Ein Testbericht von Perry Staltic,
veröffentlicht am 09.06.2021
CHERRY AUDIO hat unlängst ein neues Plugin veröffentlicht, und um was handelt es sich da wohl? Richtig, um die Nachbildung eines klassischen Analog-Synthies, um was auch sonst! Der PS-20 ist angetreten, das virtuelle Erbe des KORG MS-20 anzutreten. Damit steht er gewiss nicht alleine da, wir wollen daher mal schauen (und hören), inwieweit er sich so gegen seine Mitanwärter behaupten kann.
Erbonkel…
Die erste Inkarnation des MS-20 hatte KORG bereits 1978 vorgestellt, und dieser Synthesizer zählt bis dato sicherlich zu den größten Erfolgen der japanischen Firma. Dies lag jetzt nicht unbedingt daran, dass er etwa ein klanglicher Schöngeist gewesen wäre, das war nämlich gar nicht, sondern vielmehr an seinem für damalige Verhältnisse sehr günstigen Verkaufspreis gegenüber der Konkurrenz, denn für unter 1500,- Deutschmark erhielt man einen verhältnismäßig gut ausgestatteten monophonen Analogsynthesizer, der zudem mit ein paar nicht alltäglichen Extras aufwarten konnte. Dazu zählte das Patch-Panel, das aus dem MS-20 einen semi-modularen Synthie machte, sowie der sogenannte External Signal Processor, mit dessen Hilfe man die Tonerzeugung des Geräts durch eine Audioquelle, beispielsweise eine Stimme oder eine Gitarre, anzusteuern vermochte.
Der MS-20 war aber nicht nur einigermaßen günstig und daher ein beliebtes Einsteigerinstrument, sein aufgrund des speziellen Filteraufbaus und seiner Ausstattung mit eher preiswerten elektronischen Komponenten bisweilen recht ruppiger Klang fand ebenfalls viele Freunde, etwa aus den Bereichen des Synthie-Pops, des Waves und der frühen EBM. Stellvertretend für viele Bands und gute Stücke sei hier einmal „Los niños del parque“ von Liaisons Dangereuses genannt, für mich persönlich eines DER Referenzstücke in Sachen MS-20-Sound.
Bereits vom originalen MS-20 gab es zwei verschiedene Varianten, die KORG im Laufe der Jahre veröffentlichte, zunächst die mit dem ursprünglichen, auf fünf Transistoren basierenden KORG 35 Filter-Modul, anschließend dann die mit dem rauschärmeren, aber auch etwas zahmeren OTA-Filter.
Nicht zuletzt Dank der Techno-Welle sowie dem heutzutage noch anhaltenden Analog-Revival hielt das Interesse am MS-20 auch lange nach seinem Produktionsende an. KORG reagierte schon recht früh darauf und veröffentlichte bereits in den „Nuller-Jahren“ eine Emulation in Form eines Plugins nebst dazu passendem MIDI-Controller und später auch als iOS-App. Als analoge Hardware ließ KORG seinen Klassiker ebenfalls wieder auferstehen, unter anderem als geschrumpften MS-20 MINI (siehe Abbildung) und als MS-20 FS (Full Size). Auch die Klon-Fabriken von BEHRINGER nahmen sich schon des Themas an und brachten mit dem K-2 einen sehr günstigen Desktop-Synthesizer heraus, der den MS-20 als Vorbild hat. Und nun gibt sich wiederum CHERRY AUDIO mit seinem virtuellen PS-20 die Ehre.
Notartermin…
Bevor wir ans Eingemachte gehen, befassen wir uns zunächst mit den grundsätzlichen Eigenschaften des PS-20, unabhängig von seiner Klangerzeugung. Da diese weitgehend denen der anderen Synth-Plugins von CHERRY AUDIO entsprechen, dürften geneigte Leser meiner früheren Testberichte dazu wohl nun auch das eine oder andere Déjà vu erleben. Aus diesem Grund werde ich mich diesmal auch einigermaßen kurz fassen.
So ist auch der PS-20 eine reine 64-Bit-Software, wahlweise für WINDOWS ab Version 7 oder für macOS ab Version 10.9. Neben einer Standalone-Variante gibt es Plugins in den Formaten VST2, VST3, AAX und AU (Letzteres natürlich nur für macOS), ich selbst habe hier wieder einmal nur nur die VST-Versionen für WINDOWS getestet.Als Testumgebungen fungierten mein Studiorechner (CPU i7-4790K mit 4 x 4,0 GHz, 16 GB RAM) mit WINDOWS 7 sowie ein Laptop (CPU i5-4200m mit 2 x 2,50 GHz, 4 GB RAM) mit WINDOWS 10. Performance-Probleme traten bei beiden Systemen während des Tests nicht auf.
Einmal mehr setzt CHERRY AUDIO auf einen Kopierschutz, der eine Internetverbindung auf dem Host-Rechner sowie einen Online-Account voraussetzt, mit dessen Zugangsdaten man sich einmalig beim Plugin anmelden muss, um es zu Aktivieren. Anderenfalls verbleibt der PS-20 im Demo-Modus, in dem er dreißig Tage lang funktioniert und den Nutzer während dieser Zeit mit periodischen Rauscheinlagen (nicht etwa durch Drogen oder Alkohol, sondern vielmehr durch weißes Rauschen!) nervt.
Der PS-20 wird übrigens sowohl als Instrumenten- wie auch als FX-Plugin installiert. Letzteres ermöglicht die Bearbeitung externer Audiosignale mit den Klangparametern und den Effekten des PS-20. Das Audiosignal wird hierbei über den sogenannten EXTERNAL SIGNAL PROCESSOR des Plugins eingespeist und muss dann von dort aus via Patch-Verbindung weitergeleitet werden werden.
Schon mit dem EIGHT VOICE hatte CHERRY AUDIO eine praktische Neuerung in Form der FOCUS-Buttons eingeführt, die einzelne Sektionen der Bedienoberfläche vergrößert in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu rücken vermochten. Beim PS-20 gibt es ebenfalls eine solche Funktion, die sich hier allerdings auf einen einzigen Schalter beschränkt, mit dem das komplette Patch Panel auf volle Fenstergröße aufgepumpt wird und sich somit auch ohne Sehhilfe bequem bedienen lässt. Ein weiterer Klick auf diesen Schalter stellt die Gesamtübersicht wieder her.
In der Grundeinstellung wird die Bedienoberfläche mit einer schwarzen Farbgebung geladen, wem diese zu düster erscheint, der hat die Möglichkeit, zwischen drei weiteren Farbschemata zu wählen (Blau, Grün und Weiß), die sich wiederum an der KORGschen Neuauflage der Hardware orientieren.
Ansonsten weist die Bedienoberfläche die von CHERRY AUDIO gewohnten Attribute auf, sie lässt sich also frei skalieren, es gibt UNDO- und REDO-Funktionen und die MIDI-Learn-Sektion fällt gewohnt üppig aus, da sie wieder einmal für jeden gemappten Parameter eigene Regelkurven sowie minimale und maximale Eingrenzungen der jeweiligen Regelwege erlaubt. Darüber hinaus ist natürlich auch eine Parameterautomation via DAW möglich.
Wie bei CHERRY AUDIO üblich, bietet auch der PS-20 ein umfangreiches Settings-Menü mit mehreren Tabs, in denen sich allerlei Grundeinstellungen tätigen lassen. So finden sich hier beispielsweise Einstellmöglichkeiten für die Zugangsdaten, für eventuelle Software-Updates, für den Preset-Ordner, für diverse Optionen, die Steuerung mit der Maus betreffend, aber auch für die eben erwähnten Farbschemata (hier THEMES genannt) etc. Da der PS-20 wie auch schon der hauseigene CA2600 und natürlich der VOLTAGE MODULAR über die Möglichkeit verfügt, virtuelle Kabelverbindungen herzustellen, gibt es in den Settings auch einen eigenen Tab, in welchem das Aussehen und das Verhalten dieser emulierten Kabel detailliert festgelegt werden können.
Wohl kein CHERRY AUDIO-Instrument ohne ein QWERTY-Keyboard, so auch beim PS-20. Mit dieser virtuellen Klaviatur lässt sich der Synthesizer bei Bedarf auch ohne separates MIDI-Keyboard spielen, indem man einfach die alphanumerische Tastatur des Rechners benutzt, die man zumindest im Falle eine Laptops ja sowieso immer unter den Fingern hat.
Auch der Preset-Browser entspricht beim PS-20 dem bei CHERRY AUDIO typischen Standard, unterscheidet sich also in keiner Weise von dem der anderen Plugins dieser Software-Schmiede. Warum sollte er auch? Schließlich bringt er alles mit, was man so zum Verwalten von Klängen benötigt, etwa Kategorien, Suchfunktionen, eine Favoritenliste sowie die praktische Pin-Funktion, die das Browser-Fenster so lange geöffnet hält, wie man es benötigt.
Wer keine Lust hat, sofort mit dem Schrauben eigener Klängen zu beginnen, der kann sich auch erstmal von den über 320 mitgelieferten Presets inspirieren lassen, darunter befinden sich nicht wenige, die dem Verfasser dieser Zeilen auf Anhieb zu gefallen wussten.
Testamentseröffnung…
Der PS-20 ist keine strikte Emulation, die Wert auf eine größtmögliche Übereinstimmung zum Vorbild legt, daher hat CHERRY AUDIO sich auch erlaubt, ein paar kleinere Änderungen in der Klangarchitektur vorzunehmen.
Das beginnt bereits bei den Oszillatoren. Diese können im Gegensatz zu denen des MS-20 beide Dreieck, Sägezahn und variable Pulswellen erzeugen, zudem lassen sie sich auch miteinander synchronisieren. Wie beim MS-20 findet sich beim zweiten VCO die Einstellmöglichkeit zur Ringmodulation. Die Fußlagen reichen bei beiden VCOs von 32′ bis 4′, VCO 2 kann per zusätzlicher Lo(w)-Stellung auch als zweiter LFO fungieren. Beim MS-20 reicht VCO 1 ebenfalls von 32′ bis 4′, VCO 2 jedoch von 16′ bis 2′, bestimmte Einstellungen des Originals müssen also gegebenenfalls über entsprechend nach oben transponierte MIDI-Noten nachgebildet werden. Erwähnenswert ist auch noch der Suboszillator bei VCO 1, der eine nicht-variable Rechteckwelle generiert.
Wer übrigens den Rauschgenerator sucht, der sich beim MS-20 über den Wellenformauswahlschalter des ersten Oszillators erreichen lässt, CHERRY AUDIO hat diesen zugunsten einer größeren klanglichen Flexibilität in die Mixer-Sektion ausgelagert, wo er über einen bidirektionalen Regler verfügt, mit dem sich wahlweise weißes oder rosa Rauschen einblenden lässt.
Hochpass- und Tiefpassfilter orientieren sich beim PS-20 am KORG 35 Filter und sind resonanzfähig. Im Unterschied zum MS-20 lassen sie sich aber nicht nur seriell (beide Oszillatorsignale sowie der Rauschgenerator durchlaufen zusammen zunächst das Hochpassfilter und anschließend das Tiefpassfilter, sondern wahlweise auch paralllel (die Signale durchlaufen beide Filter gleichzeitig) und sogar im Split-Modus (VCO 1 geht nur durch das Hochpassfilter, VCO 2 nur durch das Tiefpassfilter) betreiben. Die Filter verfügen darüber hinaus über Schalter für ein optionales Keyboard-Tracking, beim MS-20 ebenfalls nicht vorhanden.
CHERRY AUDIO hat beiden Filtern jeweils noch einen zusätzlichen Drive-Parameter spendiert, mit diesem lassen sich Verzerrungen hinzufügen, welche im Gegensatz zu denen der Distortion-Einheit in der Effektsektion einzeln pro angeschlagener Stimme und nicht nur global auf alle Stimmen gleichzeitig wirken, was somit sehr unterschiedliche Klangergebnisse zur Folge hat.
Der primäre LFO des PS-20, gemäß der KORGschen Nomenklatura MG für Modulation Generator getauft, entspricht weitgehend dem des Vorbilds, lässt sich aber, so wie heutzutage üblich, auf Wunsch auch zum Host-Tempo synchronisieren. Zudem kann sein Modulationshub auch an die Stellung des Modulationsrades gekoppelt werden. Er kann auf die beiden Filter, auf die Frequenz der Oszillatoren sowie auf den VCA einwirken (beim MS-20 existiert dieser VCA-Regler nicht). Wie auch schon beim MS-20 lässt sich die Wellenform des LFO stufenlos von abfallendem Sägezahn über Dreieck zu aufsteigendem Sägezahn (Ramp) geregelt werden, bei entsprechender Patch-Verbindung lässt sich stattdessen auch eine variable Pulswelle verwenden.
Der Hüllkurven gibt es zwei. Die erste davon kommt wie beim Original in einfacher A(ttack)R(elease)-Ausführung, mit einem zusätzlichem Delay-Parameter für einen verzögerten Einsatz. Gegenüber dem MS-20 hat CHERRY AUDIO hier aber noch einen Sustain-Schalter eingebaut, so dass auch diese Hüllkurve auf gehaltene Tasten reagieren kann. Die zweite Hüllkurve ist etwas umfangreicher ausgestattet, es handelt sich dabei um eine klassische ADSR-Variante, die um eine Haltefunktion erweitert wurde. Beide Hüllkurven können auch durch die Anschlagsdynamik des MIDI-Keyboards beeinflusst werden, damit hatte der alte MS-20 natürlich noch nichts am Hut.
Während der originale MS-20 wie auch seine verschiedenen Hardware-Nachbauten allesamt monophon ausgelegt sind, kann man den PS-20 bei Bedarf bis zu sechzehnstimmig polyphon spielen, was insbesondere für den Einsatz Von Flächenklängen interessante neue Möglichkeiten liefert. Zudem können diese zusätzlichen auch für einen Unisonomodus verwendet werden, inklusive eines einstellbaren Verstimmungsgrades, das garantiert sehr fette Bombastsounds. Eine Chord Memory-Funktion ist ebenfalls mit an Bord, damit lassen sich komplette Akkorde speichern und dann mit einer einzelnen Taste wiedergeben.
Patch me if you can…
Das Patch Panel des PS-20 hat gegenüber seinem Vorbild wohl die meisten Änderungen erfahren. Während dies beim Original (und auch beim größtenteils identisch aufgebauten BEHRINGER K-20) nicht gerade ein Ausbund an Logik und Übersichtlichkeit ist, auch aufgrund der teils eigenwilligen Bezeichnungen, hat sich CHERRY AUDIO sichtlich bemüht, hier etwas mehr Klarheit und Ordnung ins Spiel zu bringen.
So wurden beispielsweise einigen der Buchsen trefendere Bezeichnungen verpasst. Zudem hat man einige Erweiterungen eingebaut, die man beim MS-20 vergeblich sucht, etwa einen einfachen Mixer inklusive zweier regelbarer Abschwächer oder ein kleines VU-Meter. Auch eine Pulsweitenmodulation ist hier möglich, während der MS-20 noch darauf verzichten musste. Alles in allem wurde die Bedienung gegenüber dem Vorbild sichtlich vereinfacht, dennoch ist hier nach wie vor eine gewisse Einarbeitungszeit vonnöten, um zielsicher mit dem Patch Panel arbeiten zu können. Ich erspare mir jetzt die Aufzählung aller Verbindungsmöglichkeiten, im Manual zum P-20 werden diese hinreichend aufgeführt.
Typisch für CHERRY AUDIO ist auch das Design der Ein- und Ausgangsbuchsen, diese verfügen nämlich allesamt über integrierte Multiples und erlauben somit auf einfache Weise Mehrfachverbindungen. Standardmäßig verfügt jede Buchse dabei über sechs dieser Multiples, diese Zahl ist jedoch nicht begrenzt und vergrößert sich automatisch um jeweils eine weitere Buchse, sobald mehr virtuelle Patchkabel „eingestöpselt“ werden.
Direkt unter dem Patch Panel ist der sogenannte External Signal Processor platziert, dem eigentlich fast schon ein eigenes Kapitel gebührt, den ich aber trotzdem hier abhandele, da er eng mit dem Patch Panel verknüpft ist. Über dieses Modul lassen sich Audiosignale einspeisen, welche anschließend zur Steuerung der Klangerzeugung des PS-20 verwendet werden können. Diese Signale können beispielsweise Audiotracks aus der DAW, aber auch live eingespielte Instrumente oder per Mikrofon aufgenommener Gesang bzw. Pfeiffen sein (ich könnte mir vorstellen, dass dies für Kollege Stefan Federspiel recht interessant sein dürfte…).
Es gibt zwei Möglichkeiten, diese Audiosignale in den External Signal Processor zu bekommen. Die eine besteht in der Verwendung des mitgelieferten FX-Plugins, so wie ich es weiter oben bereits erwähnt habe. Die andere setzt voraus, dass die verwendete DAW über entsprechende Routing-Fähigkeiten verfügt, dann kann das gewünschte Signal nämlich über den Sidechain-Eingang des Instrumenten-Plugins eingeleitet werden.
Das Audiosignal kann vor seiner Weiterverwendung wiie schon beim MS-20 noch mittels eines gesonderten Bandpassfilters in seinem Frequenzbereich beschnitten werden, und mittels Threshold Level-Regler bestimmt man die Einsatzschwelle, ab welcher das Signal als Trigger herangezogen wird.
Damit man auch tatsächlich etwas zu hören bekommt, ist nun auch noch eine Patch-Verbindung notwendig, im einfachsten Fall etwa von der Gate Out-Buchse zum Gate In einer der beiden Hüllkurven.
In der nachfolgenden einfachen Demonstration habe ich einen simplen Drumloop als Steuersignal verwendet. Diesen hört Ihr zunächst vier Takte lang trocken. Anschließend wird er in den External Signal Processor geführt und triggert den PS-20 an, wobei ich den Threshold Level via Automation langsam auf Null fahre und somit sukzessive immer mehr Signalanteile vom Drumloop zur Steuerung heranziehe.
Und da ich gerade keine lizenzfreien menschlichen Gesangsdarbietungen zur Hand hatte, lasse ich den PS-20 in einem weiteren Klangbeispiel mal durch das Geschrei von Lemuren (eine auf Madagaskar lebende Primatenart) „spielen“:
Effektiertheit…
Der PS-20 verfügt über drei Onboard-Effekte, die mit einer guten Qualität aufwarten können, ganz wie von CHERRY AUDIO gewohnt. Es gibt die bereits erwähnte Distortion-Einheit, die sich lediglich einschalten und in ihrer Stärke regeln lässt, ein synchronisierbares Delay, welches Dank zusätzlichem LFO auch für diverse Modulationseffekte wie Chorus und Flanger herzuhalten vermag, sowie ein Reverb-Modul, das die beiden Algorithmen Spring (Federhall) und Plate (Hallplatte) bietet. Die Anordnungg dieser Effekte im Signalfluss von links nach rechts ist übrigens fest vorgegeben und unveränderlich, aber wer will auch schon ein Echo oder einen Hall in einen Verzerrer laufen lassen…?
Viel gibt es zu diesen Effekten selbst jetzt nicht zu berichten, sie machen ihre Sache gut, wie auch schon in den früheren Plugins von CHERRY AUDIO, wobei mir vor Allem das Delay und das Reverb gefallen, während der Verzerrer nicht unbedingt mein Favorit ist (das geht mir aber allgemein so mit den meisten in Synth-Plugins integrierten Verzerrern…).
Nur der Vollständigkeit halber, wer an dieser Stelle eventuell gehofft haben sollte, dass sich die Effekt-Sektion via Patch Panel auch mitten in den Klangfluss einbauen lässt, den muss ich hier enttäuschen, es gibt lediglich eine Buchse namens PRE FX IN, mit der man Signale nach dem VCA und vor den Effekten einzuspeisen vermag. Nun ja, der MS-20 selbst besitzt ja schließlich überhaupt keine Effekte, da gibt es somit also ebenfalls nichts zu patchen, insofern werte ich das hier auch nicht als Minuspunkt.
Sequenzierautomat…
An einen Sequencer hat CHERRY AUDIO ebenfalls gedacht. Beim originalen MS-20 war dazu noch ein Extra-Gerät erforderlich, etwa der KORG SQ-10. Im Unterschied zu diesem besitzt der Sequencer des PS-20 lediglich acht statt der zwölf Schritte des SQ-10, aber auch damit lässt sich schon so einiges anstellen. Wie sein Vorbild ist er ebenfalls dreikanalig ausgelegt, wohl aus Gründen der Platzersparnis hat CHERRY AUDIO sich aber dazu entschieden, nur einen Satz virtueller Drehregler auf der Bedienoberfläche unterzubringen. Diese lassen sich auf den gewünschten Kanal umschalten, damit man dabei nicht die Übersicht verliert, ändern sich jeweils die Farben der Regler.
Der Sequencer kann nicht nur Noten, sondern auch virtuelle Steuerspannungen ausgeben, die sich dann via Patch Panel auf die gewünschten Parameter legen lassen. Dafür existieren pro Kanal eigene CV- und Gate-Buchsen. Für exakte Notenanwendungen oder für abrupte Spannungswechsel lässt sich bei Bedarf für jeden Kanal separat eine Quantisierungsfunktion aktivieren. Mittels Range kann der Wertebereich für die Tonhöhen auf eine, zwei oder fünf Oktaven eingestellt werden.
Die Anzahl der Schritte kann von eins bis acht reichen, wenn ein Step-Regler auf Null steht, dann wird an der entsprechenden Stelle der Sequenz eine Pause erzeugt. Die Gate-Länge der Schritte lässt sich ebenfalls frei Regeln, allerdings nicht individuell, sondern immer global für alle Schritte. Dass sich der Sequencer sich auf Wunsch zum Host-Tempo synchronisieren lässt, muss ich wohl nicht extra erwähnen (hmm, jetzt habe ich’s ja doch getan…).
Nicht ganz alltäglich ist die Möglichkeit, eine virtuelle Spannung in die Ext Step-Buchse einzuspeisen und diese dann als Cock-Signal für den Sequencer zu verwenden. Dieses kann beispielsweise aus dem LFO stammen, Experimentierfreudige können es aber gerne auch einmal mit einem VCO versuchen, also einem Signal im Audiofrequenzbereich.
Die Wilde 13…
Endlich habe ich es mal wieder mit einer Emulation zu tun, deren Vorbild ich schon einmal persönlich unter den Händen hatte (auch wenn dies inzwischen nun auch bereits etwas länger her ist). Der MS-20 und sein tastenloser, vollmodularer Bruder MS-50 zählen neben dem MONOPOLY und dem JUNO-106 zu den ersten Analogsynthesizern, mit denen ich Kontakt hatte.
Für mein Empfinden bewegt sich der PS-20 klanglich schon sehr deutlich in Richtung seines Vorbilds und kann bei Bedarf richtig böse ertönen, er vermag sich durch seine erweiterten Möglichkeiten aber durchaus auch von typischen MS-20-Klischees zu emanzipieren, etwa durch seine polyphonen Flächenklänge.
Mit Hilfe von 13 Instanzen des PS-20 habe ich einen kleinen Demo-Track gebastelt, bei dem wieder einmal alle Klänge ausschließlich vom Testkandidaten erzeugt wurden:
Selbstredend kamen dabei keine zusätzlichen Plugins zum Einsatz, ebensowenig habe ich die im Mixer der DAW vorhandenen Klangveränderungsmöglichkeiten (EQ, Kompression, Sättigung etc.) verwendet. Da ich hier üblicherweise auch keinen Limiter einsetze, halte ich die Pegel sicherheitshalber immer etwas gemäßigt und normalisiere die Lautstärke vor der Umwandlung ins MP3-Format auf maximal -3dB. Daher fallen diese Klangbeispiele im Vergleich zu einem normalen, radiotauglichen Track auch immer relativ leise aus. Dies nur als Info.
Erbengemeinschaft…
Der PS-20 ist nun nicht der einzige Versuch, den MS-20 wieder auferstehen zu lassen. KORG selbst hat hier bekanntermaßen schon einige Vorarbeit geleistet, sei es in Form virtueller Nachbildungen oder als reale Hardware zum Anfassen in verschiedenen Bauformen. BEHRINGER hat mit seinem K-2 eine eigene Interpretation des MS-20 ins Rennen geworfen, und auch für REAKTOR 6 von NATIVE INSTRUMENTS existiert ein entsprechendes Ensemble.
Ich persönlich vermag hier in meinem Testlabor nur einen Direktvergleich zwischen dem PS-20 und dem MS-20-Plugin von KORG sowie meinem BEHRINGER K-2 anzustellen (den KORG MONOTRIBE und die drei MONOTRONE, habe ich ebenfalls hier, diese sind aufgrund ihres Tiefpassfilters zwar klanglich verwandt, aber bilden natürlich keinen kompletten MS-20 nach, daher lasse ich sie hier außen vor). KORGs Pendant gibt es bereits seit einer gefühlten Ewigkeit, es hat im Lauf der Jahre immer wieder Updates erhalten und das ursprünglich monophone Plugin ist inzwischen längst ebenfalls mit Polyphonie gesegnet. Sowohl KORG als auch BEHRINGER orientieren sich (abgesehen von kleineren Abweichungen) weitgehend an dem originalen Konzept der Klangerzeugung des Vorbilds, insbesondere auch beim Patch Panel, während CHERRY AUDIO die weiter oben beschriebenen Änderungen vorzuweisen hat.
Preislich liegt der PS-20 um Längen vorn, das Plugin von KORG kostet mit 99,- Euronen mehr als das dreifache und für den K-2 muss man sogar das rund Zehnfache locker machen (was allerdings für ein Hardwaregerät wiederum sehr günstig ist…).
Was die Klangtreue gegenüber einem MS-20 angeht, so vermag ich hier lediglich meine subjektive Anmutung kundzutun, denn wie ja schon erwähnt, besitze ich das Original nicht und mein letzter persönlicher Kontakt mit einem solchen liegt schon viele Jahre zurück. Alle drei Nachahmungen gehen klanglich tatsächlich in Richtung MS-20, verhalten sich dabei jedoch etwas braver, aber auch sauberer und rauschfreier als ein alter MS-20. Letzteres empfinde ich nun nicht unbedingt als einen Nachteil.
Es ist ansonsten auffällig, wie schwer es bisweilen fällt, einige Klänge auf allen drei Kandidaten identisch zu erzeugen, schon allein die Parameterskalierungen weichen hier deutlich voneinander ab, so dass man mit exakt gleichen Reglerstellungen hier manchmal nicht sehr weit kommt, sondern die Anpassungen ausschließlich nach Gehör vornehmen muss. Und selbst dann gibt es oftmals noch gewisse Unterschiede. Dies dürfte allerdings auch bei zwei originalen MS-20 schon mal der Fall sein. Jede der drei Nachahmungen klingt für sich allein genommen gut, ich möchte an dieser Stelle aber nicht verhehlen, dass mir im direkten Vergleich der K-2 von diesem Trio noch am besten gefiel, er klingt für meinen Geschmack etwas organischer und analoger (Echt jetzt?! Woran mag das wohl liegen? Ach ja, richtig, der ist ja tatsächlich analog…).
Wer Lust auf ein kleines Ratespiel hat, der kann ja mal folgenden Blindtest machen, in dem ich mich bemüht habe, den aktuell eingestellten Klang meines K-2 halbwegs ähnlich auf das MS-20 Plugin und auf den PS-20 zu übertragen (exakt gleich habe ich es nicht hinbekommen). Ihr hört jeweils zunächst vier Takte lang kurz angeschlagene Noten und danach einen über acht Takte gehaltenen Ton:
Könnt ihr auf Anhieb erraten, welchen Klangerzeuger Ihr hier jeweils hört? Die Auflösung findet Ihr übrigens ganz unten.
Fazit:
Ein weiteres Synth-Plugin aus dem Hause CHERRY AUDIO, das richtig Spaß macht. Der PS-20 stellt hierbei weniger eine akribische Emulation des MS-20 dar, sondern zeigt sich vielmehr von diesem inspiriert und führt sein ursprüngliches Konzept auf etwas modernere Wege. Eingefleischte Puristen mögen dieses vielleicht bemängeln, der geneigte Anwender ohne eine entsprechende Vorbelastung hingegen wird die erweiterten Möglichkeiten und die vereinfachte Handhabung insbesondere beim Patch Panel sicherlich begrüßen.
Der Grundklang ist trotz gewisser Unterschiede zum Original alles in allem sehr gelungen, der PS-20 wird meinen K-2 zwar sicher nicht arbeitslos machen, aber wohl hier und da ergänzen, insbesondere in polyphoner Hinsicht.
Sofern man dem typischen MS-20-Klang etwas abgewinnen kann (es soll ja auch Leute geben, die den überhaupt nicht mögen…) und nicht bereits anderweitig versorgt ist, kann man mit dem PS-20 eigentlich kaum etwas falsch machen, zumal sein Preis wieder einmal ziemlich konkurrenzlos dasteht.
Kaufen kann man den PS-20 wie immer direkt bei CHERRY AUDIO oder über die einschlägigen Onlineshops. Der nach wie vor gültige Einführungspreis beträgt 29,- US-Dollar (derzeit knapp 24,- Euro), während der reguläre Verkaufspreis mit 49,- US-Dollar (aktuell rund 40,- Euro) angegeben wird (es ist aber fraglich, ob dieser tatsächlich jemals fällig wird…). Wie oben bereits erwähnt, gibt es auch hier wieder eine Demoversion, die man volle 30 Tage lang testen kann.
Positives:
+ guter Grundklang
+ Polyphonie
+ eingängigeres Patch Panel (im Vergleich zum MS-20)
+ leicht erlernbare Bedienung
+ Step-Sequencer
+ gut klingende Effekt-Sektion
+ umfangreiche MIDI-Learn-Sektion
+ CPU-freundlich
+ günstiger Verkaufspreis
Negatives:
– keine Offline-Aktivierung bzw. -Installation möglich
Produktwebseite: https://cherryaudio.com/instruments/ps-20
Auflösung des Blindtests: 1.) PS-20, 2.) K-2, 3.) MS-20 Plugin