Schon lange erwachsen: MAGIX „Samplitude Pro X2“ – ausführlicher Testbericht zum Update

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Testbericht von Klaus Feurich

Na da kamen in den letzten Monaten doch direkt mehrere große Ereignisse um die Recordingsoftware Samplitude zusammen: Nicht nur gab es bereits im letzten Herbst den Sprung auf die neueste Version Pro X2, nein, außerdem feiert Samplitude dieses Jahr bereits den 25ten Geburtstag und ist damit neben Cubase eine der am längsten auf dem Markt befindlichen DAWs. Noch dazu hat Magix gerade erst den Preis der DAW von knapp 500€ auf 400€ gesenkt (bzw. von 1000€ auf 600€ für die Suite).

Höchste Zeit also, dass wir diese DAW, die bei vielen Umfragen zum dem Thema seltsamerweise ein Nischendasein fristet, mal genau unter die Lupe nehmen.

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Die komplette DAW auseinanderzunehmen, würde hier allerdings den Rahmen sprengen. Von daher werde ich euch einen Zusammenfassung der Möglichkeiten und des Umfangs der DAW geben und auf die Unterschiede zur Vorversion dann genauer eingehen.

Kurz vorab: ich arbeite bereits seit der Version 11 mit Samplitude, habe lange mit Pro X gearbeitet und habe jetzt, um die neueste Version auf Herz und Nieren zu testen, meine letzte Produktion (https://soundcloud.com/lunymarmusic/floating-blue) komplett mit Pro X2 arrangiert, gemischt und gemastert.

Aber der Reihe nach. Diejenigen von Euch, die Samplitude bereits kennen, können die nächsten zwei bis drei Abschnitte gerne überspringen, werde ich diese DAW dort jetzt erst einmal vorstellen.

 

Samplitude?! – Kenn ich nicht…

Aus mir unerfindlichen Gründen ist es leider so, dass in vielen Umfragen in Internetforen Samplitude ein Nischendasein zu führen scheint. Cubase kennt eigentlich jeder, Live, Pro Tools u.ä. auch. Aber kaum jemand scheint Samplitude zu kennen. Und das ist sehr schade.

Mal historisch betrachtet:
Samplitude ist neben Cubase eine der am längsten entwickelten und auf dem Markt befindliche Recordingsoftware oder auch DAW. Vorher gab es eigentlich nur noch Notator/Creator von C-Lab, aus dem später dann Emagic und Logic wurde. War seinerzeit in den 90ern Cubase auf Atari zuhause, so wurde Samplitude ursprünglich für den Amiga von Commodore entwickelt. Mit Windows 3.1, also dem ersten auch für den „Normalsterblichen“ handlebaren PC Betriebssystem, kamen dann beide Systeme auch auf dem PC an.

„Damals“ war es dann eher so, dass man bei der Kaufberatung für Recordingsoftware die Auswahl zwischen diesen beiden Programmen hatte. Kriterium war dann: will man mehr Midifunktionalität, dann Cubase, will man eher Harddiskrecording, dann Samplitude. Ganz einfach also. Aber das ist ja auch schon fast 20 Jahre her 😉

Heute tun sich beide DAWs in Hinblick auf diese Funktionalitäten nichts mehr.

 

Was haben wir denn da?

Was geblieben ist ist, dass Samplitude auch heute noch eine Bandmaschinen basierte DAW ist, also so wie Cubase auch, und keine patternbasierte DAW wie Ableton Live oder Fruity Loops zum Beispiel.

Dazu bedient sich Samplitude eines Arrangers, und eines Mixers sowie etlichen „Managern“, die zum Beispiel zusätzliche Dateien, VSTi und VST, Objekte, Routings etc. managen.

Das Arrangerfenster von Samplitude Pro X2
Das Arrangerfenster von Samplitude Pro X2

Die Werkzeugleisten sind frei anpassbar und die wichtigsten Eigenschaften einer Spur lassen sich auch in einem angedockten Spurinspektor (im Bild links) ablesen und bearbeiten.

Insgesamt arbeitet Samplitude mit einem sehr flexiblen Dockingsystem und etlichen Managern, Werkzeugleisten und Infofenstern, sowie einer den eigenen Bedürfnissen anpassbaren Oberfläche. Beinahe alle Manager und Infofenster lassen sich an beliebiger Stelle andocken und positionieren.

Dazu kommen ausgefeilte Objekt-, Audio- und Midieditoren, flexibles Routing, echtes Sidechaining, jetzt auch VCA Gruppen, flexibles FX und AUX Routing, Masteringfunktionen, hervorragende Automationsmöglichkeiten, eine gute Auswahl an gängigen VST FX, der Magix eigene Sampler Independence mit großer Library, Objektsynthesizer und einige weitere VSTi.

Es können alle gängigen Audioformate verarbeitet, im- und exportiert werden. Und auch die Einbindung und Vertonung von Videomaterial ist mit Samplitude samplegenau und mit integriertem Videovorschaufenster möglich.

Außerdem bietet Samplitude natürlich auch die Einbindung von allen gängigen Hardwarecontrollern mit einer großen Presetlibrary und unterstützt das „Anlernen“ von nicht bekannter Hardware.

 

Was bietet uns Samplitude?

Als ausgewachsene DAW bringt uns Samplitude natürlich alles mit, was für das professionelle Arbeiten benötigt wird. Werfen wir mal einen Blick ins Produktportfolio:

  • 64-Bit- & Multicore-Unterstützung
  • bis zu 999 Spuren (Audio oder Midi)
  • bis zu 256 Ausgänge
  • bis zu 64 Inserts pro Spur
  • Subgruppen und AUX Wege
  • VCA-Fader im integrierten Mixer
  • echtes Sidechaining
  • Einbindung externer Effektwege inkl. automatischem Latenzausgleich
  • Comparisonics-Wellenformdarstellung
  • Spektralbearbeitung auf Spurebene
  • etliche Visualisierungshilfen vom Spektroskop bis zum Phasenoszilloskop
  • eigenes CD Authoring System
  • zplane Timestretching/Pitchshifting Technologie
  • VST3- & VST2-Unterstützung
  • Sampleraten von bis zu 348 kHz
  • 16, 24 und 32-bit Audioformate
  • 5.1 Surround Mixing
  • AAF/OMF-Unterstützung
  • unterstütze Schnittstellen: VST3, VST2, VSTi, ReWire, MME, ASIO, WDM
  • alle gängigen Audio- und Videoformate für den Import
  • Audioexportformate: MIDI Standard Formats (MID), WAV, Broadcast WAV, WAV with Codec, AAC1, MP32, OGG Vorbis, AIFF, FLAC, WMA

 

Dazu kommen etliche Plugins und Add-ons:

  • integrierte Independence Sampler Workstation inkl. Librarygrafik-980-header-02-int
  • Essential FX (interne Effekt Suite mit den gängigsten Effekten)sam_pro_x2__essfx
  • VariVerb Pro (sehr guter integrierter Hallprozessor)sam_pro_x2_amsuite
  • Vintage Effects Suite (vintage angehauchte Effektsuite)grafik-980-header-07-int
  • Vita Instruments Library (unterschiedlicher Umfang zwischen den Versionen)grafik-700-vita-int
  • diverse Objektsynths wie Beatbox, Robota Drum Processor, Revolta Synthesizer u.w.

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grafik-460-revolta-2-int grafik-700-loop-designer-int

 

 

Die Suite Version enthält darüber hinaus noch:

  • Vandal (eine Gitarren Amp Simulation ähnlich NI GuitarRig)grafik-980-header-06-int
  • AM Modelling Suite (ein Paket virtuell analoger Effektsimulationen)grafik-980-header-05-int
  • Cleaning und Restauration Suite
    (für die Verbesserung und Aufarbeitung von älterem Audiomaterial)
  • insgesamt eine beinahe 70 GB große Library für Independence
  • Loudness Metering nach EBU R128

 

Und natürlich:

  • Revolvertracks für Audiospuren, also mehrere Takes innerhalb einer Audiospur, zwischen denen bei erhalten bleibenden Spureinstellungen einfach umgeschaltet werden kann. Dazu Comping mit einem neuen Takemanager, mithilfe dessen man aus mehreren Takes komfortabel einen perfekten Take zusammenschneiden kann.
  • Mit Elasticaudio ein Tool, welches ähnlich wie „Melodyne“ arbeitet, aber direkt in der DAW integriert ist und jetzt auch auf mehrere Spuren gleichzeitig anwendbar ist (z.B. bei Choraufnahmen).

    sam_pro_x2_elastic
    Elastic Audio Editor
  • Einen vollwertigen Midi-Editor mit Pianoroll, Drumroll, freidefinierbaren Drummaps, Noteneditor und Controllereditor für alle Midicontroller.

    sam_pro_x2_midieditor
    Midieditor
  • Und natürlich einen Mischer, der über fast jeden Zweifel erhaben ist und jetzt mit der Version Pro X2 auch VCA Fader Gruppen mitbringt.Die Anordnung der FX und das Routing ob pre- oder postfader läßt sich einfach per Drag and Drop festlegen. Pro Spur sind bis zu 64 Inserts möglich. Ebenso lässt sich jede Spur mehreren Ausgängen, ob virtuell oder physisch zuordnen. Und natürlich gibt es auch Subgruppen. Dazu kommt echtes Sidechaining und die Möglichkeit, externe Hardware mit automatischem Latenzausgleich einzubinden.

    sam_pro_x2_mixer
    Samplitude Mixer
  • Darüber hinaus verfügt Samplitude über eine umfangreiche Automationsengine, die entweder durch „Anfassen“ im Write/Touchmodus erzeugt werden kann, oder durch passende Werkzeuge direkt im Arrangerfenster. Noch einfacher als dort mittels Stift kann man Automationen eigentlich nicht erzeugen. Automationen sind für sämtliche Parameter möglich, also sowohl Midiparameter als auch verfügbare Parameter von VST und VSTi und natürlich auch interne Regler.

Wer es noch genauer wissen möchte, dem sei ein Blick direkt auf die Produktseite bei Magix empfohlen: http://pro.magix.com/de/samplitude/im-ueberblick.36.html

 

Was bringt uns jetzt das Update auf Pro X2 mit

Ok, kommen wir jetzt dann mal zu den eigentlichen Änderungen von Pro X auf Pro X2.

  • Vorab das Wichtigste: im Gegensatz zu Pro X bringt Pro X2 jetzt eine echte, native 64-bit Engine mit, die jetzt auch endlich vernünftig mit Multicoresystemen umgehen kann. Da gab es bei der Pro X doch immer mal wieder Probleme mit. So läuft die gesamte Engine jetzt auf 64-bit Systemen wesentlich besser und im direkten Vergleich auch mitgeringerer CPU Last.
  • Dazu gekommen ist endlich auch VST3 Unterstützung. Inwieweit VST3 jetzt Fluch oder Segen ist, lasse ich hier mal außen vor. Wichtig ist nur: Samplitude beherrscht jetzt auch VST3.
  • Außerdem wird jetzt der EQ116 als sechsbandiger EQ standardmäßig verwendet.

    sam_pro_x2_eq116
    EQ116 mit bis zu sechs Bändern und Frequenzanalyse
  • Und noch dazugekommen: neue Instrumente für die Vita Serie, der virtuelle-analoge DN-e1 Synth, ein SH-101 inspirierter Synthi namens BassMachine und die Rock Drums.

 grafik-700-synthesizer-dn-e1-int grafik-700-bass-maschine-pro-x-2-int grafik-700-rock-drums-pro-x-2-int

 

Weitere Neuerungen im Schnelldurchlauf, ich werde z.T. gleich noch näher darauf eingehen:

  • VCA Fadergruppen
  • Erweitertes Outputrouting / Mehrfachrouting von Ausgängen
  • Erweitertes und freies FX Routing
  • ElasticAudio für mehrere Spuren
  • Zplane Pitchshifting
  • Verbesserungen in der Parameterautomation
  • Bildschirmkeyboard

Nachdem wir dann jetzt die technischen Daten und Fakten mit vielen bunten Bildchen hinter uns haben, wird’s jetzt etwas trockener und wir kommen mal zum eigentlichen Arbeiten.

 

Die Installation…

Wie immer steht am Anfang die Installation. „Samplitude Pro X2“ ist wie auch schon Pro X in zwei Varianten erhältlich. Einmal als Standard Edition und einmal als Suite, mit weiteren Inhalten und einer wesentlich größeren Library für Independence. Außerdem kann die DAW als DVD oder als Download erworben werden.

Mir stand hier die Standard Edition als Download zur Verfügung und das heißt dann erstmal gut 700MB an Installationsdateien nur für die Coreinstallation zu saugen. Die Installation selber geht dann recht fix und unkompliziert von der Hand. Etwaig benötigte zusätzliche Windowskomponenten werden automatisch nachgeladen und installiert. Und auch wie bereits bei den Vorversionen ist auch bei der Pro X2 wieder kein Hardwaredongle nötig! Ein großer Pluspunkt. Die Software wird einfach per Seriennummer auf das eigene Kundenkonto bei Magix registriert und man kann loslegen.

Äh, nein, kann man zwar, aber da fehlt dann doch noch Einiges. Immerhin umfassten die 700MB wirklich nur die Hauptinstallation der Software. Da „Samplitude Pro X2“ ja auch schon wieder einige Tage auf dem Markt ist, möchte die DAW als erstes einmal aktualisiert werden. Es gab bereits drei Updates seit Erscheinen, wie bisher auch reicht es jedoch, das aktuellste einzuspielen. Läuft wie bisher auch, ganz automatisch. Danach gibt es dann  noch gut 3 GB an Content! Die Vita Synthis, die Objektsynthis, Effekt Algorithmen, Demo Projekte und natürlich Independence.

Und dann, ja und dann halt nochmal die Libraries für Independence, das sind auch nochmal schlappe 12GB (bzw. 70GB(!) bei der Suite Version)! Allerdings: wer von der Vorversion upgraded, kann sich den Download der Library sparen. Es hat sich nichts am Content geändert.

(Auch die Objektsynths wurden lediglich optisch ein wenig aufgefrischt, sind aber komplett abwärtskompatibel geblieben. Also auch alte Projekte lassen sich so problemlos weiterbearbeiten.)

 

und die Systemvorraussetzungen

Muss ich noch was zu den Systemvoraussetzungen sagen?! Na gut, ich sag mal was:

Magix selbst empfiehlt als Minimalvoraussetzung eine CPU mit mindestens 1,5Ghz und 2 bzw. 4GB RAM (32/64-bit). Dazu mindestens 1 GB auf der Festplatte für die Basisinstallation und 20 bzw. 90 GB für die Komplettinstallation (Standard/Suite). Als Betriebssystem wird nur Windows unterstützt und das auch erst ab Windows Vista.

Ich persönlich kann aber nur empfehlen, ein wesentlich stärkeres PC System zu verwenden. Ansonsten kommt man ohne permanentes Trackfreezing und -bouncing nicht wirklich weit. Hat man dann noch weitere Ressourcenfresser, wie zum Beispiel Kontakt5 mit 16 Ausgängen und mehreren großen Libraries im Einsatz, sollte es definitiv schon ein 64-bit Windows mit mindestens einem Quadcore Prozessor und 8GB RAM sein. Ich persönlich habe den Test auf einem AMD FX6300 mit 8 GB und Windows 7 64-bit durchgeführt und da macht das Arbeiten dann auch tatsächlich Spaß.

 

 

Erster Eindruck

Der erste Start nach der Installation ist erstmal ein wenig ernüchternd. Ich musste sogar über Info die Systemversion nachprüfen, war ich mir doch nicht sicher, ob ich nicht versehentlich die außerdem auf meinem System befindliche Pro X Version gestartet habe. Kurzes Nachschauen, nein, es ist tatsächlich Pro X 2. Will sagen, rein optisch hat sich eigentlich gar nichts getan. Nun gut, muss es ja auch nicht. Immerhin fühlt man sich sofort wieder zuhause und braucht sich nicht umzugewöhnen. Auch die Menüs und die Arbeitsbereiche sind gleichgeblieben, ebenso eigentlich auch alle Systemeinstellungen. Prinzipiell also eigentlich nichts Verwerfliches.

Einziger echter Wermutstropfen dabei: auch die ganzen Fenster, z.B. der EQ oder die Systemeinstellungen, sehen auch noch so aus wie vorher. Und das war in der Pro X nun leider schon Optik a la Windows 98. Da hätte man rein fürs Auge sicherlich mal was machen können. Funktionell tut das sicher keinen Abbruch, aber da die Gesamtoberfläche ja sogar verschiedene Skins mitbringt, wäre eine Anpassung der Systemfenster sicher angeraten gewesen. Das Auge ißt schließlich mit. So wirkt die Optik z.T. leider ein wenig antiquiert.

Aber lassen wir uns davon erst mal nicht beeindrucken: alle Grundkonfigurationen wie das Anpassen der Menüs, Einrichten der Sound- und Midiinterfaces gehen gewohnt einfach und logisch angeordnet von der Hand. Da hat sich, glücklicherweise, nichts geändert. Hat man das dann hinter sich, kann man, wie von Pro X gewohnt, loslegen. Und das meine ich durchaus positiv. Mir persönlich hat der Workflow von Pro X schon immer besser gefallen als von anderen DAW und der bleibt bei der Pro X 2 eben genauso erhalten.

Ebenso glücklicherweise ist Pro X2 abwärtskompatibel, das heißt, bis auf einige wenige Ausnahmen, und kleine Einschnitte bei der Performance, lassen sich alle Projekte aus Pro X einfach weiterbearbeiten. Einschnitte bei der Performance? Ja. Projekte aus Pro X fordern der CPU ein bisschen mehr Leistung ab als Projekte, die nativ mit Pro X2 erstellt wurden. Evtl. liegt das an unterschiedlichen Bridge Einstellungen, so man denn unter 64-bit mit 32-bit Plugins gearbeitet hat. Auch wird bei Projekten, die mit der Vorversion erstellt wurden, aus Kompatibilitätsgründen der ältere 4-band EQ verwendet, während Pro X2 eben standardmäßig den bekannten 6-bändigen EQ116 verwendet.

 

 

Unter der Haube

Also, wenn sich schon optisch nichts geändert hat, wie sieht es denn dann technisch aus? Und ja, da machen sich die Änderungen dann eben doch sehr bemerkbar.

Angefangen bei der doch deutlich verbesserten Performance bei geringerer CPU Last. Denn jetzt endlich unterstützt Samplitude 64-bit Systeme auch nativ und systemkonform. Die Pro X war dagegen tatsächlich nur eine „aufgebohrte“ bzw. angepasste 32-bit Version. Oder technisch ausgedrückt: bei Pro X war eigentlich fast nur die EXE auf 64-bit angepasst, etliche Programm DLLs liefen nur auf 32-bit. Jetzt bei Pro X2 läuft dann endlich alles auf 64-bit. Pro X2 läuft damit wesentlich besser und bei einem Projekt mit ca. 25 Audiospuren auf meinem System mit gut 15% weniger CPU Last im Vergleich mit einem ähnlichen Projekt unter Pro X. Das ist insgesamt ein gewaltiger Schritt nach vorne!

Dazu kommt eine verbesserte Nutzung von Multicoresystemen. Einen kleinen Haken gibt es allerdings, bei manueller Konfiguration der Cores sollte man gepflegt darauf achten, auch nur wirklich existente physische Cores anzugeben, nicht Hyperthreading Cores, da es sonst zu heftigen Audioproblemen kommt.

Außerdem unterstützt auch Samplitude jetzt das neuere VST3 Format bei Plugins. Allerdings natürlich auch mit den damit verbundenen Problemen, die VST3 nun halt mal mit sich bringen. Aber das sind keine Probleme von Samplitude, sondern des VST3 Standards. (Wie zum Beispiel keine Unterstützung von Ordnerstrukturen oder manueller Auswahl der Installationspfade. Ob VST3 von daher ein Fortschritt ist oder war, steht halt auf einem anderen Blatt. )Aber Samplitude beherrscht es jetzt und das ist gut so. Schönheitsfehler bei der VST Konfiguration: Samplitude unterstützt nach wie vor nur die Angabe eines VST Ordners. D.h. wie bisher auch müssen weitere Ordner manuell eingescannt werden, stehen dann aber dauerhaft zur Verfügung. Hier wäre es trotzdem sicher wünschenswert, mehrere Pfade hinterlegen zu können.

Ein weitere wichtige Neuerung: die Einführung von VCA Fadergruppen.

(Wer nicht weiß, was das ist: VCA Fadergruppen arbeiten ähnlich wie Subgruppen in dem sie ausgewählte Spuren mit einem Volumeregler zusammen regelbar machen. Der wichtigste Unterschied zu Subgruppen: es wird nicht die Lautstärke der Summe der Subgruppe reduziert, sondern tatsächlich die Lautstärke der jeweiligen Kanalzüge. Gerade wenn man mit AUX Wegen für die Effekte arbeitet ist das immens wichtig: bleibt doch z.B. die Hallfahne auf der Snare bei der Verwendung von Subgruppen erhalten und verändert so das Dry-Wet-Verhältnis zwischen Signal und Effekt und damit den Klang, so wird bei einer VCA Gruppe das Dry-Wet-Verhältnis eben nicht beeinflusst, da der Anteil des Signals sich post-fader ja auch reduziert, die Hallfahne also auch entsprechend reduziert wird. Nachteil einer VCA Gruppe:  es können keine Inserts wie bei einer Subgruppen verwendet werden.)

Die VCA Fadergruppen sind beim Mixdown in vielen Fällen wesentlich sinnvoller als Subgruppen einzusetzen, von daher auch eine der wirklich guten Neuerungen, von der ich bei meinem letzten Projekt bereits ausgiebig Gebrauch gemacht habe. Das hat mir vorher bei der Pro X echt gefehlt.

Auch geändert hat man das Outputrouting. Bisher konnte einem Kanalzug nur ein Output zugeordnet werden. Jetzt ist per Dropdown Menü auch die Zuordnung zu mehreren Outputs ganz einfach möglich. Als Outputs stehen natürlich sämtliche physikalische Ausgänge, aber auch die Subgruppenbusse verfügbar. Damit wird zum Beispiel das Realisieren von paralleler Kompression zum Kinderspiel, kann doch das ursprüngliche Signal so auf zwei verschiedene Busse gelenkt werden. Und auch faderunabhängiges Sidechaining wird so möglich, können auch Subgruppen jetzt auf die Sidechaineingänge geroutet werden.

Eine weitere Änderung betrifft die Automation. Hier wurde auch noch kräftig verbessert. So ist es jetzt insbesondere möglich, Werte für die einzelnen Automationsevents per Rechtsklick direkt einzugeben und nicht mehr wie bisher nur durch Klick and Drag zu positionieren. Gerade das war bei Pro X doch oft fummelig, versetzte man beim Einzeichnen neuer Events häufig die ganze Kurve. Das geht so jetzt natürlich viel genauer und Werte lassen sich viel besser anpassen. Außerdem können Automationen jetzt auch auf einzelne Objekte übertragen werden und sind nicht mehr nur für die Spuren möglich.

Das ist doch schon mal eine ganze Menge guter und wichtiger Änderungen und alleine deswegen ist das Upgrade sicherlich schon mal zu empfehlen.

 

 

Fehlt was?

Wo Licht ist, ist auch Schatten. Und, ja, leider fehlen auch bei Pro X2 einige Kleinigkeiten, die mir schon bei Pro X gefehlt haben und bei denen ich gehofft hatte, dass sie mit der Pro X2 dann kommen dürften.

Mir persönlich am Meisten fehlt die Möglichkeit MTC, also MidiTimeClock, auf mehr als nur einen Midiausgang zu routen. Das war schon bei Pro X nervig und ist leider auch bei Pro X2 immer noch so.

Ich zum Beispiel arbeite mit einem MotU Midi Express 128, das acht unabhängige Midioutputs zur Verfügung stellt. Da ich nun z.B. meinen Virus C auf einem Output und mein Lexicon FX auf einem anderen Output des Midi Express habe, kann ich mit Samplitude nicht beide (z.B. Arpeggiator und Delay) temposynchron über MTC aus der DAW heraus synchronisieren, obwohl genau das Sinn der Sache wäre. Dazu muss ich mir leider mit externen Hilfsmitteln eine Schleife bauen und mit z.B. MidiOX das MTC Signal auf alle Outputs rerouten. Das muss doch nun wirklich nicht sein. Vor allem wäre es sicher möglich, auch eine „all outputs“ Option einzubauen. Da Magix den Test hier liest, sehe ich das aber mal als Anregung für ein Detailupdate 😉

Außerdem fehlt mir die Möglichkeit, die Midi-Ausgabe eines VSTi live auf eine weitere Spur zu routen oder z.B. zwei VSTi innerhalb einer Spur zu verwenden. Das ist zwar sicher schon fast ein Spezialfall, wäre aber dennoch schön. Notwendig wäre dies, um z.B. ein Arpeggiatorplugin und ein klangerzeugendes VSTi innerhalb einer Spur nutzen zu können. Wie z.B. den Reaktor Sequencer Spiral und den Synthi Massive 5 innerhalb einer Spur. So ist leider immer nur ein VSTi pro Spur auswählbar. Könnte man jetzt den Midioutput einer Spur auf eine weitere Spur routen, würde das auch schon reichen, aber auch diese Möglichkeit ist leider nicht vorgesehen. Aber wie gehabt, das ist schon ein sehr spezieller Fall.

Aber, und das ist ganz wichtig, dass sind schon alles Kritikpunkte auf einem sehr hohen und speziellem Niveau! Als lang ausgereifte DAW gibt sich Samplitude im normalen Studioalltag natürlich kaum eine Blöße. Kinderkrankheiten findet man hier schon lange nicht mehr! Alles, was man in der Regel für Audioproduktion und Videovertonung benötigt, funktioniert einwandfrei.

 

 

In der Praxis

Ich weiß, ich habe es glaub ich schon mehrfach im Rahmen des Test gesagt: mir persönlich gefällt Samplitude im Vergleich z.B. zu Cubase definitiv besser. Und das liegt einfach am wesentlich besseren Workflow und insbesondere an der wesentlich besseren Übersicht. Alle Bedienelemente sind kleiner als bei anderen DAWs und und trotzdem eindeutig zu erkennen. Und dadurch lässt sich eben mehr auf einen Blick und auch auf einem Bildschirm erkennen, erfassen und verarbeiten.

So ist alleine schon das Arbeiten mit dem Mixer genial. Man benötigt eigentlich kein weiteres Fenster mehr, da alle Einstellungen wirklich im Mixer vorgenommen werden können und außerdem auch noch aufgrund des Designs wesentlich mehr Spuren dargestellt werden, als bei anderen DAWs. AUX Wege, EQ und Inserts, alles immer im Blick und direkt editierbar. So arbeitet man auch an einer „echten“ Konsole.

Auch wesentlich besser gelöst als bei den anderen Mitbewerbern: das Einfügen und Bearbeiten von VSTi. Diese werden wie „Inserts“ behandelt und sind dadurch einfacher zu handhaben. Gerade bei VSTi mit Multioutputs wie z.B. Kontakt. Da bricht man sich bei manch anderer DAW schon einen ab, wenn man ein Multioutput VSTi wie Kontakt sinnvoll einsetzen will. Hier sind das wenige Klicks und automatische Konfigurationsdialoge und man ist am Ziel.

Außerdem erlaubt Samplitude auch die gleichzeitige Verwendung von sowohl 32- als auch 64-bit Versionen desselben Plugins. Es wird lediglich ein wenig unübersichtlicher im Auswahlmenü. Andere DAWs quitieren hier den Dienst komplett.

Die mitgelieferten FX VST sind allesamt sehr gut brauchbar, mein Liebling ist z.B. der essentialFX Compressor für Sidechainig Pumpeffekte. Für „teure“ professionelle Produktionen wird man aber m.E. gerade im Bereich Hall und Delay eher auf externe VST oder entsprechend teures Outboard Gear zurückgreifen.

Auch die VSTi befinden sich auf dem Niveau der Konkurrenzprodukte und sind klanglich auf hohem Standard.  Dazu gehört sicher auch der mitgelieferte Sampler Independence mit seiner Soundlibrary, deren Umfang von der gewählten Edition abhängt. Für viele Produktionen ist dieser sicherlich ausreichend, allerdings kommt er an Komfort und insbesondere bei der Anzahl der Erweiterungslibraries nicht an den Platzhirsch der Sampler Workstations Kontakt 5 heran. Hat man Kontakt 5 noch nicht im Studio, so ist Independence als integraler Bestandteil von Samplitude allerdings eine wirklich gute klangliche Alternative!

 

 

Fazit

Da ich ja schon viel geschrieben habe, machen wir es diesmal kurz:

Die entscheidende Frage: Lohnt der Umstieg von Pro X auf Pro X2?
JA! Ich kann das Upgrade auf Pro X2 uneingeschränkt jedem empfehlen, der bisher mit der Pro X zufrieden ist. Bringt die Pro X2 doch genau die Verbesserungen, die Pro X dringend gebraucht hat. Insbesondere im Bereich Performance und 64-bit Unterstützung. Und zu dem Upgradepreis von knapp 200€ gibts da auch nichts zu meckern. Sicherlich ist der Schritt von Pro X auf Pro X2 mehr Evolution als Revolution und man darf auch keine riesigen Verbesserungen wie von v11 auf Pro X mehr erwarten, aber mit Pro X2 hat Magix es geschafft, Samplitude als eine der dienstältesten DAWs endlich wieder auf den Stand der aktuellen Technik zu bringen. Und für mich bleibt Samplitude die DAW der Wahl!

Und für Umsteiger oder Neueinsteiger?
Der Blick jenseits der „Mainstream“ DAWs lohnt sich! Mir persönlich gefällt die wesentlich bessere Übersicht und das intuitivere Arbeiten und der daraus resultierenden Workflow um Ecken besser, als z.B. mit Cubase. Da Magix sein „Samplitude Pro X2“ auch noch mit vollem Funktionsumfang für eine Testphase von 30 Tagen zur Verfügung stellt, kann ich nur dazu raten, sich diese DAW unbedingt einmal näher anzuschauen. Vom Umfang her steht sie anderen DAWs in nichts nach und ist dabei sogar noch deutlich günstiger und als eine der dienstältesten DAWs auch ausgereifter.

 

Plus:

+   echte native 64-bit Engine mit verbesserter Multicore Unterstützung
+   VST3 Unterstützung
+   kein Hardwaredongle nötig
+   geringere CPU Last als Pro X
+   intuitiver, übersichtlicher Mixer

 

Minus:

–   MC und MTC nur auf einem Midioutput möglich
–   nur 1 VSTi pro Spur möglich
–   veraltete Grafik der internen (Plugin)fenster

 

Bezugsquellen

Magix „Samplitude Pro X2“ ist als Download oder DVD Version erhältlich:

 

Der Preis liegt aktuell für:

 

sam_pro_x2

„Samplitude Pro X2“ Standard Edition bei 399,- € inkl. MWSt.

sam_pro_x2_suite 

  „Samplitude Pro X2“ Suite bei 599,- € inkl. MWSt.

 

 

 

Außerdem gibt es auf der Herstellerseite diverse Upgrade- und Crossgrademöglichkeiten ab 199,- € / 299,- € inkl MWSt. (Standard/Suite)für Besitzer von Vorversionen, kleiner Versionen wie „Music Studio“ oder „Samplitude Silver“ und sogar für Besitzer einer beliebigen DAW eines anderen Herstellers.

Ebenso ist auf der Herstellerseite eine auf 30 Tage Nutzung begrenzte Demoversion der Software erhältlich. Es handelt sich dabei um die Vollversion der Software, die lediglich in der Nutzungsdauer auf 30 Tage begrenzt ist. Danach kann die Software durch die Eingabe einer Seriennummer für die weitere Nutzung (re)aktiviert werden. Alle Einstellungen und Projekte können dabei weiter verwendet werden.

Link zur Herstellerseite:

http://www.samplitude.com/

 

Klaus Feurich
Über Klaus:
Musiker und Techniker: Keyboards, Gitarre, Sounddesign, Ton- und Studiotechnik, Computertechnik
http://lunymarmusic.com

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