Testbericht WOK „SAM“

Ein Testbericht von Perry Staltic

Das beschauliche Städtchen Bad Oeynhausen dürfte wohl in erster Linie Herzpatienten und Kurgästen ein Begriff sein. Dass dort aber auch höchst interessante und dabei qualitativ hochwertige VST-Plugins entstehen, scheint sich noch nicht überall herumgesprochen zu haben.

Die Rede ist von einer kleinen Manufaktur namens WOK, und dieser Name hat nichts mit den gleichlautenden Pfannen zu tun, die man üblicherweise in der asiatischen Küche oder auf Rodelbahnen antrifft, sondern leitet sich vom Realnamen des Entwicklers ab, nämlich Wolfgang Krumme.

Eben dieser Wolfgang Krumme hat uns bereits in der Vergangenheit immer wieder mit ebenso ungewöhnlichen wie eigenständigen VST-Plugins überrascht, die abseits vom üblichen Mainstream agieren, genannt seien an dieser Stelle etwa die coolen BLIP-Matrixsequencer, aber auch allerlei schräge Klangerzeuger und vintage-like Effekte.

Und jedes Mal, wenn ich mich auf der Webseite von WOK umsehe oder mir seine Plugins anschaue, dann habe ich von Wolfgang Krumme die Fantasie im Kopf, dass es sich bei ihm um einen alten, bärtigen Tüftler handelt, der in einem obskuren Labor seine Plugins noch in Handarbeit mit dem Lötkolben zusammenbrutzelt… 😉

Dies entspringt natürlich alles nur den irrationalen Projektionen meiner nicht unwesentlich durch alte Sci-Fi-Filme geprägten Vorstellungskraft, denn ich kenne Wolfgang weder persönlich, noch habe ich jemals ein Foto von ihm gesehen! Möge er mir dies also nachsehen…

Zwar nicht mehr ganz taufrisch, dafür aber umso interessanter, erreicht uns nun zum Test ein Synthesizer-Plugin von WOK, das sich der Emulation eines alten analogen Klassikers verschrieben hat, nämlich des Oberheim SEM. WOKs Kreation hört deshalb auch nicht von ungefähr auf den recht ähnlichen Namen SAM, hat gegenüber der Original-Hardware allerdings noch ein paar Gadgets mehr an Bord.

Der Oberheim SEM

Als der Synthesizer-Pionier Tom Oberheim 1974 sein sogenanntes „SEM“ (kurz für „Synthesizer Expander Module“) auf den Markt brachte, stellte dies nicht nur den Ersten kommerziell erhältliche Synthesizer von Oberheim dar, sondern läutete auch eine bis dato unbekannte Musikgeräteklasse ein, nämlich die des Expanders, der über keine eigene Tastatur oder Spielhilfen verfügt, sondern ausschließlich für die Ansteuerung durch andere (Synthesizer-)Keyboards oder Sequenzer konzipiert ist.

Das SEM war als monophone Erweiterung für die Geräte von Moog, ARP etc. gedacht und erzeugte mit seiner Klangarchitektur und seinem Filterdesign deutlich von den Vorgenannten unterscheidbare Klänge. Das Gerät wurde von zahlreichen namhaften Musikern geschätzt, und auch in alten Filmen John Carpenters durften wir es schon hören.

OBERHEIM SEM-PRO

Das SEM wurde bis in die frühen 1980er Jahre hinein angeboten, es tauchte in verschiedenen Variationen kombiniert auch in den ersten polyphonen Synthesizern OBERHEIMs auf (etwa in Form von TWO VOICE, FOUR VOICE und EIGHT VOICE) und feierte vor erst wenigen Jahren seine erneute Reinkarnation bei OBERHEIM (siehe Bild), inzwischen auf Wunsch auch mit MIDI-Ausstattung erhältlich. Allerdings muss man dafür rund tausend Euronen auf den Tisch blättern, die nicht jedermann noch in einer alten Manteltasche wiederfinden dürfte… 😉

Allgemeines (Installation, Optik, Bedienung etc.)

Den SAM habe ich wieder mal auf dem folgenden, etwas betagteren System getestet: Windows XP Professional x32 mit SP3, Athlon X2 4200+ mit 2,5 Gigabyte RAM. Die verwendeten Hosts waren EnergyXT 2.6 und Cubase 5.5.

Der SAM gelangte in einer Darreichungsform zu mir, wie ich sie am liebsten mag: Eine einfache ZIP-Datei, die neben einigen Hinweistexten das Plugin als DLL enthält. Einfach entpacken und in den Plugin-Ordner kopieren, fertig! Kein lästiger Kopierschutz in Form von umständlichen Registrierungs- und Aktivierungs-Prozeduren oder dergleichen und schon gar kein Donglezwang. Ich habe nämlich alle meine Plugins auf einer separaten Festplatte liegen, und wenn ich einmal wieder das Betriebssystem neu installieren muss, dann sind eben solche Plugins ohne Setup und Aktivierungszwang ohne großartiges Gefummel sofort wieder am Start.

So viel Vertrauen und Rücksicht dem Kunden gegenüber gehört an dieser Stelle einmal gelobt und sollte daher auch mit dem entsprechenden Respekt honoriert werden, nämlich durch einen legalen Erwerb dieses Plugins!

Obwohl das VST-Plugin lediglich als 32bit-Version für Windows vorliegt, ist anscheinend auch der Betrieb unter MacOS möglich, wenn man einem Tipp folgt, der von WOK selbst stammt, und hierfür eine gewisse Mac-Software namens „VFX“ verwendet: macupdate.com

Ich habe keinen Apfelrechner, daher konnte ich diesen Ratschlag leider nicht verifizieren.

Für den Betrieb des SAM unter den 64bit-Versionen von Windows empfiehlt WOK übrigens das bewährte jBridge.

Wie man unschwer erkennen kann, orientiert sich die GUI des SAM mehr oder minder genau an der Hardware-Vorgabe. Kenner des SEM dürften sich also sofort zurechtfinden, und Neueinsteiger sollte die doch sehr übersichtliche Bedienoberfläche ebenfalls nicht vor große Rätsel stellen. Wie beim SEM sind auch beim SAM die verschiedenen Parameter in einzelnen Sektionen zusammengefasst, was die Übersichtlichkeit noch erhöht. Wer mit einem Controller wie dem NOVATION REMOTE SL oder dem BEHRINGER BCR2000 arbeitet, der kann sich darüber freuen, dass er alle Parameter auf einer einzigen Menüseite ohne Doppelbelegungen unterbringen kann: Schrauben fast wie am Original!

Zumindest einen halben Minuspunkt gibt’s von mir wieder mal für die fehlende Option, die virtuellen Regler des SAM auch mit dem Mausrad bedienen zu können. Eigentlich ist dies aber nicht die Schuld von WOK, sondern ein schmerzliches Defizit der verwendete Entwicklungsumgebung SynthEdit.

Die CPU-Auslastung stellte auch auf meinem nicht gerade neuesten System keinerlei Problem dar. Für den Demo-Track zu diesem Testbericht etwa habe ich neun Instanzen des SAM gleichzeitig verwendet, ohne dass ich dabei auch nur die geringsten Performance-Probleme hatte. Ich hätte sicherlich auch noch einige weitere Instanzen laden können, bis der Rechner endlich schlappgemacht hätte. Sehr schön!

Die Klangarchitektur des SAM

Die Klangerzeugung des SAM folgt weitgehend den Möglichkeiten des SEM, und auf den ersten Blick mag dies angesichts heute verfügbarer Synthesemonster mit einem Dutzend Oszillatoren und einer Legion an Modulationsmöglichkeiten etc. etwas mager erscheinen, doch „weniger“ ist hier mal wieder eindeutig „mehr“. Während man von der Parameterflut der Ersteren meistens zunächst einmal erschlagen wird und sich dann häufig auf das Auswählen und Anpassen von Presets beschränkt, lädt SAM mit seinem beschränkten Parameterangebot geradezu zum Herumschrauben und Klangbasteln ein, und das macht Spaß!

WOK-SAM-Oberheim SEM EMU

Der SAM verfügt über zwei durchstimmbare Oszillatoren, die wahlweise eine Sägezahn oder eine Pulswelle mit einstellbarer Pulsweite erzeugen und wahlweise per LFO (mit Puls- und Dreieckswelle) moduliert werden können. Die beiden Oszillatoren können zudem miteinander synchronisiert werden. Des weiteren kann ein externes Audiosignal als Klangquelle für den Filter dienen. Darüber hinaus hat WOK dem SAM erfreulicherweise auch noch einen Rauschgenerator spendiert, der beim Original fehlt.

Mittels eines Schalters lassen sich die Oszillatoren in einen „Free Running“-Modus versetzen, dass bedeutet, dass sie nicht bei jedem Tastenanschlag neu gestartet werden. Dies soll den analogen Klangeindruck verstärken, geht dafür aber auch etwas mehr zulasten der CPU-Anforderung.

Der Filter des SAM ist als 12dB-Multimode-Filter ausgelegt, es beherrscht die vier Gangarten Tiefpass, Notch, Hochpass (jeweils überblendbar) sowie Bandpass (schaltbar). Cutoff und Resonanz sind natürlich regelbar, und wie auch beim SEM geht der Regelbereich nicht hinauf bis zur Selbstresonanz.

Auch die beiden Hüllkurven für Filter und VCA entsprechen der Vorgabe durch die Hardware und verfügen jeweils über die drei Einstellmöglichkeiten Attack, Decay und Sustain. Ein separater Release-Parameter fehlt hier also, aber auch der Minimoog musste ja schon ohne einen solchen auskommen.

Das Einzige, was ich am SAM noch vermisst habe, war eine Regelmöglichkeit für den Ausgangspegel.

Auf der linken Seite der GUI finden wir eine Sektion, die beim originalen SEM fehlte, so ähnlich aber in dessen Neuauflage bei OBERHEIM ebenfalls vorhanden ist. Hier lassen sich Einstellungen etwa für Transponierung, Stimmenzuweisung, Hüllkurvenreaktion oder Portamento vornehmen, aber auch eine kleine Modulationsmatrix zur Zuweisung von MIDI-Controllern ist vorhanden. Eine sinnvolle und praktische Erweiterung.

Hatte ich eigentlich auch schon erwähnt, dass der SAM im Gegensatz zum SEM polyphon spielbar ist, und zwar mit bis zu sechs Stimmen?!

Wer es ganz puristisch mag und auf die Polyphonie sowie den erweiterten Möglichkeiten des SAM verzichten kann, für den bietet WOK mit dem SAM SE noch eine Version an, der eben dies abgeht, die dafür aber auch weniger als die Hälfte des SAM kostet.

Der Klang des SAM

Da ich nie ein SEM besessen, noch jemals meine Hände daran gelegt habe, konnte ich an dieser Stelle leider keinen 1:1-Test durchführen (schade…), sondern musste mich rein auf mein Gehör verlassen (Klangbeispiele aus dem Web und von alten CDs).

Mag ja sein, dass Kenner der Hardware im Direktvergleich durchaus klangliche Unterschiede zwischen dem OBERHEIM SEM und dem WOK SAM festzustellen vermögen, aber auf welche Synthie-Emulation trifft dies letztendlich nicht zu? Und wer kann dies dann in einem kompletten Mix ebenfalls noch heraushören? Ich zeige jetzt ganz bestimmt nicht auf…

Mal abgesehen davon, dass auch bei der Original-Hardware gewisse Abweichungen zwischen einzelnen SEM-Exemplaren aus unterschiedlichen Fertigungsreihen zu hören sein dürften. Ich weiß auch nicht, wie anfällig das SEM für thermisch bedingte Verstimmung ist, beim SAM hat man mit diesem Problem selbstverständlich nicht zu kämpfen.

Der SAM klingt in meinen Ohren sehr analog, vintage-like und dem OBERHEIM SEM doch wirklich ziemlich ähnlich. Den typischen etwas statischen Plastik-Sound, der leider vielen Möchtegern-Analog-Emulationen (längst nicht nur im Freeware-Bereich…) anhaftet, vor allem, wenn es um die Filter geht, konnte ich beim SAM erfreulicherweise nicht feststellen, ganz im Gegenteil, ich empfand ihn als recht „warm“ und auch in den Bässen druckvoll. Filterbewegungen gelingen sanft gleitend und ohne hörbare Abstufungen. Lediglich der Gesamtausgangspegel könnte bisweilen etwas höher sein.

An dieser Stelle muss ich einfach auch noch mal mit dem weit verbreiteten Vorurteil aufräumen, dass VST-Plugins, die mit der Entwicklungsumgebung SynthEdit kreiert wurden, zwangsläufig minderwertig klingen. Unzweifelhaft gibt es eine große Anzahl an recht mediokren bis schlechten Desktop-Hupen, die offenbar mit den Standardmodulen von SynthEdit zusammengeschustert wurden, doch ist dies wohl eher dem Umstand geschuldet, dass auch weniger talentierte „Programmierer“ damit in LEGO-Manier Plugins „entwickeln“ können. WOK gehört aber eindeutig nicht zu diesen Amateuren, wie der SAM hörbar beweist.

Als Klangbeispiel zum SAM habe ich mal ein recht einfaches Stückchen Synthie-Pop abgesondert. Alle Sounds, also auch die Drumsounds, stammen hierbei vom WOK SAM. Auf „Verschönerungen“ mittels Hall, Chorus und EQ habe ich ebenso verzichtet, wie auf Kompression, lediglich der „EARecon BW-Limit87“ hing in der Summe, um eventuelle Übersteuerungen abzufangen. Somit hört Ihr also den rohen SAM.

[soundcloud params=“auto_play=false&show_comments=true“]http://soundcloud.com/andreas-eberhardt/klangbeispiel-wok-sam[/soundcloud]

Bei WOK gibt es übrigens noch mehr Demo-Tracks sowie eine eingeschränkte Demo-Version des SAM. Ausprobieren!

Fazit

Ich muss gestehen, dass ich mich während des Tests richtig mit dem Kleinen angefreundet habe. Eine hübsche GUI mit einem übersichtlichen Set an Parametern, das zum Schrauben einlädt, und ein Grundklang, der die entstandenen Erwartungen nicht gleich wieder im Keim erstickt, sondern überraschend „analog“ und „amtlich“ tönend daher kommt.

Der SAM ist sicherlich kein „One-for-All“-Synthie, der nun alle anderen Analog-Emulationen überflüssig erscheinen lässt. Es handelt sich bei ihm vielmehr um einen Spezialisten, den man immer wieder gerne einsetzen wird, damit er genau das tut, was er am besten kann, nämlich ein spezifisches, eigenständiges Klangspektrum wiederzugeben, eben genau wie das originale SEM von OBERHEIM.

Auch TB-303 oder MONOTRON sind nicht deshalb so beliebt, weil sie etwa unzählige Klangparameter anbieten würden, sondern gerade deshalb, weil sie einen eigenen Klangcharakter haben und die Entscheidungsmöglichkeiten beim Editieren auf das Wesentliche fokussieren.

Der SAM ist nur direkt bei WOK erhältlich und kostet schlanke 41,- Euro, was ihn wohl für die meisten Interessenten bezahlbar machen dürfte. Puristen, Nostalgiker und Schotten, die auf die erweiterten Modulationsmöglichkeiten sowie auf die Polyphonie – nicht jedoch auf den Klang – verzichten können, bietet sich als Alternative der bereits erwähnte SAM SE zum „No-Brainer“-Preis von gerade mal 19,- Euronen an. Ich persönlich würde aber lieber die rund zwanzig Steine zum SAM drauflegen, anstatt mir beispielsweise polyphone Flächenklänge aus mehreren einzelnen SAM SE-Instanzen in der DAW zusammenstricken zu müssen… 😉

Als einziger Konkurrent zum WOK SAM fällt mir derzeit lediglich noch der SEM V von ARTURIA ein. Dieser kostet allerdings mit 229,- Euro auch eine ganze Stange mehr. Zwar muss man fairerweise erwähnen, dass der SEM V auch noch ein paar Spielereien mehr an Bord hat als der SAM, zum Beispiel einen Arpeggiator, einen Sub-Oszillator und diverse Effekte, er zerrt dafür aber auch deutlich mehr an der CPU. Den Demo-Track oben hätte ich damit sicher nicht ohne Track-Bouncing/Freezing erstellen können… Auf die eingebauten Effekte von Synthies verzichte ich sowieso meistens zugunsten meiner speziellen Favoriten für so etwas. Abgesehen davon erfordert der Franzose auch einen Kopierschutz. Welches dieser beiden Plugins nun besser oder „echter“ klingt, das vermag auch ich nicht zu beurteilen und überlasse dies daher lieber Euch…

Was mir besonders gut gefiel:

  • Sehr guter Grundklang
  • Bedienung
  • optisches Design
  • geringe CPU-Belastung
  • Verzicht auf Kopierschutzmechanismen

Was mir weniger gut gefiel:

  • Kein Regler für die Ausgangslautstärke (entspricht dem SEM)
  • Keine Reglerbedienung via Mausrad möglich (eigentlich ein SynthEdit-Defizit)

Mein subjektives Testurteil nach Schulnoten: besser als gut (2+)

Weitere Infos:

  • WOK SAM: http://music.service-1.de/html/sam_synth_plugin.html
  • WOK SAM SE: http://music.service-1.de/html/samse_sem_emulation_synthesize.html

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