Testbericht: LAKESIDE AUDIO GROOVESTAR 3.0 – Teil 2

Ein Testbericht von Stefan Federspiel,
veröffentlicht am 16.06.2019

Nachdem mir Perry dankenswerterweise die Kärrnerarbeit der Beschreibung der Funktionen des Programms in seinem ersten Teil des Testberichts abgenommen hat, brauche ich hier nur noch seine Beobachtungen zu ergänzen. Leider eben nicht demnächst, wie angekündigt, sondern Monate später, wegen besonders widriger Umstände, die die Beschäftigung mit Testberichten sehr verlangsamten.

GROOVESTAR ist auch für mich ein ungewöhnliches Zwischending zwischen einem Synth/Sampler, einem Step-Sequencer und einer Mini-DAW. Im Prinzip ist das eine Art Groovebox mit der Betonung auf den Step-Sequencer und einer integierten Tonerzeugung. Wobei es mir schwerfällt ähnliche Instrumente zu benennen, da passt nichts wirklich, NATIVE INSTRUMENTS MASCHINE ist als Programm eine deutlich ausgebautere DAW und Pianoroll-orientiert, IMAGE LINEs GROOVE MACHINE ist schon ziemlich anders aufgebaut und das überkomplexe KONTAKT-Instrument HYPERNODE arbeitet zwar auch mit Step-Sequencern, ist aber mit seinem semi-modularen Ansatz auch eine ganz andere Geschichte.

Interessant ist, wie der Step-Sequencer implementiert ist und dass das Abspielen von One-Shot Samples auch transponiert gut funktioniert. Und es sind einige Tools dabei, die dafür sorgen, dass der Sound auch groovt.

Der eigene Preset-Browser ist zwar sehr einfach, aber ein Fortschritt gegenüber den FBX-Presets der Vorgängerversion.

Beim ersten Anspielen der Presets wurde schnell klar, dass hier der Bogen stilistisch relativ weit gespannt ist und dass diese Groovebox ganz schön knallen kann. Bei der Bedienung erschließt sich nicht alles intuitiv, es ist effektiver, sich die Einführungsvideos anzusehen und das Handbuch zu studieren. Mit dem Plugin wurde es auf Englisch mitgeliefert, eine deutsche Version ist für die Version 3 noch in Arbeit. Dennoch: die Bedienung ist im Prinzip erst mal übersichtlich, dass der Pitch der einzelnen Steps mit einer Mausbewegung nach oben oder unten auf einem Button gesetzt wird, ist ungewöhnlich und entspricht der Funktionsweise einiger Hardware-Step Sequencer. Im Zusammenhang mit der globalen Transponierung der gesamten Lane – oder Slot, wie es hier heißt – macht das in gewisser Weise auch Sinn. Auch wird so eindeutig Platz auf der Oberfläche eingespart. Jedoch im Gegensatz zu vielen Software- Step Sequencern mit einer Balkendarstellung des Pitch oder anderer Parameter kann man nicht schnell mal mit einer Mausbewegung einen ganzen Slot bearbeiten oder mehrere Steps auf ein mal löschen.

Löschen kann man nur jeden Step einzeln oder den aktuellen Takt oder den gesamten Slot – also alle vier Takte auf ein mal, eine Bearbeitung nur eines der vier Takte ist mit den copy/paste/cut -Funktionen möglich. Aber man muss höllisch aufpassen, wo man sich gerade befindet.
Editiert man einen Slot für sich alleine in der Slot-View und schaltet zurück in die Übersicht, springt es immer zurück auf den ersten Takt, wenn der ähnlich aussieht, bearbeitet man leicht den falschen Takt. Insgesamt sind die Editierfunktionen nicht intuitiv und ein echter Hirnkrampf, an den man sich erst mal gewöhnen muss.

MIDI Import

Insgesamt ist die Erstellung und Bearbeitung einer Sequenz, wenn man nicht die Zufalls-Funktionen nutzt, schon recht Maus-intensiv. Hier ist es ganz praktisch, dass man auch per drag & drop MIDI-Dateien aus dem Dateiexplorer importieren kann.

Es gibt einige Dinge bei der Erstellung einer MIDI-Sequenz in der Pianoroll einer DAW zu beachten, damit das so klappt wie vorgesehen. Direkt aneinander grenzende Noten werden immer Legato interpretiert und führen bei der gleichen Tonhöhe zu einer Verlängerung der Note oder zu einem Portamento, das aber so kurz ist, dass es eher ein Pitch-Glitch ist. Gewollt führt das zu diesen Acid-Portamentos. Will man das verhindern, muss der Notenabstand schon ca. ein 64tel breit sein. Da der Tonumfang von GROOVESTAR höchstens drei Oktaven beträgt, die von C2 bis H4 reichen, muss man die Oktavlage mit bedenken und anpassen.

Polyrhythmik

Eine interessante Möglichkeit ist die Zuordnung einzelner Slots zu MIDI-Noten. So kann man aus der DAW heraus ein Pattern auch mal ausdünnen oder mit unterschiedlich lang befüllten Slots eine Polyrhythmik erzeugen. Will man alle Takte jeweils durchspielen lassen, muss man die Länge der MIDI-Trigger-Noten genau der Step-Länge des jeweiligen Slots anpassen. Dass man auch Slots einen ganzen Oktavbereich zuordnen kann und es dann möglich ist, on the fly die Sequenz oder sogar nur einzelne Noten zu transponieren, ist eine effektive Erweiterung. In den meisten DAWs geht so etwas nicht so einfach. Mit der Version 3 wurde die Möglichkeit eingeführt, viele Parameter aus der DAW heraus zu automatisieren, darunter auch welcher der vier Takte des Slots angesprungen wird, es spielt also nicht immer nur der erste Takt bei kürzeren Trigger-Noten, was die Variationsmöglichkeiten deutlich erweitert.

Automation

Auch die Automation vieler Parameter von GROOVESTAR aus dem Host über MIDI Learn ist nun machbar und bringt eine deutlich mehr Abwechslungsmöglichkeiten in der Klanggestaltung.

Die Automation kann entweder über die Publikation einzelner Parameter nach außen erfolgen, es werden also nur die sichtbar, die man gerade in Verwendung hat, durch MIDI-Learn oder gar durch den Export/Import von MIDI-Controller-Maps. Da bleibt kein Wunsch mehr offen.

Subtilere Variationen

In der Slot-Ansicht ist es möglich, auch recht schnell subtilere Variationen eines Patterns eines Instruments zu erreichen. Hier kommt wieder die Stärke bei fixen Skizzen zum Tragen, einfache Dinge gehen schnell, komplexere Setups sind oft eher mühsam im Vergleich zu denselben Arbeiten in einer DAW.

Zufall

Es wird nun nicht nur eine Lautstärkeregelung für jeden einzelnen Step über den Shaper und den Amp jedes Slots angeboten, sondern auch eine globale für das ganze Instrument, was ein erfreulicher Fortschritt ist.
In der Version 3 sind mit der Interpolation der Zwischenschritte zwischen Noten und Pattern Repeat neue kleine Hilfen dazu gekommen. Die Zufallsfunktion bei der Erstellung von Melodiefolgen bringt, wie Perry schon anmerkte, immer wieder ganz brauchbares Material und ist in dem Zusammenhang sehr willkommen.
Der Shaper in der Slot-Ansicht regelt pro Step bis zu drei Parameter, über den Amp als Ziel dann auch die Lautstärke, aber auch z. B. Cutoff oder Drive. Im Zusammenhang mit der Zufallsfunktion in der Slot-Ansicht auf die Shaper-Parameter angewendet, lässt sich im Handumdrehen eine abwechslungsreiche Melodie mit wechselnden Lautstärken und Notenlängen erstellen.

Rudelbildung

Die ebenfalls neue Group-Funktion bindet Slots zu Gruppen zusammen, die Tonhöhen aller Steps an einer Stelle, aber auch Parameter von Filter, Delay, Pitch- und MIDI-Einstellungen, wirken sich in einem Slot geändert auf alle anderen aus. So lassen sich auch Pads spielen.

Eigene Samples

Die Legato-Funktion bindet mehrere Steps zusammen zu einer längeren Note. Das funktioniert gut, auch hier brachte die prompte Reaktion auf Feature Requests von LAKESIDE AUDIO mit der Aufhebung der Längenbegrenzung eines importierten Samples neue Möglichkeiten für Hintergrundflächen und länger ausklingende Sounds. Die automatische Ermittlung der Tonhöhe des Samples beim Import bringt oft bei tiefen oder hohen Tönen kein exaktes Ergebnis, hier muss man von Hand nachtunen.

Der Klangqualität der importierten Samples sind Grenzen gesetzt, denn es handelt sich eben um keinen ausgewachsenen Sampler, es können nur One-Shots importiert werden, es gibt so natürlich weder Variationen bei der Velocity, noch Round Robin-Alternativsamples und die Transponierung des einen importierten Samples einer bestimmten Tonhöhe über bis zu drei Oktaven bringt die üblichen Klangveränderungen. Der Transponierungsalgorithmus funktioniert ordentlich, mit dem “keep length” Modus sogar mit Timestretching, wie z. B. der Time Machine Pro Modus von KONTAKT.
Da ein Slot prinzipiell monophon ist, wird der Ausklang eines Samples bei kurzen Noten immer abgeschnitten, was vor allem bei Samples von polyphonen Instrumenten wie einem Piano unnatürlich wirkt.

Nun is GROOVESTAR ein “Step Synthesizer” und man muss sich der Begrenzungen der Sample-Player-Funktion bewusst sein und damit arbeiten.

Der Sample-Import und ein Vergleich mit einem Sampler.

Fazit

Generell ist eine Groove-Box ein Instrument für schnelle Skizzen. Mit den Legato/Slide-, Drive-, und Filterfunktionen bietet GROOVESTAR bei Bedarf auch einiges an “Acid”, angelehnt an eine TB-303. Der Step-Sequencer lässt sich nicht ganz so schnell und flüssig bedienen, wie einige andere Konzepte, bietet aber auch einige Features mehr als der Durchschnitt. Das Triggern der Slots über die DAW stellt ein großes Plus dar und macht bei Bedarf in Zusammenhang mit den hundert Slots auch komplexere Arrangements möglich, wenn auch im Hintergrund immer beschränkt auf die vier möglichen Takte. Der LFO pro Slot bringt zusätzlich Bewegung hinein und ist fixer eingestellt, als in der DAW eine Modulation verschiedener Parameter, genau so der Shaper für die Einzelsteps.

GROOVESTAR hat Dank dieser Punkte potenziell seinen Nutzen in der Produktion, vor allem in linearen DAWs wie CUBASE oder LOGIC bringt GROOVESTAR mit seinem Step-Sequencer frischen Wind hinein.

Insgesamt bin ich bei GROOVESTAR hin- und hergerissen, einerseits etwas Neues und viele interessante Features, andererseits manchmal doch zu viel Mausgeklicke, um etwas zu erreichen. Um gerne mit GROOVESTAR zu arbeiten, muss man Step-Sequencer mögen. Dass man so viele Slots und damit Stimmen unter einem Dach zur Verfügung hat, ist ein Vorteil gegenüber der anderen Möglichkeit, nämlich mehrere dezidierte MIDI-Step-Sequenzer zu nehmen und diese verschiedene Instrumente in der DAW triggern zu lassen. Was letztendlich dann schnell unübersichtlich wird, wenn man auch bei der Klanggestaltung bei ausgewachsenen Synthesizern und Samplern gegenüber der letztendlich eingeschränkten Engine von GROOVESTAR ganz andere Freiheiten hat. Ein MIDI-Out wäre, wie Perry schon erwähnte, tatsächlich noch ein großer Gewinn, bzw. noch besser „Export MIDI Bars“ und „Export MIDI Slot“ Buttons, denn es gibt etliche DAWs, bei denen man internes MIDI nicht aufnehmen kann.

GROOVESTAR bewegt sich auf einer Grenze zwischen einem Step-Sequencer, der interne Sounds triggert und einer sehr einfachen DAW, wenn man die Slots von aussen per MIDI steuert. Deshalb und wegen des Sample-Imports kann man ein relativ breites Spektrum an Pattern erstellen. Doch in der Praxis geht der eigentliche Vorteil eines Step-Sequencers, schnell Pattern zu erstellen und variieren zu können, oft an den Haken und Ösen des MIDI-Imports, den Tuning-Einstellungen und den Einstellungen der vielen eigentlich innovativen Features auch wieder verloren. GROOVESTAR ist schon so komplex, dass man sich damit auseinandersetzen muss, um das Instrument sinnvoll einzusetzen. Es kommt sehr darauf an, was man jeweils vorhat, ob das Programm das richtige Werkzeug ist. GROOVESTAR kann zu umständlich sein oder aber auch ein inspirierendes Plugin für abwechslungsreiche polyrhthmische Pattern, die wiederum in der DAW nur mit deutlich mehr Aufwand zu machen sind.

Produktseite von GROOVESTAR bei LAKESIDE AUDIO:
http://www.lakeside-audio.de/groovestar.php

Teil 1 des Testberichts: https://www.buenasideas.de/test/musikproduktion/plugins/virtuelle-instrumente/testbericht-lakeside-audio-groovestar-3-0-teil-1-house-am-see/