück. Kontrast geht hier deutlich weiter: Die Abspielposition kann frei gesetzt, rotiert, pulsierend bewegt und moduliert werden. Statt starrer Rasterlinien präsentiert sich die Wavetable als großflächige Map von oben, auf der jede Spalte einen Slice darstellt: Schwarz entspricht -1, Grau 0, Weiß +1.
Die resultierenden Muster erinnern an geometrische Formen, abstrakte Landkarten oder die typischen Grafikmuster, die man einst auf Heimcomputern programmierte – sogenannte Mandelbrot-Mengen. Neben den mitgelieferten Wavetables lassen sich eigene Grafiken importieren, umwandeln und kreativ nutzen. So werden Klanglandschaften nicht nur hörbar, sondern auch sichtbar – ein Ansatz, der das Arbeiten intuitiv, spannend und spielerisch macht.

Klanggestaltung wie Malen
Die Basis der Soundprogrammierung bildet die „Abspielmarke“ (Scanline) und ihre Bewegung über die Wavetable-Map. Eine Vielzahl an Parametern erlaubt es, diese Bewegung zu modulieren, zu drehen, zu verformen oder zu pulsieren. Eine kurze Hilfestellung am unteren Fensterrand zeigt bei Bedarf die Funktion jedes Reglers an – ideal, um sich langsam einzuarbeiten.
Startposition und Größe der Scanline lassen sich frei bestimmen. Parameter wie „Circle“ formen die Marke zu einem Kreis, „Rot“ lässt sie rotieren, „Brute“ erzeugt Verzerrungen. „Phase“ fügt interne Schwingungen hinzu, die zum Tempo synchronisiert werden können. Noise, Crush und SQ – eine Art Quadratur des Kreises – erweitern die kreativen Möglichkeiten, um aus geometrischen Bewegungen lebendige, organische Klänge zu formen.
Organische Bewegung im Klang
Neben der eher mathematischen Wavetable-Synthese erlaubt Kontrast auch organische Muster. In der „Rose“-Sektion lassen sich sogenannte Petals hinzufügen – kleine Ableger entlang der Haupt-Scanline, die den Klang komplexer und lebendiger machen. Intensität und Form sind frei wählbar, der Parameter „Bio“ erzeugt subtil bewegte Shapings, die das Klangbild weniger statisch wirken lassen.
Zusätzlich steht ein zweiter, unterstützender Oszillator bereit, der klassische Wellenformen liefert und stufenlos in den Klang integriert werden kann. Die Vibe-Sektion auf der linken Seite bietet weitere organische Klangverfeinerungen, die gleichzeitig als Sättigungseffekte fungieren: „Fat“ simuliert einen analogen Schaltkreis, „8Bit“ den Klang früher Heimcomputer inklusive Aliasing. Alle Effekte lassen sich parallel einsetzen und über vier Modes – Warm, Modern, Console, Digital – mit dem Klang verschmelzen. Die Wavetable-Map nimmt dabei subtil die Farbgebung des gewählten Modes an.

Vielseitige Modulation
Natürlich hat auch Dawesome das Rad nicht komplett neu erfunden, und so finden sich viele vertraute Elemente, die man aus der Arbeit mit Synthesizern kennt. Im unteren Drittel liegt zunächst die Hüllkurve (Main Env), mit der sich nicht nur der Grundklang formen, sondern zusätzlich beliebige Parameter steuern lassen.
Darüber hinaus gibt es fünf frei nutzbare Modulationsslots, in denen LFOs, Hüllkurven, Randomizer oder MIDI-Signale zur Steuerung sämtlicher Parameter verknüpft werden können. Dazu klickt man einfach auf das Connect-Icon und wählt das gewünschte Ziel, beispielsweise die Cutoff-Frequenz. Jeder Slot kann dabei mehrere Ziele gleichzeitig ansteuern. Hält man die rechte Maustaste gedrückt, visualisiert Kontrast die Modulationswege auf einen Blick – sehr praktisch!
Die LFO-Wellenformen lassen sich wahlweise frei mit der Maus einzeichnen oder als Step-Sequencer nutzen. Die Rasterung kann individuell eingestellt werden, sodass sich Werte präzise ausrichten lassen. Eigene Kreationen lassen sich als Presets speichern, um sie später erneut zu verwenden. Die LFOs können zum Tempo synchronisiert oder unabhängig betrieben werden, und die Geschwindigkeit reicht sogar in hörbare Bereiche, falls gewünscht. Für ausgewiesene Modulationsfans mag die Anzahl der Möglichkeiten nicht spektakulär erscheinen. Im Kontext des Plugins sind sie jedoch gut durchdacht und sinnvoll gewählt. Allein die Wavetable-Engine sorgt bereits für so viel Bewegung im Klang, dass viele klassische Modulationen gar nicht zwingend erforderlich sind

Dawesome Kontrast – LFO mit komplexer Hüllkurve
Filter und Klangformung
Ein zentraler Klangbaustein fast jedes Synthesizers ist das Filter – und auch hier schlägt Dawesome einen eigenen, aber stimmigen Weg ein. Das Hauptfilter besteht aus zwei Lowpass-Filtern, die wahlweise parallel oder seriell verschaltet werden können. Zusätzlich lässt sich die Charakteristik des Filters auswählen: Smooth, Dirty, Acid, Cream und Ladder. Die Bezeichnungen verweisen auf klassische Vorbilder wie Moog oder die TB-303 und liefern klanglich überzeugende Ergebnisse.
Direkt im Anschluss befindet sich eine Art Harmonizer, der dem Signal Obertöne hinzufügt, sowie ein Inharmonizer. Beide Module lassen sich stufenlos zuschalten und transponieren. So kann der Klang subtil angereichert oder vollständig transformiert werden – von sanften Nuancen bis hin zu metallischen, FM-artigen Texturen.
Am Ein- und Ausgang des Filters sitzen zwei Drive-Module, die ebenfalls verschiedene Charakteristika bieten. Sie verleihen dem Klang wahlweise eine Portion Sättigung oder bewussteren „Schmutz“. Besonders beeindruckend ist, dass der Sound trotz Verzerrung stets kontrolliert und nutzbar bleibt, ohne irgendwo im Clipping zu versumpfen – ein sehr gelungenes Design.
Starker Sequencer für Rhythmus-Spielereien
Der interne Sequencer bietet bis zu 16 Steps. Notenwerte, Gate und Velocity lassen sich klassisch einstellen. Mit der „Prob“-Funktion bestimmt man, wie wahrscheinlich ein Step gespielt wird. Alle Parameter besitzen einen Random-Button, um neue Werte auf Basis der aktuellen Einstellungen zu generieren. Sequenzen laufen vorwärts, rückwärts, im Ping-Pong-Mode oder zufällig. Der Sequencer ist demnach also durchaus darauf getrimmt spielerisch und experimentell an die Klangforschung zu gehen.
Besonders spannend: Für jeden Parameter lässt sich die Step-Anzahl individuell festlegen. Gate und Tonhöhe können so polyrhythmisch laufen und fortlaufend neue Variationen erzeugen. Gleichzeitig lassen sich klassische Arpeggios in jeder gewünschten Skala spielen – falsche Noten werden automatisch korrigiert. Gespeicherte Sequenzen lassen sich jederzeit wiederverwenden, ein praktisches Feature im Produktionsalltag.

Atmosphärische Britzelkultur
Last but not least sitzt am Ende der Signalkette die Effektsektion. Der Kontrast wartet hier mit fünf FX-Slots auf, die frei belegt werden können. Die Zusammenstellung der Effekte folgt recht konsequent dem Charakter des Instruments und ist keine Mischung zufälliger Brot- und Buttereffekte.
Der Schwerpunkt liegt auf Delays, Reverbs und Distortion-Werkzeugen. Neben guten, funktionalen Effekten, wie einem gutklingendem Dual-Delay, wird beispielsweise auch der „Grain“ angeboten, der einzelne Granular-Parts wiederholt, jittert und verglitchet. Im Zusammenspiel mit den wirklich gelungenen Cloud- oder Shimmer-Reverbs lassen sich damit großartige Klanglandschaften erzeugen, die jeden IDM-Fan sofort begeistern.
Auch Effekte wie der „Mal-Sync“ erzeugen wunderbar noisige, fragmentierte Sounds ohne jedoch planlos in den Krach abzurutschen. Schönste Britzel-Klangkultur also.
Sounddemos
Auch dieses Mal habe ich wieder Demos produziert, die alle auf dem selben Arrangement basieren, aber jeweils völlig andere Sounds nutzen. Bis auf die Drums stammen alle Sounds und Effekte aus dem Kontrast.
Sounddemo #1
Sounddemo #2
Sounddemo #3
Fazit
Auf den ersten Blick mag Kontrast komplex wirken, doch man entdeckt ihn spielerisch. Das Plugin weckt Entdeckungsfreude und lädt zum Experimentieren ein. „Happy Accidents“ sind Teil des Konzepts und werden durch zahlreiche Random-Features unterstützt.
Kontrast wirkt stellenweise wie ein Labor oder Grafikprogramm: Kontrast und Helligkeit der Wavetable-Grafik lassen sich anpassen und beeinflussen direkt den Klang. Die visuelle Rückkopplung hilft, Zusammenhänge zu verstehen und eröffnet eine ungewohnte, frische Perspektive auf Wavetable-Synthese. Bei Kontrast ist die Visualisierung kein Gimmick, sondern ein zentrales Werkzeug, um Sounds aktiv zu formen.
Fans von Ambient, IDM, Autechre, Aphex Twin oder glitchigen Texturen kommen voll auf ihre Kosten. Das Plugin überzeugt durch konsequentes Konzept und klanglich beeindruckende Ergebnisse. Dawesome zeigt erneut, dass auch im Software-Bereich Instrumente entstehen können, die nicht dem Credo „höher, schneller, weiter“ folgen.
Mit Kontrast programmiert man keine Sounds, sondern entdeckt sie!
Vielen Dank an Peter für die tolle Unterstützung und natürlich für diesen tollen Synthesizer! Weiter so.

DAWESOME Kontrast
Kategorie: VST-Plugin (VST3, AU)
Preis (Street): 149,- € (Aktuell im Intro-Sale für 89,-€)
Pro:
+ Eigenständige, innovative Wavetable-Synthese
+ Birdview-/Map-Darstellung des Klangs und der Scanline
+ Kreative FX-Sektion mit hochwertigen Reverbs
+ Spannender, flexibler Sequencer
+ Vielfältige Modulationsmöglichkeiten und visuelle Darstellung
Weitere Infos: Produktwebseite von Tracktion/Dawesome
