Ein Testbericht von Nika Farra,
veröffentlicht am 20.05.2025
Ich habe die große Freude, KORG’s neuen Sprössling zu testen. Auf den ersten Blick assoziiert man mit dem „multi/poly“ irgendeinen Nachfahren des legendären „Mono/Poly“. Als ich mich näher mit dem neuen Synthesizer beschäftigt habe, musste ich – im positiven Sinne – feststellen, dass er mit dem Mono/Poly nicht so wirklich viel zu tun hat – dennoch spielt die Vier hier eine besondere Rolle.
Um es vorweg zu nehmen: KORG schickt mit dem multi/poly einen Synthesizer ins Rennen, der ungewohnt umfangreich und flexibel ist. Ich würde ihn nicht als Workstation klassifizieren, weil sich das Instrument klanglichen Traditionen verpflichtet und auf interessante Weise die Konzepte von Synthesizern wie dem Modwave oder Wavestate aufgreift. Auch als Plugin weißt der multi/poly eine enorme Funktionsvielfalt auf und bietet Konkurrenten wie Pigments oder Serum selbstbewusst die Stirn.

Aufbau
Lüften wir zunächst das Geheimnis um den Aufbau des Synthesizers. Die Parallele zum Mono/Poly liegt wie erwähnt in der Zahl „4“. Der KORG Mono/Poly hatte seinerzeit vier unabhängige Synthesizerstimmen, die entweder polyphon gespielt werden konnten oder viermal monophon. Da jede Stimme seine eigenen Parameter hatte, war der Synthesizer für seine Zeit sehr flexibel und umfangreich. Ähnliches konnte nur der SEM mit seinen vier Modulen bieten.
Der multi/poly greift entfernt dieses Konzept auf. Zunächst bietet er auch vier Synthesizer-Engines, die als Layer bezeichnet werden. Vielen wird das Prinzip möglicherweise von den Roland LA-Synthesizern, wie dem D-50 oder dem JD-800 bekannt sein, bei dem es damals vier Partials gab, die eigene Hüllkurven und Filter mitbrachten und miteinander kombiniert werden konnten. Ähnliches gab es aber auch bei KORG’s Wavestation, die unmittelbar das Konzept des legendären PPG aufgriff. Mit den vier Oszillatoren des multi/poly potenzieren sich allerdings die klanglichen Möglichkeiten rasant.
Layer und Soundstruktur
Als Soundquelle stehen zunächst ganz klassische Wellenformen bereit. Hier finden sich die Klassiker Sägezahn, Rechteck inkl. PWM, Dreieck, etc. – alles, was man dann doch immer wieder gern nutzt. Spannender wird es mit den Wavetables, die in wirklich großer Zahl zur Verfügung stehen. Ich vermute, dass viele der zahlreichend Wavetables aus dem Modwave hier ihren Weg in den multi/poly gefunden haben. Als dritte Option gibt es noch die Waveshapes, wie man sie in ähnlicher Weise im Wavestate findet und welche zurück auf KORG’s DW-8000 gehen.
Je Layer finden wir zwei Filter, einen Noise-Generator und einen Ring-Modulator. Der Funktionsumfang ist wirklich beeindruckend und man hat hier alle Möglichkeiten Sounds zu programmieren – vom einfachen Synth mit zwei Oszillatoren bis zum Klangboliden mit 16 Oszillatoren und unterschiedlichen Modulationen.
Eines wird schnell klar: Der multi/poly verfügt über ein unglaubliches Klangarsenal und ist die perfekte Spielwiese für Soundforscher. Allein mit den vier Oszillatoren in einem Layer kann man sehr ausgedehnte Klänge entwickeln. Wenn man das dann auf vier Layer ausdehnt, sind der Fantasie kaum Grenzen gesetzt.

Praxis
Die Oberfläche des multi/poly ist in vielen Teilen selbsterklärend und das ist ein wichtiger Aspekt einer guten Software. Es dämpft einfach die Motivation, wenn man zu Funktionen erst im Handbuch nachschlagen muss. KORG hat das hier sehr gut gelöst. Die vier Layer sind auf dem Screen verteilt, ebenso die vier Oszillatoren jedes Layers. Die Wellenformen/Wavetables werden visuell ansprechend dargestellt.
Die Sektionen Play, Edit, Sequencer und … lassen sich oben per Tab-Menü umstellen. Zum Performen bietet der Play-Mode schnellen Zugriff auf wichtige Klangparameter. Zwischen den Layern finden wir das Kaoss-Pad, welches vielen als Hardware ein Begriff sein sollte. Im multi/poly verbindet er Modulationen für die vier Layer und ist ein tolles Hilfsmittel, um die umfangreiche Engine livetauglich zu machen.
Flexible Layer
Die Presets können ganz simple über die Bibliothek eingeladen werden. KORG bringt hier viele schöne Sounds mit. Allerdings reizen diese das enorme Klangpotenzial nicht wirklich aus. Ein interessantes Feature ist die Möglichkeit, die Layer A-D separat von anderen Presets einzubinden. Wenn ich global Preset 01 geladen habe, kann ich so im Layer B getrennt die Einstellungen aus Preset 02 laden. Das Zusammenstellen neuer Soundkombinationen geht so sehr schnell von der Hand. Auch das Kaoss-Pad verfügt über diese Funktion und kann die Einstellung anderen Presets in den aktuellen Sound laden.
Spielwiese für Soundtüftler
Der multi/poly verfügt über reichlich Hüllkurven, LFOs und Sequencer, die alleerwartungsgemäß miteinander agieren können. Es würde den Rahmen dieses Reviews sprengen, dies alles im Detail zu besprechen. Nach dem Motto „Klotzen und nicht kleckern“ hat KORG hier alle jene Features aufgefahren, bei denen es hinterher wieder heißen könnte „Alles schön, aber eine Hüllkurve mehr wäre schon nice gewesen“. Mit vier Hüllkurven und fünf LFOs ist man auf lange Sicht gut versorgt.
Je Layer stehen verschiedene Effekt-Slots zu Verfügung. Im Pre-FX-Bereich lassen sich vor allem Effekte zur Dynamikbearbeitung einbinden. Im Modulationsbereich kann man des Weiteren aus über 20 Effekte wählen, u.a. Nachbildungen von klassischen Effekten, wie Chorus, Phaser und Co. Anschließend folgt eine gut bestückte Delay-Sektion. Auch bei den Effekten lassen sich die Einstellungen anderer Presets einladen.

Auch an dieser Stelle merkt man, dass sich die Leute bei KORG Gedanken gemacht haben, wie man so ein „Soundmonster“ praxistauglich gestalten kann. Der multi/poly wirkt daher gar nicht so komplex wie er ist, sondern dosiert die Parameter gekonnt. Wer den Synth eher spielen möchte, findet in der erste Reihe alle wichtigen „Play-Parameter“. Für stringente Preset-Hüpfer genügt das dann auch völlig.
Edit-Mode
Über „Edit“ lässt sich dann tatsächlich auch die Büchse der Pandora öffnen und das Eintauchen in die Komplexität des Synthesizers. Aufgrund der sauberen Strukturen geht das Programmieren jedoch schnell von der Hand. Vieles ist sehr userfreundlich verpackt und es macht Spaß mit den vielen Parametern und Modifiern zu arbeiten. Die Möglichkeit Layer anderer Presets zusätzlich einzuladen ist wirklich extrem hilfreich und inspirierend.

KORG hat sich Mühe gegeben ein User-Interface zu entwickelt, dass die Lust am Soundprogrammieren nicht nach wenigen Minuten „abwürgt“. Im Edit-Fenster werden alle Blöcke innerhalb der Oberfläche angezeigt, aber erst nach einem Klick aufgeklappt. Das ist eine tolle Lösung, die ich so noch nirgends gesehen habe. Oft werden die Parameter in verschiedene Tabs verfrachtet, obwohl das hier viel schöner von der Hand geht.
Über die erwähnte, separate Preset-Funktion für jeden Layer lassen sich schnell und unproblematisch neue Klänge zusammenstellen. Ich denke, dass das vor allem für Musiker interessant ist, die nicht ewig tief in den Sound einsteigen wollen, sondern einfach und unkompliziert nach frischen Klängen suchen.
Die Auswahl an Soundquellen lassen kaum Wünsche offen. Einen Klang über mehrere Layer zusammenzustellen, erfordert eine durchaus andere Herangehensweise, als man sie von einem klassischen Synthesizer kennt. Durch die Schichtung von Teilklängen lassen sich nämlich völlig neue Sounds erzeugen. Genau das macht den multi/poly spannend und lässt ihn aus der Masse bestehender Synthesizer hervorstechen.
Modulation
Erwartungsgemäß lässt sich KORG auch beim Thema Modulation nicht lumpen: Für sämtliche Parameter stehen Modulationslots zur Verfügung und können mit zwei Modulationsquellen frei belegt werden. Kurzum – hier kann so ziemlich alles mit allem moduliert werden. Dafür stehen u.a. vier Hüllkurven und fünf LFOs zur Verfügung.

Das Verknüpfen der Parameter erfolgt dabei erstaunlich simple: In der Layer-Ansicht braucht man lediglich eine Modulationsquelle (z.B. LFO1) mit der Maus auf den gewünschten Zielparameter ziehen und erstellt damit die gewünschte Verbindung. In der Modulationsliste kann man anschließend die Parameter anpassen.
Ich habe es wirklich auch an sämtlichen Parametern getestet – beim multi/poly kann (fast) alles über Envelopes, LFOs, Kaoss-Pad, etc. gesteuert werden. Durch die einfache Verknüpfung per Mausklick wird man regelrecht animiert dem Klang Modulationen hinzuzufügen und verschiedene Dinge zu probieren. Bei vielen anderen Synthesizern klappt da nur ein Dropdown mit etlichen Parametern auf und das macht einfach wenig Spaß.
Vier Ecken – vier Layer
Ein besonderes Feature ist das integrierte Koass-Pad, dass sicherlich erst bei der Hardware (oder einem großen Touchscreen) so richtig Sinn macht. Dennoch lassen sich damit sehr lebendige Klangverläufe erzeugen, die man auch spontan am Rechner bedienen kann. Beispielsweise kann man vier gewählte Parameter in die Ecken platzieren und zwischen diesen überblenden. Das Kaoss-Pad kann dabei Bewegungen aufzeichnen und wiedergeben.

Mit dem Pad kann man aber auch zwischen den vier Klanglayern überblenden. Eine ähnliche Funktion gibt es seit der Vektorsynthese der Wavestation, die per Joystick gesteuert wurde – das Konzept wurde sinngemäß auf den multi/poly übertragen. Das Kaoss-Pad geht dabei aber einen deutlichen Schritt weiter und integriert z.B. physikalische Engines. Der Cursor bewegt sich damit nach verschiedenen Schwerkraft-Kriterien.
Sequencer
Neben den bereits vorgestellten Modulationsarten verfügt der multi/poly über einen sehr komplexen Step-Sequencer, der neben regulären Tonhöhen/Pitch auch Parameter steuern kann. Bei KORG wird dies Motion-Sequencing genannt und fand bereits im Minilogue und anderen Synthesizern Anwendung. Allerdings stehen hier gleich vier Sequenzerspuren dafür zur Verfügung, als auch eine Shape- und Timingspur. Es sind daher problemlos Polyrhythmen realisierbar – ein Feature, dass sich nicht oft an Bord von Synthesizer-Plugins finden lässt.
Auch der Sequencer gleicht einer großen Spielwiesen für Soundtüftler und jene, die diesen Synthesizer entdecken möchten.

Klang
Der KORG multi/poly tritt ganz sicher nicht als „Charakter-Schwein“ an. Aus diesem Grund macht es wenig Sinn den Synthesizer danach zu beurteilen. KORG’s Intention war es, die traditionellen Gene des Wavestate und Modwave zusammenzuführen und sich dabei vom Mono/Poly inspirieren zu lassen. Die Idee, den Klang in vier Layer und jeweils mehrer Oszillatoren aufzugliedern, erinnert ein wenig an die Roland D-Serie, aber offeriert beim multi/poly ein unglaubliches Klangpotenzial. Die Verbindung via Kaoss-Pad erscheint geradezu selbstverständlich.
Unter den Wavetables finden wir viele klassische Wellenformen, als auch solche von Richard Devine – zum Experimentieren wird also ausdrücklich eingeladen und dafür bietet der Synthesizer alle Möglichkeiten. In der Kategorie Waveshaper stehen ebenfalls zahlreiche Wellenformen zur Verfügung, so dass es nicht langweilig wird. Mit Blick auf die wirklich massiven Modulationsmöglichkeiten bietet sich beim multi/poly ein schier unglaubliches Klangarsenal, dass wenig bis keine Wiederholungen produzieren dürfte.
Wie erwartet, stellt die Filtersektion viele verschiedene Typen bereit, u.a. auch jene Klassiker vom MS-20, Polysix oder Moog’s Ladderfilter. Die unterschiedlichen Filter-Charaktere sind gut sehr getroffen, erheben aber keinen Anspruch auf eine möglichst getreue Nachbildung. Das macht im Konzept des Synthesizer auch wenig Sinn.
Wie klingt der KORG multi/poly nun? Sehr gut!
Aufgrund der enormen Klangbreite lässt sich der Synthesizer nicht in eine Ecke drängen und verdient durchaus das Prädikat „Tausendsassa“. Mit dem multi/poly kann man faktisch alle Genres und Einsatzgebiete bedienen. Dennoch ist er nicht generisch und steht zu seinen Wurzeln. Das macht den Synth sehr sympathisch.
Die umfangreiche Architektur erlaubt das Entwickeln sehr komplexer Klänge. Anders, als bei herkömmlichen Synthesizern lassen sich hier Teilklänge zu einem Gesamtsound layern, weil faktisch 16 Oszillatoren je Stimme möglich sind. Die Stärke des multi/poly liegt also vor allem darin möglichst vielseitig zu sein.
Sounddemos
Verschiedene Bass-Presets
Sequencer-Sounds mit Kaoss-Pad-Modulation
String- und Pads aus dem KORG multi/poly
Auch experimentelle Sounds und schöne FX sind kein Problem
Fazit
Eines ist klar: KORG hat hier ziemlich groß einen Boliden aufgefahren. Es gab in den letzten Jahren wirklich wenige Synthesizer, die mich derart überrascht haben. Das Konzept weiß auf ganzer Linie zu überzeugen. Die komplexe und umfangreiche Sounderzeugung macht den multi/poly zu direkten Konkurrenten von Serum oder Pigments.
Trotz dieser enormen Möglichkeiten bietet die Software einen vergleichsweise niederschwelligen Zugang zur Soundprogrammierung. Über die vier Layer kann man schnell und ohne tiefe Kenntnisse neue Sounds erstellen. Nach kurzer Einarbeitung ist dies dank der gut strukturierten Oberfläche auch für weniger erfahrene Nutzer verständlich.
Dennoch richtet sich der multi/poly vor allem an erfahrene Soundtüftler und die kommen hier ganz auf ihre Kosten. Derart viele Klangoptionen und Modulationsmöglichkeiten wird man bei nur sehr wenigen Instrumenten finden.
Danke für diesen tollen Synthesizer! Dafür gibt es auch einen BuenasIdeas-Tipp!

KORG multi/poly native
Kategorie: VST-Plugin (VST3, AU)
Preis (Street): 199€
Pro:
+ enorm umfangreicher und flexibler Synthesizer
+ toller, vielseitiger Klang
+ übersichtliche Oberfläche, gutes Handling
+ separate Preset-Sektionen für Layer, Kaoss-Engine oder Sequencer
Contra:
– teilweise zähes Handling beim Umswitchen von Presets
Weitere Infos: Produktwebseite von KORG