Testbericht: CHERRY AUDIO MERCURY-6 – Jupiter’s Legacy

5 Kommentare

Ein Testbericht von Perry Staltic,
veröffentlicht am 08.03.2023

Nach einer kurzen Winterpause, in der die Entwickler offensichtlich nicht untätig gewesen sind, meldet sich CHERRY AUDIO mit einem neuen Synth-Plugin zurück, dem ersten der Kalifornier in diesem Jahr.

Mit dem CHERRY AUDIO MERCURY-6 hat mal wieder die Münze mit den beiden Seiten „Vintage-Emulation“ und „Eigenentwicklung“ hochgeworfen, diese ist dabei, wie so oft, mit der anscheinend erfolgversprechenderen Seite nach oben gefallen, will sagen, dass man einmal mehr auf das Thema Emulation setzt.

Bereits im vorletzten Jahr schon hatte CHERRY AUDIO den guten alten JUPITER-4 von ROLAND virtuell nachgebildet und diesen dabei MERCURY-4 getauft, wohl um Streitigkeiten mit den japanischen Rechteinhabern aus dem Weg zu gehen. Wen der neue MERCURY-6 zum Vorbild hatte, vermag man da bestimmt auch ohne Hochbegabung zu deduzieren…


Senärsystem…

Wenn man die beiden Namen ROLAND und JUPITER in einem Atemzug nennt, dann ist zumeist vom JUPITER-8 die Rede. Dieser hat heutzutage einen regelrecht legendären Status erreicht (ob zu Recht oder zu Unrecht, lasse ich jetzt mal dahingestellt…), der sich auch in seinen mittlerweile immer absurder werdenden Gebrauchtmarktpreisen widerspiegelt.

Dem zwei Jahre später erschienenen JUPITER-6 hingegen ist längst nicht eine solch irrationale Verehrung zuteil geworden. Nichtsdestotrotz besitzt er eine treue Fangemeinde, die ihn seinem älteren Bruder klar vorzieht, was in erster Linie gewissen Merkmalen geschuldet ist, die der 6er dem 8er voraus hat. Zu nennen wären hier beispielsweise der Multimode-Filter, der schnellere LFO sowie die zackigeren Hüllkurven, ebenso wie die Möglichkeit der via Hüllkurve steuerbaren Crossmodulation.

Zudem war der JUPITER-6 einer der ersten Synthesizer am Markt, die bereits ab Werk mit MIDI ausgestattet wurden (wenngleich man bei ihm mit einer eher rudimentären Implementation vorlieb nehmen musste).

ROLAND JUPITER-6
ROLAND JUPITER-6

Klanglich geht der JUPITER-6 im Vergleich zum JUPiTER-8 und zum noch älteren JUPITER-4 ebenfalls seine eigenen Wege. Er ist weder eine ultimative Bassmaschine noch ein sanfter Teppichleger, punktet dafür aber mit einer Vielzahl an anderen interessanten Tongebilden, etwa Leads und Bässe der härteren Gangart, bei Bedarf schneidend, drahtig oder knackig, die eine oder andere coole Fläche, Glockenartiges sowie allerlei Effektklänge. Natürlich beherrscht er auch typische Analog-Standards (wen wundert’s…?) und diverse Brot-und-Butter-Klänge. Der Juptiter-6 besitzt dabei einen eher mittenbetonten Klangcharakter, was seine Integration in eine Abmischung sehr erleichtert.

Bekannte Songs, in denen er zum Einsatz kam sind etwa „West End Girls“ von den Pet Shop Boys, „Ghostbusters“ von Ray Parker Jr. und „Good Life“ von Inner City.

Wie viele Analogsynthesizer aus dem vergangenen Jahrhundert, ist auch der JUPITER-6 etwas rar geworden und damit der üblichen überzogenen Preisvorstellung für Vintage-Gear anheim gefallen. Ich persönlich würde es mir doch sehr überlegen, ob ich heutzutage für ein vierzig Jahre altes Gerät mit entsprechendem Pflegebedarf und ungewisser Haltbarkeitsspanne derartige Liebhaberpreise bezahlen sollte. Aber vielleicht erübrigt der MERCURY-6 ja für so manchen Interessierten auch eine derartige Fragestellung…


Wiederholungstäter…

Einmal mehr mache ich mir den Umstand zunutze, dass die grundlegenden Eigenschaften der Synthesizer-Plugins aus dem Hause CHERRY AUDIO mehr oder weniger identisch ausfallen. Daher dürften die nachfolgenden Worte auch dem einen oder anderen geneigten Leser bekannt vorkommen, denn ich spare mir wieder eine komplette Neuformulierung der immer gleichen Aspekte, sondern bediene mich an vielen Stellen des Wortlauts aus vergangenen Testberichten und weiche nur hier und dort davon ab.

Wie von CHERRY AUDIO gewohnt, ist auch MERCURY-6 nur als 64-Bit-Plugin verfügbar, das dürfte heutzutage aber wohl nur noch eine Minderheit enttäuschen, die nach wie vor auf 32-Bit-Plugins angewiesen ist. Ab WINDOWS 7 beziehungsweise ab macOS 10.13 ist man dabei, auch die neuesten Versionen dieser beiden Betriebssysteme werden unterstützt. Auf M1-Prozessoren läuft MERCURY-6 ebenfalls, und zwar nativ.

Neben einer Standalone-Version werden die Plugin-Formate VST2, VST3, AAX sowie AU angeboten, wie immer habe ich jedoch lediglich die VST-Varianten des MERCURY-6 installiert und getestet. Meine Testumgebung besteht aus einem stationären Rechner mit i7-4790K-CPU (4 x 4,0 GHz) und 16 GB RAM, der wahlweise mit WINDOWS 7 oder WINDOWS 10 läuft. Der MERCURY-6 lief darauf auch mit mehreren parallelen Instanzen ohne zu murren.

Es ist beinahe schon zu einer Tradition geworden, dass ich einen kleinen Minuspunkt bezüglich der Installations- und Aktivierungs-Prozedur vergeben muss, denn CHERRY AUDIO besteht dabei auch beim MERCURY-6 auf eine Internetverbindung, und die ist nun mal nicht unbedingt in jedem Studio vorhanden, auch wenn das in unseren Zeiten für den einen oder anderen überraschend erscheinen mag. Ich selbst erlaube meinem Studiorechner jeweils nur temporär den Zugang zum Netz, eben für solche Aktivierungsgeschichten, und begrüße es immer, wenn ein Hersteller auch zumindest alternativ eine Offline-Aktivierung anbietet.

CHERRY AUDIO MERCURY-6 - Installation benötigt Internetzugriff
CHERRY AUDIO MERCURY-6 – Installation benötigt Internetzugriff

Bei CHERRY AUDIO ist der Internetzugang allerdings auch bereits für die reine Installation vonnöten, da hierbei noch diverse Daten nachgeladen werden. Möchte man den MERCURY-6 anschließend freischalten, so sollte man die Zugangsdaten in Form von Email-Adresse und Passwort bereithalten, mit denen man sich auch in seinen Online-Account bei CHERRY AUDIO anzumelden pflegt. Ohne eine derartige Freischaltung verbleibt MERCURY-6 in einem dreißigtägigen Demo-Modus, in dem zwar alle Funktionen verfügbar sind, jedoch immer wieder mal ein Rauschen als Störsignal ertönt.

CHERRY AUDIO MERCURY-6
CHERRY AUDIO MERCURY-6

Die Bedienoberfläche des Plugins ist zur Anpassung an die anwenderseitige Bildschirmgröße und -auflösung skalierbar und orientiert sich optisch an sehr eng an seinem Vorbild, abgesehen von kleineren systembedingten Änderungen am Layout (beispielsweise gibt es keine Patch-Taster, dafür ist ja der Preset-Browser zuständig) und diversen Zusätzen, die CHERRY AUDIO seiner Emulation mit auf dem Weg gegeben hat.

Auch hier hätte man meinetwegen gerne wieder auf die nachgeahmten Lüftungsgitter am oberen Rand verzichten können, weisen diese doch keinerlei Funktion auf und nehmen somit nur unnötig Platz auf dem Bildschirm ein.

CHERRY AUDIO MERCURY-6 - Focus
CHERRY AUDIO MERCURY-6 – Focus

Auch beim MERCURY-6 gibt es eine FOCUS-Funktion, mit der sich einzelne Bereiche der Bedienoberfläche fensterfülllend vergrößern lassen, dies dürfte wohl vor allem bei sehr hohen Bildschirmauflösungen ab 4K aufwärts von Vorteil sein. Es gibt dafür übrigens auch einen praktischen Shortcut: Einfach bei gedrückter STRG-Taste (WINDOWS) bzw. CMD-Taste (macOS) ins GUI klicken. Das Zurücksetzen auf die normale Ansicht funktioniert ebenso.

Die Möglichkeiten, seinen bevorzugten MIDI-Controller zur bequemeren Steuerung mit dem MERCURY-6 zu verbinden, sind ebenfalls wieder vorbildhaft. Man kann sämtliche getätigten Mappings auch im Nachhinein noch anpassen, unter anderem lässt sich für jedes Element getrennt der Regelbereich mit Minimal- und Maximalwerten definieren und sogar invertieren, zudem lässt sich auch seine Regelkurve mit der Maus stufenlos verbiegen, so dass hier neben linearen auch exponentielle und logarithmische Verläufe möglich sind.

CHERRY AUDIO MERCURY-6 - MIDI Learn
CHERRY AUDIO MERCURY-6 – MIDI Learn

Schon vor einiger Zeit hat CHERRY AUDIO die MIDI-LEARN-Funktion um die Möglichkeit erweitert, einzelne oder gleich alle vorgenommenen Einstellungen sowohl global als auch nur für das jeweilige Preset geltend abzuspeichern. Der aktuelle Status lässt sich dabei jederzeit ändern. Auf diese Weise können die Bedienelemente eines MIDI-Controllers bei dem einen Preset etwas völlig anderes regeln als bei dem anderen.

Selbstredend lässt sich der MERCURY-6 auch mittels Parameter-Automation steuern, wer mag, der kann dazu auch das Mausrad verwenden, und die praktischen UNDO- und REDO-Funktionen fehlen ebenfalls nicht.

CHERRY AUDIO MERCURY-6 - QWERTY Keyboard
CHERRY AUDIO MERCURY-6 – QWERTY Keyboard

Aber auch ganz ohne MIDI-Eingabegerät lässt sich der MERCURY-6 spielen, dem sogenannten QWERTY KEYBOARD sei Dank. Dieses wird wahlweise mit der Maus oder der alphanumerischen Tastatur bedient, neben Noten können damit auch diverse Controllerdaten wie etwa Anschlagsdynamik, Pitchbending oder Modulation erzeugt werden.

CHERRY AUDIO MERCURY-6 - Settings
CHERRY AUDIO MERCURY-6 – Settings

Das Settings-Menü des MERCURY-6 folgt ebenfalls dem CHERRY AUDIO-Standard, verteilt sich auf drei Tabs (GENERAL, INTERFACE und ACCOUNT) und ermöglicht diverse Grundeinstellungen, beispielsweise in Bezug auf Darstellung und Bedienung, Zugangsdaten und Updates oder des Verzeichnisses für die Presets usw.

CHERRY AUDIO MERCURY-6 - Preset-Browser
CHERRY AUDIO MERCURY-6 – Preset-Browser

Die Verwaltung der Klangkreationen erfolgt wie gewohnt über den Preset-Browser, der dazu über Optionen wie thematische Kategorien, eine Suchfunktion sowie eine vom Anwender bestückbare Favoritenliste verfügt. Die altbekannte Pin-Funktion verhindert bei Aktivierung, dass sich das Browser-Fenster sofort wieder schließt, nachdem man ein Preset ausgewählt hat. Die Presets können innerhalb des Browsers auch mit Hilfe der Cursortasten ausgewählt werden.

CHERRY AUDIO MERCURY-6 - Oversampling Quality
CHERRY AUDIO MERCURY-6 – Oversampling Quality

Zu guter Letzt finden wir noch ein kleines Pulldown-Menü, das sich bei Betätigung der Schaltfläche mit dem Q öffnet. Hierin lässt sich der Oversampling-Faktor anpassen, die Voreinstellung beträgt dabei stets 1x. Höhere Werte verbessern die Klangqualität und beugen Aliasing-Artefakten vor, stellen aber gleichzeitig auch etwas höhere Ansprüche an die CPU.


Erstbegehung…

Betrachten wir uns nun die Synthese-Sektion in der oberen Reihe. Diese wirkt von ihrem Layout her typisch „rolandesque“ und der MERCURY-6 weicht nur marginal von seinem Vorbild ab.

CHERRY AUDIO MERCURY-6 - Synthese-Sektion
CHERRY AUDIO MERCURY-6 – Synthese-Sektion

Auf der linken Seite, gleich neben dem Regler für die Gesamtlautstärke inklusive praktischer zuschaltbarer Limiter-Funktion, befindet sich der LFO, genauer gesagt, der erste von insgesamt zwei LFOs.

CHERRY AUDIO MERCURY-6 - LFO 1
CHERRY AUDIO MERCURY-6 – LFO 1

Er verfügt über Regler für Geschwindigkeit (RATE, 0,03 Hz bis 100 Hz) und Einschwingverzögerung (DELAY) und bietet die vier Schwingungsmuster Dreieck, abfallender Sägezahn, Rechteck sowie Zufall (RAND). Die Geschwindigkeit lässt sich auch zum Host-Tempo synchronisieren und dann in musikalischen Notenwerten einstellen (1/64 Triole bis 8 Grundschläge). Zudem lässt sich der LFO bedarfsweise bei jedem Tastenanschlag neu starten.

Die Modulationsintensität lässt sich bei den jeweiligen Zielen einstellen. Diese sind Tonhöhe (VCO MOD), Pulsweitenmodulation (PWM), Filterfrequenz (VCF / LFO-1) und Verstärker-Amplitude (VCA / LFO-1).

CHERRY AUDIO MERCURY-6 - LFO-2 und Bender-Sektion
CHERRY AUDIO MERCURY-6 – LFO-2 und Bender-Sektion

Wie auch schon beim JUPITER-6 gibt es einen zweiten LFO. Der ist ebenfalls links unten in der Bender-Sektion untergebracht (von CHERRY AUDIO „Left-Hand Controls“ genannt), verfügt über eine regelbare Geschwindigkeit (0,04 Hz bis 11.5 Hz) inklusive Host-Sync (wieder 1/64 Triole bis 8 Grundschläge) sowie eine diesmal RISE genannte Einschwingverzögerung, die von 50 bis 1000 Millisekunden reicht und damit immer minimal aktiv ist (das wurde so vom JUPITER-6 übernommen).

Als Modulationsziele können Tonhöhe und Filterfrequenz dienen. LFO-2 kann wahlweise dauerhaft oder lediglich temporär bei Betätigung des Trigger Buttons aktiviert werden, Letzteres entspricht der Implementation beim JUPITER-6.

Übrigens, wie beim Original sind beide LFOs lediglich monophon, wirken also stets auf alle Stimmen eines Layers (dazu mehr weiter unten) gleichzeitig.

CHERRY AUDIO MERCURY-6 - VCO-Sektion und Mixer
CHERRY AUDIO MERCURY-6 – VCO-Sektion und Mixer

Oszillatoren hat der MERCURY-6 zwei zu bieten (VCO-1 und VCO-2). Beide können können die Wellenformen Dreieck, aufsteigender Sägezahn und variabler Puls erzeugen, hinzu kommt bei VCO-1 noch Rechteck und Rauschen bei VCO-2 (ein separater Rauschgenerator böte natürlich noch flexiblere Möglichkeiten, aber das wurde einmal mehr so vom JUPITER-6 übernommen…). Es können pro VCO jeweils auch mehrere Wellenformen gleichzeitig aktiviert werden.

Jeder VCO kann die Fußlagen von 32′ bis 2′ abdecken, die Bereiche zwischen den einzelnen Oktaven sind mit den RANGE-Reglern in Halbtonschritten anwählbar. VCO-2 kann für Modulationszwecke auch unterhalb und oberhalb des hörbaren Bereichs (zumindest für Menschen…) schwingen, zudem lässt er sich im Bereich einer Quinte nach oben oder nach unten zu VCO-1 verstimmen.

VCO-1 lässt sich zu VCO-2 synchronisieren, ebenso wie VCO-2 zu VCO-1. Während beim JUPITER-6 beide Optionen auch gleichzeitig genutzt werden können (wozu auch immer…), ist dies beim MERCURY-6 nicht vorgesehen. Im rechts von der VCO-Sektion gelegenen Mixer wird das Mischungsverhältnis beider Oszillatoren eingestellt.

Die Frequenz der Oszillatoren, also ihre Tonhöhe, kann mittels LFO-1 sowie der ersten Hüllkurve (ENV-1) moduliert werden. Dies lässt sich für jeden VCO getrennt aktivieren. Die ebenfalls mögliche Modulation durch LFO-2 hingegen wirkt stets auf beide VCOs ein.

Die Pulsweite der variablen Pulswelle kann sowohl manuell geregelt als auch durch entweder Hüllkurve 1 oder LFO-1 moduliert werden. Ebenfalls manuell, aber auch via ENV-1 lässt sich die CROSS MOD-Funktion nutzen. Hierbei moduliert der zweite VCO den ersten in seiner Tonhöhe. Wenn sich der RANGE-Regler von VCO-2 in der Stellung LOW befindet, erzeugt das ein hörbares Vibrato, der TUNE-Regler von VCO-2 dient dann zur Feineinstellung der Geschwindigkeit.

Steht RANGE jedoch auf einer der Fußlagen im Audiobereich oder gar auf HIGH, lassen sich damit prägnante FM-Klänge erzeugen, hierbei ist jedoch etwas Feingefühl nötig, denn coole und nervige Sounds sind manchmal nur eine winzige Abweichung der Reglerstellung voneinander entfernt. Einige der mitgelieferten Presets zeigen aber, wie es richtig geht!

CHERRY AUDIO MERCURY-6 - VCF und VCA
CHERRY AUDIO MERCURY-6 – VCF und VCA

Das Filter kann entweder als Tiefpass, als Bandpass oder als Hochpass arbeiten. Im Bandpass-Modus beträgt die Flankensteilheit 12 dB pro Oktave, in den anderen beiden Modi sind es 24 dB pro Oktave. Grenzfrequenz und Resonanz sind manuell einstellbar, Erstere kann zudem wahlweise durch eine der beiden Hüllkurven und durch die LFOs gesteuert werden, Letztere reicht bis in die Selbstoszillation. Das Keyboard-Tracking ist ebenfalls stufenlos regelbar.

Ein separates Hochpassfilter zur Ausdünnung von Klängen, wie es einige andere ROLAND-Synthesizer aus dieser Epoche besitzen, fehlt dem JUPITER-6 ebenso wie dem MERCURY-6.

Die VCA-Sektion besteht aus zwei Reglern, mit denen sich die Modulationsintensität der zweiten Hüllkurve (ENV-2), die dem Verstärker fest zugewiesenen ist (und nur bei Bedarf das Filter à la JUNO-106 gleich mit steuert), sowie von LFO-1 bestimmen lässt.

CHERRY AUDIO MERCURY-6 - Hüllkurven
CHERRY AUDIO MERCURY-6 – Hüllkurven

Die beiden Hüllkurven, namentlich ENV-1 und ENV-2, weisen die klassische und bewährte ADSR-Parametrik auf. Beide lassen sich sowohl durch das Keyboard-Tracking als auch durch die Anschlagsdynamik beeinflussen, beides mit einstellbarer Intensität. Der JUPITER-6 verfügte übrigens über keine Anschlagsdynamik, gut, dass CHERRY AUDIO hier nicht ganz so penibel in puncto Originaltreue vorgegangen ist.

ENV-1, die in erster Linie die Filterfrequenz steuert, aber wie oben beschrieben auch zur Modulation anderer Ziele eingesetzt werden kann, besitzt zusätzlich noch eine umschaltbare Polarität.


Zweite Reihe…

Wenngleich die Klangarchitektur des MERCURY-6 weitgehend an sein Vorbild angelehnt ist, hat CHERRY AUDIO hier und da kleine Erweiterungen und Verbesserungen implementiert. Einige davon haben wir gerade schon kennengelernt, andere betreffen die Funktionen der sogenannten Layers.

Beim JUPITER-6 existiert nämlich die Möglichkeit, via Tastatur-Split zwei verschiedene Klänge gleichzeitig zu erzeugen, die sich dann allerdings einen gemeinsamen Mono-Ausgang teilen müssen. Dabei hat man die Wahl, ob das Lower Layer vier der insgesamt sechs Stimmen zugewiesen bekommen soll, oder aber das Upper Layer, während das jeweils andere Layer mit den zwei übrig geblieben Stimmen vorlieb nehmen muss. Zudem steht für beide Layers natürlich nur ein einziges Set an Parameter-Reglern zur Verfügung.

CHERRY AUDIO MERCURY-6 - Key Mode und Panel Mode
CHERRY AUDIO MERCURY-6 – Key Mode und Panel Mode

CHERRY AUDIO’s MERCURY-6 bietet an dieser Stelle nicht nur eine freie Wahl in Bezug auf die jedem Layer zugewiesene Stimmenzahl, im Gegensatz zum JUPITER-6 vermag er die beiden Layers auch als Stack übereinanderzuschichten und dann gemeinsam über die gesamte Tastatur wiederzugegeben.

Split-Sounds lassen sich übrigens – wie schon beim Original – nicht getrennt abnehmen und in der DAW separat nachbearbeiten, es fehlen leider die dazu notwendigen Einzelausgänge.

CHERRY AUDIO MERCURY-6 - Upper Layer (rot) und Lower Layer (blau)
CHERRY AUDIO MERCURY-6 – Upper Layer (rot) und Lower Layer (blau)

Genau wie beim JUPITER-6 muss auch bei beim MERCURY-6 via Knopfdruck ausgewählt werden, welches der beiden Layers mittels der Parameter-Regler editiert werden soll. Doch während bei der Hardware in vielen Fällen die jeweiligen Reglerstellungen nicht mit den tatsächlichen Werten des Patches übereinstimmen dürften, ist man beim MERCURY-6 immer im Bilde.

Denn einerseits springen die Regler beim Plugin natürlich automatisch auf ihre korrekten Stellungen, andererseits passt sich die Farbgebung sowohl des Zierstreifens in der linksseitigen Layer-Sektion als auch der zahlreichen virtuellen LEDs je nach ausgewähltem Layer automatisch an (Upper Layer: rot, Lower Layer: blau). Gute Idee!

Jedes Layer bietet individuelle Einstellmöglichkeiten für Lautstärke, Panorama, Feinstimmung sowie für eine zufallsgesteuerte Abweichung der Oszillator- und Filterfrequenzen (DRIFT).

Im sogenannten Whole Mode (WHL) wird übrigens ausschließlich das Upper Layer über die gesamte Tastatur verwendet, das entspricht dann einem einfachen Single-Sound.

CHERRY AUDIO MERCURY-6 - Layer Utility
CHERRY AUDIO MERCURY-6 – Layer Utility

Wie schon beim hauseigenen GX-80 hat CHERRY AUDIO auch beim MERCURY-6 ein kleines Utility-Menü integriert, in dem sich verschiedene Funktionen zum Kopieren und Austauschen von Parameterwerten der beiden Layers finden. Einzelne Layers lassen sich sogar Exportieren und Importieren, um so auf einfache Weise neue Zusammenstellungen zu kreieren.

CHERRY AUDIO MERCURY-6 - Glide und Arpeggio
CHERRY AUDIO MERCURY-6 – Glide und Arpeggio

Neben der GLIDE-Sektion, mit der wahlweise Portamento- oder Glissando-Effekte erzeugt werden können, sticht der Arpeggiator ins Auge. Er lässt sich sinnvollerweise zum Host-Tempo synchronisieren, verfügt über verschiedene Abspielmuster (aufwärts, abwärts, alternierend oder zufällig), die über maximal vier Oktaven laufen können.

Wie der JUPITER-6 besitzt der Arpeggiator keinen separaten Ein/Aus-Schalter, sondern wird durch die Anwahl eines der vier Abspielmuster aktiviert. Deaktiviert wird er hingegen dadurch, dass man einen der vier Modi in der ASSIGN-Sektion gleich nebenan anklickt.

Dies gleicht der Umsetzung im MERCURY-4 und bedeutet daher leider auch, dass es nicht möglich ist, Unisono-Klänge zusammen mit dem Arpeggiator zu nutzen.

CHERRY AUDIO MERCURY-6 - Stimmenzuweisung
CHERRY AUDIO MERCURY-6 – Stimmenzuweisung

Ein weiterer Vorteil der Emulation gegenüber ihrem Vorbild ist die bei Bedarf erhöhte Stimmenzahl. Für jedes Layer lässt sie sich zwischen minimal zwei und maximal sechzehn Stimmen einstellen, sofern nicht der einstimmige SOLO-Modus aktiv ist, sondern einer übrigen Modi UNI, POLY 1 oder POLY 2. UNI steht natürlich für Unisono und ermöglicht das Übereinanderschichten von Stimmen, die dann auch noch gegeneinander verstimmt werden können.

Es existieren übrigens zwei verschiedene UNI-Betriebsarten: eine monophone sowie eine polyphone, bei der die zur Verfügung stehenden Stimmen auf die gleichzeitig gespielten Noten verteilt werden.

CHORD MEMORY bezeichnet eine Funktion, die wir regelmäßig in CHERRY AUDIO’s Software-Synthesizern wiederfinden. Damit kann einer der beiden POLY-Betriebsarten ein kompletter Akkord, aber auch jedes andere Noteninterval gespeichert und mit nur einer einzigen Keyboardtaste wiedergegeben werden.

Der HOLD-Button rechts daneben lässt angeschlagene Noten auch nach dem Loslassen der Tasten noch munter weiter erklingen, zumindest solange, bis neue Noten gespielt werden. Dies funktioniert ebenfalls in Verbindung mit dem Arpeggiator, bei normal gespielten Noten jedoch natürlich nur, sofern beim jeweilige Preset der Sustain-Parameter der VCA-Hüllkurve nicht auf null steht.

Es sei hier noch einmal der Vollständigkeit halber darauf hingewiesen, dass auch die gerade erwähnten Glide-, Arpeggio- und Assign-Einstelllungen für jedes Layer getrennt verfügbar sind.


Kettenrauscher…

Auf der rechten Seite, unterhalb der Hüllkurven, finden wir eine Multi-Effekt-Sektion, bestehend aus den Effekten Distortion, Phaser, Flanger/Chorus, Delay und Reverb, die aus Platzgründen jeweils in einzelnen Tabs untergebracht sind. Ein veränderbares Routing ist nicht vorgesehen, grundsätzlich arbeiten alle Effekte parallel.

Grundsätzlich kennen wir diese Effekte ja bereits von früheren CHERRY AUDIO-Synths, doch lassen es sich die Entwicker aus irgendeinem Grund nicht nehmen, diese bei jedem neuen Instrument in ihrer Ausführung zumindest leicht abzuwandeln (beim GX-80 etwa bildete der Flanger mit dem Phaser eine Einheit und nicht mit dem Chorus).

CHERRY AUDIO MERCURY-6 - globale Effekteinstellungen
CHERRY AUDIO MERCURY-6 – globale Effekteinstellungen

Zunächst einmal gibt einen Tab für die globalen Einstellungen. Hier lassen sich alle Effekte einzeln oder gemeinsam ein- und ausschalten, zudem kann festgelegt werden, ob sie für beide Layers gemeinsam oder aber für Upper Layer und Lower Layer separat zur Verfügung stehen sollen. Unter der Haube existieren also eigentlich zwei komplette Efektsektionen.

CHERRY AUDIO MERCURY-6 - Distortion
CHERRY AUDIO MERCURY-6 – Distortion

Bei der Distortion lässt sich zwischen den zwei Geschmacksrichtungen TUBE und FUZZ wählen, ansonsten gibt es noch Einstellmöglichkeiten für den Verzerrungsgrad (DRIVE), die Höhenregelung (TONE) und den Ausgangspegel (LEVEL).

CHERRY AUDIO MERCURY-6 - Phaser
CHERRY AUDIO MERCURY-6 – Phaser

Der Phaser verfügt über wahlweise zwei, vier oder acht Stufen (STAGES). Seine Geschwindigkeit kann entweder unabhängig über den RATE-Regler eingestellt werden (MOD SOURCE: INT) oder aber der eines der beiden LFOs folgen und darüber dann gegebenenfalls auch zum Host-Tempo synchronisiert werden. Effektintensität (DEPTH) und Rückkopplung (FEEDBACK) lassen sich ebenfalls einstellen.

CHERRY AUDIO MERCURY-6 - Flanger und Chorus
CHERRY AUDIO MERCURY-6 – Flanger und Chorus

Flanger und Chorus teilen sich eine Effekteinheit und können daher nur alternativ zueinander genutzt werden. Einstellbar sind Geschwindigkeit (RATE), Intensität (DEPTH) Verzögerungszeit (DELAY TIME, nur im Flanger-Modus verfügbar), Rückkopplung (FEEDBACK, ebenfalls nur im Flanger-Modus verfügbar) sowie das Mischungsverhältnis zwischen trockenem und bearbeitetem Signal (MIX).

CHERRY AUDIO MERCURY-6 - Delay
CHERRY AUDIO MERCURY-6 – Delay

Das Delay bietet drei Modi (DIGI, TAPE und PING-PONG), von denen der erste eine Digitaldelay und der zweite ein Bandecho nachbildet. Die Verzögerungszeit (TIME) kann entweder manuell von 1 bis 2000 Millisekunden eingestellt werden oder zum Host-Tempo synchronisiert werden, im letzteren Fall lassen sich dann musikalische Notenwerte auswählen, die wieder von 1/64 Triole bis zu 8 Grundschlägen reichen. Des Weiteren gibt es Regler für die Rückkopplung (FEEDBACK), die Höhendämpfung (DAMPING), den Stereoversatz (SPREAD) und das Mischungsverhältnis (MIX).

Eine Kleinigkeit ist bei der Benutzung des Tape-Modus zu beachten: Dieser erzeugt stets einen leisen Rauschteppich, selbst wenn der Synthesizer gerade gar keine Note spielt. Das ist nicht etwa ein Bug, wie mir CHERRY AUDIO bestätigte, sondern Absicht, denn damit soll das Verhalten eines originalen analogen Tape Delays nachgeahmt werden (wenngleich ich mir einen Ausschalter für eine derartige Option wünschen würde…).

Wenn man mehrere Instanzen des MERCURY-6 mit aktivem Tape-Modus in einem Projekt einsetzt, dann summiert sich das daraus resultierende Rauschen natürlich, es wird allerdings in der Regel vom Nutzsignal verdeckt und ist tatsächlich nur in ansonsten stillen Passagen eines Tracks zu hören (gegebenenfalls lässt sich hier aber mit entsprechender Parameter-Automation Abhilfe schaffen).

CHERRY AUDIO MERCURY-6 - Reverb
CHERRY AUDIO MERCURY-6 – Reverb

Das Reverb schließlich stellt vier Algorithmen zur Auswahl, nämlich ROOM, PLATE (PLT), HALL und GALACTIC (GLCT), Letzterer ist ja ebenfalls als separates Effekt-Plugin von CHERRY AUDIO erhältlich (siehe hier). Neben der Abklingzeit (DECAY) findet man auch Regelmöglichkeiten für das Hochpass- und das Tiefpassfilter (diese beeinflussen jeweils nur den verhallten Signalanteil, nicht den trockenen) und wieder das Mischungsverhältnis (MIX).

Qualitativ gleichen die Effekte im MERCURY-6 denen in anderen Synthesizern von CHERRY AUDIO, sie bieten also (mal abgesehen vom erwähnten Rauschen beim Tape Delay…) keinen Anlass zur Klage und können damit in vielen Fällen den Einsatz entsprechender externer FX-Plugins durchaus überflüssig machen.


Merkurtransit…

Es mag wohl nicht allzu überraschend sein, wenn ich an dieser Stelle wieder einmal vorausschicke, dass ich weder über einen originalen JUPITER-6 verfüge noch jemals einen persönlich unter den Fingern hatte. Einen Eins-zu-Eins-Vergleich müsst Ihr Euch also leider woanders suchen.

Davon losgelöst vermag ich dem MERCURY-6 aber einen guten Grundklang zu attestieren, er bietet so ziemlich genau das, was man dem JUPITER-6 nachsagt, nämlich elektronische Klänge mit einem vorrangig mittenbetonten Charakter, gelegentlich auch mit einem gewissen Grad an Unterkühlung oder Schärfe, welche man von einem (emulierten) Analogboliden nicht unbedingt erwartet (der hier aber sehr gut kommt, vor allem als Kontrastprogramm!).

Die Sync- und Crossmod-Sounds finde ich bei adäquaten Einstellungen ebenfalls gelungen, das ist bei Analogemulationen ja bisweilen immer noch ein Schwachpunkt. Und in einem anderen Punkt toppt der MERCURY-6 sogar sein Vorbild: Im Gegensatz zu diesem ist er nämlich in der Lage, geschichtete Sounds aus zwei Layers zu erzeugen, die dann sehr satt daher kommen können.

Eine Stärke, von der auch der MERCURY-6 wieder profitiert, ist die Tatsache, das CHERRY AUDIO es versteht, seinen Instrumenten einen Grundstock an guten, teilweise sehr guten Presets mit auf den Weg zu geben, die sofort Lust erzeugen, damit Musik zu machen. Jedenfalls ging es mir so, ich hatte viel Spaß dabei und als Ergebnis ist das folgende Klangbeispiel herausgekommen:

Klangbeispiel CHERRY AUDIO MERCURY-6

Es besteht aus insgesamt 19 Instanzen des MERCURY-6, dabei habe ich sowohl mitgelieferte Presets als auch eigene Klangkreationen benutzt. Neben dem MERCURY-6 kamen keine weiteren Klangerzeuger oder Effekte zum Einsatz, dafür habe ich aber an der einen oder anderen Stelle die Automationsmöglichkeiten genutzt, die meine DAW so bietet. Bei allen Instanzen ist übrigens das Oversampling auf die höchste Qualitätsstufe eingestellt.


Fazit:

Okay, es ist also mal wieder die Emulation eines Vintage-Synths geworden, aber immerhin die eines Klassikers, den es bisher noch nicht in als Plugin gibt. Den etwa zwanzig Jahre alten, technisch längst überholten und klanglich nicht sonderlich überzeugenden EFM JUP-6 lasse ich jetzt mal außen vor, handelt es sich bei diesem doch eher um eine bloße Strukturkopie und nicht um eine originalgetreue Emulation. Da ist der MERCURY-6 doch schon ein völlig anderes Kaliber!

Das Teil klingt gut, lässt sich einfach bedienen und erscheint mir persönlich darüber hinaus deutlich interessanter als die diversen Emulationen des überbewerteten JUPITER-8, Letzter Punkt ist dabei natürlich eine reine Geschmackssache.

Auch innerhalb des inzwischen doch recht großén Synthesizer-Portfolios von CHERRY AUDIO macht der MERCURY-6 eine gute Figur. Er unterscheidet sich klanglich erkannbar von seinen Geschwistern und wirkt daher auf mich auch nicht, als habe man lediglich einer alten Soundengine einfach eine neue Bedienoberfläche übergestülpt. Ein guter, neuer Synth!

Der (vermutlich wieder einmal dauerhafte) Einführungspreis des MERCURY-6 beträgt faire 49,- US-Dollar, der reguläre Listenpreis wird von CHERRY AUDIO mit 69,- US-Dollar angegeben. Eine 30 Tage lang lauffähige Demoversion erlaubt es, das Plugin vor einem Kauf in Ruhe auszuprobieren.


Positives:

+ guter Grundklang
+ einfache Bedienung
+ sowohl Split- als auch Dual-Klänge möglich
+ gelungene Cross-Modulation
+ brauchbare Effekt-Sektion
+ umfangreiche MIDI-Learn-Sektion
+ vergleichsweise geringe CPU-Anforderungen
+ fairer Preis

Negatives:

– keine Offline-Aktivierung bzw. -Installation möglich
– kein gleichzeitiger Arpeggiator- und Unisono-Betrieb (entspricht dem JUPITER-6)


Produktwebseite:

https://cherryaudio.com/products/mercury-6

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*

5 Gedanken zu “Testbericht: CHERRY AUDIO MERCURY-6 – Jupiter’s Legacy