Testbericht: SUNSET STRINGS von REALITONE – Noch mehr Strings? Noch mehr Strings!

Ein Testbericht von Klaus Feurich,
veröffentlicht am 14.08.2021

Na, wer hat noch keine String Library von Euch?! Anyone?! Doch, hat bestimmt schon jeder. Warum also noch eine weitere String Library auf den Markt schmeißen?! Gibt doch schon hervorragende von unzähligen Herstellern. Mit unzähligen Artikulationen und Ensemblezusammenstellungen. Also, Mike, warum muss jetzt auch noch Realitone eine auf den Markt werfen?

Zumindest ist das das Erste, was man in dem Moment denken könnte, wo man mitbekommt, dass jetzt auch Realitone eine String Library auf den Markt gebracht hat. Also, Mike, warum ausgerechnet „Sunset Strings“?

Die Frage soll uns natürlich nicht Mike von Realitone beantworten, sondern das ist nun mal meine Aufgabe als Testredakteur. Weswegen jetzt also die neueste Library aus dem Hause Realitone hier bei mir auf dem Studiorechner einem genaueren Hinsehen, pardon, Hinhören unterzogen wird.

Und wer die Antwort von Mike wissen möchte, nun, ganz unten hab ich das Video von ihm dazu verlinkt. Aber erstmal sollt ihr bitte natürlich meinen Test lesen.

Noch mehr Strings

Genug des Vorgeplänkels. Also, was haben wir hier?

Klar. Strings. Genauer gesagt, die „Sunset Strings“ von Realitone und dessen findigen Machers Mike Greene.

Libraries von Realitone haben wir in der Vergangenheit jetzt schon öfter getestet und meist mit richtig guten Ergebnissen. Denn was die Libraries von Realitone oft von den Produkten anderer Libraries unterscheidet, ist, wie einfach und inspirierend die Libraries mit ihren Spielmöglichkeiten – im wahrsten Sinne des Wortes – umgesetzt werden. Als Beispiel sei nur mal grade „Fingerpick“ (Testbericht hier) genannt. Einer Gitarrenlibrary, die nicht nur aufgrund ihres Klanges gut dasteht, sondern insbesondere aufgrund des mitgelieferten „virtuellen Gitarristen“, der diese Gitarre erst so richtig lebendig werden lässt.

Eben das ist so das, was die Libraries von Realitone bisher auszeichnete, die „Spielbarkeit“.

Dementsprechend gespannt bin ich auf die „Sunset Strings“. Denn wie Eingangs erwähnt, Strings hat man eigentlich genug.

Also, werfen wir mal einen Blick auf die Library.

Sunset Strings Library
„Sunset Strings“ – String Library

„Sunset Strings“ – String Library

Wie man sich beim Namen schon denken kann, die Strings wurden aufgenommen in…na ?! …richtig! Hollywood. Im bekannten Studio A von United Recording.

Entpackt auf der Platte belegt die Library gut 12,8 GB und ja, es ist eine lizenzierte Kontakt Library. Heißt, die Installation läuft über das Tool „Native Access“ und es reicht auch der kostenlose Kontakt Player dafür. Die Library enthält jedoch nur ein einziges Instrument. Aber glaubt mir, mehr braucht es eigentlich auch nicht. Eigentlich.

Und bereits auf den ersten Blick sieht man die Besonderheit dieser Library. Im Gegensatz zu den anderen (String-)Libraries, die man so kennt, fehlen hier auf den ersten Blick die Keyswitches. Also die Tasten, mit denen man bei den meisten Libraries zwischen den verschiedenen Artikulationen von Instrumenten umschaltet. Die gibt es bei „Sunset Strings“ zwar auch, aber sie stehen nicht im Vordergrund.

Im Vordergrund steht eher, was man auch auf den ersten Blick sehen kann. Das „Ding“ hat zwei Layer! Was die machen, verrate ich euch gleich natürlich noch.

Fangen wir aber zunächst an mit den

Artikulationen

Da bieten uns die „Sunset Strings“ aber einiges. Insgesamt stehen tatsächlich über 40(!) verschiedene Artikulationen zur Verfügung. Wenn ich nachdenke, hab ich glaube ich, nicht eine einzige String Library, die auch nur annähernd so viele Artikulationen bietet. Also, für ein einziges Instrument halt.

Sunset Strings Artikulationen
Sunset Strings Artikulationen

Dabei sind natürlich die ganzen „Standard“-Artikulationen, die man für eine String Library so erwartet. Also Legato, Vibrato, sul tasto, Tremolo, etc. Aber natürlich auch Triller, davon aber dann bereits sechs verschiedene mit unterschiedlichen Tonhöhen oder Spielarten. Weiterhin gibt es Repetitions – also mehr oder weniger zufällige Wiederholungen von kurzen Artikulationen wie Harmonics, Ricochets oder Pizzicati, die einfach wiederholt abgespielt werden. Außerdem gibt es natürlich die verschiedenen Swells und noch einige lustige Effektsounds.

Also falls ihr Mal ne Möve braucht, bei den „Sunset Strings“ werdet ihr fündig.

Ergänzt werden die unzähligen Artikulationen durch die verschiedenen Attack und Release und Release Sounds bzw. Artikulationen oder Spielweisen. Dabei gibt es nicht nur die verschiedenen Glissandi und Crescendi, sondern auch hier gibt es wieder eher ungewöhnliche Klänge wie das Konvergieren mehrerer Instrumente aus verschiedenen Tonhöhen auf einen gemeinsamen Ton und anderes.

Sunset Strings Attack und Release
Sunset Strings Attack und Release

Layer

Wie vorhin schon erwähnt: Die herausragende Besonderheit der „Sunset Strings“ sind die beiden Layer. Das bedeutet, ihr habt die Möglichkeit, zwei unterschiedliche Sounds gleichzeitig zu nutzen. Oder auch nicht. Oder halb und halb. Oder stufenlos.

Wie das geht?! Durch das wichtigste Werkzeug bei der Arbeit mit den beiden Layern: dem Modwheel.

Mit dem Modwheel steuert ihr nämlich den Sound zwischen den beiden Layern. Und zwar entweder als stufenlosen Crossfade zwischen den beiden Sounds (X), Ergänzung des Sounds des Bottom Layers um den des Top Layers (7) oder eben- gar nicht (=). Dann klingen beide Layer gleichzeitig bei gleicher Lautstärke.

Sunset Strings Einstellungen
Sunset Strings Einstellungen

Grade die Möglichkeit, dem Grundsound weitere Klangfarben hinzuzumischen, macht den Sound unheimlich lebendig. Ebenso interessant ist natürlich die Möglichkeit, zum Beispiel einfach einen Teil des Ensembles ins Tremolo fallen zu lassen, während der Rest den Ton hält.

Wobei wir da bei genau dem sind, was diese Library von Realitone – ähnlich wie die deren anderen Libraries – auch wieder ausmacht: einfaches, intuitives Spielen mittels ganz einfacher GUI, die zum spontanen Ausprobieren einlädt und dabei sofort gute Ergebnisse bietet. Ohne erst stundenlang Keyswitches zu lernen und dann passend anwenden zu können. Einfach zwei Klänge gewählt, ein bisschen den Hall angepasst und dann gehts schon los.

Das macht auch die anderen Libraries von Realitone für mich aus: Sie sind einfach gut und einfach zu benutzen! Und machen Spaß! Und klingen noch dazu großartig.

Sound

Trotzdem bleibt bei einer Library natürlich einer der wichtigsten Faktoren der Klang. Und, um es ganz kurz zu machen, der ist hervorragend.

Ok, ein bisschen mehr sollte ich da schon noch zu sagen.

Die „Sunset Strings“ klingen eher rau und ungeschönt. Oder besser gesagt, sehr ehrlich. Und das finde ich gut. Sie sind nicht so diese weich gemachten, gefälligen Streicher, die glatt und schön in jede beliebige Produktion direkt reinpassen.

Das finde ich, wie gesagt gut so. Denn hier habe ich als Producer die Möglichkeit, den Klang selbst zu bestimmen. Bei den bereits „schönen“ Libraries geht das nicht. Denn ich kann nicht dazu drehen, was nicht mehr da ist. Hier ist es andersrum. Per Mixer gibt es dabei noch die Möglichkeit, drei verschiedenen Mikrofonpositionen zu mischen und bei Bedarf auch auf verschiedenen Ausgänge von Kontakt zu routen. Und dann eben bei Bedarf mittels EQ etc. weiter den eigenen Bedürfnissen anzupassen.

Und, um das klarzustellen, das ist keine Kritik! Die Aufnahmequalität der Library ist hervorragend. Was man beidem Studio, den hervorragenden Musikern und der Technik auch erwarten sollte. Und das wird auch geliefert.

Dazu kommt ein spartanischer EQ und ein gut klingender Reverb und natürlich die Möglichkeit, ein Expressioncontroller zu konfigurieren.

So, erstmal genug geredet. Hören wir mal rein:

Soundbeispiele

Statt hier Soundbeispiele aufzunehmen, verlinke ich euch aber lieber das Walkthrough Video direkt von Realitone. Denn besser als Mike kann ich den Klang und die Möglichkeiten der „Sunset Strings“ auch nicht darstellen. (Wem das zu lang ist, der schaue einfach mal auf das kurze Video am Ende des Testberichts.)

Video Klangbeispiele Sunset Strings

Praxis

Wie sich das Ganze jetzt in der Praxis schlägt, habe ich ja zum Teil schon angedeutet.

Ich sag nur noch eins dazu: wie ihr auch auf den Screenshots eventuell schon sehen konntet, meine absolute Lieblingskombi an Artikulationen ist „Random Bow Change“ im Bottom und „Repetition Random Harmonics“ im Top Layer. Mit der „7“ als Modwheel Behavior, also der ergänzenden Einblendung mittels Modwheel. Das ergibt einen völlig lebendigen Sound dank der einfach einzublendenden Harmonics, den ich so noch mit keiner anderen Library innerhalb eines Kontakt-Instruments erzeugen und auch noch live spielen konnte. Herrlich!

Das macht diese Library erst einmal einzigartig.

Andererseits habe ich aber auch merken müssen, dass das, was die Library eben ausmacht, auch ihre eine, große Schwäche ist:

Die beiden Layer und die Möglichkeit diese zu überblenden oder zu kombinieren ist hervorragend. Aber manchmal braucht man eben doch mehr. Und auf einmal fehlen einem ganz schmerzlich die Keyswitches, die man eben bei anderen Libraries hat.

Die Library bietet zwar zum Glück die Möglichkeit, doch immerhin fünf User Keyswitches anzulegen, allerdings liegen die selbst bei einem 78-Tasten Masterkeyboard eher außerhalb der Reichweite. Logisch, der Tonumfang eines Streicherensembles ist ja auch nicht grade klein. Zwar gibt es auch noch drei weitere Keyswitches, mittels derer man wenigstens das Attack- und Releaseverhalten an- und ausschalten kann, aber mehr als zwei Klangfarben stehen halt in der Regel nicht zur Verfügung. Da muss man also eventuell in der DAW dann mehrere Instanzen der „Sunset Strings“ nutzen.

Und das andere Manko – ich deutete es grade schon an – der Tonumfang eines Ensembles ist groß. Und die Library hat nur ein einziges NKI Instrument. Es spielt immer das ganze Ensemble, es gibt keinen Zugriff auf die einzelnen Sektionen eines Streicherensembles.

Das hilft zwar bei der von mir gelobten spontanen Spielfreude, macht aber den ernsthaften Einsatz der Library zum Teil schwierig. Lediglich die Kontrabässe haben aufgrund ihrer Tonlage immerhin anderthalb Oktaven für sich alleine. Alle anderen (Celli, Bratschen/Violas und Violinen) spielen immer gemeinsam. Das ist im Sinne einer klassischen Komposition, wo diese Sektionen durchaus unterschiedliche Linien spielen, dann leider eben nicht immer praktisch.

Aber Spaß macht es trotzdem. Immer. Grade eben beim spontanen Spiel.

Fazit

Mit den „Sunset Strings“ bringt Realitone erneut eine sehr gut klingende und vor allem sehr gut und spontan spielbare Library auf den hart umkämpften Markt der String Libraries. Ich kenne keine besser und einfacher zu spielende Library in dem Bereich. Grade die Möglichkeit mit zwei überblendbaren Layern macht eine Menge Spaß.

Allerdings ist die eigentliche Stärke der Library auch manchmal ihre Schwäche. Es stehen zu wenig Keyswitches für die über 40 Artikulationen zur Verfügung und es gibt auch leider nur ein einziges Ensemble Instrument. Das kann den Einsatz in klassischen Produktionen unnötig schwierig machen.

Aber auf alle Fälle hat diese Library ihre Daseinsberechtigung in diesem Sektor. Und erfüllt erneut den Anspruch von Realitone, gut spielbare, kreative Libraries zu produzieren. In der Hinsicht sind die „String Libraries“ erneut hervorragend gelungen und machen jede Menge kreativen Spaß.

Plus

+ Klang

+ 2 überblendbare Layer

+ über 40 Artikulationen / viele Attack- und Releasevariationen

+ Spielbarkeit

Minus

– nur ein Instrument / keine separaten Sections

– nur 5 Keyswitches

Bezugsquellen

Die „Sunset Strings“ von Realitone erhaltet ihr direkt auf der Webseite von Realitone: https://realitone.com/products/sunset-strings

Der reguläre Preis liegt bei $300, also rund 250€. Derzeit (bis 21.05.21) gibt es jedoch noch die Einführungspreise, sodass ihr mit $199.95, also rund 168€ dabei seit.


Und jetzt, wie Eingangs versprochen, lassen wir Mike euch noch einmal die 5 wichtigsten Gründe erklären, warum ihr die „Sunset Strings“ unbedingt braucht.


Klaus Feurich Über Klaus:
Musiker und Techniker: Keyboards, Gitarre, Sounddesign, Ton- und Studiotechnik, Computertechnik
http://lunymarmusic.com