Ein Testbericht von Perry Staltic,
veröffentlicht am 30.06.2022
Einmal mehr hat CHERRY AUDIO einem seiner bereits bestehenden Synthesizer einen Effekt entnommen und diesen anschließend in ein eigenständiges Plugin gegossen. Dieses Mal hat sich der DREAMSYNTH DS-1 als Spender zur Verfügung gestellt. Jener hat nämlich einen Hall-Algorithmus namens GALACTIC an Bord, der sich nun als unabhängiges GALACTIC REVERB anschickt, jedes beliebiges Audiosignal in weit entfernte Regionen des Weltall zu beamen. Wir hatten Gelegenheit, das Plugin bereits vorab zu begutachten und so können wir pünktlich am Tag der offiziellen Veröffentlichung auch schon einen kleinen Testbericht dazu abliefern.
Lokale Gruppe…
Die grundsätzlichen Eigenschaften aller CHERRY AUDIO-Plugins ähneln sich so sehr, dass ich mich in diesem Punkt eigentlich immer mehr oder minder bloß wiederhole bzw. paraphrasiere.
Das GALACTIC REVERB verlangt ein 64-Bit-System, sei es nun WINDOWS ab Version 7 oder macOS ab Version 10.9. Im Falle von macOS werden vom Plugin auch APPLE M1-Prozessoren nativ unterstützt.
Wer das GALACTIC REVERB ohne Host verwenden möchte, dem bietet CHERRY AUDIO sogar eine Standalone-Version an, ansonsten gibt es die üblichen Plugin-Formate, also VST2, VST3, AAX und AU. Getestet habe ich wieder einmal nur die VST-Varianten auf einem Rechner mit WINDOWS 10 und inzwischen längst nicht mehr taufrischer Hardware-Ausstattung (CPU i7-4790K mit 4 x 4,0 GHz, dazu 16 GB RAM).
Zur Authorisierung des erworbenen Plugins setzt CHERRY AUDIO auch beim GALACTIC REVERB wie immer auf ein serverbasiertes System, will sagen, ohne einen Internetzugang auf dem Host-Rechner kommt man nicht sonderlich weit, da eine alternativ nutzbare Offline-Aktivierung leider nicht angeboten wird. Die verlangten Zugangsdaten, also Email-Adresse und Passwort, sind identisch mit denen, die man auch für den zwingend anzulegenden Online-Account bei CHERRY AUDIO verwendet.
Doch nicht nur zum Freischalten des Plugins, sondern auch für seine vollständige Installation wird eine aktive Internetverbindung benötigt, da beim ersten Aufruf stets noch diverse Daten nachgeladen werden, selbst man man die aktuellste Installastionsdatei verwendet hat. Ist nun mal so.
Sofern man das Plugin nicht freischaltet, befindet es sich im Demo-Modus, in dem das GALACTIC REVERB nun sieben Tage lang getestet werden kann und dabei dann ab und zu ein Störsignal ertönen lässt.
Wie von CHERRY AUDIO gewohnt, ist die Bedienoberfläche des GALACTIC REVERB frei skalierbar. Es werden zwei sogenannte THEMES angeboten, die sich nur darin unterscheiden, dass bei einem das as Panel mit den Reglern und Anzeigen halbtransparent ist, so dass die schmucke Weltraumgrafik im Hintergrund durchscheint (sie oben), während sie beim anderen undurchsichtig ist (was meinen Augen subjektiv besser zusagt).
Mit lediglich elf virtuellen Drehreglern und drei emulierten LED-Anzeigen ist die Bedienoberfläche so übersichtlich, dass CHERRY AUDIO beim GALACTIC REVERB auch auf seine sonst übliche FOCUS-Funktion verzichtet hat, diese würde hier ja auch nur wenig Sinn ergeben.
Um die Bedienung zu erleichtern gibt es nicht nur eine praktische UNDO/REDO-Funktion, sondern auch die von CHERRY AUDIO schon bekannten, höchst komfortablen und umfangreich ausgestatteten MIDI-Learn-Optionen, mit der sich jeder verfügbare Parameter bequem an einen Hardware-Controller anlernen lässt.
Die maximalen Regelwerte können anschließend nach oben und nach unten begrenzt werden, und die normalerweise linearen Regelkurven lassen sich auch in Richtung einer logarithmischen oder einer exponentiellen Charaktersitik verbiegen. Alle getätigten Zuweisungen lassen sich global oder nur für das jeweilige Preset abspeichern, und zwar für jeden Parameter getrennt.
Bezüglich der MIDI-Steuerung gilt jedoch auch für das GALACTIC REVERB, dass alle noch so schönen Funktionen und Möglichkeiten nichts nutzen, wenn die DAW des Vertrauens den Spielverderber raushängen lässt und sich schlichtweg weigert, eingehende MIDI-Daten an Effekt-Plugins weiterzuleiten. Leider gibt es immer noch ein paar derartiger Kandidaten, wenngleich viele Hersteller ihre Hausaufgaben in diesem Punkt gemacht haben.
Das in drei Tabs aufgeteilte Settings-Menü dient der Vornahme globaler Einstellungen, zum Beispiel bezüglich der Bedienung, des Umgangs mit eventuellen Updates oder des Speicherorts der Presets. Auch die beiden oben erwähnten Themes lassen sich hier auswählen, und die persönlichen Zugangsdaten finden sich ebenfalls in diesem Menü.
Über den Preset-Browser des GALACTIC REVERB muss ich wohl auch keine vielen Worte mehr verlieren, er ist ja mittlerweile schon ein alter Bekannter. Presets sind in verschiedene Kategorien unterteilt, lassen sich über ihren Namen suchen oder in einer persönlichen Favoritenliste zusammenfassen. Durch die Pin-Funktion lässt sich das Browser-Fenster wahlweise geöffnet halten oder unmittelbar nach Auswahl eines Presets automatisch wieder schließen.
Im Gegensatz zum STARDUST 201 oder den Synthesizer-Plugins von CHERRY AUDIO, wartet das GALACTIC REVERB übrigens mit keinerlei Einstellmöglichkeiten für den Oversampling-Faktor auf.
Milchstraße…
Wie schon erwähnt, sind die Einstellmöglichkeiten des GALACTIC REVERB recht überschaubar, was die Bedienung recht schnörkellos gestaltet. Wer sich also gerne in den Untiefen von Parametergräbern verliert und jede Erstreflexion einzeln positionieren möchte, der ist hier eindeutig fehl am Platze. Dennoch finden wir natürlich einige relevante Optionen zur Anpassung des Klangbilds vor.
Der eigentliche Reverb-Effekt wird mit den beiden zentral angeordneten Reglern PREDELAY (die Vorverzögerung, also der zeitliche Abstand zwischen dem Originalsignal und dem Einsetzen der Schallreflexionen) und DECAY TIME (die Ausklangszeit, die die Halldauer bestimmt) angepasst. Beide Werte werden in Millisekunden eingestellt, dazugehörige Displays informieren über die genauen Zeiten. Während das PREDELAY von 0 bis 500 ms reicht, kann die DECAY TIME bis zu 35000 ms betragen.
Das ist schon ein enormer Wert, mit dem sich riesige Räume und ellenlange Hallfahren realisieren lassen, ich kenne allerdings auch einige Mitbewerber, die das noch locker zu toppen vermögen (das EARECKON EAREVERB 2 etwa schafft es bis auf sagenhafte 405 Sekunden und bietet sogar unendliche Hallfahnen!). Wir bewegen uns hiermit aber auch schon in Bereiche, die musikalisch eher selten benötigt werden, eventuell noch in Genres wie Ambient, Drone Music und dergleichen. Wer hingegen Soundgebilde für Filme oder Videospiele erschafft, wird einen solchen Spielraum sicherlich zu schätzen wissen.
Die virtuelle Raumgröße ist beim GALACTIV REVERB übrigens fest vorgegeben und lässt sich nicht verändern.
Der Parameter DAMP beeinflusst das Abklingverhalten der hohen Frequenzen, diese werden mit zunehmender Reglerstellung dann schneller abgedämpft, was einem natürlichen klingenderen Verlauf entspricht.
Die Sektion MODULATION auf der linken Seite besteht aus den beiden Reglern RATE (Modulationsgeschwindigkeit, reicht von 0,1 Hz bis 5 Hz) sowie DEPTH (Modulationstiefe) und wirkt mit periodischen Tonhöhenschwankungen, die bei extremeren Einstellungen sogar bis hin zu einem chorusartigen „Eiern“ reichen können, einem zu statischen Klangbild entgegen.
Auf der rechten Seite des Panels finden wir eine einfache Klangregelung mit zwei Bändern. Bässe und Höhen können hiermit jeweils um bis zu 15 dB angehoben oder abgesenkt werden.
Direkt über den Equalizer hat CHERRY AUDIO mit DUCKING eine recht interessante Option untergebracht, die insbesondere bei der menschlichen Stimme, also bei Sprache und Gesang, zum Tragen kommt. Wenn man dort nämlich mit langen Hallzeiten und/oder starken Effektintensitäten arbeiten möchte, dann leidet darunter nicht selten die Verständlichkeit, gesungene oder gesprochene Worte versinken bis zur Unverständlichkeit in einem Hallbrei. Aber auch für so manchen Effektklang erweist sich diese Funktion als ausgesprochen nützlich.
Mittels DUCKING, was einer Sidechain-Kompression entspricht, lässt sich der Pegel des Effektsignals automatisch reduzieren, solange das trockene Originalsignal (also etwa die besagte Stimme) ertönt. Erst wenn Letzteres ausgeklungen ist, wird das Reverb wieder auf seinen vollen Pegel erhöht. Der Parameter ATTENUATION bestimmt dabei die Stärke der Hallabsenkung, während mit RECOVERY TIME die Dauer bis zum Wiederanstieg geregelt wird.
Ganz rechts finden wir schließlich mit MIX eine Möglichkeit, das Mischungsverhältnis zwischen dem trockenen und dem verhallten Signal (bei Nutzung als Send-Effekt muss dieser Regler zu 100% aufgedreht werden) sowie den Gesamtausgangspegel einzustellen. Letzterer wird durch eine virtuelle Signalanzeige visualisiert.
An dieser Stelle fände ich eine Lock-Funktion für den MIX-Regler sehr praktisch, zumindest bei der Arbeit mit Presets, denn jedesmal, wenn man ein solches wechselt, ändert sich damit häufig auch das eingestellte Mischungsverhältnis, was Vergleiche unnötig erschwert, ebenso wie den oben beschriebenen Einsatz als Send-Effekt.
Ereignishorizont…
Trotz der relativ wenigen einstellbaren Parameter bietet das GALACTIC REVERB eine größere Bandbreite an Hallklängen, als man es zunächst vermuten könnte. Subtile Einstellungen mit kurzer Ausklingzeit wirken dabei noch relativ natürlich, je mehr wird uns jedoch in die Extrembereiche begeben, desto abgedrehter (in positivem Sinne!) und außerweltlicher klingen die Ergebnisse. So ist es zum Beispiel kein Problem, den Einflug eines Borg-Kubus in die Parkbucht mit dem GALACTIC REVERB angemessen zu verhallen.
Nachfolgend habe ich das GALACTIC REVERB mal auf verschiedenen Signalquellen ausprobiert. Drumsounds habe ich dabei einmal bewusst ausgelassen. CHERRY AUDIO liefert zwar auch ein spezielles Snare-Preset mit, aber letztendlich liegen die Stärken des Plugins in anderen Anwendungsgebieten.
Den Anfang macht ein Piano. Hier kann ich endlich einmal die Früchte meines 18 Semester langen Klavierstudiums an der Kunsthochschule präsentieren. Der erste Durchlauf ist trocken, danach folgen fünf Beispiele mit unterschiedlichen Effekteinstellungen. Auch die Auswirkung der Modulationssektion wird dabei gut hörbar (das Piano klingt dann eher nach einem Honky-Tonk aus der Twilight Zone…), und im letzten Beispiel habe ich die Halldauer auf das Maximum von 35 Sekunden gestellt und die Hallfahne bis zu ihrem Ende ausklingen lassen.
Klangbeispiel CHERRY AUDIO GALACTIC REVERB – Piano
Beim nächsten Klangbeispiel habe ich einen synthetischen Stringsound verwendet, der ein paar Akkorde spielt. Auch hierbei ist wieder der erste Durchlauf unbearbeitet, anschließend gibt es fünf verschiedene Effekteinstellungen, von denen der letzte mit voller Länge ausklingt.
Klangbeispiel CHERRY AUDIO GALACTIC REVERB – Strings
Für das folgende Beispiel wollte ich für Euch eigentlich eine fröhliche Weise aus der „Zauberflöte“ anstimmen, doch musste ich diesen Plan leider aufgeben, nachdem ich mich an einem chinesischen Essstäbchen verschluckt und mir dadurch eine leichte Heiserkeit zugezogen hatte, tut mir Leid. Stattdessen muss halt wieder unser altes BuenasIdeas-Sprachsamples aus der Retorte herhalten. Der erste Durchlauf ist trocken, der letzte hingegen macht ausgiebigen Gebrauch von der Ducking-Funktion:
Klangbeispiel CHERRY AUDIO GALACTIC REVERB – Vox
Und zum Abschluss habe ich das GALACTIC REVERB auch noch mal auf einem Drone-Sound angewendet, der von einem Didgeridoo stammt. Der Klang beginnt zunächst trocken, via Automation wird dann aber das Mischungsverhältnis über mehrere Takte hinweg auf 100% Effektsanteil geregelt, am Schluss klingt das Reverb wieder vollständig aus.
Klangbeispiel CHERRY AUDIO GALACTIC REVERB – Drone
Ich persönlich würde das GALACTIC REVERB wohl am ehesten für das letztgenannte Anwendungsgebiet sowie zur extremen Verhallung von Effektklängen und Klangkollagen einsetzen.
Fazit Cherry Audio GALACTIC REVERB:
Das GALACTIC REVERB ist sichlich kein Brot-und-Butter-Hall für jegliche Anwendungszwecke, vielmehr ein Spezialist, der vor allem bei seeehhhr langen Hallfahnen zu punkten weiß. Und die integrierte Ducking-Funktion hilft dabei, dass keine unerwünschte Hallsuppe entsteht, wo es nicht gewollt ist.
Zumindest in Teilbereichen erinnert mich das GALACTIC REVERB ein wenig an das EVENTIDE BLACKHOLE, aber es gibt hier dennoch hinreichend Unterschiede zwischen diesen beiden Plugins.
Die Parametrisierung fällt beim GALACTIC REVERB zwar nicht sonderlich umfangreich aus, aber das ist bei einigen anderen sehr beliebten Reverbs ebenfalls so, zudem kommen so auch weniger erfahrene Anwender schnell zum Ziel, ohne das Wesentliche aus den Augen (und den Ohren) zu verlieren.
Das GALACTIC REVERB wird bei CHERRY AUDIO sowie bei diversen Online-Händlern zum Einführungspreis von 19,- US-Dollar (derzeit etwa 18,00 Euro) angeboten, der reguläre Verkaufspreis, so er denn jemals fällig wird, soll 29,- USD betragen (rund 27,- Euro).
Positives:
+ guter Grundklang
+ Ducking-Funktion
+ leicht erlernbare Bedienung
+ umfangreiche MIDI-Learn-Sektion
+ CPU-freundlich (bei einfachem Oversampling)
+ günstiger Verkaufspreis
Negatives:
– keine Offline-Aktivierung bzw. -Installation möglich
– keine Lock-Funktion für den Mix-Regler