Ein Testbericht von Stefan Federspiel,
veröffentlicht am 06.07.2024
SAMPLESON ist hauptsächlich auf gesamplete Instrumente spezialisiert, bringt aber mit SCAPER nun einen Effekt mit einer eher minimalistischen Oberfläche heraus. Auf SCAPER werden jede Art von Samples per Drag&Drop gezogen und dann in drei parallelen Time-Stretchern geloopt. Dabei gibt SCAPER einen kontinuierlichen Sound aus, der so lange spielt, bis man ihn wieder stoppt.
SCAPER wird nicht als Effekt, sondern als Instrument in die DAW eingebunden. Dieses Instrument reagiert jedoch nur auf die MIDI-Note C4 als Start-Trigger und jede andere Note stoppt die Sounderzeugung. Man kann diese Drones/Soundscapes/Pads – wie immer man das nennen will – also nicht tonal spielen, was aber auch nicht unbedingt Sinn der Sache ist.
Die meisten Parameter von SCAPER können über MIDI CC ferngesteuert werden.
Akkorde und Loops
Jede der drei Time-Stretcher Engines verfügt über einen Regler für den Pitch, der über eine Oktave nach unten und oben regelbar ist und über einen Faktor-Regler für das Time-Stretching, der von 0,01 bis 0.5 reicht. Was das konkret bedeutet konnte ich nicht herausfinden, der Regler ganz nach rechts bei 0,5 erzeugt die schnellsten Loops, also die geringste Verzögerung. Aber einem Verlangsamungsfaktor von 2, also doppelt so lange entspricht das nicht, sondern ist länger. Ganz nach links ist sehr langsam.
In dem zentralen Wave-Display werden die Werte dieser Regler durch Kreise für den Pitch und Punkte für den Speed auf einer horizontalen Achse repräsentiert, was eine schöne, anschauliche Lösung darstellt.
Die Tonhöhe kann nur per Maus eingestellt werden und das funktioniert nicht präzise, sondern auf den Cent genau nur mit mehrfachen Anläufen oder gar nicht. Wobei das bei dieser Sorte breitem Sound meist nicht wirklich eine Rolle spielt, das ist sowieso alles recht weit über das Spektrum verschmiert.
Placebo-Granular
Rechts unten befindet sich ein Auswahlmenü für die Dichte der zusätzlichen Grain-Particles des rudimentären Granular-Synths, der mit eingebaut ist. Außer dieser Dichte in Stufen und einem Mix-Regler im Mixer-Panel gibt es dazu keine Parameter. Meinem Eindruck nach stört das meistens eher und ich drehe die Lautstärke ganz aus. Prinzipiell kann dieser Effekt schon passend sein, um einen solchen Drone-Sound lebendiger zu gestalten. Hier würde ich aber den Drone-Sound aufnehmen und in einen Granular-Synth laden oder durch einen entsprechenden Effekt jagen (siehe Testbericht Graindad) und hätte dann viel weitergehende Kontrolle darüber.
Mix und Effekte
Im Mixer-Panel regelt man die Lautstärke der Stretcher und der Grains, daneben gibt es ein Lowpass-Filter mit einem Bass-Boost und ein Reverb. Der Halleffekt ist einfach, aber ok. Will man etwas besseres, kann man ja auf einen externen Hall zurückgreifen. Der Hall ist insofern wichtig, weil leider die meisten Presets ein wahrnehmbares Knistern im Hintergrund produzieren, das man nur durch einen deutlich aufgedrehten Hall unterdrücken kann. Der wiederum den Charakter, das Spektrum und seltsamerweise auch die allgemeine Lautstärke verändert. Da müsste SAMPLESON noch an seinem Algorithmus nacharbeiten.
Video Einstellungen in SCAPER
Preset-Algorithmen
Die Factory-Presets von SCAPER sind insofern etwas besonderes, weil sie jeweils andere Algorithmen beinhalten, mit denen der Sound verarbeitet wird. Im Beschreibungstext steht, dass das gedroppte Sample analysiert und in Segmente zerlegt wird, die bei jedem Start der Engine wieder neu zusammengesetzt werden und es keine Wiederholungen gäbe. Das konnte ich jetzt so nicht feststellen – gleiches Sample, gleiche Einstellungen klingt immer gleich oder höchstens ganz leicht unterschiedlich. Ein Preset mit dem Namen Choir klingt aber tatsächlich nach einem Chor-artigen Vowel-Filter, Noise macht aus dem Sample interessantes Rauschen, Strings klingt etwas nach einem Orchester. Bad Voices produziert eher ein Horror-Drone. Dann gibt es z. B. mit Major neutralere Varianten, bei denen der Schwerpunkt auf dem Akkord liegt, der über die Tonhöhe der drei Stretcher eingestellt wird.
Was da genau im Hintergrund abläuft, ob das Kammfilter, aufgeprägte Resonanzen oder sonstwas ist, kann ich nicht sagen. Jedenfalls werden Frequenzanteile der Sample-Grundlage hervorgehoben und andere unterdrückt und das angepasst an das jeweilige Sample. Man bekommt damit zwar einerseits pro Preset relativ ähnliche Ergebnisse mit ähnlichen Samples, aber wieder andere mit Samples, die geräuschhafter sind. Also insgesamt doch ein weites Spektrum an Soundvariationen, das sowohl vom Grundcharakter der Algorithmen in den Presets beeinflusst ist und ob man tonale Samples oder solche mit höherem Rauschanteil verwendet.
Es ist auch nicht möglich ein preset so wie ein anderes klingen zu lassen. Die Regler für Pitch und Speed verändern nur diese Werte, aber nicht den durch das Preset vorgegebenen Grundcharakter. Man kann damit ein Preset etwas dissonanter oder harmonischer klingen lassen, aber nicht vom Timbre her verändern.
Video Factory Presets in SCAPER
Vergleich zu PaulXStretch
Es ist Zeit die Ohren auf den fetten Elefanten im Raum zu richten, auf PaulXStretch. Dieser freie Time-Stretcher ist zum Standard geworden und ist ebenso wie SCAPER auf das stark verlangsamte Abspielen von Samples spezialisiert.
PaulXStretch bietet sinnvolle Verlangsamungsfaktoren, 2,0 spielt das Sample mit der Hälfte der Geschwindigkeit, 50 ergibt der 50-fache Länge des Originals. Wenn man mit schnelleren Einstellungen mehrfach loopen lässt, dann ist das Ergebnis von der Länge her nicht mehr so ganz genau. Die Länge des Renderings wird einem angezeigt, so kann man mit verschiedenen Stretch-Faktoren rendern und entsprechend loopen und kommt auf die gleiche Gesamtlänge heraus. In PaulXStretch kann man den Output ebenfalls mit einem Pitch-Shifter pitchen, aber es gibt auch einen Frequency-Shifter für eher metallische Effekte, man kann harmonische Zusatzfrequenzen produzieren und es gibt auch sonst noch einige Feineinstellungen, die man in SCAPER nicht zur Verfügung hat. Und vor allem: PaulXStretch erzeugt kein störendes Knistern.
Grundsätzlich ist PaulXStretch aber ein reiner Stretcher und macht nichts dazu, er zieht das Sample in die Länge, das war’s. Also keine Frequenzhervorhebungen, aufgeprägte Resonanzen oder sonstwas. Deshalb klingt der Output auch viel näher am Original, was je nachdem, was man will, ein Vor- oder ein Nachteil sein kann.
Das alles ist aber auch vom Ausgangs-Sample abhängig. Es gibt Samples, die in SCAPER und in PaulXStretch völlig unterschiedlich klingen und welche die recht ähnlich herauskommen, vor allem, wenn man den Trick mit geschichteten, unterschiedlichen Renderings anwendet. Also z. B. 50-fach, 25-fach und 12,5-fach stretcht und entsprechend auf die gleiche Länge loopt, unterschiedliche Pitchshiftings anwendet, damit es kombiniert einen Akkord ergibt und dann in der DAW übereinanderschichtet. Man erreicht damit einen ähnlich oszillierenden, breiten Sound, wie mit SCAPER, nur deutlich umständlicher.
In dem Vergleichsvideo verwende ich immer das relativ neutrale Major-Preset für SCAPER und in PaulXStretch die gleichen Einstellungen für das jeweilige Pitch-Shifting, wie die in SCAPER. Die Stretcher-Einstellungen sind nur sehr ungefähr ähnlich, weil sich die in SCAPER nicht genau feststellen und übertragen lassen.
Video mit einem Vergleich des Outputs von SCAPER und PaulXStretch
Fazit
SCAPER von SAMPLESON bietet sowohl bei den Time-Stretchern, als vor allem bei den Particles nur sehr begrenzte Kontrollmöglichkeiten. Bei den Stretchern sind diese ausreichend, um gute Ergebnisse zu erzielen. Die Besonderheit von SCAPER sind die in den Presets fest verbauten Klangfarben, die einzigartige Ergebnisse hervorbringen, die so mit den Programm-Alternativen nicht möglich sind. Andersherum gibt es kein wirklich neutrales Preset, das der Soundscape kein Timbre aufprägt. Die drei parallelen, stimmbaren Stretcher-Engines sind komfortabel, mit PaulXStretch kommt man zu einem ähnlichen Ergebnis nur mit deutlich mehr Aufwand. Die beständig produzierten Knister-Artefakte kann man zwar mit viel Hall unterdrücken, das schränkt aber die Qualität insgesamt etwas ein, mit wenig Hall wären die Ergebnisse oft besser.
Dennoch kommt man mit SCAPER einfach zu Soundscapes, die man mit keinem anderen Programm so hin bekommt, zumindest nicht ohne hohen Sound Design Aufwand und einer Kombination mit externen Effekten.
Website von SCAPER: https://sampleson.com/scaper.html