Brusfri von Klevgränd Testbericht

Wenn man selbst Aufnahmen macht ist man unweigerlich mit all den störenden Hintergrundgeräuschen konfrontiert, die sie qualitativ beeinträchtigen oder schnell völlig unbrauchbar machen können. Sei es zu starkes Mikrofonrauschen, wenn der Aufnahmepegel zu niedrig oder das Signal zu leise ist, Trafobrummen, nervende Lüfter oder gleichmäßige Lärmquellen im Freien. Wie oft kommt man gerade als Field-Recordist nach Hause, hört sich die vermeintlichen Aufnahmeschätzchen in Ruhe am Rechner an und ist schwer frustiert, weil der Autolärm, der doch zu hören ist oder meistens schlicht das Eigenrauschen des Mikros selbst alles versaut hat.

Sicher gibt es viele Faktoren, die sich hier auswirken, vom Klicks, Rascheln, Griffgeräuschen, Wind, Vogelgezwitscher bis zu Kindergeschrei, gegen das ein Entrauschungsprogramm nichts ausrichten kann und nur so große und teure Spezialprogramme wie RX von Izotope eine Problemlösung bieten. Aber Rauschen in allen Formen ist ein ständiger Begleiter im Studio und erst recht draußen im Feld.

Brusfri von Klevgränd, dessen Name schlicht „Rauschfrei“ auf Schwedisch bedeutet ist ein Audio-Effekt Plugin, das die Entrauschung von Aufnahmen verspricht, das schließt Brummgeräusche und sogar in Grenzen den Nachhall eines Raumes ein.
Wie immer bei Klevgränd ist die Bedienung möglichst einfach gehalten und dennoch soll das Wesentliche erreicht werden. Prominent ist der Learn-Button mit dem Ohr-Symbol in der Mitte des Interface, er soll mindestens eine, besser mehrere Sekunden gedrückt werden während auf der Aufnahme nur Rauschen und kein Nutzsignal zu hören ist. Der Algorithmus bekommt damit einen Hinweis, in welchen Frequenzbereichen das Problem liegt. Das ist wichtig, weil Brusfri nicht mit Phasenauslöschung arbeitet, wie einige Konkurrenzprogramme, sondern intern mit mehreren Frequenzabhängigen Expandern.

Ein Expander ist grundsätzlich ein umgedrehter Kompressor. Das Signal unterhalb der Threshold-Lautstärkegrenze wird nicht angehoben, sondern abgesenkt. Während ein Gate alles was leiser ist, als ein festgelegtes Level komplett entfernt, komprimiert ein Expander den Signalanteil unter diesem Level, geht also etwas sanfter vor. Geschieht das abhängig von der Frequenz wird das Signal nur in dem Problembereich abgesenkt und der Rest bleibt weitgehend unberührt.

Prinzipbedingt kommen also Transienten immer durch, deshalb wirkt Brusfri nicht auf kurze Signale, die über dem Threshold liegen, sondern reduziert nur halbwegs leise, gleichmäßige Anteile, wie Rauschen oder Brummen.

In der typischen Heimstudio-Situation oder in einer Küche oder dem Wohnzimmer einer fremden Wohnung, zwar mit einem generell niedrigen Geräuschpegel, aber mit nicht optimalem Equipment, wenn man das Aufnahmesignal nicht abhören, sondern nur anhand einer Pegelanzeige beurteilen kann, kommt es leicht zu zu niedrigen Aufnahmepegeln. Das Eigenrauschen des Mikrofons wird wahrnehmbar und das macht bei der Weiterverarbeitung der Aufnahmen dann Probleme.

Ein zu leise aufgenommener Schlag gegen eine der neuen großen Japanschalen meiner Mutter, der aber dummerweise der schönste ist (bei den anderen ist der Holz-Anteil zu hoch), ist der Ausgangspunkt für einen ersten Versuch mit Brusfri. Wenn man die Lautstärke aufdreht ist nicht nur das Mikrofonrauschen, sondern ganz leicht auch das Rauschen der Stadt durch die geschlossenen Fenster zu hören.

Das funktioniert schon mal gleich mit den Standardeinstellungen überraschend gut, das Mikrofonrauschen ist weg und der Klang der Porzellanschale hat kaum gelitten, nur fast nicht wahrnehmbar die Höhen und die Details. Dieses Sample kann man nun auch problemlos in Akkorden schichten, ohne dass sich das Rauschen addiert.

Eine frühere Aufnahme, die ich noch in der Küche machte, bis ich bewusst das Rascheln des Kühlschranks registrierte, stellt eine erhöhte Anforderung. In der Gegenüberstellung in einem Spektrogramm sieht man deutlich, wie effektiv das Grundrauschen entfernt wird. Aus den leisen Stellen auch das regelmäßige Rascheln des Kühlschranks, aber nicht im Signal selbst. Da kann man es zwischen dem Grundton und dem ersten Oberton als leichte, rhythmische Striche erkennen.

Hier findet Brusfri eine erste Grenze, das Störgeräusch innerhalb des Signals wird zwar leicht abgeschwächt, bleibt aber hörbar erhalten. In den Pausen jedoch verschwindet es praktisch völlig. Das liegt ganz grundsätzlich an der vom Threshold getriggerten Hüllkurve, ist die Hüllkurve aktiv, wird das Rauschen nur teilweise unterdrückt.

Andreas schickte mir von dieser Datei eine mit dem Spectral De-noise von Izotope RX in den Standardeinstellungen entrauschte Version. Auffällig ist gleich, dass der Ausklang sehr stark verkürzt ist. Das Rascheln des Kühlschranks ist etwas leiser, geht dafür aber bis zum Ende der Aufnahme, bei Brusfri wird es mit dem letzten Ausklang ausgeblendet. Vergrößert man die Wellenformen auf einen mikroskopischen Maßstab, sieht man, dass der Impact durch Brusfri etwas verändert wurde, in RX ist er praktisch identisch, das hört man aber nicht. Sowohl Brusfri, als auch RX reduzieren die Obertöne. In Brusfri kann man das mit dem High -Regler im rechten unteren Panel etwas ausgleichen. Mit dem HPF -Regler kann man Tieffrequente Störgeräusche dezimieren, der Filter liegt aber vor der Rauschreduzierung.

Hier muss man den Verstärker ziemlich aufdrehen um den Kühlschrank im Hintergrund noch zu hören.

Eine weitaus größere Herausforderung stellt das Hintergundrauschen einer Stadt dar. Es ist ungleichmäßiger und viel stärker, als das leichte Mikrofonrauschen.

Gegenüber wurde ein Gerüst abgebaut und es gab interessante metallische Geräusche und das Rattern der Akkuschrauber. Hier war jedoch der Dynamikumfang noch extremer, weil zwischendurch gab es auch harte Hammerschläge auf die Rohre des Gerüsts oder ein Teil wurde nach unten geworfen. Allzu hoch konnte ich also nicht aussteuern, das Nutzsignal lag ohnehin nicht sehr weit über dem Rauschen der Stadt. In der Standardeinstellung mit Threshold bei 0 kamen die lauteren Anteile des Rauschens noch als abgehackte Artefakte deutlich durch. Das reduzierte ich in zwei Stufen mit dem Treshold zunächst bei 30 und dann bei 40. Bei dem extremen Treshold 40 bleiben noch niedrigfrequente Artefakte übrig. Der Threshold ist der feine Querbalken in der Attack/Threshold/Release-Hüllkurve links unten in der Oberfläche von Brusfri. Das repräsentiert die klassischen Regler eines Kompressors/Expanders. Das Augensymbol rechts darüber zeigt an ob der Lookahead aktiv ist, der ca. 20 ms Verzögerung einführt und die Reaktion des Effekts verbessert.

Der Edge -Regler, im rechten Panel kommt in dem Video auch zum Einsatz, er hebt die Ratio der Expander an, was aber in keinem meiner Beispiele eine Verbesserung brachte.

Auch hier bekam ich eine mit RX Rauschreduzierte Variante.
Zunächst das Original:

 

Mit Brusfri entrauscht:

 

Mit RX Rauschreduziert:

Im Vergleich der Wellenformen erkennt man deutlich, dass bei RX noch ein sehr reduziertes Grundrauschen bleibt, während es bei Brusfri gänzlich ausgeblendet ist und nur noch ab und zu leise Artefakte wahrzunehmen sind.

Das gleiche Rauschen der Stadt mit Glockengeläute, hier kam noch erschwerend hinzu, dass ich aus Versehen in der Eile viel zu leise aufnahm. Bei so einem durchgehend lauten Vordergrundton begann der Expander zu pumpen, was sich durch eine längere Release-Zeit ausgleichen ließ.

Die bisherigen Ergebnisse mit Brusfri motivierten mich in meinen Archiven nach unbrauchbaren Aufnahmen zu suchen, um die es schade war. Eine stammte von einer frühmorgendlichen Session auf einem Campingplatz am Meer mit sehr vielen atmosphärischen Tierstimmen, die aber gegenüber dem starken Hintergrundrauschen des Meeres viel zu leise waren. Wellengeplätscher hätte ja gepasst, aber das undifferenzierte Rauschen des entfernten Meeres störte nur. Hier musste man mit dem Threshold schon bis minus 60 gehen um das Rauschen weg zu bekommen, radierte aber alle feineren Tierstimmen damit auch aus, das Rauschen im Ausklang der Signale war auch sehr stark. Damit wirkten die Tierstimmen unnatürlich. Bei null sind starke Artefakte zu hören, die aber weitgehend bei plus 20 verschwinden. Ein leichtes Rauschen ist zwar damit wieder zu hören, was aber in dem Fall tolerierbar ist.

Fazit

Ob man nun mit Hintergrundgeräuschen bei einem Voiceover kämpft, das Mikrofon im entscheidenden Moment nicht richtig eingepegelt hat, das elektrische Rauschen eines alten Synths stört oder eben leichtes bis ziemlich starkes Rauschen im Hintergrund eines Field Recordings störend überlagern, was man aufgenommen hat – Brusfri liefert eine Lösung oder zumindest eine deutliche Verbesserung. Wunder wirken kann es natürlich nicht, ein Programm in dem eine bei der Fähigkeit dann vermutlich sich selbst bewusste Künstliche Intelligenz sitzt, die Störungen jedweder Art perfekt heraus filtert wird es so schnell nicht geben.

Die Frequenzabhängigen Expander von Brusfri arbeiten erstaunlich effizient und ihre Arbeitsweise unterscheidet sich offenbar grundsätzlich von der des Spectral De-noise von RX. Ich vermute, dass je nach Situation mal der eine, mal der andere Effekt Vorteile bringt. RX ist jedoch 6 – 20 mal teurer als Brusfri, kann zwar noch viel mehr und ganz andere Dinge, dennoch wirkt auf mich das Preis/Leistungsverhältnis von Brusfri sehr gut.

Wenn man ab und zu selbst Aufnahmen im (nicht perfekten Heim-) Studio macht oder unter schwierigeren Bedingungen ist Brusfri eine wertvolle Unterstützung ein Sample perfekt sauber zu bekommen oder eine schrottige Aussenaufnahme doch noch zu retten.

Produktseite Brusfri: https://klevgrand.se/products/brusfri/

Ein Testbericht von Stefan Federspiel