WaveEdit Wavetable Editor Testbericht

Wavetable Synthesizer hatten in den letzten Jahren ein großes Comeback, nachdem ansonsten subtraktive Synthese das Feld beherrschte. Man könnte aber auch sagen, dass Wavetables nur einen Spezialfall der subtraktiven Synthese darstellen, einen Untertyp sozusagen. Dennoch, Wolfgang Palm machte mit seiner Neuauflage der alten Prinzipien des Waldorf PPG Wave Hardware-Vorbilds den Anfang, aber richtig durchschlagend wurde die Wavetable-Renaissance erst mit dem Erscheinen von Serum von Xfer Records.

Wobei man anmerken kann, dass einer der dominantesten Software-Synthesizer und inzwischen schon so etwas wie ein Veteran, Native Instruments Massive eigentlich auch ein auf Wavetables basierter Synth ist. Aber er verfügt nur über ein Set an fest eingebauten Wavetables und es sieht immer noch nicht so aus, als würde NI auf die Idee kommen dieses Feature aufzubohren und zumindest den Import eigener Wavetables zu ermöglichen.

Serum verfügt über einen sehr mächtigen, aber eben auch komplexen eingebauten Wavetable-Editor. Andere Synths, wie z. B. Synthmaster One oder Falcon können nur extern erstellte Wavetables importieren. Wobei auch einfache, normale Sounds im WAV-Format importiert werden können, das Ergebnis ist aber, da auf der Mikro-Ebene des Sounds meist keine starken Veränderungen stattfinden nicht so spannend. Um selbst Wavetables zu erstellen gab es bisher Audio Term, dass zwar viel kann, aber ziemlich nerdig und umständlich in der Bedienung ist und nur bis zu 33 einzelne Single-Cycle Waveforms zusammenfassen kann.

Hier kommt nun WaveEdit ins Spiel. Die Firma Synthesis Technology stellt Module für das Euro Rack her, darunter auch Wavetable-Oszillatoren. Schicke Teile, die sich bestimmt sehr gut in einem Euro Rack machen, so man denn eines besitzt. Die Wavetables, auf die die Oszillatoren zugreifen werden per Micro SD Karte in das Modul transferiert und um dabei für Abwechslung und Nachschub zu sorgen entwickelte Synthesis Technology ein eigenes Tool, dass sie großzügigerweise zur freien allgemeinen Verfügung für alle Plattformen stellen.

(Video zum E352)

Schick, schick…

Der E370 in Action:

WaveEdit ist ein Stand-Alone Programm und öffnet und erzeugt Wavetables. Die Anzahl der enthaltenen Single-Cycle Waveforms kann bis zu 64 betragen, was schon für sehr abwechslungsreiche Sweeps sorgt. Serum unterstützt bis zu 256 Wellenformen pro Wavetable, Falcon auch, aber das spielt nur bei sehr langsamen Scans durch die Abfolge der Wellenformen eine Rolle. Die Wavetable Oszillatoren von Synthesis Technology arbeiten auf der Basis von 256 Samples langen Wellenformen und darauf beschränkt sich auch die Länge der Wellenformen, mit denen WaveEdit arbeitet und die das Programm exportiert, doch dazu später mehr.

Zunächst öffnet WaveEdit mit einer klaren, übersichtlichen Oberfläche, bei der man sogar zwischen verschiedenen Farbschemata wechseln kannn. Eine Wohltat gegenüber der Oberfläche von Audio Term, die mit Grün/Schwarzer DOS-Ästhetik daher kommt.

Der Waveform Editor stellt in einer vertikalen Reihe links alle 64 Wellenformen dar. Die ausgewählte wird in dem großen Wellenform-Display angezeigt. Hier kann man mit verschiedenen Werkzeugen mit der Maus eigene Wellenprofile einzeichnen. Darunter ändert sich interaktiv die Anzeige der Partiale, sprich harmonischen Obertöne, die diese Wellenform im Spektrum erzeugt. Diese Partiale kann man jedoch auch einzeichnen und manipulieren und es ändert sich wiederum die Wellenform oben. Es verfügen eigentlich fast keine Synthesizer über dieses Feature, nicht einmal MPowerSynth kann beides interaktiv gleichzeitig. Synclavier von Arturia bietet das Ansatzweise, aber ich bin mir nicht sicher, ob das nicht nur die direkte Veränderung der Partiale zulässt. Anhören kann man das Ganze, indem man oben den Play-Button drückt oder wie üblich mit derr Leertaste an der Tastatur aktiviert. Oben sind auch die Regler für das Volumen und die Tonhöhe in der die Wellenform abgespielt wird. Direkt darunter sind die Schieberegler für das Durchfahren des Wavetables, was auch automatisch mit einer einstellbaren Geschwindigkeit geschehen kann.

Unter dem Display der Partiale befindet sich eine Reihe mit Schiebereglern, die Effekte, die von Harmonic Shift, Comb Filter und Ring Modulation bis zu klassischen Filtern reichen auf die Wellenform wirken lassen und sie damit völlig verändern können. Je nach Effekt-Kombination, die man auch zufällig erzeugen lassen kann entsteht ein anderes Ergebnis, der Witz ist aber, dass das zunächst nicht destruktiv ist. Wenn man oben eine andere Wellenform einzeichnet wirken all die Effekte darauf und die Ergebnis-Wellenform, die über die eingezeichnete gelegt wird passt sich an. Man kann aber auch die Effekte in die Wellenform einbacken, dann springen alle Regler auf Null zurück und das Ergebnis ist fixiert. Man wünscht sich ja unwillkürlich einen Synthesizer mit so einem Oszillator!

Hier ist ein Video, in dem ein Kind zeigt, wie Kinderleicht sich WaveEdit bedienen lässt:
Caitlin demonstrates the Synthesis Technology Waveedit with the E352 Cloud Terrarium
https://www.youtube.com/watch?v=pcakVTBhIAo

Das erste der drei Einführungsvideos auf der Website von WaveEdit, es behandelt den Waveform Editor:

Wenn man jede einzelne der 64 Wellenformen so behandeln wollte wäre das eine längere Angelegenheit. Deshalb gibt es den Effect Editor, mit dem man pro Effekt den Wert für jede Wellenform einfach einzeichnet, wie in einen Step Sequencer. Die interessante Varianz durch unterschiedliche, aber nicht zu sehr verschiedene Wellenformen in der direkten Abfolge, die die Wavetable-Synthese ausmacht stellt sich so schnell ein.

Das zweite Video auf der Website zum Effect Editor:

Was ich so auch noch nicht gesehen habe ist die Grid XY View. Hier werden die Wellenformen in einer Tabelle nebeneinander dargestellt – und sie können auch quer diagonal (!) durchfahren werden. Die Oszillatoren in den Hardware-Modulen bieten dieses Feature. In einem Software-Wavetablesynthesizer ist mir das noch nicht begegnet, aber ich kenne noch nicht alle im Detail, von daher kann es das schon geben. Es erinnert mich an das geniale Snapshot Morphing Pad von Alchemy, das seltsamerweise bisher auch keine Nachahmer gefunden hat (…in anderer Form vielleicht in den XY Vector Pads der Synths von Rob Papen oder in dem XY Pad von CinemorphX, aber der fließende Wechsel zwischen Feldern, die Snapshots repräsentieren ist das doch nicht ganz).

Video zu dem XY-Grid:


Die Waterfall View ist die übliche dreidimensionale Anordnung der Wellenformen, die in ihrer festgelegten Abfolge auf der Z-Achse durchfahren werden. Dabei besteht auch die Möglichkeit das ohne Interpolation zu tun, was aber mit dem dann harten Wechsel der Wellenformen nicht so sinnvoll ist, höchstens um eine Wellenform herauszufinden, die allzu sehr abweicht.