Ein Testbericht von Perry Staltic,
veröffentlicht am 19.07.2022
Nachdem ARTURIA im Mai schon das virtuelle Instrumenten-Bundle V COLLECTION in die neunte Runde geschickt hatte, folgte nur rund einen Monat später auch noch die Neuauflage der FX COLLECTION, die nun die Versionsnummer 3 trägt. Noch immer wirbt ARTURIA nicht ganz unbescheiden damit, dass es sich dabei um „Audioeffekte, die du tatsächlich nutzen wirst“ handeln solle. Die Vorgängerversion hatte bereits ja unter Beweis gestellt, dass die Effekt-Plugins aus Grenoble sich wirklich nicht vor der Konkurrenz zu verstecken brauchen, schauen wir also mal, ob man bei ARTURIA jetzt ebenso weitermacht oder ob man sich gar auf den früheren Lorbeeren auszuruhen gedenkt.
Da die FX COLLECTION 3 lediglich um vier neue Plugins angewachsen ist, von denen wir eines, nämlich EFX FRAGMENTS, bereits vor einigen Monaten zum separaten Test hier hatten, wird sich der folgende Testbericht nur um die Details der verbleibenden drei Neuzugänge kümmern. Wer die älteren Plugins ebenfalls noch nicht kennt, den verweise ich an dieser Stelle auf unseren Testbericht zur FX COLLECTION 2.
Seilbahn zur Bastille...
Wie es heutzutage üblich und bei ARTURIA bereits seit einigen Jahren längst Standard ist, liegen alle Effekte des Bundles ausschließlich als 64-Bit-Plugins vor. ARTURIA gibt zwar an, dass als Betriebssysteme mindestens macOS 10.13 bzw. WINDOWS 8.1 vonnöten sind, doch bedeutet dieses lediglich, dass für ältere OS-Versionen einfach kein Support mehr stattfindet, sofern dort Probleme auftreten sollten. Zumindest für WINDOWS 7 kann ich aber bestätigen, dass die FX COLLECTION 3 damit nach wie vor funktioniert.
Getestet habe ich aufgrund meiner Rechner- und Softwareausstattung bloß die VST-Varianten (VST 2.4 und VST 3) unter WINDOWS 7 und WINDOWS 10, die weiteren verfügbaren Plugin-Formate (AAX und AU) habe ich hingegen wieder einmal ignoriert. Die FX COLLECTION 3 unterstützt auch NKS, ich verfüge jedoch über keinen kompatiblen Controller, um dies weiter zu begutachten.
Mit meinem Mitte des vergangenen Jahrzehnts zusammengebauten Studiorechner (CPU i7-4790K mit 4 x 4,0 GHz sowie 16 GB RAM) gaben sich die Plugins alle mehr als zufrieden und lasteten ihn nicht sonderlich aus. Performance-Störungen traten also nicht auf, solche hatte ich aufgrund meiner vergangenen Erfahrungen mit den ARTURIA-Effekten allerdings auch nicht erwartet.
Sofern man sich nicht die Installationsdateien für jedes Plugin separat von ARTURIAs Website zusammensuchen, herunterladen und ausführen möchte (was durchaus möglich und auch sinnvoll ist, falls der Host-Computer nicht am Internet hängt), kann man dazu auch das ARTURIA SOFTWARE CENTER (ASC) verwenden, benötigt dann jedoch eine aktive Online-Verbindung auf dem Zielrechner. Das ASC wird zur ja Aktivierung der FX COLLECTION 3 sowieso benötigt, diese kann aber auch offline geschehen. Auch eventuelle Updates lassen sich via ASC einspielen (wiederum natürlich via Internet). ARTURIA gestattet die Aktivierung einer erworbenen Lizenz auf bis zu fünf verschiedenen Rechnern, damit kann man gut leben.
ARTURIA hat die skalierbaren Bedienoberflächen in der FX COLLECTION 3 zum Zwecke eines verbesserten Workflows ein wenig überarbeitet. So findet sich jetzt bei allen Plugins in der oberen Symbolleiste auf der rechten Seite eine A/B-Funktion, mit der sich zwei unterschiedliche Sets an Parametereinstellungen anlegen und direkt miteinander vergleichen lassen. Zudem lassen sich sich die aktuellen Einstellungen von A nach B sowie umgekehrt kopieren.
In der unteren Symbolleiste befindet sich unter anderem die mehrstufige Undo-/Redo-Funktion, die sogar über eine Historie verfügt. Bei einigen, nicht jedoch bei allen Plugins gibt es dort auch die Möglichkeit das interne Oversampling einzustellen. Zu Verfügung stehen hier die beiden Qualitätsstufen STUDIO und RENDER, wobei Letztere die höhere Auflösung bietet, aber auch mehr CPU-Leistung in Anspruch nimmt. Bei einem Mixdown-Vorgang in der DAW verwenden die entsprechenden Plugins übrigens automatisch immer die höchstmögliche Qualität, die Auswahlmöglichkeiten bei OVERSAMPLING QUALITY betreffen also nur die Wiedergabequalität beim Vorhören.
Eine weitere praktische Eigenschaft der Bedienoberflächen ist die LOCK-Funktion bei den oftmals vohandenen MIX- oder DRY/WET-Reglern, die dafür sorgt, dass das jeweils eingestellte Mischungsverhältnis auch bei einem Preset-Wechsel erhalten bleibt.
Schon im Testbericht zur FX COLLECTION 2 hatte ich bemängelt, dass es im Gegensatz zur V COLLECTION nicht möglich ist, die Plugins direkt via MIDI zu steuern, obwohl ARTURIA auf der Produktwebseite das Gegenteil behauptet, ja sogar ausdrücklich damit wirbt, dass sich die Plugins ganz einfach mit beliebigen MIDI-Controllern verbinden lassen. Das ist nicht der Fall! Es gibt auch in der FX COLLECTION 3 keine MIDI-Learn-Funktion, wie sie etwa die Instrumenten-Plugins von ARTURIA vorweisen können. Hier hat sich also im Vergleich zur Vorgängerversion nichts geändert, es ist mir daher unverständlich, warum ARTURIA dieses nicht vorhandene Feature nach wie vor anpreist.
Wenn man die Plugins der FX COLLECTION 3 mittels MIDI-Controller bedienen möchte, ist man dabei also stets auf die Mitwirkung der DAW angewiesen. ACOUSTICA MIXCRAFT 9 beispielsweise verfügt über ein eigenes MIDI-Learn-System in jedem Plugin-Fenster. Diverse andere DAWs können ähnliche Funktionen zur Anbindung von Controllern vorweisen. Dennoch gibt es leider nach wie vor ein paar Software-Hersteller, die die es immer noch nicht gebacken kriegen, eingehende MIDI-Befehle nicht nur an Instrumenten-, sondern auch an Effekt-Plugins durchzureichen.
Interessanterweise lassen sich die Regler der FX-Plugins aber mit dem Mausrad bedienen, während ARTURIA dies bei seinen Instrumenten-Plugins nicht erlaubt, warum auch immer…
Auch den Preset-Browser hat ARTURIA optisch leicht überarbeitet, jedoch nicht so sehr, dass man sich von der Vorgängerversion kommend nun nicht mehr zurechtfinden würde. Im Gegenteil, ich musste anhand alter Screenshots schon ziemlich genau hinschauen, um die Unterschiede überhaupt zu bemerken.
Wie auch bisher schon, lässt sich die Auswahl der angezeigten Presets anhand der Attribute Types, Styles und Banks eingrenzen, zudem gibt es weitere Unterkategorien, aber auch Suchfunktionen und eine praktische Favoritenliste, in der man seine Lieblings-Presets horten und anschließend schnell wiederfinden kann.
Die seinerzeit mit der V COLLECTION 8 eingeführten und dann in der FX COLLECTION 2 ebenfalls übernommenen In-App-Tutorials gibt es natürlich auch in der in den Plugins der FX COLLECTION 3. Sie vermitteln einen Überblick über die Funktionen des jeweiligen Effekts und bieten darüber hinaus oftmals praktische Anwendungs-Hinweise. Sofern man des Englischen mächtig ist, erspart dies so manchen Blick ins Manual und das Anschauen dröger und langatmiger Youtube-Videos.
A propos Manuale, die PDF-Anleitungen, die ARTURIA auf seiner Website anbietet, lagen diesmal bereits bei der Einführung der FX COLLECTION 3 auch für die brandneuen Plugins schon in einer deutschen Übersetzung vor.
Die FX COLLECTION umfasst in ihrer dritten Auflage mittlerweile 26 einzelne Effekt-Plugins, nachfolgend eine Auflistung in alphabetischer Reihenfolge, bei der ich die Neuzugänge jeweils durch eine Formatierung in Fettschrift gekennzeichnet habe:
– BUS FORCE
– CHORUS JUN-6
– CHORUS DIMENSION-D
– COMP DIODE-609
– COMP FET-76
– COMP TUBE-STA
– COMP VCA-65
– DELAY BRIGADE (ehemals DELAY MEMORY BRIGADE)
– DELAY ETERNITY
– DELAY TAPE-201
– DIST OPAMP-21
– DIST TUBE-CULTURE
– EFX FRAGMENTS
– EQ SITRAL-295
– FILTER M12
– FILTER MINI
– FILTER SEM
– FLANGER BL-20
– PHASER BI-TRON
– PRE 1973
– PRE TRIDA
– PRE V76
– REV INTENSITY
– REV PLATE-140
– REV SPRING-636
– TAPE MELLO-FI
Doppelkorn…
Wie eingangs bereits erwähnt, haben wir dem zur FX COLLECTION 3 neu hinzugekommenen EFX FRAGMENTS schon vor einiger Zeit einen ausführlichen eigenen Testbericht gewidmet (siehe hier), darum sei es an dieser Stelle auch nur kurz angehandelt.
Wenn man die Screenshots des damaligen Testberichts mit dem oben stehenden vergleicht, wird wan feststellen, dass die Bedienoberfläche nur einer geringfügigen kosmetischen Veränderung unterzogen wurde, die hauptsächlich die Beschriftung der einzelnen Sektionen betrifft.
ARTURIA gibt auch an, dass auch der Workflow in Bezug auf das Ziehen von Bedienelementen mit der Maus optimiert worden sei, ich vermochte jedoch schon bei der ersten Version keine signifikaten Schwierigkeiten in dieser Hinsicht festzustellen
Darüber hinaus hat ARTURIA seinem Granular-Spezialisten auch gleich noch 60 zusätzliche Werks-Presets spendiert.
Ansonsten hat sich jedoch nichts Grundlegendes an EFX FRAGMENTS geändert, was angesichts der kurzen Zeitphase, die das Plugin erst auf dem Markt ist, auch nicht weiter verwundert.
Mir persönlich gefällt EFX FRAGMENTS nach wie vor sehr gut und es zählt zu meinen Favoriten in der FX COLLECTION 3.
Bandbreite…
Auch TAPE MELLO-FI ist zwar neu in der aktuellen FX COLLECTION, aber dennoch kein Unbekannter, hatte ARTURIA dieses Plugin doch bereits kurz vor Weihnachten 2021 eingeführt und dann in den Tagen bis zum Jahresende kostenlos angeboten. Viele dürften damit TAPE MELLO-FI also schon längst ihr Eigen nennen.
Es handelt sich dabei um eine Tape-Emulation, doch um keine herkömmliche. Denn während die zahlreichen Mitbewerber sich bei diesem Thema in der Regel an bekannten Tonbandmaschinen oder Kassettenrrekorder orientieren, geht ARTURIA einen völlig anderen Weg, indem hier der Klangcharakter des ebenfalls auf analoer Tonbandtechnik basierenden MELLOTRON nachgeahmt wird.
Das MELLOTRON stellte sozusagen der erste ROMpler dar und bot austauschbare Bandrahmen mit Aufnahmen diverser akustischer instrumente sowie Chorstimmen, die chromatisch über das eingebaute Keyboard gespielt werden konnten.
Als MELLOTRON V (https://www.buenasideas.de/test/musikproduktion/plugins/virtuelle-instrumente/testbericht-arturia-v-collection-7-sieben-auf-einen-streich/) hatte ARTURIA schon vor rund drei Jahren ein entsprechendes Instrumenten-Plugin vorgestellt, und TAPE MELLO-FI ist eine daraus ausgekoppelte Effekt-Version, die – wie der Name bereits andeutet – den damit behandelten Audiosignalen einen gewissen Lo-Fi-Charme aufprägen soll. Insofern existiert in der realen Welt auch kein gleichwertiges Hardware-Vorbild.
TAPE MELLO-FI ist recht übersichtlich ausgefallen (ein sogenanntes ADVANCED PANEL mit zusätzlichen Parametern ist hier nicht vorhanden) und daher ist der Umgang damit auch leicht zu verstehen.
Auf der linken Seite finden wir die Vorverstärker-Sektion (PREAMP). Diese beinhaltet die drei Parameter DRIVE, TONE und NOISE sowie ein virtuelles VU-Meter.
DRIVE regelt die emulierte Bandsättigung, ein zuschaltbarer Boost-Modus, gekennzeichnet durch ein kleines Explosions-Symbol, macht daraus einen Overdrive mit leicht aggressiven Tendenzen. Unter der Haube hat ARTURIA eine automatische Verstärkungskompensation hinzugefügt, die ein Clipping bei Verwendung von DRIVE verhindern soll.
Der TONE-Regler bietet eine einfache Klangregelung, die laut ARTURIA die Eigenschaften des MELLOTRON M400 emuliert und bei einer Drehung gegen den Uhrzeigersinn die hohen Frequenzen reduziert, um so den Charakter bereits benutzer Tonbänder nachzuahmen. Technisch wird dabei offenbar ein Bandpassfilter nach oben verschoben, bei gleichzeitiger Anhebung der Resonanz. Dieser Parameter lässt sich mittels eigenem Schalter auch komplett aus dem Signalweg nehmen.
NOISE bildet den typischen Rauschteppich nach, der analogen Tonbändern zu eigen ist und auf den wir damals ja eigentlich alle sehr gerne verzichtet hätten. Hier dient es dem Zwecke der Authentizität und unterstützt, wenn in Maßen eingesetzt, den gewünschten Lo-Fi-Charakter. Bei zu starkem Einsatz klingt das Ganze bisweilen eher nach Dauerregen. Der Regelbereich umfasst eine Spanne von -70dB bis 0dB.
Die TAPE-Sektion mit ihrer animierten Darstellung des Bandtransports über den Tonkopf besteht ebenfalls aus Parametern, die man seinerzeit vermutlich eher verflucht als herbeigesehnt hat.
FLUTTER simuliert schnelle Tonhöhenfluktuationen, die durch Gleichlaufschwankungen des elektrischen Transportmotor entstehen.
WOW hingegen steht hier weder für einen Ausruf der Bewunderung, noch für ein bekanntes Online-Rollenspiel, sondern für die langsamen Tonhöhenänderungen, die bei einem Tonbandgerät durch eine mechanische Abnutzung verschiedener Bauteile verursacht werden können. Wenn man es mit diesem Parameter übertreibt, erhält man einen stark eiernden Sound.
WEAR simuliert die Verschleiß des Tonbandes durch mechanischen Abrieb bei häufigen Kontakt mit dem Tonkopf. Das Ergebnis sind zufällige Tonhöhenschwankungen sowie zunehmende Verzerrungen.
MECHANICS ahmt das Geräusch nach, das durch das im MELLOTRON verbaute Schwungrad hervorgerufen wird. Es erinnert mich ein wenig an einen laufenden Filmprojektor. Ich vermute mal, dass ARTURIA an dieser Stelle ein entsprechendes Sample einsetzt. Auch bei diesem Parameter geht der Regelbereich von -70dB bis 0dB.
Zur Demonstration habe ich das Geräusch des Schwungrads inklusive Anlaufen und Abstoppen des virtuellen Motors einmal einzeln aufgenommen und die Lautstärke nachträglich normalisiert:
Klangbeispiel ARTURIA TAPE MELLO-FI – Motorgeräusch und Tape Stop
Das erwähnte Schwungrad findet sich auch als animierte Grafik in der TAPE STOP-Sektion wieder. Dort kann man es für spontane Live-Effekte sogar mit dem Mauszeiger festhalten und abbremsen, was in einem Abfall der Tonhöhe und einer Verlangsamung der Wiedergabe bis hin zum Stillstand resultiert. Wie lange das Abbremsen benötigt, legt man man mit dem STOP SPEED-Menü fest, es bietet sechs Stufen mit einer Länge von 1/4 Takt bis 8 Takten synchron zum Host-Tempo.
In der Fußleiste des Plugins lässt sich zudem einstellen, ob das Schwungrad sofort nach dem Loslassen oder erst mit einem gewissen Anlauf (der etwa der Hälfte der gewählten STOP SPEED-Einstellung entspricht) zur ursprünglichen Geschwindigkeit zurückkehrt.
Beim TAPE STOP-Effekt bietet es sich für einen exakten und synchronen Einsatz an, aus dem STOP SPEED-Menü einfach die gewünschte Dauer auszuwählen und dann den danebenliegenden TAPE STOP-Schalter an der passenden Stelle in der DAW zu automatisieren.
Auf der rechten Seite ist der Ausgangsbereich des Plugins. Neben einem Bypass-Schalter finden wir hier einen Lautstärkeregler, der von -70dB bis -10dB reicht sowie einen bipolaren Filterregler. In 12-Uhr-Position ist das Filter deaktiviert, bei einer Drehung nach rechts davon arbeitet es als Hochpass (bis 10 kHZ) und in der anderen Richtung als Tiefpass (bis 70 Hz), jeweils mit einer Flankensteilheit von 12dB pro Oktave. Noch schöner wären hier natürlich zwei getrennte Regler für beide Filtermodi gewesen, damit man sie gleichzeitig nutzen und somit auch Bandpassfilterungen vornehmen kann.
TAPE MELLO-FI macht auf einer Vielzahl von Signalquellen eine gute Figur und vermag dort durchaus zu überzeugen. Die klangliche Bandbreite reicht von einer virtuellen Alterung des Signals über interessante chorusartige Effekte bis hin zu einer deutlichen Degradation. Am besten gefällt mir persönlich dieser Effekt, wenn er mit nicht allzu übermäßigen Parametereinstellungen verwendet wird, aber manchmal ist mehr tatsächlich auch mehr… Der TAPE STOP-Effekt ist ebenfalls eine schöne Sache und klingt auf dem passenden Audiomaterial eingesetzt richtig gut.
Nachfolgend einige weitere Klangbeispiele. Den Anfang macht ein E-Piano, das einen Loop von vier Takten länge spielt. Der erste Durchlauf ist trocken, anschließend hört Ihr sieben verschiedene Bearbeitungen mit TAPE MELLO-FI, wobei das Klangbeispiel mit einem Tape Stop-Effekt endet.
Klangbeispiel ARTURIA TAPE MELLO-FI – E-Piano
Zum Kontrast habe ich TAPE MELLO-FI auch mal auf einem Drumloop eingesetzt, auch dieser startet wiederum zunächst mit einem trockenen Durchlauf, danach folgen sieben Variationen mit einem abschließenden Tape Stop:
Klangbeispiel ARTURIA TAPE MELLO-FI – Dumloop
Selbst auf einem kompletten Mix lässt sich das Plugin anwenden. Die ersten vier Takte sind unbearbeitet, dann folgen vier Takte mit leichtem Effekteinsatz und zum Abschluss gibt es wieder einen Tape Stop, diesmal über acht Takte lang:
Klangbeispiel ARTURIA TAPE MELLO-FI – Full Mix
Operationsverstärker…
Die tatsächlichen Neuzugänge, die vor Erscheinen der FX COLLECTION 3 noch nicht separat erhältlich waren, umfassen zwei Verzerrer-Plugins. Eines davon nennt sich DIST OPAMP-21 und ist die Emulation eines Effekt-Pedals aus dem Jahre 1989 namens SANSAMP CLASSIC von der Firma TECH 21, das seinerseits wiederum einen Röhrenverstärker emulierte und es Gitarristen ermöglichte, ohne den Umweg über einen solchen mit ihrem Eierschneider direkt ins Mischpult zu gehen. Ich vermute, dass hinter dem Namen ein Wortspiel steckt, denn „sans“ ist das französische Wort für „ohne“…
Dass ARTURIA mit seiner Emulation aber nicht nur die Gitarren-Fraktion ansprechen möchte, sieht man schon daran, dass hier verhältnismäßig viele Presets mitgeliefert werden, die eindeutig auf andere Instrumente zielen, etwa Drums, Bass oder Synthesizer.
Der DIST OPAMP-21 verfügt über ein Hauptbedienfenster (MAIN PANEL) und über eine erweiterte Ansicht (ADVANCED PANEL). Ersteres bietet die fünf virtuellen Drehregler DRIVE (regelt den grundlegenden Verzerrungsgrad), PRESENCE (Verzerrungsgrad im oberen Frequenzbereich), HIGH (ein Tiefpassfilter, um hohe Frequenzen zu beschneiden), OUTPUT (na, was wohl…?) sowie DRY/WET (für eine Parallelbearbeitung, existiert beim Vorbild nicht) inklusive LOCK-Schalter.
Direkt darunter finden wir vier MODE-Schalter, mit denen sich die Preamp-Emulationen auswählen lassen. Neben den drei beim Original vorhanden Modi NORMAL (MESA BOOGIE-Stil), LEAD (MARSHALL-Stil) und BASS (FENDER-Stil) hat ARTURIA noch einen vierten hinzugefügt (MODERN), der laut Manual am transparentesten arbeitet.
Die oben erwähnten, mit den Drehreglern einstellbaren Parameter interagieren sowohl mit den vier Modi als auch mit den acht unter diesen befindlichen CHARACTER-Schaltern. Letztere bieten verschiedene EQ- und Lautsprecher-Nachahmungen, die jeweils durch prägnante Symbole dargestellt werden. Von links nach rechts sind dies MID BOOST 1, MID BOOST 2, LOW DRIVE, CLEAN AMP, BRIGHT SWITCH, VINTAGE TUBES, SPEAKER EDGE sowie CLOSE MIKING.
Alle diese Charakteristiken lassen sich einzeln aktivieren, aber auch in beliebigen Kombinationen (sogar alle acht gleichzeitig). Im Manual meint ARTURIA dazu: „Wir überlassen es aber unseren treuesten Fans, die Gesamtzahl aller Tasterkombinationen zu berechnen.“ Dem schließe ich mich ohne jegliche Einwände an…
Rechts unten gibt es noch einen Bypass-Fußschalter (das Manual bezeichnet ihn tatsächlich so, allerdings vermochte ich ihn nicht durch Treten mit dem Fuß auf den Bildschirm zu betätigen…).
Das ADCANDED PANEL bietet noch einige Extras. Die linksseitige Sektion PRE-DRIVE stellt Hoch- und Tiefpassfilter für das Eingangssignal zur Verfügung. Beide arbeiten mit einer Flankensteilheit von 24dB pro Oktave.
Außerdem haben wir hier Zugriff auf die optionalen Bearbeitungsmöglichkeiten der Mitten- oder der Seiten-Signale. Der CURVE-Schalter aktiviert eine zusätzliche Pre-Emphasis-Kurve vor und eine De-Emphasis-Kurve nach dem Sättigungsmodul, um den Low-End-Bereich weniger zu verzerren und damit sauberer zu halten.
Rechts daneben befindet sich die POST-DRIVE-Sektion mit einem zusschaltbaren Equalizer inklusive Grafik-Display. Der EQ bietet drei Bänder, Hi Shelf für die Höhen und Low Shelf für die Bässe (auch bekannt als Kuhschwanzfilter) sowie ein Bell-Filter (Glockenfilter) für die Mitten.
DIST OPAMP-21 gehört übrigens zu den wenigen Plugins in der FX COLLECTION 3, die Zugriff auf die weiter oben beschriebenen Oversampling-Einstellungen bietet.
Im weiten Feld der Verzerrer-Plugins hat sich im Laufe der Jahre eine Menge getan. Konnten diese früher oftmals nicht ihre digitale Herkunft aus dem Reich der Weichware verleugnen, so finden wir heutzutage durchaus einige Vertreter, die nicht nur nach Rasierapparat klingen, sondern sehr wohl zu überzeugen wissen. Auch DIST OPAMP-21 darf sich erfreulicherweise in diese Riege einreihen.
Kommen wir damit zu den Klangbeispielen. Als eingefleischter Gitarrenleugner musste ich erstmal länger suchen, bis ich ein paar Klampfensamples fand, die sich vor langer Zeit doch mal irgendwie auf meine Festplatte verirrt hatten und die noch nicht bereits übermäßig mit Distortion-Effekten zugedröhnt waren.
Hier sind drei verschiedene, jeweils vier Takte lange Klangbeispiele, die alle mit einem trockenen Durchlauf beginnen, gefolgt von drei unterschiedlichen Bearbeitungen (die Gitarristen unter Euch mögen mir verzeihen, falls ich hier eventuell ungünstige Einstellungen verwendet haben sollte, ich bin nicht vom Fach…):
Klangbeispiel ARTURIA DIST OPAMP-21 – Guitar 1
Klangbeispiel ARTURIA DIST OPAMP-21 – Guitar 2
Klangbeispiel ARTURIA DIST OPAMP-21 – Guitar 3
Auch auf Techno-Drumloops macht sich DIST OPAMP-21 für meinen Geschmack recht gut, sofern man sich für die härteren Gangarten des Genres erwärmen kann. Nachfolgend zwei Viertakter, zunächst trocken, dann mit jeweils drei verschiedenen Presets aufgebrüht:
Klangbeispiel ARTURIA DIST OPAMP-21 – Drumloop 1
Klangbeispiel ARTURIA DIST OPAMP-21 – Drumloop 2
Schlappe Kickdrums lassen sich mit DIST OPAMP-21 ebenfalls gehörig aufbretzeln und fit für den nächsten Gabber-Track machen (die ersten vier Takte sind wieder trocken):
Klangbeispiel ARTURIA DIST OPAMP-21 – Kick
Und abschließend folgt mein bevorzugtes Einsatzgebiet für derartige Verzerrer-Plugins, eine Acid-Sequenz (hier aus der AudioRealism Bass Line 3 stammend). Die ersten sechzehn Takte sind dabei unbearbeit, die folgenden sechzehn Takte wurden mit dem DIST OPAMP-21 knusprig angebraten:
Klangbeispiel ARTURIA DIST OPAMP-21 – Acid-Bassline
Kulturgeier…
Mit dem DIST TUBE-CULTURE hat ARTURIA noch ein zweites Verzerrer-Plugin in sein Portfolio aufgenommen. Als Vorbild diente diesmal ein auf Röhren basierendes Rackgerät der britischen Firma Thermionic Culture, das nach wie vor erhältlich ist und auf den Namen ULTRA VULTURE hört. Dabei handelt es sich um die verbesserte Version des bekannten Vorgängers CULTURE VULTURE.
Auch DIST TUBE-CULTURE kann mit einem Hauptbedienfeld und mit einem erweiterten Bediuenfeld aufwarten. Das MAIN PANEL beherbergt vier Drehregler, mehrere Schalter und ein virtuelles Ampere-Meter.
Der Verzerrebereich auf der linken Seite umfasst die Parameter DRIVE, BIAS, FUNCTiON und PRESENCE. Mit DRIVE regelt man die Vorverstärkung der virtuellen Röhrenschaltung, während BIAS die Einstellung einer Vorspannungsstärke ermöglicht, die wiederum den Klang und die Stärke der Verzerrung beeinflusst.
Der Drehschalter FUNCTION bietet vier Röhren-Modi zur Auswahl, die sich durch unterschiedliche Obertonreihen und damit auch andere Klangcharaktere auszeichnen: T steht hier für Tiriode, P1, P2 und P3 hingegen stellen verschiedene Pentoden-Modelle dar.
Der PRESENCE-Schalter wurde von ARTURIA gegenüber dem Original erweitert. In der stellung AIR werden lediglich die hohen Frequenzen verstärkt, in der Stellung PRESENCE sowohl die mittleren als auch die hohen Frequenzen.
Das mittig platzierte Ampere-Meter dient der anzeige der Vorspannung, welche in die Röhre gleitet wird. Die Anzeige in Milliampere erfolgt durch eine virtuelle Nadel.
Rechts davon befindet sich der Ausgangsbereich mit Einstellmöglichkeiten für die Gesamtlautstärke und das Dry/Wet-Verhältnis sowie einem Ein/Aus-Schalter.
Schaltet man das ADVANCED PANEL hinzu, erhält man nicht nur Zugriff auf weitere Parameter, auch das analoge Meter weicht einem digitalen Display. Stereo-Balkendiagramme zeigen dann die Eingangs- und Ausgangpegel an und der BIAS-Wert wird nun alphanumerisch dargestellt.
Das erweiterte Bedienfeld selbst gliedert sich auf in eine INPUT- und eine OUTPUT-Sektion. Bei Ersterer besteht neben der normalen Stereobearbeitung auch die Möglichkeit, entweder nur das Mitten- oder nur das Seitensignal zu bearbeiten.
Hochpass- und Tiefpassfilter mit einer Flankensteilheit von jeweils 24 dB pro Oktave ermöglichen es, das Frequenzspektrum des Eingangssignal vor der Verzerrerstufe einzugrenzen. DYNAMICS bietet einen bipolaren Drehregler, der links von der 12-Uhr-Stellung als Expander/Gate arbeitet und rechts davon als Aufwärtskompressor.
In der OUTPUT-Sektion kann man das verzerrte Signal ebenfalls mittels zuschaltbarer Hochpass- und Tiefpassfilter nachbearbeiten, auch bei ihnen beträgt die Flankensteilheit 24 dB pro Oktave. Darüber hinaus gibt es hier einen zusätlichen TILT-Regler, mit dem sich Neigung der Filterkurve verändern lässt. Der Einsatzpunkt liegt bei 630 Hz und der Regelbereich geht von -12 dB bis +12 dB.
Übrigens, sobald man einen der Filterregler der INPUT- oder der OUTPUT-Sektion bewegt, schaltet das Display auf eine Analyzer-Ansicht um, die nicht nur das Frequenzspektrum anzeigt, sondern auch die beiden Filterkurven (INPUT in Gelb und OUTPUT in Orange) und gegebenenfalls auch die TILT-Einstellung. Wenn man hingegen einen der Drehregler des Hauptbedienfelds bewegt, springt das Display wieder auf die Pegelanzeige zurück. Man kann auch zwischen beiden Display-Ansichten wechseln, indem man einfach mit der Maus darauf klickt.
Klanglich hebt sich der DIST TUBE-CULTURE ziemlich vom DIST OPAMP-21 ab, wir haben es also nicht etwa mit dem selben Plugin in neuem Gewand zu tun. Während DIST OPAMP-21 recht hemmungslos zur Sache geht und sich daher vorrangig für die Fälle eignet, in denen die volle Packung gewünscht ist, erscheint mir DIST TUBE-CULTURE durchaus auch für eher subtile Anwendungen geeignet, beispielsweise zur Erhöhung der wahrgenommenen Lautheit oder zur besseren Durchsetzungsfähigkeit auch auf bassärmeren Lautsprechern. Dass wir uns nicht etwa falsch verstehen, natürlich kann man auch DIST OPAMP-21 nur subtil einsetzen und mit DIST TUBE-CULTURE die Bratröhre voll aufheizen, es geht hier lediglich um meinen grundlegenden Eindruck.
Was die Klangbeispiele angeht, habe ich hier genau dasselbe Ausgangsmaterial wie beim DIST OPAMP-21 verwendet. Einmal, um mir die Arbeit etwas zu vereinfachen, aber vor allem deshalb, damit Ihr eine bessere Vergleichmöglichkeit der beiden Plugins habt.
Den Anfang machen wieder die Gitarren. Wie gewohnt, sind die ersten vier Takte alle unbearbeitet, dann folgen drei Presets des DIST TUBE-CULTURE, wobei sich die ersten Bearbeitungen jeweils durch nur dezente Klangveränderungen, dafür jedoch durch einen deutlichen Lautheitsgewinn auszeichnen (der Peak ist bei allen Aufnahmen aber stets gleich eingepegelt!);
Klangbeispiel ARTURIA DIST TUBE-CULTURE – Guitar 1
Klangbeispiel ARTURIA DIST TUBE-CULTURE – Guitar 2
Klangbeispiel ARTURIA DIST TUBE-CULTURE – Guitar 3
Dasselbe Spielchen mit den beiden Drumloops…
Klangbeispiel ARTURIA DIST TUBE-CULTURE – Drumloop 1
Klangbeispiel ARTURIA DIST TUBE-CULTURE – Drumloop 2
…und mit der Kick, die hier zwar nicht so hardcore-tauglich wie beim DIST OPAMP-21 erscheint, dafür aber dem etwas magersüchtigen Originalklang ein ordentliches Maß an Kalorien verpasst:
Klangbeispiel ARTURIA DIST TUBE-CULTURE – Kick
Zu guter Letzt noch mal die Acid-Sequenz, wieder sind die ersten sechzehn Takte wieder trocken und die zweiten bearbeitet:
Klangbeispiel ARTURIA DIST TUBE-CULTURE – Acid-Bassline
Das Ergebnis klingt auch hier deutlich anders als mit dem DIST OPAMP-21, aber ich könnte jetzt auf Anhieb gar nicht entscheiden, welches Plugin mir auf der ABL3 nun besser gefällt, ich finde beide Versionen ganz brauchbar.
Fazit ARTURIA FX COLLECTION 3:
Um ehrlich zu sein: Mein erster Eindruck von der FX COLLECTION 3 war zum Erscheinungsdatum noch deutlich ambivalenter als schon bei der kurz zuvor erschienenen V COLLECTION 9. Letztendlich waren für mich ja lediglich die beiden Distortion-Plugins wirklich neu, und solche gibt es heutzutage zuhauf. Einmal mehr hatte ich zunächst den Gedanken, dass hier möglicherweise schnell noch etwas vor der Sommerpause rausgehauen werden sollte, vielleicht auch in der Befürchtung, dass angesichts durch die Decke gehender Lebenshaltungskosten bald abebbende Verkaufszahlen anstehen könnten, da vielen Kunden die Kohle zunehmend nicht mehr ganz so locker sitzt. Wer weiß…?
Was auch immer die Motivation bezüglich des Zeitpunkts der Veröffentlichung gewesen sein mag, inhaltlich hat die FX COLLECTION 3 zwar quantitativ nicht sonderlich zugelegt, qualitativ gibt es aber nach wie vor wenig zu bemäkeln. Auch die neuen Plugins sind durchweg gelungen. Meine Plus/Minus-Liste fällt somit nahezu identisch zum Test der Vorgängerversion aus. Leider betrifft dies aber auch den einzigen wahren Minuspunkt, den ich bereits bei der FX COLLECTION 2 zu beanstanden hatte, nämlich das Fehlen der vollmundig beworbenen MIDI-Learn-Funktion. @ARTURIA: Bitte nachliefern oder aber dieses Versprechen von der Webseite entfernen!
Mein persönlich Favorit unter den Neuzugängen ist übrigens EFX FRAGMENTS, das gefiel mir ja vorher schon ziemlich gut, aber auch mit den anderen drei Kandidaten vermochte ich mich während des Tests anzufreunden (TAPE MELLO-FI besaß ich zwar ebenfalls bereits, hatte mich aber bisher noch nicht wirklich eingehend damit befasst…). Mit DIST OPAMP-21 und DIST TUBE-CULTURE haben nun auch zwei Verzerrer ihren Einzug in das Ökosystem von ARTURIA gehalten, die sich hören lassen können, auch weit abseits der üblichen Rockmusik-Klischees.
Die FX COLLECTION 3 ist bei ARTURIA zum regulären Preis von 399,- Euro erhältlich und kostet damit genauso viel wie ihr Vorgänger. Durch die gestiegene Anzahl an Plugins kommen wir damit auf einen Preis von 15,- Euro nochwas pro Effekt. Bei einigen Onlinehändlern (etwa dem mit dem großen „T“ im Namen…) gibt es das Bundle bisweilen noch einmal deutlich günstiger. Wer bereits andere Produkte von ARTURIA besitzt, der sollte sich einmal in seinen Account einloggen und nachschauen, welches individuelle Rabattangebot er dort erhält.
Positives:
+ kleiner, aber feiner Zuwachs gegenüber der Vorgängerversion
+ guter Grundklang der einzelnen Effekte
+ große Bandbreite an verschiedenen Effekten
+ gelungener Mix aus retro und modern
+ zahlreiche Extra-Funktionen integriert
+ leicht erlernbare Bedienung
+ praktische In-App-Tutorials
+ Offline-Aktivierung möglich
+ CPU-freundlich
Negatives:
– noch immer keine direkte MIDI-Controller-Anbindung verfügbar
Produktwebseite:
https://www.arturia.com/products/software-effects/fx-collection/overview#de