Ein Testbericht von Perry Staltic,
veröffentlicht am 21.06.2023
Woran merkt man, dass schon wieder ein Jahr ins Land gezogen ist? Genau, es gibt eine neue Version der FX COLLECTION von ARTURIA. Das Bundle ist inzwischen in die vierte Runde gegangen und passend zur Versionsnummer ist es auch um vier neue Plugins angewachsen. Drei davon wurden bereits in den vergangenen Monaten einzeln veröffentlicht, darunter auch die längst von uns getesteten DIST COLDFIRE und REV LX-24. Der Rest folgt nun.
Zu Einstimmung und zur Vermeidung von Redundanz verweise ich an dieser Stelle einmal mehr auch auf unsere Testberichte zu den Vorgängerversionen FX COLLECTION 2 sowie FX COLLECTION 3.
Grundannahme…
In puncto Darreichungsform hat sich bei der ARTURIA COLLECTION 4 nicht sonderlich viel geändert. Alle Plugins des Bundles sind 64-Bit-Versionen und liegen in den Formaten VST, VST3, AAX und AU vor. Letzteres gibt es natürlich nur für macOS, bei dem eine Version ab 10.13 benötigt wird, APPLE SILICON-Prozessoren sind dabei ebenfalls mit im Boot.
Bei WINDOWS hingegen verlangt ARTURIA inzwischen mindestens Version 10, frühere Generationen wie WINDOWS 7 sollten aber eigentlich ebenfalls noch funktionieren, zumindest war das bei den früheren Ausgaben der FX COLLECTION der Fall, nur eventuelle Support-Anfragen kann man sich dann schenken.
Wer über einen entsprechenden Controller verfügt, der wird sich über NKS-Kompatibilität der FX COLLECTION 4 freuen.
In diesem Test habe ich – wie immer – nur den VST-Varianten Beachtung geschenkt. Mein Testrechner besteht aus einem mittlerweile schon betagten i7-4790K mit 4 x 4,0 GHz sowie 16 GB RAM, darauf läuft WINDOWS 10. Ressourcentechnisch stellte die FX COLLECTION 4 dieses System vor keinerlei Herausforderung.
Den zentralen Sammelpunkt für alle Software-Produkte von ARTURIA stellt das ASC (ARTURIA SOFTWARE CENTER) dar, eine separat zu installierende Anwendung, die Download-, Installations- und Update-Manager sowie Kopierschutz in einem ist. Wer seine Plugins auf diesem Wege herunterladen und installieren möchte, dessen Host-Rechner muss logischerweise mit dem Internet verbunden sein. Bei wem dies nicht der Fall ist, der kann sich die Installationsdateien auch von der ARTURIA-Website besorgen und die Plugins später offline über das ASC aktivieren. Die FX COLLECTION 4 lässt sich auf insgesamt fünf Rechnern gleichzeitig aktivieren und nutzen.
Die Bedienoberflächen der Plugins sind nun allesamt in vielen Stufen von 50 Prozent bis 200 Prozent skalierbar. Die Größenänderung lässt sich wahlweise via Menü oder über einen Klick auf das kleine schraffierte Dreieck rechts unten und anschließendes Ziehen mit der Maus vornehmen.
Weitere Gemeinsamkeiten bezüglich des GUI stellt die obere Symbolleiste dar, die unter anderem Zugriff auf den Preset-Browser, den oftmals vorhandenen Schalter zur Aktivierung des ADVANCED PANEL sowie die praktischen A/B-Funktionen bietet. Letztere erlaubt es, zwei völlig verschiedene Parametereinstellungen des Plugins miteinander zu vergleichen und gegebenenfalls von A nach B oder von B nach A zu kopieren.
Eine untere Symbolleiste existiert ebenfalls. Einige der darin enthaltenen Funktionen finden sich bei jedem Plugin der FX COLLECTION 4 wieder, etwa ein mehrstufiges Undo und Redo, ein Bypass-Schalter und eine Anzeige des aktuellen Ressourcenverbrauchs in Prozent. Andere Funktion sind plugin-spezifisch, wie beispielsweise ein Menü zur Auswahl der Oversampling-Qualität bei der Wiedergabe (beim Rendern eines Tracks in der DAW wird automatisch immer die höchste Qualität verwendet). Aktuell wurden nun auch BUS FORCE und REV SPRING-636 damit ausgestattet.
Zu einem wahren Dauerbrenner hat sich mein Kritikpunkt bezüglich der auf den Produktwebseiten beworbenen Funktion, dass sich jeder Parameter in jedem Plugin der FX COLLECTION sofort dem favorisierten MIDI-Controller zuordnen lässt. Diese Aussage impliziert, dass ARTURIA’s FX-Plugins zu diesem Zwecke so wie die Instrumenten-Plugins auch über eine interne MIDI-Learn-Funktion verfügen. Dem ist aber nicht so. Die Effekte können allenfalls über die entsprechenden Anbindungsmöglichkeiten der DAW, sofern diese welche mitbringt, via MIDI gesteuert werden. Dies ist jedoch keine Leistung von ARTURIA, die man gesondert anpreisen müsste…
Im Gegensatz zu ARTURIA’s Instrumenten-Plugins können die Regler der FX-Plugins aber durch das Scroll Wheel der Maus oder des Trackballs gesteuert werden.
Auf der Produktwebseite zur FX COLLECTION 4 erwähnt ARTURIA noch eine Text-to-speech-Funktion. Damit sollen sehbehinderte Nutzer bei Verwendung bestimmter hauseigener Hardware-Controller über die betriebssysteminterne Sprachausgabe ein verbales Feedback bezüglich der aktuellen Reglerwerte erhalten. Auf der Webseite und in den Manuals der Plugins konnte ich dazu jedoch keine weiteren Erklärungen finden.
Der Preset-Browser kommt im typischen ARTURIA-Stil daher und bietet zahlreiche Funktionen, wie etwa die Filterung nach verschiedenen Attributen, die Suche mittels Namen und Stichworten sowie eine Favoritenliste, in welcher die persönlichen Lieblinge unter den Presets Aufnahme finden.
Bereits seit der FX COLLECTION 2 verfügen die Plugins über sogenannte In-App-Tutorials. Das sind kleine textbasierte (nur auf Englisch) und grafisch unterstützte Einführungen in die Funktionsbereiche der einzelnen Plugins, untermauert von dem einen oder anderen praktischen Tipp, nach meinem persönlichen Empfinden allemal besser als irgendwelche Videos, die vor lauter Geschwafel nicht zum Punkt kommen.
Außer zum brandneuen ROTARY CLS-222 sind für alle Plugins der FX COLLECTION 4 unter anderem auch deutsche Übersetzungen der PDF-Manuale verfügbar.
Auflistung aller Effekte in de ARTURIA FX COLLECTION 4
Die FX COLLECTION kann nun mit insgesamt 30 einzelnen Effekt-Plugins aufwarten, der Vollständigkeit halber seien sie hier in alphabetischer Reihenfolge aufgleistet, wobei ich die in neu dazugekommenen Plugins in Fettschrift markiert habe:
- – BUS FORCE
- – CHORUS JUN-6
- – CHORUS DIMENSION-D
- – COMP DIODE-609
- – COMP FET-76
- – COMP TUBE-STA
- – COMP VCA-65
- – DELAY BRIGADE (ehemals DELAY MEMORY BRIGADE)
- – DELAY ETERNITY
- – DELAY TAPE-201
- – DIST COLDFIRE
- – DIST OPAMP-21
- – DIST TUBE-CULTURE
- – EFX FRAGMENTS– EQ SITRAL-295
- – FILTER M12
- – FILTER MINI
- – FILTER MS-20
- – FILTER SEM
- – FLANGER BL-20
- – PHASER BI-TRON
- – PRE 1973
- – PRE TRIDA
- – PRE V76
- – REV INTENSITY
- – REV LX-24
- – REV PLATE-140
- – REV SPRING-636
- – ROTARY CLS-222
- – TAPE MELLO-FI
Renovierung…
Mit Erscheinen der ARTURIA FX COLLECTION 4 haben auch einige der älteren Plugins Funktions-Updates erfahren. Die bei BUS FORCE und REV SPRING-636 hinzugekommenen Einstellmöglichkeiten für die Oversampling-Qualität habe ich schon erwähnt, ebenso wie die manuellen Skalierungsmöglichkeiten bei allen Plugins.
Beim erst wenige Monate alten REV LX-24 hat man das GUI in der Hardware-Ansicht links und rechts beschnitten, die hier vorher lediglich der Dekoration dienenden Abbildungen von Utensilien aus den 1980ern sind zugunsten einer platzsparenderen Bedienoberfläche gewichen.
EFX FRAGMENTS hat laut ARTURIA neben 40 neuen Presets auch eine Überarbeitung der Modulations-Sektion erhalten, die den Workflow verbessern soll. Da ich die neue Version einfach via Update über den Vorgänger drübergebügelt hatte, konnte ich keinen Direktvergleich anstellen, lediglich anhand älterer Screenshots sind marginale Veränderungen zu erkennen.
Alle diese Update sind – auch wenn ARTURIA sie mit der Einführung der FX COLLECTION 4 in Verbindung bringt – natürlich für Besitzer der entsprechenden Einzelversionen oder der FX COLLECTION 2 und 3 ebenfalls verfügbar.
Da die einzigen Plugins in der FX COLLECTION 4, die wir bisher noch keinem Test unterzogen hatten, FILTER MS-20 und ROTARY CLS-222 sind, wenden uns diesen beiden nun mal etwas genauer zu.
Rotzbengel…
Bei FILTER MS-20 handelt es sich um die ausgekoppelte Filtersektion des hauseigenen KORG MS-20 V, ergänzt um einige zusätzliche Funktionen. Dieses Plugin war vor rund einem halben Jahr eine kurze Zeit lang kostenlos erhältlich, so wie auch schon ein paar der anderen Effekte in den Jahren zuvor.
Die eigentliche Filterabteilung besteht, wie beim MS-20, aus je einem Hochpass- und einem Tiefpassfilter. Jedes erlaubt eine separate Einstellung von Grenzfrequenz (jeweils von 20 Hz bis 20 kHz) und Resonanz (hier in korgscher Nomenklatur PEAK genannt). Emuliert wird hier übrigens das sogenannte OTA-Filter der späteren MS-20-Baureihen, das sich gegenüber dem früheren KORG 35-Filter durch einen etwas rauschärmeren und weicheren Klang auszeichnet.
Darüber hinaus hat ARTURIA noch einen Regler für einen Stereoversatz der zwei Filter beigesteuert, den man beim Original vergeblich sucht, ebenso wie den Regler namens MASTER CUTOFF, mit dem die Grenzfrequenz für beide Filter gemeinsam geregelt werden kann. Sein genauer Einsatzpunkt und sein Regelbereich wird hierbei für jedes Filter getrennt durch dessen individuellen Cutoff-Regler festgelegt.
Da die Resonanz der Filter bis in die Selbstoszillation hinein reicht, was dann bisweilen in einer recht hohen Ausgangslautstärke resultieren kann, hat ARTURIA eine über die untere Symbolleiste erreichbare Limiter-Stufe integriert, welche die Resonanz auf einen Maximalwert beschränkt, der in etwa der Reglerstellung „6“ entspricht. Vor einer Deaktivierung dieses Limiters muss man noch oben abgebildete Warnmeldung abnicken.
Direkt neben dem Limit er findet man auch noch eine Umschaltmöglichkeit für den Filtermodus zwischen CLEAN und DIRTY. Ersterer senkt den Eingangspegel des Filters ab und erhöht den Ausgangspegel um den gleichen Wert, während es bei Letzterem zum Zwecke einer Übersteuerung genau umgekehrt ist.
FILTER MS-20 besteht aber nicht nur aus besagter Filterabteilung, sondern hat zusätzlich noch eine Distortion-Sektion spendiert bekommen, die sich vom externen Signalprozessor des MS-20 inspiriert zeigt. Neben dem prominent platzierten DRIVE-Regler gibt es hier jeweils ein zusätzliches Hochpass- (= LOW CUT) und ein Tiefpassfilter (= HIGH CUT) sowie einen DRY/WET-Regler für das Mischungsverhältnis und einen weiteren Regler für den Ausgangspegel.
Zwischen dem Filter- und dem Distortion-Bereich befindet sich ein kleiner SWAP-Schalter, mit dem das Routing verändert werden kann, was sich dann auch in der Anordnung dieser beiden Sektionen auf der Bedienoberfläche widerspiegelt. So kann das eingehende Audiosignal also zunächst die Filtersektion und dann die Distortion durchlaufen oder eben umgekehrt.
Komplettiert wird das Panel noch durch eine Ausgangssektion. MIX stellt einen globalen Dry/Wet-Regler dar, MOVEMENT legt die Intensität fest, mit der die gleich noch zu besprechenden Modulatoren auf das Signal einwirken und FX LEVEL regelt den Ausgangspegel des Distortion-Bereichs in Relation zu dem des Filters. Der ganz oben, sozusagen auf der virtuellen Rückseite des Plugins, befindliche rote (ON/OFF-)Schalter stellt übrigens einen zusätzlichen Bypass-Schalter dar.
Ein Klick auf die ADVANCED-Schaltfläche rechts oben öffnet das gleichnamige Panel, in dem besagte Modulatoren untergebracht und via Tabs erreichbar sind. Da wäre zunächst der Hüllkurvenverfolger (ENVELOPE FOLLOWER), der sein Steuersignal anhand der Verlaufskurve des eingehenden Audiosignals generiert. Er kann dabei entweder auf den Haupteingang oder auf einen zusätzliche Sidechain-Eingang reagieren.
Neben der Eingangsempfindlichkeit (SENSIVITY) lässt sich ein wahlweise frei laufendes oder zum Host-Tempo synchronisiertes Delay sowie Anstieg (RISE) und Abfall (FALL) einstellen, wobei die beiden Letztgenannten den Attack- und Release-Parametern eines Kompressors gleichen.
Im nächsten Tab befindet sich ein Step-Sequencer, der eine schrittweise Modulation erlaubt. Es lassen sich Sequenzen mit bis zu sechzehn Schritten definieren, die auch mithilfe diverser Zeichenwerkzeuge erstellt werden können. Wertebereiche können dabei entweder nur positiv oder auch bipolar ausfallen.
Die Geschwindigkeit kann frei in Hertz oder in verschiedenen Synchronisationswerten eingestellt werden und auch verschiedene Abspielreihenfolgen stehen zur Verfügung. Zu guter Letzt hat man noch Zugriff auf die drei Funktionen SWING, RANDOM (Zufallsvariation) und SMOOTH (Werteglättung zur Vermeidung von Parametersprüngen).
Im dritten und letzten Tab finden wir einen Funktionsgenerator. Dieser für ARTURIA typische Modulator stellt ein Hybride aus Hüllkurve und LFO dar. Die Möglichkeiten der Geschwindigkeitsregelung sind identisch zu denen des Step-Sequencers, ebenso kann wieder eine unipolare oder bipolare Werteeingabe erfolgen.
Der Verlauf der Modulation wird über sogenannte Haltepunkte bestimmt, von denen bis zu 34 pro Funktion zum Einsatz kommen können, Start- und Endpunkt inbegriffen. Diese Punkte können mit frei definierbaren Kurvenformen verbunden werden, was insgesamt zu äußerst komplexen Modulationsverläufen führt.
Neben verschiedenen Zeichenwerkzeugen steht auch ein Aufklapp-Menü zur Verfügung, mittels dem man auf eine Reihe an vorgefertigten Funktionen inklusive simulierter Standardwellenformen zurückgreifen kann. Funktionsverläufe lassen sich auch via Würfelsymbol randomisieren, das Magnetsymbol direkt darunter sorgt dafür, dass Haltepunkte exakt an Stellen im rhythmischen Raster andocken. Mit dem SCALE-Regler lässt sich die Modulationsintensität auf bipolare Weise einstellen.
Für die Klangbeispiele habe ich auf die sedieselbenlben Audiofiles zurückgegriffen, die ich damals schon im Rahmen meines Testberichts zur FX COLLECTION 2 für die anderen Filter-Plugins im Bundle verwendet hatte, einfach, damit man diese besser vergleichen kann.
Den Anfang macht ein recht obertonreicher (sonst gäb es ja nichts zu filtern…) Klang aus einem Synthesizer-Plugin, mit einer über vier Takte gehaltenen Note. Zunächst ist der unbearbeitete Klang zu hören, anschließend fünf unterschiedliche Bearbeitungen mit derm FILTER MS-20:
Klangbeispiel ARTURIA FILTER MS-20 – Synth
Das zweite Beispiel besteht aus einem Drum Loop (TR-808-Samples), den ich nun schon wiederholt in dem einen oder anderen Testbericht eingesetzt habe. Die ersten vier Takte sind trocken, danach folgen wieder fünf ebenso lange Durchläufe mit verschiedenen Einstellungen:
Klangbeispiel ARTURIA FILTER MS-20 – Drum Loop
Alles in allem weist Filter durchaus eine an das Original erinnernde Charakteristik auf und vermag zusammen mit der Distortion eine gute Portion Edeldreck in Spiel bringen. Ich werde mich jetzt aber keinesfalls zu weit aus dem Fenster lehnen und behaupten, dass das Plugin der Hardware in allen Belangen das Wasser reichen kann (ich sehe schon die erbosten Kommentare der eingefleischten MS-20-Fans, wenn ich dies täte…). Für reine In-the-Box-Produktionen ist FILTER MS-20 aber schon eine gute Wahl.
Schleudertrauma…
Das neueste FX-Plugin von ARTURIA nennt sich ROTARY CLS-222 und ist tatsächlich erst mit der Veröffentlichung der FX COLLECTION 4 in Erscheinung getreten. Wie das vorangestellte ROTARY im Namen schon verrät, handelt es sich bei diesem Effekt um die Nachahmung eines Rotor-Kabinetts, landläufig auch LESLIE genannt, das Klangschwebungen mithilfe des als Dopplereffekt bekannten physikalischen Effekts erzeugt.
Wenn man es genau nimmt, stellt das ROTARY CLS-222 eigentlich die Emulation einer Emulation dar, denn das zugrunde liegende Vorbild, das DYNACORD CLS 222 aus deutschen Landen, verwendete ebenfalls keine rotierenden Lautsprecher, sondern ahmte den Effekt nur auf elektronischem Wege nach, dies aber erstaunlich gut, sodass das Gerät zusammen mit seinem direkten Vorgänger CLS 22 viele Jahre lang produziert und feilgeboten wurde.
In der Standard-Ansicht der Bedienoberfläche wartet das ROTARY CLS-222 bis auf wenige Änderungen mit den gleichen Parametern auf, die auch die Hardware zu bieten hat.
Auf der linken Seite finden wir zunächst einen Pre-Amp mit regelbarer Vorverstärkung. Gegenüber dem Vorbild bietet ARTURIA’s Plugin hier noch die Auswahl zwischen emulierter Vakuumröhre oder Op-Amp. Letzterer kam auch bei der Hardware zum Einsatz.
Rechts daneben folgt der eigentliche Rotor-Effekt. Er besteht aus den Parametern ROTOR BALANCE, STEREO IMAGE und EFFECT, der beim Vorbild noch vorhandene VOLUME-Regler wurde beim ROTARY CLS-222 nach rechts außen verfrachtet (OUTPUT).
ROTOR BALANCE ist ein bipolarer Drehregler, mit dem man das Mischungsverhältnis zwischen dem Bass Rotor und dem Treble Rotor einstellt.
STEREO IMAGE hieß beim Original von DYNACORD noch BASIS und war dort ein vierstufiger Drehschalter zur Einstellung der Stereobreite. ARTURIA hat daraus einen stufenlosen Drehregler gemacht, der von mono bis zu 120 Prozent reicht. Die festen Stufen der Hardware, also STEREO 1 (35 Prozent), STEREO 2 (65 Prozent) und SUPER STEREO (90 PROZENT), sind über entsprechende Markierungen zu erreichen.
Bei einem Einsatz als reines Mono-Plugin ist STEREO IMAGE logischerweise nicht verfügbar. RORARY CLS-222 kann aber auch mono-to-stereo sowie stereo und dual mono arbeiten, je nach Art der Spur in der DAW.
EFFECT dient als Bypass-Schalter für den Rotor-Effekt, hält aber den Pre-Amp und die Nachbildung analoger Schaltkreise weiterhin aktiv.
Die Sektion SPEED CONTROL, die beim Vorbild nicht nur manuell, sondern auch via Fußschalter zu bedienen war, bietet die Einstellungen FAST (schnell), SLOW (langsam) und STOP (angehaltene Rotoren). Die simulierten Bass- und Treble-Rotoren weisen unterschiedliche Geschwindigkeiten auf, die mittels Blinken zweier virtueller LEDs visualisiert werden.
Das auch beim ROTARY CLS-222 vorhandene ADVANCED PANEL bietet weitere Optionen, die über die Möglichkeiten der Hardware hinausgehen. Da wäre zunächst ein Hochpassfilter (INPUT), welches die tiefen Frequenzen des Eingangsignals beschneidet. Sein Regelbereich geht von 20 Hz bis 20 kHz.
GLOBAL SPEED erlaubt eine unabhängige Einstellung der Geschwindigkeiten von Bass Rotor und Treble Rotor, zudem ist hier auch eine Synchronisation zum Host-Tempo mit unterschiedlich langen Teilern bzw. Vielfachen möglich. Per TREBLE RATIO-Schalter kann die Geschwindigkeit des Treble Rotors auch in einem definierten Verhältnis (zwischen 4:1 und 1:4) zu der des Bass Rotors gesetzt werden.
DISTANCE ändert die virtuelle Größe und Form der „Flugbahn“ beider Rotoren unabhängig voneinander, resultierend in unterschiedlich wahrgenommenen Abständen vom Hörer. Die Rotationskurve kann dabei kreisförmig, aber auch in Form einer Acht verlaufen.
MIX verändert das Dry/Wet-Verhältnis, also die Mischung zwischen dem originalen und dem bearbeiteten Audiosignal. Praktischerweise hat ARTURIA hier an eine Mix-Lock-Funktion gedacht, die das eingestellte Mischungsverhältnis auch bei einem Wechsel des Presets beibehält.
Mittig im ADVANCED PANEL finden wir schließlich noch den sogenannten VISUALIZER, der eine visuelle Rückmeldung der Rotorenbewegungen in Form einer Animation bietet. Der Bass Rotor wird dabei durch einen roten und der Treble Rotor durch einen gelben Leuchtpunkt dargestellt. Flugbahn und Drehgeschwindigkeit entsprechen den aktuellen Einstellungen der STEREO IMAGE- und DISTANCE-Regler. Wenn beide Rotoren sich mit identischer Geschwindigkeit und Flugbahn bewegen, dann erscheint nur ein einziger oranger Leuchtpunkt. Die Phase, mit der die beiden Rotoren sich zu- bzw. gegeneinander bewegen, lässt sich hier ebenfalls festlegen (in 90-Grad-Schritten).
Als ich mich an die Klangbeispiele gemacht habe, musste ich feststellen, dass die wenigen E-Orgel-Sounds (diverse Samples und aus dem ARTURIA ANALOG LAB) à la HAMMOND, FARFISA und Co, die ich auf meinem Rechner finden konnte, allesamt schon in Leslie-Effekten getränkt waren. Als habe ich kurzerhand zu einem Schweineorgel-Preset gegriffen, das ich im CHERRY AUDIO DCO-106 gefunden habe, und damit vier Takte zusammen geklimpert. Der erste Durchlauf ist trocken, danach folgen fünf Variationen mit dem ROTARY CLS-222.
Klangbeispiel ARTURIA ROTARY CLS-222 – Synth-Orgel
So ein Rotary-Effekt macht sich aber nicht nur auf E-Orgeln gut, auch wenn man ihn gemeinhin damit verbindet, sondern kann auf artfremden Klanggut ebenfalls seine Wirkung entfalten, wie man anhand des schon bekannten TR-808-Loops hören kann. Die ersten vier Takte sind dabei wieder trocken, gefolgt von fünf Bearbeitungen:
Klangbeispiel ARTURIA ROTARY CLS-222 – Drum Loop
Überraschenderweise macht der ROTARY CLS-222 selbst bei der effektvollen Bearbeitung menschlicher Stimmen und deren Surrogate eine gute Figur (trockenes Signal wieder zu Beginn):
Klangbeispiel ARTURIA ROTARY CLS-222 – Vox
Ich muss ja gestehen, dass ich mir vom ROTARY CLS-222 am Anfang doch herzlich wenig versprochen habe, ich bin nun mal kein Orgelspieler und habe von daher auch bisher kein Bedürfnis nach einem virtuellen Leslie-Effekt verspürt. Nachdem ich jetzt aber durch das Experimentieren damit auch ganz andere Einsatzzwecke zu entdecken vermochte, darf ARTURIA’s Neuling aber gerne in meinem Plugin-Ordner bleiben!
Inwieweit ROTARY CLS-222 nun tatsächlich wie das Vorbild von DYNACORD klingt, entzieht sich mangels Original leider meiner Kenntnis.
Fazit:
Mit der FX COLLECTION 4 erging es mir im Prinzip erst einmal ähnlich wie schon ein Jahr zuvor mit ihrem Vorgänger: Vier neue Plugins, von denen nur eines wirklich neu ist und eines auch schon gratis erhältlich war, soll das tatsächlich alles sein? Das mag jetzt aber auch daran liegen, dass ich alle Neuzugänge bis auf FILTER MS-20 und ROTARY CLS-222 schon längst mit eigenen Testberichten bedacht hatte, zum Teil bereits im letzten Jahr (DIST COLDIRE). Dadurch wird da Bundle aber nun nicht schlechter, ganz im Gegenteil, denn die Plugins sind meiner Meinung nach ja durchaus gut und brauchbar.
Ich frage mich allerdings, ob das nächste FX-Plugin, das dann natürlich nicht Bestandteil der FX COLLECTION 4 sein wird, in nur wenigen Wochen auftaucht…?
Meine Auflistung positiver und negativer Punkte deckt sich ebenfalls weitestgehend mit der FX COLLECTION 3. Dazu gehört leider einmal mehr auch wieder die fehlende MIDI-Learn-Funktion, obwohl auf der Produktwebseite explizit mit „Real-time control“ via MIDI geworben wird.
Nachdem ARTURIA’s übliche Einführungsangebote und Treue-Rabatte für Bestandskunden gerade vorbei sind, wird die FX COLLECTION 4 nun zu einem regulären Preis von 499,- Euro feilgeboten, damit ist sie genau 100,- Euronen teurer als die Vorgängerversionen 2 und 3. Dafür sind jetzt aber auch vier weitere Plugins im Bundle, was umgerechnet einem nur leicht gestiegenen Preis-pro-Effekt entspricht (falls solche Milchmädchenrechnungen überhaupt von Belang sind…).
Die Effekte können auch einzeln für jeweils 99,- Euro erworben werden, was sich aber tatsächlich nur empfiehlt, wenn man wirklich nur einen einzigen Effekt aus der Sammlung möchte, ansonsten fährt man mit der kompletten FX COLLECTION aber natürlich besser, beim regulären Preis spätestens ab dem fünften Plugin. Andererseits ist ein halber Tausender auch nicht gerade ein Pappenstiel.
Daher noch ein Spartipp: Wie ich gerade feststellen konnte, gibt es die ARTURIA FX COLLECTION 4 beim bekannten deutschen Musikalien-Versandhaus aus Treppendorf derzeit für 279,- Euro, und bei der Konkurrenz aus Köln sind es auch nur 20,- Peitschen mehr (also unter 10,- Euro pro Plugin).
Positives:
+ guter Grundklang der einzelnen Effekte
+ große Bandbreite an verschiedenen Effekten
+ gelungener Mix aus retro und modern
+ zahlreiche Extra-Funktionen integriert
+ leicht erlernbare Bedienung
+ praktische In-App-Tutorials
+ Offline-Aktivierung möglich
+ CPU-freundlich
Negatives:
– nach wie vor keine direkte MIDI-Controller-Anbindung
Produktwebseite:
https://www.arturia.com/products/software-effects/fx-collection/overview#de