Ein Testbericht von Nika Farra,
veröffentlicht am 03.04.2025
Hallo liebe Synthnerds und Soundjunkies. Ich bin die Neue bei BuenasIdeas.de und möchte mich kurz vorstellen. Mein Name ist Nika und der ein und andere wird mich vielleicht durch meine Artikel im Synthesizer Magazin oder mein Electro-Projekt SOLAR CHROME kennen. Ich werde also zukünftig hier mein „Unwesen“ treiben und Euch mit aktuellen Reviews zu Plugins und anderen Musikberichten versorgen.
Heute habe ich mir den Vertigo VSS-2 Channelstrip angeschaut, welches über die Plattform von Plugin Alliance bezogen werden kann. Der Hersteller ist vielleicht dem ein und anderen vom blauen VSC-2 VCA-Kompressor bekannt, der den Weg in viele Studios gefunden hat und vor allem für Drumspuren aller Art hervorragend geeignet ist. Neben der hochwertigen Studiohardware umfasst das Produktportfolio von Vertigo weitere Plugins für den Bereich Mastering und Mixing.
Vier Sections für ein Halleluja
Brandneu ist nun der VSS-2 Channelstrip, der mit recht ungewöhnlichen Eigenschaften aufwartet. Das Plugin basiert schaltungstechnisch auf vier bekannte Geräte von Vertigo, die man nun zu einem Channelstrip kombiniert hat.
Das Prinzip kennt man u.a. auch von API oder Neve und ist per se erstmal nichts Neues. Die Auswahl der Sektionen allerdings schon:
- VSE-2: Low-Pass und Hi-Pass zum Eliminieren ungewollter Frequenzen
- VSC-3: 1979 Quad VCA-Kompressor (ähnlich dem VSC-2)
- VSE-4: Passiver Gyrator EQ, basierend auf der Hardware
- VSM-4: Stufenlos mischbare Röhrensättigung (ähnlich dem VSM-3)
Ob das Konzept so Sinn macht und wer von dem Plugin profitiert, soll dieser Testbericht zeigen.

Der VSS-2 Channelstrip im Detail
Die Klanggüte ist nach meiner Erfahrung bei Vertigo indiskutabel und man hat es hier mit Plugins aus der Oberklasse zu tun. Bereits beim Input-Signal lässt man sich da nicht lumpen. Den Anfang macht nämlich der diskrete Gyrator-EQ VSE-2, der nach der hauseigenen Hardware entwickelt wurde. Verbaut sind hierbei der Low-Pass-Filter und der Hi-Pass-Filter, dessen Flankensteilheit zwischen 6db und 12db gewählt werden kann.
So wirklich spannend ist das natürlich noch nicht, aber ein solches Feature sollte ein Channelstrip schon mitbringen, um das Signal bestmöglich auf die Kompressor-Sektion vorzubereiten. Diese folgt nämlich direkt im Anschluss.
Der Drumflüsterer
Der ähnlich aufgebaute Kompressor VSC-2 genießt als Plugin einen gewissen Legenden-Status. Er bildet einen optischen VCA-Kompressor nach und liefert insbesondere bei Anwendungen auf Drum-Bussen exzellente Ergebnisse. Die gute Abstimmung von Attack- und Release-Werten erzielt sehr schöne, punchige Drums. Aber auch der Einsatz auf Basslines oder Leads kann man mit der Kompressor-Sektion gut bändigen.
Das Verhalten des Kompressors erinnert ein wenig an den Urei 1176, der bekannterweise richtig „atmen“ kann und für Anwendungen auf Spuren hervorragend geeignet ist. Der VSC-3 ist kein simpler „One-Knob-Lautmacher“, sondern ein Kompressor für kreative Anwendungen oder um das Signal für die Mastersektion leicht vorzukomprimieren. Vor allem auch auf Bussen spielt der Kompressor seine Stärken aus.

Ein Gyrator-EQ … ?
Nachdem das Signal den VSC-3 passiert hat und aufbereitet wurde, kann es mit dem passiven Gyrator-EQ VSE-4 nachbearbeitet werden. Der erste Gyrator wurde 1948 vorgestellt. Dabei handelt es sich um ein elektronisches Zweitor-Netzwerk. Vertigo nutzt dieses Schaltungsprinzip, um Spulen zu ersetzen. Neben der geringeren Störanfälligkeit weisen Gyratoren ein röhrenähnliches Verzerrverhalten auf, welches dem Signal harmonischen Obertöne hinzufügt.
Beim VSC-3 wird dieses Verhalten vom Plugin emuliert, was sich in einem äußerst musikalischen Klangverfärbung durch den EQ äußert. Im Gegensatz zu rein technischen EQs, fügt sich der Gyrator-EQ immer irgendwie in das Klangbild ein. Vor allem die Tiefen und mittleren Tiefen klingen sehr schön rund. Leads lassen sich im Bereich von 4-5KHz unaufdringlich hervorheben. Auch die Höhen zeigen sich angenehm seidig, bringen allerdings keine Air-Qualitäten mit. Aufgrund der Schaltung hätte mich das aber auch überrascht.
Der Kompressor lässt sich per Schalter auch vor den Kompressor schalten, was bei bestimmten Anwendungen durchaus sinnvoll sein kann.


Röhre satt!
Die letzte Sektion besteht aus dem VSM-3 – eine umfangreiche Röhrensättigung, die sich stufenlos dem Signal hinzufügen lässt. Vor allem dieses Feature macht den Channelstrip recht einzigartig. Andererseits macht eine Sättigungsstufe gerade auch auf dem Kanal oder Bus richtig Sinn. Die Bandbreite vom VSM-3 reicht von leichter analoger Wärme bis hin zur dicken Verzerrung für böse Basslines oder dreckigen Leads.
Neben den Drive- und Leveleinstellungen lässt sich auch die Art der Röhre – Triode oder Pentode – auswählen und ob man mit leichter oder kräftiger Verzerrung arbeiten möchte. Neben dem tollen EQ hat mir vor allem diese Sektion sehr gut gefallen, weil man schnell zum Ziel kommt und das Signal angenehm verdichten kann, ohne es völlig zu zerfahren.
Tube- und Sättigungseffekte gibt es ja mittlerweile auch wie Sand am Meer, aber ich kenne wenige Plugins, die das so geschmackvoll machen und dabei stets im Sweetspot bleiben. Wer andererseits fiese Fuzz-Sounds sucht, wird mit diesem Channelstrip garantiert nicht glücklich. Der VSM-3 ist ein moderater Sättigungseffekt, der speziell zum „Anwärmen“ von Spuren entwickelt worden ist und da macht er eine ganz hervorragende Figur.
Fazit
Der VSS-2 Channelstrip ist ein sehr gelungenes Plugin, dass die durchweg hohe Klanggüte der Vertigo-Tradition fortführt. Die ungewöhnliche, aber höchst sinnvolle Zusammenstellung der Sektionen kann auf ganzer Linie überzeugen. Neben dem Kompressor-Klassiker VSC-3, der bereits in unzähligen Studios zu finden ist, sind vor allem der Gyrator-EQ und die Saturator-Einheit hervorzuheben.
Klanglich bewegt man sich mit dem Plugin stets in einem harmonischen Sweetspot und erzielt sehr musikalische Ergebnisse. Der VSS-2 ist aufgrund seines eigenständigen Konzeptes und Klanges ein echtes Charaktergerät und eignet sich daher vor allem zum Veredeln von Spuren und Bussen.
Regulär kostet das Plugin 129,- US-Dollar und ist aktuell noch für einen Einführungspreis von 89,99 USD zu haben.
Pro:
+ exzellente Klanggüte
+ hervorragender, bewährter VCA-Kompressor
+ sehr harmonischer, musikalischer Gyrator-EQ
+ vielseitige, geschmackvolle Röhrensättigung
Contra:
– recht hoher CPU-Verbrauch, Oversampling lässt sich nicht deaktivieren
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