Do it yourself: MIDI-Controller mit TouchOSC

Die Idee, einen Touchscreen als Steuerungsgerät im Musikstudio einzusetzen ist sicherlich nicht neu, und spätestens seit STAR TREK haben wohl viele von uns davon geträumt, so etwas selbst einmal unter die Hände zu bekommen. Zwar sind bereits seit einigen Jahren diverse Gerätschaften erhältlich, mit denen man seine Klangerzeuger und seine DAW fernzusteuern vermag (etwa der LEMUR, um nur einen zu nennen), doch allein die dafür verlangten Preise stehen meistens in einem argen Missverhältnis zum verfügbaren eigenen Budget, insbesondere bei Hobbymusikanten.
Dank Tablet-Computern à la iPad und seinen Nachahmungen aus dem ANDROID-Lager hat aber inzwischen ein Preisrutsch stattgefunden, so dass nun auch kein Kleinkredit mehr aufgenommen werden muss, um in den Genuss einer Touch-Steuerung seiner Musikelektronik zu gelangen, dazu noch einer drahtlosen. Sparfüchse können dafür mittlerweile auf ANDROID-Tablets mit Doppelkern-CPU zugreifen, die deutlich unter 100,- Euronen kosten, wer wirklich auf jeden Cent schauen muss, findet sogar Einfachstgeräte für gerade mal 60,- Steine.
Auch der Autor dieser Zeilen verfügt seit einiger Zeit über so ein Androiden-Frühstücksbrettchen mit 8“ Bildschirmdiagonale und einer Auflösung von 1024 x 768 Pixeln, was somit der Auflösung der ersten iPads entspricht.

Was nun die Verfügbarkeit passender Apps für das oben genannte Vorhaben angeht, wird die iOS-Plattform leider noch eindeutig besser unterstützt, hier kann man auch den bereits erwähnten LEMUR als App zu einem Bruchteil seines Hardware-Bruders erwerben, und noch viele weitere Anwendungen ermöglichen den Eigenbau von virtuellen Steuerungen. Für ANDROID-Geräte sieht die Welt hier noch recht klein aus, mir sind gerade mal 2 Apps in den Fokus gerückt, die geeignet erschienen. Bisher habe ich mir erst eine davon näher angeschaut und auch ausprobiert, nämlich die ursprünglich für iOS entwickelte und später auf ANDROID portierte Applikation TouchOSC (Link: www.hexler.net), die wie der Name schon andeutet, vorrangig zum Einsatz mit OSC (Open Sound Control) gedacht ist, jedoch auch herkömmliche MIDI-Befehle erzeugen kann. Da ich mich aber bisher wenig um OSC geschert habe und MIDI in der Musikwelt auch nach wie vor am verbreitetsten ist, geht es hier also lediglich darum, typische MIDI-Controller für diverse Plugins zu erstellen.

Vorweg sei gesagt, dass ein Touchscreen in punkto Haptik einem „richtigen“ Controller mit echten Potis, Knöpfen und Fadern auf jeden Fall unterlegen ist, hier fehlt einfach noch das taktile Feedback an die Finger!
Worin ein individuell gestalteter virtueller MIDI-Controller aber einem herkömmlichen Hardware-Gerät wiederum haushoch überlegen ist, liegt in der Tatsache begründet, dass Letztere ja stets über ein vom Hersteller festgelegtes Layout verfügen (beispielsweise häufig Bedienelemente in Achtergruppen etc.), welches in den wenigsten Fällen der GUI der damit zu steuernden Plugins entspricht. Zwar mag man sich mit selbst gebastelten Overlays behelfen können, aber auch das ist nicht unbedingt das Gelbe vom Ei und mit einem lästigen Wechseln verbunden, sofern man nicht einfach nur ein Plugin pro Controller verwendet.

Schlafzimmer!

Mit TouchOSC hingegen kann man sich seine eigenen Layouts erstellen und wird dabei eigentlich nur durch die Bildschirmvorgaben seines Tablets sowie natürlich durch die Möglichkeiten der App selbst begrenzt. Während die App auf dem iOS oder dem ANDROID-Gerät nur zum Aufruf und zur Benutzung solcher Layouts dient, ist zu deren Erstellung noch eine externe (kostenlose) Editor-Software von Nöten, welche unter einer JAVA-Laufzeitumgebung sowohl auf dem Mac als auch unter Windows läuft. Diese ähnelt prinzipiell (sehr) einfachen Desktop Publishing Programmen oder auch Wohnungsplanern. Man kann verschiedene Controller-Elemente aufrufen, diese (fast) frei skalieren und platzieren und ihnen OSC und/oder MIDI-Befehle zuweisen. Zudem lassen sich auch zusätzliche Elemente, beispielsweise Text-Labels, virtuelle LEDs und Batterieanzeigen einfügen. Bei der farblichen Gestaltung kann man leider nur auf die 9 vordefinierten Farben zurückgreifen. Einzelne Elemente lassen sich auch per Automatik zentrieren oder aneinander ausrichten, außerdem können sich die Elemente bei Bedarf auch überlagern. Leider gibt es aber keine Funktionen, um mehrere Elemente zu gruppieren oder vor Veränderungen zu schützen. Daher ist bei diesem Editor insgesamt allerlei Mausgeklicke von Nöten.

Damit die App auf dem Tablet auch eine Verbindung zum Rechner mit den zu steuernden Plugins herstellen kann, braucht es noch eine beim Entwickler ebenfalls kostenlos erhältliche Software namens TouchOSC BRIDGE, die ebenfalls für Mac und Windows verfügbar ist und dort auch als virtueller MIDI-Port erscheint.
Nun zu ein paar ersten Layouts, die ich für meinen persönlichen Bedarf erstellt habe, die Ihr aber, sofern Ihr wollt, natürlich gerne von meiner Internetzseite saugen und, falls erforderlich, modifizieren dürft.
Zu Beginn hatte ich mir gleich ein Plugin herausgesucht, dass nicht gerade mit der Anzahl verfügbarer Parametern geizt und daher auch eine Unmenge an Bedienelementen benötigt, nämlich den Stylus RMX von Spectrasonics. Für diesen hatte ich mir schon vor ein paar Jahren ein MIDI-Template für den BCR2000 erstellt, mit dem man im Multi-Mode zumindest die für mich wichtigsten Parameter von acht Loops/Slots/Parts auf verschiedenen MIDI-Kanälen steuern kann!

Esszimmer:

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Diese Belegung habe mit einigen Änderungen, die mir etwas ergonomischer erschienen, versucht auf ein TouchOSC-Layout zu übertragen und noch ein wenig zu erweitern. Aber auch wenn man hier Layouts mit mehreren Bildschirmseiten erstellen kann, die dann jeweils über Tabs am oberen Schirmrand erreichbar sind, so sollte man besser nicht der Versuchung erliegen, wirklich jeden steuerbaren Parameter abbilden zu wollen, denn dann verliert man schnell die Übersicht und bremst den Workflow unnötig aus.

Zudem sollte man sich auch der Tatsache bewusst sein, dass wenige Plugins wirklich komplett auf den Blick zur GUI und den Griff zur Maus verzichten können, sei es der Bedienung von Menüs oder dem Ablesen diverser Displays etc. Auch sind häufig nicht alle Funktionen eines Plugins fernsteuerbar, so auch beim Stylus RMX. Hier lassen sich etwa die Part-Auswahlknöpfe oder auch der Sound-Browser leider nicht via MIDI-Befehle kontrollieren, beides essenzielle Funktionen des Plugins, die weiterhin der Mausbedienung bedürfen.

Küche!

Bei meinem Layout habe ich noch eine zweite Seite hinzugefügt, die Zugriff auf einige der sogenannten CHAOS-Funktionen sowie auf den Filter-LFO bietet.
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Eine dritte Bildschirmseite ist schließlich dem POWER FILTER des Stylus RMX gewidmet.

Wohnzimmer!

 

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Auf allen drei Bildschirmseiten habe ich Lautstärke-Regler sowie MUTE-Schalter integriert, damit man nicht immer erst zur ersten Seite wechseln muss. Normalerweise laufen diese Regler-Elemente aber nicht synchron zueinander, wenn ich etwa das Volume auf der ersten Seite ändere, stimmen die angezeigten Reglerstellungen auf den anderen Seiten nicht mehr mit den tatsächlichen Werten überein und umgekehrt.

Es gibt aber einen Trick, der dieses Problem umgeht: Man routet die Signale von TouchOSC BRIDGE nicht nur zum MIDI-Track, auf dem das Plugin liegt, sondern auch zusätzlich zum MIDI-Out der DAW (und damit zurück zur App…). Fortan laufen alle Regler-Elemente, die mit demselben MIDI-CC belegt sind, brav in Reih und Glied.

Allerdings habe ich bei meinem Layout ein Problem bemerkt: Wenn ich oben beschriebenes Verfahren beim Stylus RMX durchgeführt habe, dann verhielten sich die Auswahlschalter für den Filtertyp auf der dritten Bildschirmseite plötzlich völlig unsinnig. Ich habe aber noch nicht ermittelt, woran dies wohl liegen könnte. Außerdem scheint noch der Schalter für den HOST-SYNC einfach nicht gehorchen zu wollen…

Alternativ habe ich auch noch ein Layout für den Stylus RMX kreiert, dass Fader statt Drehregler verwendet und daher weniger Platz benötigt, so dass alles auf zwei Bildschirmseiten passt.

Flure!

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Badezimmer!

Das zweite Plugin, für das ich ein Fernsteuerungs-Layout gebastelt habe, ist die von mir sehr geschätzte AudioRealism Bassline 2 (ABL2), ein virtueller TB-303-Klon. Dieser hat natürlich weitaus weniger Parameter, die es zu steuern gilt, so dass ich die einzelnen Elemente im Layout auch etwas großzügiger gestalten konnte, ohne dass es zu eng wird. Hierbei habe ich mich auch ein deutlich näher an der Anordnung der Bedienelemente beim Plugin orientiert. Es lässt sich alles steuern, was bei der ABL2 MIDIfiziert werden kann. Lediglich ein paar Elemente der ABL2-GUI lassen sich somit nicht fernsteuern, etwa der SWING-FAKTOR und einige Buttons. Auch gibt es beim Step-Sequencer in der App leider noch kein visuelles Feedback darüber, bei welchem Step man sich aktuell befindet.

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Wie man sieht, habe ich den Cuttoff-Regler gleich zweimal eingebaut, einmal als Rotary und einmal als Fader. Letzterer ist fürs einfachere Live-Spiel mit dem linken Daumen gedacht. Wenn man den oben beschriebenen Trick mit dem MIDI-Feedback verwendet, dann laufen beide Regler im Betrieb auch stets synchron.

Büro!

 

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Auf einer zweiten Seite habe ich auch noch eine Matrix untergebracht, die die MIDI-Noten 1 bis 128 ausgibt. Damit werden die internen Patterns der ABL2 ausgewählt (auf den Plätzen von 115 bis 127 befinden sich bei der ABL2 defaultmäßig nur Init-Sequencen, die man aber überschreiben kann). Wer sich über die seltsame Anordnung von unten nach oben wundern sollte, ich habe diese Matrix mittels eines sogenannten Multi-Toggles realisiert, der seine Werte unveränderlich in dieser Reihenfolge anbietet. Wer es gerne anders möchte, der darf sich vorher ausrechnen (oder auch mittels einer Grafik ermitteln), welcher Value dann welchem Platz in der Matrix entsprechen müsste… 😉

Heimstudio!

Zu guter Letzt habe ich mir auch noch mal den MONARK von NATIVE INSTRUMENTS vorgenommen, einem REAKTOR-Ensemble, das den MINIMOOG hervorragend emuliert.

Eigentlich wäre für eine Nachbildung des Frontpanels eher ein Widescreen-Tablet geeignet, sofern man nicht alle Regler winzig klein realisieren möchte. Daher habe ich mir mit einer leichten Modifikation des Original-Layouts beholfen.

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Weinkeller!

Oszillatoren, Mixer sowie Filter und Hüllkurven findet man auf der ersten Layoutseite, während das Tuning zusammen mit den Parametern der MONARK B-VIEW auf die zweite Seite verbannt wurden. Außerdem war hier auch noch etwas Platz für eine kleine Batterieanzeige.

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Geiselverschlag!

Damit man den MONARK auch aus der Ferne spielen kann, habe ich noch eine dritte Layoutseite hinzugefügt, welche ein Sechs-Oktaven-Keyboard sowie Pitch Bender, Mod-Fader, Note-Hold und Program Change-Fader beherbergt. Leider reagiert der MONARK nicht auf den Note-Hold-Befehl, der ARTURIA MINIMOOG V (und auch andere VSTs) hingegen sehr wohl. Diese Layoutseite lässt sich auch gut in andere Layouts hineinkopieren oder separat abspeichern.

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Wer ein wenig Hand anlegt, kann das MONARK-Layout auch relativ einfach an andere MINIMOOG-Emulationen anpassen.

Übrigens, leider bietet REAKTOR keine Möglichkeit an, erstellte MIDI-Mappings separat abzuspeichern, so dass ich Euch im Gegensatz zum Stylus RMX und zur ABL2 auch keine entsprechenden Dateien anbieten kann. Ihr müsst den MONARK also einmalig an das TouchOSC-Layout anlernen und anschließend das gesamte Ensemble abspeichern, am besten unter einem anderen Namen, wie etwa MonarkMIDI.

Und hier findet Ihr die oben aufgeführten Layouts für TouchOSC:

www.perrystaltic.de/stuff.html (einfach nach unten scrollen…)

Eine weitere Applikation namens DAWOSC, welche nur für ANDROID verfügbar ist und die keine 2,- Euronen kostest, konnte ich bisher noch nicht testen. DAWOSC scheint von den Möglichkeiten her sehr ähnlich zu sein, bietet aber eine ausgefeiltere Editor-Software und mehr Gestaltungsmöglichkeiten, ermöglicht das Einbinden eigener Bilder und auch die Verwendung der im Tablet integrierten Sensoren als MIDI-Controller.

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