Release von FL Studio 20

Ungefähr alle zwei Jahre gibt es eine neue Version von FL Studio und auch diesmal für registrierte Benutzer kostenlos, wie immer. Und wie immer frage ich mich, wie sie das eigentlich machen, bei Image Line, denn andere Hersteller verlangen für neue volle Versionsnummern ihrer DAWs richtig viel Geld. Vermutlich müssen sie beständig in Massen neue Kunden gewinnen, FL Studio ist mittlerweile eine Massen-DAW und das liegt nicht nur an den kostenlosen Updates, sondern auch an dem, was das Programm so kann. Der einzge grössere Programmierschuppen, der ähnlich verfährt ist MeldaProduction und die überzeugen auch durch innovative Features und einen guten Workflow.

Wenn die 20 als neue Versionsnummer irritiert… nein man hat nichts verpasst, denn die letzte offizielle Version war 12.5 und Image Line feiert mit der 20 ihr zwanzigjähriges Bestehen und Überleben am Markt, dass dabei elegant die angeblich Glücklose 13 übersprungen wird ist sicher ein gewollter Nebeneffekt.

Alles neu macht der Mai kann man dennoch nicht wirklich sagen, denn rein optisch ist die neue Version kaum von der alten zu unterscheiden und auch die wirklich großen, neuen Features halten sich in Grenzen. Die Entwicklung von FL Studio hat auch durch die vielen Zwischenupdates mehr etwas von einer konstanten Evolution, als spektakulären Entwicklungsschritten.

Der mit Sicherheit Arbeitsreichste Schritt war die offizielle Release- und nicht mehr Beta-Version für den Mac. Es ist nun endlich alles gleich, nur wenige Features funktionieren auf dem Mac noch nicht oder betreffen alte interne 32-bit Plugins, die es auf dem Mac nie geben wird. Ansonsten volle AU- und VST Unterstützung, volle Projekt-Kompatibilität zwischen den Plattformen auch mit Plugins von Drittanbietern.

Wirklich neu sind die Time Signatures, die es ermöglichen die Taktart on the fly zu wechsen, von 4/4 zu 3/4 und zurück zu 4/4 Beispielsweise, erreicht wird das durch Time Signature Marker in der Playlist oder auch in der Piano Roll. Time Signatures von MIDI-Dateien werden beim Import jetzt auch eingelesen.

Praktisch ist das neue Consolidation Feature, das Pattern in der Playlist an ihrem Platz direkt als Audio rendert (oder bounced, wie andere sagen). Sie bezeichnen das zwar auch als Freezing, aber es ist keines, denn der Vorgang ist nur direkt danach mit undo rückgängig zu machen, dann war’s das. Also immer noch kein echtes Freezing in FL Studio, aber immerhin wird das umständliche Rendern über den Mixer so deutlich komfortabler umgangen. Es können ausgewählte Pattern zu einem Audiotrack zusammengefügt werden oder ein Track oder einzelne Pattern über den Picker.

Sehr viel flexibler wird das Arrangieren in der Playlist mit den Playlist Arrangements, die im Prinzip mehrere Playlists darstellen, zwischen denen man hin und her kopieren, in der einen Elemente löschen, in der anderen dazufügen und damit verschiedene Versionen eines Tracks parallel bearbeiten kann. Das ist ein deutlicher Fortschritt, denn FL Studio ist bisher alles andere als flexibel, wenn es darum geht Elemente zwischen Projekten auszutauschen, wenn es nicht gerade gerenderte Audiofiles sind. Parallel ganz verschiedene Projekte offen haben und zwischen diesen hin und her kopieren geht immer noch nicht.

Das ganz große neue Ding im Vorfeld war die verbesserte Plugin Delay Compensation, die Verzögerungen durch rechenintensive Effekte untereinander ausgleicht. Das gab es zwar ansatzweise bisher auch schon unter eingeschränkten Bedingungen, es funktionierte aber in der Praxis schlicht nicht wirklich. Nun soll es aber tatsächlich in den allermeisten Anwendungsszenarien korrekt arbeiten, automatische und manuell gesetzte Kompensation sind parallel möglich.

Beim Recording gibt es zwei Verbesserungen, die Wellenform wird während der Aufnahme dargestellt und es gibt Punch- In/Out Marker, die passgenaue Aufnahmen deutlich erleichtern. Dabei werden mehrere Aufnahmen in den gleichen Loop untereinander in die gleiche Gruppe zusammengefasst.

Kleine, aber den Workflow effektiver machende Verbeserungen gibt es bei den Channel Samplern, die nun den Sample-Startzeitpunkt verschieben und das Sample kürzen können. Zudem wurden alte Legacy-Effekte wieder aufgenommen.

Auf User-Wunsch wurden die alten Editier-Möglichkeiten mit dem Graph Editor direkt im Channel Rack wieder eingeführt, was die Step-Sequencer Möglichkeiten aufwertet – und FL Studio war eben als Fruity Loops damals vor allem ein aufgebohrter Sample- Stepsequencer.

Darüber hinaus gibt es sehr viele Verbesserungen und Neuerungen im Detail und in den Beta-Versionen fand ein ausgiebiges Bug-Fixing neuer und auch alter Programmfehler statt. Dennoch sind neue Bugfix-Patches in der nächsten Zeit geplant und Erfahrungsgemäß dauert es Wochen oder Monate, bis sich eine neue Version zurecht gerüttelt hat.

Für mich persönlich enttäuschend an der neuen Version ist, dass mein größtes Problem mit FL Studio immer noch nicht gelöst ist. Nach wie vor ist es nicht möglich internes MIDI aufzunehmen. Man hat keine Chance den Output eines Arpeggiators oder Chorders oder eines anderen generativen MIDI-Plugins aufzunehmen, nachzubearbeiten und frei als Pattern zu arrangieren. In Ableton kein Problem… Und die Workarounds, die im Netz so kursieren sind reine Augenwischerei, weil auch völlig verlangsamt werden MIDI-Noten unpräzise, verschoben oder gar nicht aufgenommen. Viele Jahre wird das nun angemahnt, aber nichts geschieht.

Wie es um die Rendering-Artefakte mit manchen Plugins steht, die es so in keiner anderen DAW, die ich nutze gibt, werde ich dann noch testen.

Es bleibt also schon noch Luft nach oben. Da hat sicher jeder wieder andere Anforderungen und Bedürftnisse. Mit der funktionierenden Delay Compensation ist ein ständiger Grund von Beschwerden beseitigt, ein echtes Freezing kommt ja vielleicht noch und irgendwann wird auch der problemlose Austausch ganzer Teile von Arrangements zwischen verschiedenen Projekten möglich sein.

Nun – es bleibt abzuwarten, wie FL Studio auf dem Mac einschlägt, nachdem auch dieses Baby erwachsen wurde. Als nicht lineare, Patterorientierte DAWs sind Ableton Live und Bitwig natürlich schon sehr etabliert. Jedoch bringt FL Studio mit seiner wirklich konsequenten Instanzierung von Pattern, der relativ flachen Lernkurve bei gleichzeitig sehr fortgeschrittenen Möglichkeiten und der großen Usergemeinde frischen Wind hinein.
Auf der PC-Plattform ist FL Studio trotz seiner weiten Verbreitung immer noch eine Underdog-DAW, gilt irgendwie als semiprofessionell. Producer-Größen, die (unter anderem) mit FL Studio produzieren wiederlegen das zwar, andererseits sind natürlich schon sehr viele Ahnungslose Kiddies damit unterwegs, die das Bild prägen. Mit der Version 20 rammt Image Line jedoch einen neuen, fetten Pflock ein, der zeigt, dass sich FL Studio durchaus mit den ganz Großen der Branche messen kann.

Übersicht der Änderungen im Manual: https://www.image-line.com/support/flstudio_online_manual/html/basics_new.htm

FL Studio Produktseite: https://www.image-line.com/flstudio/

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*