Ein Testbericht von Perry Staltic,
veröffentlicht am 17.07.2021
Erst im vergangenen Herbst ist CHERRY AUDIO angetreten, uns abseits von ihrem Kernprodukt VOLTAGE MODULAR mit neuen Emulationen beliebter analoger Synthesizer zu versorgen, und seitdem hat das im sonnigen Kalifornien ansässige Unternehmen bereits sieben Klassikern zu ihrer virtuellen Reinkarnation verholfen. Der letzte in dieser Reihe ist erst vor wenigen Tagen erschienen und nennt sich MEMORYMODE. Wer sich mit Vintage-Synthies ein wenig auskennt und eins und eins zusammenzählen kann, dem dürfte sich geradezu aufdrängen, dass hiermit der MOOG MEMORYMODE nachgeahmt werden soll. Zeit für einen Test…
Erinnerungsstück…
Der MEMORYMOOG aus dem Jahre 1982 war der erste polyphone und speicherbare Synthesizer der Firma MOOG MUSIC. Zwar konnte auch der bereits 1975 erschienene POLYMOOG mit Mehrstimmigkeit aufwarten, verwendete dazu jedoch eine Oktavteiler-Schaltung und alle Stimmen mussten sich mit einem einzigen Filter begnügen. Zudem besaß er keine Speicherplätze für eigene Klangkreationen. Der MEMORYMOOG hingegen verfügte über sechs unabhängige Stimmen mit jeweils eigenem Oszillator-Trio, Filter, Hüllkurven, VCA usw. Und die damit erstellten Klänge ließen sich abspeichern und wieder aufrufen.
Der MEMORYMODE wurde damals gerne als sechsfacher MINIMOOG betrachtet, dies mag bis zu einem gewissen Grade auch zutreffen, doch trifft die Sache nicht vollständig, den trotz einiger vorhandener Ähnlichkeiten (drei Oszillatoren, Kaskadenfilterschaltung), gibt es auch ein paar Unterschiede in der Klangarchitektur. So wurde etwa die Oszillator-Schaltung mittels der auch bei der Konkurrenz eingesetzten CURTIS-Chips vom Typ CEM3340 realisiert, während sie beim MINIMOOG noch einen diskreten Aufbau aufwies. Der MEMORYMOOG konnte darüber hinaus mit einem separaten LFO sowie der Möglichkeit zur Oszillatorsynchronisation aufwarten. Als Hüllkurven kommen zwei vollständige ADSR-Versionen zum Einsatz, die ebenfalls auf CURTIS-Chips basieren.
Der MEMORYMOOG kam allerdings zu einem etwas ungünstigen Zeitpunkt auf dem Markt. Die Mitbewerber hatten ihre polyphonen Schlachtschiffe größtenteils schon ein paar Jahre früher herausgebracht, und ein Jahr später pflügte der YAMAHA DX-7 das Feld komplett um. Zu Beginn verfügte der MEMORYMOOG auch noch über kein MIDI, klar, diese Schnittstelle existiert ja schließlich erst seit 1983. Eine spätere Baureihe namens MEMORYMOOG PLUS besaß dann endlich auch MIDI sowie einen integrierten Sequencer.
Leider galt der MEMORYMOOG von seiner technischen Seite her nicht unbedingt als der zuverlässigste Synthesizer (was aber auf seine direkten Konkurrenten aus dieser Zeitphase wohl ebenso zutrifft…). Dafür ist sein Klang umso eindrucksvoller und liefert eine volle analoge Breitseite, so fett, dass er im Mix manchmal alle anderen Beteiligten gnadenlos beiseite drückt und dann erst gezähmt werden muss.
1985 war dann schließlich Schluss, die Produktion des MEMORYMOOG wurde eingestellt, nicht zuletzt auch, weil die MOOG MUSIC kurz vor dem Ruin stand und nur ein Jahr später in die Insolvenz gehen musste. Die letzten einhundert Exemplare des MEMORYMOOG sollen übrigens auf den Namen SANCTUARY SYNTHESIZER BY MOOG umgetauft und dann direkt an Kirchen, christlich orientierte Musikgruppen und andere religiöse Vereinigungen vertickt worden sein, ob der Papst sich damals auch einen gekauft hat, weiß ich aber nicht…
Gedächtnisstütze…
Der folgende Abschnitt beleuchtet zunächst wieder den von der Klangarchitektur unabhängigen Unterbau des Plugins, der einmal mehr große Ähnlichkeiten zu denen früherer Plugins aus dem Hause CHERRY AUDIO aufweist. Wer mit diesen einigermaßen vertraut ist, der kann sich auch gerne schon mal zum nächsten Kapitel durchhangeln, er oder sie verpasst hier nichts.
Wie immer, ist der Synthie nur für 64-Bit-Systeme erhältlich, bei WINDOWS muss es dafür mindestens Version 7 sein und bei macOS geht’s ab Version 10.9 los. Eine Standalone-Version, die ohne Host auskommt, gibt es ebenso wie Plugins in den Formaten VST2, VST3, AAX und AU. In meinem Test habe ich mich lediglich auf die VST-Varianten unter WINDOWS 7 und 10 beschränkt, denn hier steht weder ein Apfelrechner herum, noch nutze ich die nur für PRO TOOLS vorgesehenen AAX-Plugins. Mein Setup besteht aus einem stationären Studiorechner (CPU i7-4790K mit 4 x 4,0 GHz, 16 GB RAM) mit WINDOWS 7 sowie aus einem Laptop (CPU i5-4200m mit 2 x 2,50 GHz, 4 GB RAM) mit WINDOWS 10. Auf beiden Rechnern lief der MEMORYMODE problemlos auch mit mehreren Instanzen gleichzeitig, ohne das jeweilige System ins Schwitzen zu bringen.
Zur Vervollständigung der Installation sowie zur anschließenden Aktivierung des Plugins benötigt der Host-Rechner temporär eine Internetverbindung, offline geht hier erstmal gar nichts. Bei diesem Prozess werden die selben Zugangsdaten abgefragt, die man auch für seinen Account bei CHERRY AUDIO (über den man ebenfalls bereits verfügen muss) verwendet. Anschließend wird keine Internetverbindung mehr benötigt, es sei denn, man möchte irgendwann mal direkt aus dem Plugin heraus ein Update vornehmen. Ohne die Eingabe von Zugangsdaten funktioniert der MEMORYMODE dreißig Tage lang als Demo-Version, die einen dann und wann mit einem eingeblendeten Rauschsignal stört.
Das GUI ist skalierbar und sollte sich damit auf allen üblichen Bildschirmgrößen- und auflösungen zu Hause fühlen. Neben einer Bedienoberfläche, die sich am klassischen Farbschema des MEMORYMOOG orientiert, kann man auch eine alternative Skin mit helleren Farben auswählen, das ist letztendlich natürlich eine reine Geschmackssache, aber möglicherweise empfindet der eine oder andere Anwender diese ja gegenüber ihrem dunklen Pendant als besser ablesbarer.
Die bereits mit dem EIGHT VOICE eingeführte und beim PS-20 ebenfalls vorhandene FOCUS-Funktion existiert auch beim MEMORYMODE. Hier rückt sie den Modulationsbereich des Plugins stark vergrößert in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Mit einem Mausklick lässt sich das Ganze dann wieder auf die ursprüngliche Ansicht zurückstellen.
Der Rest entspricht ebenfalls den Standards der anderen Software-Synthesizer von CHERRY AUDIO. Dies trifft auf die UNDO- und REDO-Funktionen ebenso zu, wie auf die sehr umfangreichen MIDI-Learn-Optionen, die nicht nur eine Anbindung an den bevorzugten MIDI-Controller ermöglichen, sondern darüber hinaus auch für jeden gemappten Parameter die Einstellung logarithmischer oder exponentieller Regelkurven mit einem jeweils eigenen Krümmungsmaß. Zudem lassen sich minimale und maximale Regelwerte definieren.
Selbstverständlich erlaubt der MEMORYMODE auch die Automation von Parametern innerhalb der DAW und Reglerwerte lassen sich manuell mit dem Mausrad verändern. MPE wird ebenfalls unterstützt, beeinflusst jedoch laut Handbuch die Nutzbarkeit der Stimmenzuordnungsoptionen und vor deren Änderung daher deaktiviert werden.
Die Einstellmöglichkeiten im Settings-Menü verteilen sich wie gewohnt auf mehrere Tabs. Neben den persönlichen Zugangsdaten zur Aktivierung des Plugins lassen sich hier auch die Optionen für den Umgang mit Updates ändern, der Preset-Ordner kann festgelegt werden, genauso wie das Verhalten der Maussteuerung oder die gewünschte Skin.
Und ja, auch das eigentlich schon obligatorische QWERTY-Keyboard gibt’s natürlich beim MEMORYMODE. Mit dieser Bildschirmtastatur lassen sich Noten oder diverse Spielhilfen wie Pich Bend oder Modulation nicht nur via Mauszeiger auslösen, sondern auch über diverse Buchstaben-, Zahlen- oder Sondertasten des Rechners. Dies ist wohl insbesondere von Interesse, wenn man mit dem Laptop unterwegs ist und dabei ohne ein angeschlossenes MIDI-Keyboard auskommen muss.
Der Preset-Browser des MEMORYMODE ist ebenfalls ein alter Bekannter. Klänge lassen sich damit in einschlägigen Kategorien verwalten, die Suchfunktion hilft beim schnellen Auffinden von Presets, die Favoritenliste ermöglicht eine Zusammenstellung der persönlichen Lieblingsklänge und die Pin-Funktion, sorgt dafür, dass das Browser-Fenster auch geöffnet bleibt, wenn man auf eines der Presets geklickt hat (im Normalzustand schließt sich das Fenster danach sofort wieder).
Presets selbst gibt’s auch wieder in Hülle und Fülle (laut CHERRY AUDIO sind es über 600), man hat dazu ein paar nicht ganz unbebekannte Sound-Designer bemüht, etwa Dave Polich und J3PO. Insgesamt finden sich mal wieder jede Menge inspirierende Treffer unter den Klängen, die sofort Lust darauf machen, mit dem Musizieren zu beginnen.
Erinnerungsvermögen…
Wenden wir uns nun der Klangarchitektur des MEMORYMODE zu und beginnen dabei mit der mittig positionierten Oszillatorabteilung. Wie auch schon beim Vorbild finden wir hier drei Oszillatoren, von denen jeder die Wellenformen Puls (mit manuell regelbarer und modulierbarer Pulsweite), aufsteigender Sägezahn und Dreieck erzeugen kann. Die Fußlage kann jeweils 16′, 8′, 4′ oder 2′ betragen. Oszillator 2 und 3 lassen sich gegenüber Oszillator 1 verstimmen, der zweite Oszillator kann zudem zum ersten synchronisiert werden. Der dritte Oszillator hingegen kann – wie schon einst beim MINIMOOG – in den Sub-Audio-Bereich versetzt und von der Tonhöhensteuerung durch das Keyboard abgekoppelt werden, um ihn so auch zu Modulationszwecken einzusetzen.
Rechts neben den Oszillatoren befindet sich die Mixer-Sektion. Jeder der drei Oszillatoren kann hier separat in seiner Lautstärke geregelt werden, darüber hinaus lässt sich hier ein weißes Rauschen stufenlos beimischen.
Diese Signalmischung durchläuft dann zunächst das Filter und anschließend den Verstärker. Beim Filter handelt es sich um eine Nachbildung der berühmten MOOG-Transistorkaskade (um was auch sonst…). Die Flankensteilheit lässt sich im Gegensatz zum Original zwischen 12 dB und 24 dB pro Oktave umschalten. An regelbaren Parametern stehen die Grenzfrequenz (CUTOFF), die Resonanz (EMPHASIS, reicht bis zur Selbstoszillation), die Modulationstiefe der Hüllkurve (CONTOURED AMOUNT) sowie den Einfluss der gespielten Tonhöhe (KB TRACK).
Filter- und Verstärkerhüllkurven entsprechen der klassischen ADSR-Variante, der Einfluss der Anschlagsdynamik lässt sich bei beiden per virtuellem Drehregler definieren. Für die zwei Hüllkurven gemeinsam existieren vier Schalter mit den Funktionen RETURN TO ZERO (bei direkt hintereinander angeschlagenen Noten, wird die Attackphase der zuletzt gespielten Note jeweils auf den Anfang zurückgesetzt), UNCONDITIONAL CONTOUR (das ist kein Haarpflegeprodukt, sondern bewirkt, dass die Hüllkurve unmittelbar nach der Attack-Phase zur Release-Phase springt, und zwar auch bei gehaltenen Noten, das entspricht somit einer AR-Hüllkurve), KEYBOARD FOLLOW (je höher die gespielte Note ist, desto kürzer ist der Verlauf der Attack-, Decay- und Release-Phasen) und RELEASE (deaktiviert die Release-Phase komplett, man erhält somit eine Hüllkurve nach Art des MINIMOOG).
Ganz rechts befindet sich die Ausgangssektion mit einem Lautstärkeregler nebst VU-Meter, einem zuschaltbaren Limiter sowie einem MODERN benannten Schalter, der dem Ausgangssignal eine Equalizerkurve mit stärkerer Betonung der Bässe und der Höhen aufprägt (eine sogenannte „Hifi-Badewanne“). Direkt darunter finden wir zwei Regler, einer davon dient der Gesamtstimmung des Synthies (MASTERTUNE), der andere nennt sich DRIFT und bewirkt, dass alle Oszillatoren unabhängig voneinander zufällige Abweichungen in ihrer Stimmung erfahren, für das besondere Vintage-Feeling.
Im Bereich MODULATION gibt es zwei Unterabteilungen. LFO MODULATION bezieht sich auf den LFO (nein, wirklich…?!). Dieser ist nur einmal vorhanden und wirkt daher stets global auf alle Stimmen gleichzeitig ein. Seine Modulationstiefe ist einstellbar, ebenso wie seine Geschwindigkeit, die sich auf Knopfdruck auch brav nach dem Host-Tempo richtet. Bei Bedarf kann die LFO-Phase bei jedem erneuten Tastenanschlag auf den Anfang zurückgesetzt werden. An Wellenformen stehen Dreieck, ab- und aufsteigender Sägezahn, Rechteck und Sample & Hold (sich zufällig ändernde Werte) zur Verfügung.
Das Modulationsrad kann ebenfalls zur Regelung der Modulationstiefe eingesetzt werden, entweder alternativ oder zusätzlich zum mit INITIAL AM(oun)T eingestellten Wert. Mit dem DC-Schalter kann es aber auch anstelle des LFO eingesetzt werden und dann die ausgewählten Modulationsziele direkt mit konstanten Werten ansteuern. Als Modulationsziele können die Tonhöhen der drei Oszillatoren, ihre jeweiligen Pulsweiten (nur bei aktiver Pulswelle) sowie Filter und VCA (Lautstärke) definiert werden, dabei können auch mehrere Ziele gleichzeitig gewählt werden.
VOICE MODULATION nutzt den dritten Oszillator und die Filterhüllkurve als Modulationsquellen (bei Bedarf auch gleichzeitig) und beeinflusst jede gespielte Stimme separat. Die Modulationstiefe lässt sich für jede der beiden Quellen getrennt einstellen. Als dritte Option kann die Modulationstiefe des Oszillators auch dynamisch mit der Filterhüllkurve gesteuert werden, etwa für ein sanftes Ein- und/oder Ausblenden der Modulation. Eine Invertierung der Modulation ist ebenfalls möglich (für beide Quellen gemeinsam). Die Modulationsziele sind identisch zu denen des globalen LFO, mit Ausnahme von Tonhöhe und Pulsweite des dritten Oszillators, den dieser liefert ja bei Verwendung als Modulationsquelle kein hörbares Audiosignal mehr an den Mixer, das sich modulieren ließe, logisch.
Ganz links auf dem Bedienpanel finden wir das VALUE DISPLAY sowie die Einstelloptionen für die Stimmenverwaltung und die Keyboard-Modi. Das Display zeigt, wie sollte es auch anders sein, eingestellte Parameterwerte an. Bei Betätigung eines virtuellen Drehreglers werden sowohl der ursprüngliche Wert des Presets als auch die gerade aktuelle Einstellung zum direkten Vergleich nebeneinander dargestellt.
Die Schalter bei den Keyboard-Modi öffnen jeweils Pop-Up-Menüs mit weiteren Auswahlmöglichkeiten. Im POLY(phonen) Modus lässt sich festlegen, ob die Stimmen zyklisch in der Reihenfolge ihrer Auslösung gespielt werden, ob wiederholt angeschlagene Noten stets den selben Stimmen zugeordnet werden, ob bei bei Loslassen aller Tasten wieder mit der ersten Stimme begonnen wird oder ob wiederholt gespielte Noten zwar immer den selben Stimmen zugeordnet werden, bei alle anderen aber eine Rücksetzung auf die erste Stimme erfolgt. Im MONO-Betrieb hat man die die Auswahl zwischen drei monophonen und drei Unisono-Modi, die sich jeweils nur durch ihre Notenprioritäten unterscheiden (mit Bevorzugung der höchsten, der letzten oder der tiefsten Note). Bei Bedarf kann man hier auch festlegen, ob bei einer gehaltenen Stimme weitere angeschlagene Stimme mit einer zurückgesetzten Hüllkurve abgespielt werden sollen oder nicht.
Der MEMORYMODE kann übrigens bis zu sechzehn Stimmen erzeugen (das Minimum beträgt zwei) und übertrifft damit sein Vorbild um Längen. Die betrifft nicht nur die Polyphonie, sondern auch die Fettstufe der Schichttorte im Unisono-Modus.
Ein einstellbarer GLIDE-Effekt (Portamento) existiert ebenso wie eine Verstimmmöglichkeit der Unisono-Stimmen gegeneinander. Der Regelbereich des Pitch Benders lässt sich auf bis zu zwölf Halbtöne auf- und abwärts festlegen. Der komplette Synthesizer lässt sich zudem um eine Oktave nach oben oder nach unten transponieren. Der CHORD MODE erlaubt im POLY-Modus einer einzigen Taste schnell mehrere auf dem Keyboard angeschlagene Noten zuzuweisen, darüber lassen sich ganze Akkorde mit nur einem Finger spielen.
Kurzzeitgedächtnis…
Akkorde können aber auch aufgebrochen gespielt werden, denn wie schon sein Vorbild besitzt der MEMORYMODE einen eigenen Arpeggiator. Dieser kann in seiner Geschwindigkeit von 0,25 Hz bis 30 Hz eingestellt oder mit verschiedenen musikalischen Werten zum Host-Tempo synchronisiert werden. Eine HOLD-Funktion lässt das Arpeggio auch nach dem Loslassen der Keyboardtasten weiterspielen.
Der Notenbereich des Arpeggiators kann sich über maximal vier Oktaven erstrecken. Für die Abspielreihenfolge bietet ein Pop-Up-Menü die sechs Modi UP (aufwärts), DOWN (abwärts), UP-DOWN (alternierend aufwärts und abwärts), FIRST TO LAST (die Noten werden in der Reihenfolge ihres Anschlags wiedergegeben), RANDOM (zufällige Reihenfolge) und AUTO TRIGGER (gehaltene Noten werden stakkatoartig wiederholt, Akkordnoten erklingen dabei zusammen und nicht als Arpeggio).
Speicherbatterie…
Im Gegensatz zum Original von MOOG verfügt der MEMORYMODE über vier integrierte Effekte, was ja eigentlich schon obligatorisch für die Synthesizer-Plugins von CHERRY AUDIO ist.
An Bord befinden sich PHASER, ENSEMBLE, ECHO und REVERB. Der Phaser und der Ensemble-Effekt warten beide mit einstellbarer Geschwindigkeit und Modulationstiefe auf.
Das ECHO bietet sowohl freie als auch temposynchrone Einstellung der Verzögerungszeit (diese reicht von einer Millisekunde bis zu zwei Sekunden bzw. von einer 64tel Note bis zu acht Takten), hinzu kommen Regler für das Feedback, die Höhendämpfung, die Stereoverbreiterung und das Mischungsverhältnis zwischen trockenem und verzögertem Signal. Aufgrund der möglichen kurzen Verzögerungszeiten lassen sich damit auch Flanger- und Chorus-Effekte erstellen.
Das Reverb schließlich verfügt über die drei Algorithmen ROOM, PLATE und HALL sowie über Regler für die Abklingzeit, die Höhendämpfung und das Mischungsverhältnis.
Bezüglich der Klangqualität gilt hier prinzipiell das Gleiche wie schon bei den Onboard- Effekten der vorangegangen Synthesizer-Plugins aus dem Hause CHERRY AUDIO: Sie erfüllen ihren Job hinlänglich und können sich durchaus hören lassen. Somit ist es hier nicht zwangsweise nötig, auf externe Effekte auszuweichen.
Total Recall…
Nein, einen echten MEMORYMOOG habe ich niemals befummelt, geschweige denn besessen. Der typische MOOG-Klang ist mir aber dennoch allgemein recht vertraut, sei es durch Aufnahmen, in denen er Verwendung fand wurde, sei es durch andere Emulationen und sei es vor allem durch Hardwaregeräte, die ich entweder früher mal ausgeliehen hatte (MOOG PRODIGY ) oder selbst besitze (BEHRINGER MODEL D).
Der MOOG-Charakter ist beim MEMORYMODE zweifellos vorhanden (sollte er möglichst auch…), wuchtige Bässe, fette Bläser und cremige Leads stellen damit überhaupt kein Problem dar. Darüber hinaus sind mit dem MEMORYMODE aber durchaus auch allerlei Klänge jenseits der üblichen MOOGschen Stereotypen möglich, etwa sanfte Pads, drahtige Sounds und schräge Effekte.
Obwohl der Grundsound sich insgesamt sehr überzeugend präsentiert, muss ich an dieser Stelle dennoch eine kleine Kritik loswerden: In den ganz hohen Tastaturlagen vermochte ich bei manchen Klängen leichte Artefakte wahrzunehmen, eine Art metallisch klingende Färbung mit einem zyklischen Zirpen. Das Phänomen trat mit allen Wellenformen auf, bei der Pulswelle fiel dies aber am intensivsten aus, und je mehr Oszillatoren eingeschaltet waren, desto stärker war es hörbar. Ich schätze mal, das dies seine Ursache in einem Aliasing der Oszillatoren hat (?). Bei den anderen Plugins von CHERRY AUDIO war mir das bisher nicht so aufgefallen, ich hatte allerdings bei diesen auch mein Ohrenmerk nicht sonderlich darauf gerichtet.
Zur Demonstration habe ich eine Aufnahme beigefügt, bei der sich ein Init-Klang taktweise in Halbtonschritten abwärts von G8 bis E6 bewegt, wobei der MEMORYMODE selbst auch noch mal auf +1 Oktave eingestellt ist:
Man sollte hierbei jedoch auch mal die Kirche im Dorf lassen, denn in der Praxis dürften diese Artefakte größtenteils vernachlässigbar sein, da sie im Test nur in den obersten Tonhöhenbereichen auftraten, in denen man sich für gewöhnlich eher selten bewegt. In den üblichen musikalisch genutzten Oktaven blieb ich auch von derlei digitalem Schmutz komplett verschont.
Es folgt das unvermeidliche Klangbeispiel, ein kurzer Demo-Track, der allein mit dem MEMORYMODE erzeugt wurde, besser gesagt mit 18 Instanzen von eben diesem.
Wie üblich, habe ich ansonsten keine anderen Plugins verwendet, und die auf die DAW-eigenen Klangformungsoptionen im Mixer habe ich ebenfalls verzichtet. Hier und da gibt es lediglich ein wenig Lautstärke- und Panorama-Automation.
Kollektives Gedächtnis…
Der MEMORYMOOG wurde in der Vergangenheit bereits von einigen anderen Entwicklern als Plugin umgesetzt, etwa als MEMORYMOON von der gleichnamigen Firma, als SYNTRONIK MEMORY-V von IK MULTIMEDIA und als PX MEMORY von UVI. Die letzteren beiden basieren dabei auf Samples vom Original. Während ich den PX MEMORY nicht persönlich kenne, habe ich hingegen sowohl den MEMORYMOON als auch den SYNTRONIK MEMORY-V hier auf meinem Rechner verfügbar (der Erstgenannte gehört zu den Plugin-Beigaben, die ACOUSTICA MIXCRAFT im Gepäck hat, und den MEMORY-V gab’s schon mehrfach kurzzeitig umsonst bei IK MULTIMEDIA), was lag also näher, als die beiden mal in einem Schnellvergleich gegen den MEMORYMODE antreten zu lassen.
Der MEMORYMOON ist das älteste der drei Kandidaten und existiert gefühlt schon seit einer Ewigkeit. Dementsprechend wirkt er aus heutiger Sicht auch etwas veraltet. So ist er nur als 32-Bit-Plugin für WINDOWS verfügbar (wenn ich mich nicht irre, handelt es sich dabei um eine SynthEdit-Kreation), seine Bedienoberfläche erscheint auf aktuellen Monitoren sehr klein und ist zudem nicht skalierbar. Der Klang ist für sich genommen durchaus in Ordnung (auf der sprichwörtlichen einsamen Insel käme man allein nur mit dem MEMORYMOON sicher schon halbwegs zurecht…), im direkten Vergleich zu den anderen beiden hört er sich aber deutlich flacher und steriler an. Zwar ist sein Preis mit 30,- Euronen der niedrigste, dennoch würde ich das heutzutage nicht dafür bezahlen wollen (habe ich ja auch früher schon nicht getan…).
Der MEMORY-V wirkt da schon etwas moderner und kann auch mit einer skalierbaren Bedienoberfläche aufwarten. Er ist zudem mit den aktuellen Betriebssystemen und Hosts kompatibel. Als samplebasiertes Software-Instrument benötigt er entweder das SYNTRONIK-Plugin oder den SAMPLETANK aus gleichem Hause. Daneben müssen über 6000 Samples mit einem Umfang von rund 5 Gigabyte auf die Festplatte geschaufelt werden. Aufgrund eben dieser Samples wirkt der reine Grundklang noch eine Spur authentischer als beim MEMORYMODE, allerdings liegen hier jetzt für mein Empfinden keine Welten dazwischen, außerdem beziehe ich mich dabei tatsächlich nur auf das Ausgangsmaterial, denn die Editiermöglichkeiten entsprechen bei den SYNTRONIK-Instrumenten keineswegs denen der Originale (was übrigens auch auf den UVI PX MEMORY zutreffen dürfte). So ist etwa das Filter ein völlig anderes, und auch die Modulationsmöglichkeiten des MEMORY-V sind deutlich einfacher gestrickt als die des MEMORYMODE (es gibt beispielsweise keine Pulsweitenmodulation oder einen als LFO abkommandierbaren dritten Oszillator, weil die Samples nun mal statische Momentaufnahmen darstellen). Preislich liegt der MEMORY-V ein wenig über dem MEMORYMODE, aber nicht wesentlich.
Was die Kombination aus klanglicher Potenz und Flexibilität angeht, würde ich persönlich dem MEMORYMODE den Vorzug geben, die anderen beiden würde ich höchstens dann noch einsetzen, wenn mir ein bestimmtes Preset so gut gefällt, dass ich dieses direkt verwenden möchte, ohne erst zu versuchen, es am MEMORYMODE nachzubauen.
Fazit:
Als mir CHERRY AUDIO vor ein paar Wochen unter dem Deckmantel der Verschwiegenheit mitteilte, dass man vorhabe, als nächstes einen virtuellen MEMORYMOOG zu veröffentlichen, war ich zugegebenermaßen erstmal nicht sonderlich geflasht.
Das mag in erster Linie daran liegen, dass sich bei mir inzwischen eine gewisse Müdigkeit in Bezug auf Analog-Emulationen breitmacht. Der Markt erscheint mir einfach schon sehr saturiert. Auch der MEMORYMOOG selbst war bisher nie das Objekt meiner Begierde gewesen. Und nicht zuletzt bin ich mittlerweile mit einem ordentlichen Fundus an echten analogen Synthies ausgestattet (auch wenn diese allesamt monophon sind).
Für all das kann jedoch der MEMORYMODE rein gar nichts. Und nachdem ich mich ihm im Zuge des Testberichts weiter angenähert hatte, musste ich feststellen, das mir das Teil ziemlich gut gefällt. Er ist sehr schnell und einfach bedienbar, soundmäßig flexibler, als es auf den ersten Blick erscheinen mag, und der Grundklang stimmt im Großen und Ganzen auch (mit nur geringen Abstrichen in den allerhöchsten, in der Regel kaum genutzten Tastaturlagen).
CHERRY AUDIO bietet den MEMORYMODE auf seiner eigenen Webseite an, er ist jedoch auch über diverse Onlineshops erhältlich. Als Einführungspreis werden diesmal 39,- US-Dollar (derzeit etwa 33,- Euro) ausgerufen, was zwar einen Zehner über den vergangenen Einführungsangeboten liegt, aber immer noch als günstig anzusehen ist. Der reguläre Verkaufspreis soll 59,- US-Dollar (also rund 50,- Euro) betragen (wird der wohl jemals kommen…?). Wer nicht die Katze im Sack kaufen möchte, der möge Gebrauch von der angebotenen Demoversion machen, die 30 Tage sollten wohl ausreichen, um sich eine eigene Meinung zu bilden.
Positives:
+ guter Grundklang
+ leicht erlernbare Bedienung
+ Arpeggiator
+ gut klingende Effekt-Sektion
+ umfangreiche MIDI-Learn-Sektion
+ CPU-freundlich
+ günstiger Verkaufspreis
Negatives:
– keine Offline-Aktivierung bzw. -Installation möglich
– leichte Artefakte in den obersten Tastaturlagen hörbar
Produktwebseite: https://cherryaudio.com/instruments/memorymode