Vintage – back to the 80s

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Testbericht von MIchael Lührig

Wer kennt sie nicht, die alten Kultinstrumente aus den 80ern. Zur damaligen Zeit konnten nur die Produktions-Gurus oder absoluten Synth-Enthusiasten sich solche Geräte überhaupt leisten.

Zu meinem Inventar zählten dann auch schon mal der DX7, der Roland D-50 und auch der Korg Polysix… Wer hätte gedacht, dass das im Jahr 2000 immer noch aktuell ist? Die anderen Größen am Markt waren auch Synthesizer wie Rolands Jupiter 8, Sequential Circuits Prophet 5, Oberheims OB-X/8 und natürlich der Minimoog… Nur um einige zu nennen…

Heute werden Geräte aus der letzeren Liste teilweise für horrende Preise ersteigert. Die digitalen Vertreter fristen dabei preislich eher ein Schattendasein. Die begeisterten Musiker fahren immer noch auf den echten analogen Sound ab und deshalb ist der Markt für die analogen Instrumente immer noch sehr teuer.

Bin ich aber zufrieden mit einem Synthesizer der nicht nur auf analoger Klangerzeugung basiert und auch seine Programme speichert (was bei analogen Vertretern der älteren Generationen eben nicht unbedingt der Fall war), denn dann komme ich heutzutage auch mit den Kultgeräten wie dem Roland D-50 auf meine Kosten.

Genau diese Überlegungen müssen TubeOhm durch den Kopf gegangen sein, denn was dort in Form des Vintage auf die Beine gestellt wurde ist einfach nur eindrucksvoll.

Interessanterweise wird dieser derzeit um die 200-300 Euro gehandelt. Wenn man sich mal bei einigen Jüngern aus der Youtube-Gemeinde schlau hört, wird einem auch schnell klar warum ein Instrument aus der Vergangenheit seinen eigenen Charme besitzt. Zur damaligen Zeit war der D-50 ein direkter Konkurrent zum DX7 und bestach durch seine Samples und Wavetables im Speicher, mit denen er auch noch heute für spektakulären Sounds sorgt. Viele von den damaligen Produktionen wurden mit einem D-50 gefahren. Wie viele das waren erkennt man erst, wenn man mal selbst einen D-50 gespielt hat.

Ich kann jetzt nicht behaupten, ich wäre unvoreingenommen. Ich wurde direkt vom Entwickler von TubeOhm angesprochen, ob ich mir den Vintage einmal vorab anhören möchte. Dabei haben mich der Sound und die Flexibilität des Vintage immer mehr in den Bann gezogen, je weiter ich in die Tiefen des Instruments vorgedrungen bin.

Bei soviel Detailarbeit und Hingabe spürt man einfach, ob da ein VST-Instrument auf dem Bildschirm erscheint, das den Namen Vintage auch verdient. Also seht es mir nach, wenn ich Begeistert bin. Ich denke nach dem Studium dieses Tests wird auch klar sein, warum das so ist.

TubeOhm Vintage MAIN
TubeOhm Vintage MAIN

Also fangen wir an.

Vintage ist ein weiteres VST-Plug-In aus der mittlerweile bekannten Schmiede von TubeOhm. Das dort VST-Instrumente geboren werden die Eindruck hinterlassen, hat man unter anderem beim Pure-Grain oder dem Pure-D16/24 gesehen. Aus dieser Serie ist der Vintage nun losgelöst und stellt mit seinem Namen eine neue Ära bei TubeOhm vor.

Die Oberfläche des Vintage kommt auf den ersten Blick sehr aufgeräumt daher. Vorrangig wird das Bild vom Display auf dieser Bildschirmseite namens MAIN behauptet, welches dann gleich von der „Free-Assign“-Sektion nebenan unterstützt wird. Dazwischen mogelt sich noch der Regler für die Gesamtlautstärke des Vintage und auf der linken Seite finden sich 4 Schalter für die Parts, einen Joystick mit Automation und eine Zufallsfunktion ein. Die Diagramme stellen nur einen Teil der Möglichkeiten des Vintage dar und sollten nicht den Eindruck erwecken, dass der Vintage nicht mehr als das kann.

Weiterhin finden sich oben am VST einige Taster mit den Beschriftungen: MAIN, STRUCTURE 1 & 2, EFFECTS und SYSTEM. Diese sind für die anderen Editorseiten des Vintage vorgesehen, in denen weitere Parameter verborgen sind.

Das Keyboard mit den beiden Modulationsrädern und deren Parameter runden das Bild ab.

Der Aufbau des Vintage in Kurzfassung: 4 Parts -> 2 Strukturen (je 2 Parts) -> Effekte

Der Vintage setzt seinen Klang aus einzelnen Parts zusammen. Diese Parts können entweder aus einem Oszillator oder einem Sampleplayer (im Folgenden werden diese beiden von mir Klanggeber genannt) bestehen. Jeder Part hat sein eigenes VCF und einen eigenen VCA, die beide eine mehrstufige Hüllkurve besitzen.

Eine eigene Glide-Funktion für beide Parts, dessen Laufzeit für jede Struktur unabhängig eingestellt werden kann und die für jeden Part einzeln aktiviert werden darf, ist auch vorhanden.

Die Strukturen (STRUCTURE 1 & 2)

Nachdem man also nüchtern die Hauptseite betrachtet hat, klickt man ganz verträumt auf eine der Taster mit „STRUCTURE“ und plötzlich glaubt man sich im falschen Film. Die Fülle an Parametern will erst einmal gebändigt werden!

TubeOhm Vintage Structure

Zwei Parts ergeben im Vintage eine Struktur. Zwei Strukturen plus Effekte ergeben den Sound. Also besteht der Vintage aus insgesamt 4 Parts, die in 2 Strukturen aufgeteilt sind.

Jede Struktur im Vintage besitzt neben den zwei Parts noch 3 LFO mit vordefinierten Modulationszielen, das Strukturfenster für die Auswahl der einzelnen Betriebsmodi der Parts, einen Lautstärkeregler und eine Hüllkurve zur Tonhöhenmodulation der Klanggeber.

Die 3 LFO lassen sich per Schalter einzeln anzeigen und bieten unterschiedliche Möglichkeiten der Modulation. Die Parts können in einen Betriebsmodus geschaltet werden, in dem einzelne Parts einer Struktur sich gegeneinander Ringmodulieren lassen.

Wenn man sich dabei vorstellt, dass die Klanggeber mit Material aus berechneten Wellenformen und Samples arbeiten dürfen, ist das Ergebnis sehr komplex und nicht vergessen: wir haben zwei Strukturen.

Schauen wir mal auf die beiden wichtigsten Betriebsmodi.

Klanggebung im Betriebsmodus „DCO“

Zu Beginn finden wir jetzt den Master-Oszillator (MO) in der Darstellung des Parts, der die freie Auswahl aus 22 Wellenformen (inkl. Rauschen)  hat und von denen 10 mit modulierbarer Pulsweite ausgelegt sind (erkennbar an einer kleinen roten Senkrechte in der Darstellung). Einstellbare Oktavlage, regelbarer Tonhöhenverlauf (K-F) und Lautstärke sind zusätzlich sein eigen.

Gefolgt wird der MO von einem Super-Oszillator (SO), der seine eigenen 7 Oszillatoren (!) mitbringt. Der SO verfügt über eine Auswahl von 21 Wellenformen (ohne Rauschen), sowie Pulsweite und einer Phat-Funktion.

Phat?

Phat ist als Taster ausgelegt und schaltet den SO ein. Phat tastet durch 5 Stufen, die jeweils einer anderen Lautstärke zugewiesen ist und mit dessen letzter Stufe der SO wieder ausgeschaltet wird. Mit dem gleichnamigen Phat-Regler werden die 7 Oszillatoren gegeneinander verstimmt. Spätestens jetzt wird schon klar, dass der Sound aus diesem Synth richtig fett werden kann, wenn man alle 4 Parts mit MO und SO bestückt. Aber es geht noch weiter.

Der Ringoszillator (RO)

Im Betriebsmodus DCO findet sich im Abschnitt des SO noch ein weiterer Kollege der Klangmanipulation: der Ringoszillator. Dieser fungiert dabei als „Klangverschärfer“, oder als „Weichmacher“, je nach dem wie man ihn über Grob- und Feinstimmung und dessen Modulationsstärke über RNG einstellt. Der RO verfügt nur über eine Wellenform: Sinus. Interessanterweise wirkt die Modulation erst hinter dem VCF und wird somit nicht mehr gefiltert. Vorher war der Sound also noch schön und angenehm und plötzlich fliegen einem die modulierten Wellen ungefiltert um die Ohren. Wenn man möchte, kann das so klingen. Wenn nicht, muss man mit den Parametern des RO eben nicht so extrem herumspielen.

Filter

Die Filtersektion hat bekanntlich einen großen Einfluss auf das Klangbild und muss deshalb auch mit Liebe zum Detail entwickelt werden. Im Vintage ist ein Filter eingebaut der gleich mehrere verschiedene Betriebsmodi kennt. Durch unterschiedliche Hochpass und Tiefpass-Varianten lassen sich unterschiedliche Resonanzverhalten und Charakter einstellen. Die Flankensteilheit lässt sich von 12dB auf 24 dB umstellen und der Filterverlauf ist auch über die gespielte Note auf der Tastatur regelbar.

Die Filtersektion arbeitet sauber in ihrer Handhabung und manipuliert den Sound so, wie man es von einem Filter erwartet. Durch die Filtervarianten kann man Sounds entwickeln, die alles Mögliche zwischen Warm und Kalt abdecken und so sollte es auch sein.

Autogain

Der eingebaute Autogain soll verhindern, dass extreme Resonanzen den Ausgangspegel zu sehr ansteigen lassen; eine sehr lobenswerte Entwicklung. Hier muss man sich nicht mehr so sehr sorgen, zwei neue Glühbirnen in seinen Boxen zu finden. Dennoch ist der Druck aus dem Vintage beachtlich. Soundtüftlern sind aber diese Dinge bekannt und handeln entsprechend vorsichtig.

Klanggebung im Betriebsmodus „SAM“

In diesem Betriebsmodus werden die drei Oszillatoren gegen einen Sampleplayer ausgetauscht. Statt des MO, SO und RO haben wir nun einen SAMPLER auf dem Schirm.

Wobei Sampler hier eher irreführend ist, da wir hier keine Aufnahmen machen können, sondern nur Samples wiedergeben.

Dem Vintage werden schon 128 Samples in eigener Samplelibrary mitgeliefert. Diese umfasst ca. 40MB und ist in Handarbeit bei TubeOhm entwickelt worden. Somit wird verhindert, dass keine Rechte Dritter verletzt werden. Die Auswahl der Samples ist schon interessant und kann noch erweitert werden.

Der Anwender ist in der Lage seine eigenen Samples in den Vintage zu importieren. Es muss nur darauf geachtet werden, dass die Samples den Vorgaben des Handbuches entsprechen, dann gibt es keine Probleme mit dem fertigen Sound.

Auch lassen sich die Samples stimmen und feintunen, aber einen SO oder den RO sucht man hier eben vergebens. Wer dennoch nicht auf Ringmodulation verzichten will, kann den gesamten Part mit einem anderen Part innerhalb einer Struktur ringmodulieren. Die Betriebsmodi lassen so etwas zu.

Samples werden sich in unterschiedlicher Form wiedergeben, die vom Anwender bestimmt werden darf. Entweder als sog. „One-Shot“ oder als Loop mit einstellbarer Laufrichtung beziehungsweise einem Ping-Pong-Modus.

Falls also die Oszillatoren mit 22 Wellenformen und PWM nicht reichen, haut einfach ein Sample in den Vintage das entsprechend Fett ist und benutzt die Klangformungsmöglichkeiten des Vintage…

Hüllkurven

Auf die Einzelheiten der Hüllkurven in Bezug auf Zeit und Level möchte ich an dieser Stelle verzichten, da jeder schon einmal eine Hüllkurve verdreht hat. Die Besonderheiten sind einmal kurz zusammengefasst.

Jede Hüllkurve besteht aus mehreren Stufen für Zeit und Level, kann in ihrer Gesamtlaufzeit verändert werden, ist Anschlagsdynamisch und bietet einen Verlauf in Abhängigkeit von der gespielten Tonhöhe.

Die Hüllkurven sind in der Lage einen fest definierten Abschnitt, vom Start (T1) bis zum Sustain (T4), im Loop wiederzugeben. Somit kann beispielsweise eine Hüllkurve des VCF entwickelt werden, die nach Ablauf der Gesamtzeit aller 4 Stufen wieder von vorne beginnt. Dieser Ablauf wird solange wiederholt, wie die gespielte Note gehalten wird.

Ausnahme ist hier die Hüllkurve für Pitch. Dort gibt es zusätzlich den Grundwert, auf dem die Hüllkurve startet und statt eines einfachen Release befindet sich dort auch die Einteilung zwischen Zeit und Level für die Release-Phase. Weiterhin besitzt die Hüllkurve noch einen Begrenzer in Form eines Oktavschalters für 1 oder 2 Oktaven. Der Begrenzer sorgt dafür, dass Frequenzen der Klanggeber, welche durch Modulationen mit der Hüllkurve erreicht werden können, nicht bis ins unendliche steigen oder auf Null fallen, denn dann hätten wir Probleme. Gleichstrom auf Lautsprechern kommt nicht gut und Ultraschall bringt’s technisch auch nicht unbedingt.

1 oder 2 Oktaven reichen vollkommen aus und die Modulation der Parts lässt sich auch für jeden Part einzeln einstellen.

Jede Stufe der Hüllkurve kann über eine von 3 wählbaren Kurven verfügen. Jede einzelne Stufe bekommt damit eigenes Verhalten im zeitlichen Verlauf: entweder linear, logarhythmisch, oder invers logarhythmisch. Eine 4te Kurvenform bei Pitch wurde als Treppenform implementiert und ermöglicht es, einen kleinen Stepsequenzer mit 4 Schritten zu simulieren.

Mit der richtigen Soße schmeckt es besser – die Effekte (EFFECTS)

Jeder Struktur sind zunächst einmal ein EQ und eine Röhrenamp-Simulation zugewiesen. Der EQ ist 2fach Parametrisch und kann bei Bedarf zugeschaltet werden. Die Röhre ist auch bei Bedarf zuschaltbar und verfügt ebenfalls über einen eigenen „Mix“-Regler.

Danach folgen die Effekte Chorus, Delay und Reverb, die nur in beiden Strukturen gemeinsam zur Verfügung stehen. Auch wenn diese nicht für jede Struktur einzeln einstellbar sind, werden über das Effekt-Routing Zuweisungen der Strukturen zu den Effekten flexibler.

Selbst innerhalb der Effekte kann noch festgelegt werden, ob der Chorus beispielsweise direkt in das Delay oder in das Reverb gehen soll und das Delay darf man entweder auf den Ausgang oder in das Reverb senden lassen.

Somit sind auch hier einige Freiheiten eingebaut, um jeder Struktur ihre passende Effektmischung zukommen zu lassen. Um nicht immer auf Main umschalten zu müssen, wenn man an den Effekten experimentiert, wurde auch hier noch ein Regler für die Gesamtlautstärke verbaut. Es kann ja vorkommen, dass durch den Einsatz der Effekte der Klang etwas lauter wird…

Ihr könnt mir glauben, dass dieser ganze Routing-Effekt- und Modulations-Wahnsinn für außerordentliche Klänge sorgt.

Der Sound der „Röhre“ ist angenehm und klingt nicht zu sehr nach digitaler Verzerrung; kann aber brachial werden, also Vorsicht. Die EQ arbeiten effektiv und setzen sich immer gut durch. Auch hier hat man das Gefühl, dass man etwas bewegt. Der 3stufige Chorus liefert die notwendige Breite im Stereobild mit einzeln einstellbaren Stufen und das Delay ist mit 4 unterschiedlichen Zeiten programmierbar, die entweder Stereo oder Ping-Pong anbieten.

Einziger Wermutstropfen ist das Reverb. Es bringt nicht die richtige Transparenz mit, um den vorher so schön aufgebauten Sound die passsende Tiefe zu bringen.

Allerdings wurde mir schon versprochen, dass in einer der nächsten Versionen ein besserer Algorhythmus seinen Weg in den Vintage findet. Ich habe kurzerhand mal das EpicVerb von Bootsy herangenommen und das eingebaute Reverb des Vintage ausgeschaltet. Die Unterschiede sind sehr deutlich. Aber ich musste dann bei jedem Programmwechsel auch erst einmal ein passendes Reverb aus dem Epic suchen. Die eierlegende Wollmilchsau gibt es eben nicht so ohne weiteres.

Haupteinstellungen des Systems (SYSTEM)

Auf dieser Seite finden wir die Gesamtstimmung des Instruments und auch die Verwaltung der Samplelibrary wieder.

Bei der Installation werden die Pfade und Einstellungen für den Vintage schon korrekt vorgenommen. Einzig die Samplelibrary muss einmal geprüft werden und gegebenenfalls von Hand nachgebessert werden. Dazu benutzt man im Systemfenster die Pfade für die einzelnen Strukturen und den Referenz-Pfad für den Speicherzugriff. Ist dies erst einmal eingestellt, kann es auch schon losgehen mit den Sounds.

Interessantes Feature ist hier, dass der Vintage auch mit unterschiedlichen Samplelibraries arbeiten kann. Dazu benötigt man nur die Library ein einem eigenen Pfad und setzt dann diesen Pfad neu. Danach kann man seine neuen Sounds entwickeln und die passende Bank dazu speichern.

In der Systemseite finden wir auch die Möglichkeit eigene einzelne Samples in den Vintage zu importieren. Hier kann man bis zu 127 eigene Samples zuweisen und diese den Strukturen des Vintage zuordnen.

TubeOhm Vintage System Einstellungen

Das lässt auf Erweiterungen in Form von Soundpacks hoffen. Hier ist auch die Community gefordert, denn es gibt genügend kreative Menschen, die aus solch einem Synth Klänge herausholen können, auf die ein anderer nicht kommen würde. Ich persönlich würde es begrüßen, wenn sich hier eine Fangemeinde zum Vintage finden würde, die sich Gegenseitig hilft neue Sounds zu entwickeln und diese der Allgemeinheit zukommen lassen würde. Allerdings darf man dabei nicht vergessen, dass nur Samples benutzt werden dürfen, die frei von Rechten Dritter sind.

Fernsteuerung

Was wäre ein VST ohne Midi und Parameter ohne Controller. Im Vintage ist alles über Midi fernsteuerbar was man nur will. Durch verschiedene Implementationen für Zuweisungstechniken  kann sich jeder selbst die für ihn am besten geeignete Technik aussuchen.

Der gebräuchlichste Weg ist sicherlich, die Midi-Learn-Funktion auf dem Parameter anzuwenden, der im Betrieb häufig gebraucht wird. Dazu wird mit der rechten Maustaste ein Kontextmenü auf den zu steuernden Parameter aktiviert und Midi-Learn angeklickt. Dann betätigt man einfach einen entsprechenden Hardware-Controller am PC, der über Midi angeschlossen ist, oder ein anderes VST-Plug-In in der Host-Applikation und schon ist dieser Regler von anderen Instrumenten oder Controllern regelbar.

Als zweite Möglichkeit kann man die Parameter für die Fernsteuerung auch über ein vorhandenes Editorfenster bestimmen. Auch diesen Editor findet man im Kontextmenü auf jedem Regler. Der Unterschied zur ersten Variante liegt in der Vorgehensweise für die Zuweisungen.

Möchte man spezielle Midi-Controller-Daten an ausgesuchte Regler definieren, kann man dies auch ohne Hardware, oder andere Eingabemethoden tun. Dazu dient der Editor. Hier können dann z.B. vordefinierte Controller auf Cutoff, Resonanz und einige Fader der Hüllkurve, oder auch des Wave-Select im Sampleplayer gelegt werden. Der Editor liefert dafür die passenden Listen, die dann den Reglern zugewiesen werden können.

Noch verrückter wird es, wenn der Vintage sich selbst fernsteuert. So kann man z.B. zwei Hüllkurven miteinander koppeln, um diese synchron zu verändern. Der Vintage sendet selbst Controllerdaten sobald einer mit einem Midi-Controller programmierter Regler bewegt wird und diese Daten werden bei Midi-Learn auch wieder vom Vintage selbst erkannt (oder anderen VST-Instrumenten, die Midi-Learn unterstützen).

Wenn man es mal so betrachtet, kann alles mit allem moduliert werden. Wer da behauptet, die Modulationsmatrix sei zu klein, der kann sich ja mal eine Zeichnung von den Kombinationsmöglichkeiten anfertigen. Macht schon mal die Wand in der Wohnung frei…

Wer jetzt meint, dass die ganze „Zuweiserei“ viel Zeit kostet, hat Recht. Deshalb besteht im Vintage die Möglichkeit Templates zu speichern. Will man ein spezielles Template für die Steuerung der Regler über einen externen Controller festlegen, so kann dieses Template beispielsweise mit einem (auch leerem) Sound gespeichert werden. Wird dieser Sound wieder geladen, so gilt das Template für die gesamte Bank.

Umgekehrt heißt das, dass es immer nur ein Template pro Bank geben kann.

Ist auch gut so, denn wenn ich jetzt für jeden Sound einzeln die Controller umprogrammieren müsste, dann wäre ich mehr als verärgert und Frust hilft nicht bei Kreativität.

Aftertouch gibt es natürlich auch auf diese Weise für den Vintage. Dazu stellt man aus der Seite SYSTEM dann mal einfach „Hardware Midi-Learn“ ein, sucht sich seinen Regler aus und aktiviert bei gehaltener Note die Lernfunktion. Dann ein kleiner Druck auf die Tasten und das wars. Funktnioniert natürlich bei jedem erdenklichen Parameter des Vintage.

Free Assign

Passend zum Thema kommen wir dann auch schon auf die Regler von MAIN zu sprechen. Wenn man seine Lieblinge mit Midi-Learn gefüttert hat, dann hat man schon den ersten Schritt gelernt. Die Zuweisung ist dabei denkbar einfach, denn die rechte Maustaste ist dein Freund. Sobald ein Regler auf Midi-Learn steht, bewegt man auf der Hauptseite einen den Regler aus „Free Assign“ und schon liegt dieser Parameter auf der Frontseite.

Die Felder lassen sich dazu noch selbst beschriften. Dann kann man sich für seine Lieblingssounds gleich mal ein paar Makros auf die Hauptseite setzen. Selbstverständlich lassen sich auch mehrere Parameter gleichzeitig ändern. Man muss diese unterschiedlichen Parameter nur dem gleichen Controller zuweisen. Das gilt übrigens auch generell für alle Parameter die mit Midi-Learn ausgestattet sind: „Doppelbelegungen sind erlaubt.“

Automation des Joysticks – die Vektormodulation

Wie eingangs schon erwähnt, findet sich unter dem Joystick ein blaues Feld mit einem Animationspunkt. Dieser kann auch über jeden beliebigen anderen über Midi-Learn ferngesteuert werden. Aber es ist dafür schon der eigenen LFO des Vintage vorgesehen (LFO 2). Dieser LFO ist schon auf die Vektormodulation vorprogrammiert und braucht dort nur in der Stärke eingestellt werden. Da jede Struktur ihre eigenen 3 LFO besitzt, sind diese auch schon so vordefiniert, dass sie die korrekte Achse des Joysticks modulieren.

Der Joystick bestimmt durch seine Position auf der X- & Y-Achse die Lautstärke der Parts einer Struktur. Hier kann man dynamisch das Mischungsverhältnis aller Parts mit der Maus einstellen. Dabei sind die beiden Strukturen je einer Achse zugeordnet. Auf der X-Achse werden die Parts von Struktur 1 geregelt und auf der Y-Achse die beiden Parts aus Struktur 2.

Stellt man sich jetzt vor, wie mit dem LFO oder einem anderen Modulator die Positionen des Joysticks dynamisch verändert werden, dann bekommt man eine ungefähre Vorstellung davon, wie komplex der Klangverlauf des Vintage werden kann.

4 unterschiedliche Klangquellen, die zum Teil aus Oszillatoren, mit, oder ohne Ringmodulation und Samples (rhythmisch, oder statisch) über einen LFO die Anteile dynamisch in ihrem Mischungsverhältnis variieren bringen eine Lebendigkeit in den Klang, der sich über einen langen Zeitraum bei niedrigen Frequenzen für die LFO nicht wiederholt.

Flächen, die moduliert werden, in denen Loops auftauchen und wieder verschwinden. Klänge, die von weich nach hart wandern und wieder zurück. Alles ist mit diesem Synth möglich. Ok, wieder zurück zum Thema…

Wo wir gerade bei den LFO waren.

Die 3 von der Drehstelle – die LFO

Dem Vintage wurden 3 LFO spendiert und zwar für jede Struktur. Somit sind hier eigentlich 6 LFO permanent am Start und die durch ihre unterschiedlich definierten Ziele für einiges an Unruhe sorgen können.

Alle 3 LFO einer Struktur können die Pulsweiten der Wellenformen (PWM) und Cutoff des VCF (CUT) und die Verstärkung des VCA (VCA) modulieren und zwar getrennt für jeden der beiden Parts ihrer Struktur.

LFO 2 ist zudem (wie oben schon angedeutet) mit der Vektormodulation ausgestattet, während LFO1 den Pitch der Oszillatoren verändern darf. LFO 3 darf dann auch noch auf die LFO-Frequenzen der LFO 1&2 Einfluss nehmen.

Doch damit nicht genug. Allen LFO wurde noch ein Fade-In/Out spendiert der bestimmt, wie die Ein- bzw. Ausschwingphase der LFO auszusehen hat. Somit kann bestimmt werden, wann die LFO überhaupt erst anfangen dürfen zu wirken oder wie lange sie brauchen, bis ihr Einfluss wieder auf Null zurückgefahren ist.

Weitere Basisfunktionen für alle LFO sind die Auswahl der Wellenform, die Phase mit der die Wellenform beginnt, die Frequenz mit der ein LFO schwingt und die Synchronisationsart. Hier werden 2 Modi angeboten: Sync startet den LFO einmal auf der ersten gespielten Note und M-Sync startet den LFO jedes Mal auf einer gespielten Note.

Eine Besonderheit stellt Rand dar. Hiermit erzeugt der LFO bei jedem Start aufs Neue eine zufällige Wellenform die als Modulationsquelle herangezogen werden kann und das gibt ziemlich chaotische Verläufe.

Ich war gerade mal zufällig hier… MIDI RANDOM

Die Zufallsfunktion auf Main ist ja auch noch da. Zum Glück habe ich erst etwas über die Midi-Learn-Funktion geschrieben, denn diese bestimmt die Arbeitsweise der Funktion Midi Random.

Erst wenn Reglern auch Midi-Controller zugewiesen wurden, kann der Zufallsgenerator darauf überhaupt erst Einfluss nehmen. So wird nicht einfach das gesamte Instrument verbogen wenn man auf Start drückt, sondern nur die Parameter, deren Regler man über Midi-Learn definiert hat.

Dadurch ist man in der Lage, ganz selektiv auf die Gestaltung neuer Sounds durch den Zufallsgenerator zu arbeiten. Beispielsweise kann man die Parameter für die Hüllkurven in Zusammenhang mit der Auswahl der Samples definieren, um dann den Zufallsgenerator starten. Somit erhält man jedes Mal aufs Neue Sounds, die als Effekte dienen könnten.

Für Synth-Sounds kann man die Modifikationen an den Hüllkurven auch ganz weglassen und nur die Parameter der Oszillatoren verändern. Mit dem Zufall sind hier endlose Möglichkeiten offen und mit den Templates können auch für neue Klänge schon fertige Templates geladen werden, falls man diese sich im Laufe der Zeit einfach schon selbst angelegt hat.

Man sollte aber nicht vergessen, dass man es hier mit Zufall und nicht mit künstlicher Intelligenz zu tun hat. Es dürfte auch eine große Anzahl an Sounds dabei erzeugt werden, die man schnell wieder vergessen will.

Ich fänd es sehr interessant, wenn es schon fertige Templates geben würde die man selbst als Vorlage zur Erstellung neuer Sounds hernehmen kann. Dann würde man sich einfach eine leere Bank erstellen und in diese an letzter Position als sein Template einladen und immer wieder auf Start klicken. Unendliche Weiten…

Nachtrag. Es sollen in Kürze Templates auf der Webseite von TubeOhm verfügbar gemacht werden.

Dreh mal am Rad – die Modulationsräder

Nach diesen tiefen Einblicken in den Vintage kommen einem die beiden Modulationsräder neben dem Keyboard schon fast profan vor. Aber wir reden hier von TubeOhm und falls Modulationsreäder zu langweilig wurden, dann schläft man einfach mal eine Nacht darüber und denkt sich eben etwas Neues aus.

Die beiden Modulationsräder haben noch ein kleines Feature. Diese beiden Kollegen ihrer Zunft lassen sich gleich hier an Ort und Stelle konfigurieren. Dabei darf jedes der Räder entweder auf beide Strukturen, oder eine der beiden Strukturen wirken. Das Modulationsziel kann von Pitch auf VCF und Pitch+VCF geändert werden.

Das Modulationsrad MOD besitzt sogar einen eigenen LFO (vermutlich war der noch in einer Schublade übrig). Die Frequenz lässt sich auch direkt neben MOD einstellen.

Somit sind wir auch schon am Ende des Vintage angekommen…

Ach Mensch, da hätte ich doch glatt noch das Hauptfenster vergessen.

Alles im Blick – das Hauptfenster mit den Sonderfeatures

Die Anzeige im Hauptfenster kann über die Taster am Bildrand umgeschaltet werden. Hier verbergen sich noch ein paar nette Features, die einen erheblichen Einfluss auf den Klang haben. Vom üblichen Speichern und Laden einzelner Sounds und kompletter Bänke, liefert das Hauptfenster auch eine Funktion zum Kopieren von Sounds und die Seite für Splitpunkt und Arpeggiatoren. Ja richtig – Mehrzahl.

Widmen wir uns erst einmal dem Splitpunkt. Wenn man die Taste „k-split“ klickt wird das Display umgeschaltet und mittels eines kleinen Symbols direkt unter der virtuellen Tastatur der Splitpunkt eingestellt. Alternativ können wir die Pfeiltasten am Displayrand bemühen. Dort kann „k-split“ auch aktiviert werden.

Dazu ist noch eine weitere Bemerkung fällig. Jede Tastaturhälfte hat nach der Aktivierung ihre eigene Struktur pro Hälfte. Dies ist fest eingestellt und kann nicht vertauscht werden. Die linke Hälfte gehört dann Struktur 1 und die rechte Hälfte Struktur 2.

Dies könnte für einige Fälle aber notwendig sein, wenn der Hauptklang auf dem oberen Teil der Tastatur benötigt wird und sich beim Editieren herausstellt, dass man die falsche Struktur auf der richtigen Hälfte hat. Hier wäre es schön, wenn der Vintage die Strukturen auch frei zuweisen ließ. Nachträglich alle Parameter beider Strukturen vertauschen ist sehr mühsam und ich würde mir diese Arbeit nicht machen wollen.

Ich habe da vorhin etwas von Arpeggiatoren erzählt. Die finden wir auf der Seite im Display, wenn wir die Taste „arp“ klicken. Vintage hat 2 Arpeggiatoren, die beide unabhängig eingestellt werden können. Jede Struktur hat somit seinen eigenen Arpeggiator der sich mit verschiedenen Laufrichtungen und bis zu 4 Oktaven Umfang einstellen lässt. Im „k-split“ wird dann auch der Arpeggiator nur auf der Hälfte wiedergegeben, der für die Struktur zuständig ist.

Also z.B. links ein Arpeggiator für Bass, oder FX, während rechts eine Fläche spielt.

Das Tempo kann entweder der Host übernehmen, dann gibt es 4 Teilungsstufen, oder es wird die interne Uhr des Vintage genommen. Eingestellt wird die interne Uhr mit dem Regler „F“ und die Notendauer mit dem Regler „T“. Dabei gibt es auch für die Notendauer 2 Modi. Einmal „Fix“, dann wird die Dauer direkt über „T“ eingestellt und einmal „Live“, mit der die Dauer über ein LFO moduliert wird, dessen Sinus mit „T“ in der Frequenz verändert werden kann.

Die Überraschungen, die der Vintage an versteckten Features bietet sind schon beeindruckend. Selbst wenn man meint, jetzt hat man es endlich erfasst, kommt immer noch eine kleine Funktion daher, die das Instrument noch mal eben in eine andere Richtung drückt.

Bleibt noch das Display mit der Taste „Info“. Hier werden die beiden Strukturen und deren Nutzung angezeigt. So erkennt man sofort, ob eine Struktur mit Samples betrieben wird oder nicht. Generell wird der Name des Sounds auch im Display angezeigt und kann dort mit der Maus aktiviert werden, um ihn umzubenennen kann.

Die Umschaltung der Sounds selbst geschieht in 3 Varianten. Entweder nutzt man die Pfeiltasten im Display, die Pfeiltasten oben am Instrument mit dem Soundnamen, oder den Soundbrowser, der sich dann auftut, wenn man mit der Maus auf den Soundnamen oben am Vintage klickt. Dann bekommt man eine komplette Übersicht aller Sounds, die gerade geladen sind.

Fazit

Was für ein Monster! Anders kann man es nicht ausdrücken. Was in diesem Plug-In an Features und Ideen versteckt ist hebt sich schon von den üblichen Vertretern der VST-Gemeinde ab. Die beiden Strukturen mit ihren unabhängigen Parts, die als Oszillator mit Superwave plus zahlreichen Wellenformen und Ringoszillator oder Samples arbeiten dürfen. Dann die Modulationsmöglichkeiten und das ausgefeilte Effekt-Routing bis hin zu Verwaltung der Sounds in der sogar eigene Samples verwendet werden dürfen. Hier werden viele Bereiche abgedeckt, von denen man noch gar nicht wusste, dass man sie braucht. Unabhängige Arpeggiatoren, Hüllkurven die als Stepsequenzer genutzt werden, intelligente Zufallsfunktion für neue Sounds auf Basis von selbst definierbaren Templates. Was für eine Liste! Automation über frei definierbare Midi-Controller und selbst über eigene Regler und LFO des Vintage. Was will man mehr?

Sound! Das ist ja eigentlich das wichtigste an einem VST-Instrument und zu dem Sound kann ich nur sagen: „Von Teppich bis FX, von zart bis hart. Hier ist einfach alles vertreten.“ Der Sound des Vintage ist ohne Frage einer, der in die Kategorie Oberklasse gehört. Klingt der Vintage analog? Nun eigentlich nicht, aber er kommt schon verdammt gut ran an den Sound der alten Kisten und wenn es darum geht alle Register zu ziehen, kommen Sounds aus diesem VST-Plug-In, die den Namen Vintage redlich verdient haben. Wenn in Zukunft noch ein besseres Reverb verbaut wird und Splitzonen vertauscht werden können, dann ist der Vintage mit Sicherheit einer der VST-Plug-Ins auf dem Markt, die auch auf längere Zeit Eindrücke hinterlassen werden. Es wäre diesem Plug-In jedenfalls zu wünschen.

Wer es denn richtig Analog haben will, der muss sich eben einen Minimoog, Jupiter 8, Oberheim OB-X/8, oder Prophet 5 für ein paar Tausend Euro kaufen. Dann bekommt man auch den Geruch der alten Geräte gleich mitgeliefert. Wer sich hier aber in das TubeOhm-Universum vorwagen will, kommt dabei mit einem viel geringeren Preis von 70,- Euro (registrierte User: 60,- Euro) auf sein Kosten.

In diesem Sinne: macht mehr Musik!

P.S.: Es gibt da schon ein paar Videos vom Vintage.

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